Zwei ältere Damen im Publikum, kurz vor meinem Kleist-Vortrag, während man noch Stullen, Pastillen und Hustinetten auspackt:
- „Sinn ja gezz viel mehr Polizei da…“ –
- „Ja? Wo denn?“ –
- „Na, anne Demo vorne vor, datt sich da keiner hinsetzt auffe Straße oder so.“ –
- „Gehss duu denn auf Demo?“ –
- „Sischer! Haatz4, unn allet, imma Montach! Seit Jaarn schon!“ –
- „Haatz4? Für meehr gezz, oder? Oder wie?“ –
- „Auch, ja, für mehr unn gegen Arbeizbedingungn unn so…“ –
- Unn imma montachs? Is aber doch teuer…?“ –
- „Nee, hab ja Tickett…“ –
- „Tickett könntense mia ma schenken. Ich fahr Farrad! Imma! Bisse schnellwech wenn ma watt is, Raubüberfall oder Vergewaltung…“ –
- „Na. Na ja. Wolln ma gezz hören, watter Haneld uns saagn will…“
Uuuund: Spottlight an! Im Glanze tausender bildungsbürgerlich glühender Augenpaare erstrahlt der dicke, alte Magister. Er lächelt gütig und sagt: „Ahämm. Tja. Also. Kleist.“
* * *
Wenn dem Deutschen eines über die lodengrüne Hutschnurkordel geht, dann sind das Leute, die irgendwas machen oder sind, ohne behördlicherseits dazu ermächtigt zu sein, denn da könnte ja jeder kommen und Dinge anstellen, über die man keine Kontrolle hätte, bzw. gar nicht wüsste, ob das überhaupt erlaubt ist oder ob die da oben einen bloß mal wieder verarschen oder was. Deshalb ist die einzige Injurie, die sich im Nachkriegsdeutschen beinhart hält, diese: „selbsternannt“! Wenn ich mich recht erinnere, hat Max Goldt schon vor 8o Jahren darüber sich beömmelt, dass man ihn einen „selbsternannten Kolummnisten“ schimpfte.
Ich hingegen bin, schenkt man dem Kommentarpöbel Glauben, als „selbsternannter Islamkritiker“ unterwegs, weil ich mir vom Großmufti in Saudi-Kuckucksheim nicht die Erlaubnis geholt habe, seinen mittelalterlichen Scheiß für krank zu halten! Dabei kritisiere ich gar nichts. Wer daran glaubt, dass sich Gott einen analphabetischen arabischen Kamelhirten ausgesucht hat, um ihm seine zweifellos goldenen Worte zu diktieren, bitte. Solange er andere mit dem unsäglichen Quatsch in Ruhe lässt, soll mir sein Wahn egal sein.
Als ich früher beim Kinderschutzbund arbeitete, kam mal ein Typ zu mir, der glaubte, Jesus zu sein und den Auftrag zu haben, nach Reinheit in der Welt zu suchen. Ich bestärkte ihn in seinem Glauben, riet aber dazu, fürderhin die Reinheit nicht mehr mit Teleobjektiv unter den Röckchen siebenjähriger Spielplatz-Mädchen zu suchen. Wir schlossen einen Kompromiss. Er durfte weiter Jesus sein, sofern er aber der Pädophilie abschwor. Soweit ich weiß, hat das geklappt.
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Apropos krank. Ich habe an der Wikipedia-Universität Arzt studiert und bin der Meinung, ich litte eventuell, man verzeihe mir solche intimen Wartezimmer-Epen, an dem Dingsbums-Syndrom. Da so etwas leider ziemlich viele Menschen glauben, habe ich, wiewohl Privatpatient, beim einzigen deutschen Koryphäenspezialisten für dieses Syndrom erst im Februar einen Termin bekommen. Bis ich offiziell an der Diagnose erkranke, bin ich also lediglich ein selbsternannter Patient. Mal gut, dass ich nicht befürchte, Krebs zu haben!
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Nach dem Vortrag lasse ich immer die Kinder zu mir kommen. Leutselig antworte ich auf Zuhörer-Fragen. Die eine Dame von vorhin fragt: „Wie jetzt? Kant hat dem Dings, wie der heißt, gesagt, er soll welche ansprechen?“ – „Was, was? Wie jetzt?“ frage ich zurück. „Ja, und woher haben Sie denn überhaupt das, was sie da vorgelesen haben?“ – „Vorgelesen?“ – „Ja, die Blätter da, wo Sie in der Hand hatten!“ – „Die hab ich halt selber geschrieben. Is ja ’n Vortrag.“ Die Dame zweifelt: „Das von Kant auch?“ – „Nee, das natürlich nicht. Das hab ich zitiert.“ Sie guckt mich an als sei ich der leibhaftige Guttenberg. Mir wird das zu kompliziert. Ich greife in meiner Not zur Konfusionstechnik und trompete: „Genau! Ich wünsch Ihnen auch ein schönes Weihnachten!“ und husche aus dem Vortragssaal. – Manno, bevor ich noch mal behaupte, ich sei in der Erwachsenenbildung tätig, gestehe ich lieber: Ich bin ein selbsternannter Messias. Damit es wenigstens wirklich kracht.
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