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Das Tao der Diva (Sex im Altertum)

16. Juli 2012

Weise Frau: Marlene

Für Kenner. Arte nun wieder: Mitten im Sommerloch bekam ich kostenlos einen meiner Zehn-Unsterblichen-Lieblingsfilme kredenzt: Altmanns The Long Goodbye. Dass so was noch gezeigt wird! Elliot Gould, der beste, schrägste, tragischste, jüdischste und komischste Phillip Marlowe aller Zeiten. Allein die breit ausgespielte Eingangsszene, in der er vergeblich versucht, seine Katze per ausgeklügeltem Dosenfraß-Etikettenschwindel mit falschem Futter zu betuppen, hat Beckett-Format! Beim Wiederanschauen fiel mir auf, dass Gould den bierernsten Marlowe mit der Körpersprache von Groucho Marx beseelt. Das fanden die Fans des humorfreien Humphrey Bogart damals  empörend!

In den Sexigern. Jungvolk, macht mal das Handy mit den Porno-Clips aus und lauscht, wie es früher war! Das ist lehrreich!  In der spät-adenauerschen Holzapfelzeit hießen die Mädchen zum Beispiel noch Renate, Petra, Jutta oder sogar Agnes von. Honigblonde Zöpfe trugen sie oder eine trockene Hippie-Krause und dazu noch neongelbe Nylon-Unterröcke, die bösartig statische Elektrizität verknisterten, wenn man hektisch versuchte, sie ihnen über den Kopf zu streifen. (Gibt es die Bekleidungskategorie „Unterrock“ heute noch? Ich meine – außer bei den Amish People?) Beim Spazieren-Küssen im Wald verdrehten sie die Augen, dass man nur noch das Weiße darin sah. Es war noch Goethe-Zeit und manchmal der blanke Horror. Die Beatles wollten bloß meine Hand halten. Heidrun auch. Mehr war nicht. Wilhelm Reich empfahl aus sozialpolitischen Gründen dringend sexuelle Befriedigung, sagte aber leider nirgends, wie und mit wem. Zum Äußersten, dem Geschlechter-Verkehr kam es natürlich nicht; in der Tanzschule wurde unerbittlich „Hey Jude“ gespielt, wozu man Ingrid und Gudrun andauernd auf die spitzen Schuhe trat und vor lauter purem Selbstekel auf der Oberklippe und in den Handflächen schwitzte. Man muss sich das vorstellen: Man war Zeitgenosse von Bob Dylan und Lou Reed – und ging in die Tanzschule! Slow-Fox und lateinamerikanisch Standard. Gott war offenbar tot oder senil.

Blindbacken. „Der Aufschub bildet das Wesen des Lebens.“ (Jacques Derrida) – Stimmt vielleicht, für notorische Prokrastinierer wie mich sowieso. Man könnte aber auch sagen, Leben ist wie Blindbacken. Blindbacken bedeutet, so habe ich gerade von der Gattin gelernt, dass man zum Beispiel Blätterteig hat, als Trägermaterial für etwas Leckeres, und den backt man erstmal vor und belegt ihn dabei, damit er nicht vorzeitig aufgeht, mit Blindmaterial, zum Beispiel Kichererbsen, die später keine Rolle mehr spielen, und erst dann kommt das Eigentliche auf den Teig, wobei dieser Zeitpunkt im Leben leider fast nie eintritt, denn das Eigentliche, zum Beispiel Blaubeeren, Ziegenkäse und Mango-Chutney, kommt immer zu spät. Einfacher Syllogismus: Das Leben ist im Wesentlichen halbgarer Blätterteig mit verbrannten Kichererbsen – also immer im Aufschub. Erfüllung ausgeschlossen. Die Hoffnung machts. Wir tanzen in einen Morgen, den es nicht gibt. Immerhin haben wir Kichererbsen.

Yüz yıl uyuyan masal prensesi. Etwas kompliziert auf türkisch, auf deutsch einfacher: Dornröschen. Ich hätte nie gedacht, dass Märchen für mich noch mal erkenntnisfördernd sein könnten, aber genau das ist es: Azizze, 19, Abiturientin, meine Nachhilfeschülerin, mein teilzeitweise adoptiertes Sorgenkind, ist Dornröschen! Sie tut nichts, sie weiß nichts, sie interessiert sich Null für gar nichts. Sie schläft einfach, zehn, zwölf, vierzehn Stunden am Tag, das ist ihr Existenzmodus, schön, sanft, unberührt von jeder Art Leben. Sie braucht nicht mal ein Kopftuch. Weltenentrückt im begriffslosen Schlummer, wie die narkoleptische Prinzessin aus Grimms Fantasy-Repertoire. Alles, was sie zu wissen müssen glaubt, steht im Koran. Den sie freilich nicht wirklich versteht, denn sie kann ja kein arabisch, das allerdings dann immerhin auswendig. Irgendwann, vielleicht in hundert Jahren, kommt die Erweckung resp. Erlösung. Wenn diese die Form eines Prinzen annimmt, wird das evtl. in Kauf genommen. Und ich habe sie trotzdem durchs Abi gepaukt! Ich möchte dies als dezente Eigenreklame verstanden wissen. Mag. Kraska: Ihr Mann für aussichtslose Fälle!

 Marlene. Manchmal ist das Leben wie der MDR: Ein Idiotenprogramm für überalterte Debile mit habituellen kognitiven Defiziten. Ein jeder kennt das gut: Es gibt Tage, da glaubt man, von lauter Schwachköpfen umgeben zu sein. Aber, bitte, Vorsicht: Eine gefährliche Situation! – man vergisst nämlich darin leicht, dass man selber auch keineswegs die hellste Birne am Leuchter ist. Dieser Irrtum ist so verbreitet, weil er im Alltagsleben einfach unmittelbar plausibel erscheint: Ein vom Hirn-Schimmel bedrohter katholischer Klotzkopf bekommt den Büchner-Preis, obwohl er nachgewiesenermaßen nicht einen einzigen korrekten deutschen Satz zustande bringt. Ein Philosophieprofessor macht Weltkarriere, während er zerebral seit Jahren oder Jahrzehnten im Koma liegt. Ein lausiger Gurkenhobel-Propagandist, der seine Weltlaufbahn vor dem Neuköllner Karstadt begann, wird millionenschwerer TV-Moderator und gefeierter Quizmaster. Nur man selbst, das genuine Originalgenie, bleibt zurück, wird nichts, verdient nichts, und keiner kennt einen. Ist das nicht empörend? – Ach, eher nein. Machen wir uns nichts vor: Ruhm ist für Idioten. Als Maximilian Schell das Kunststück vollbrachte, eine Film-Doku über die Dietrich zu drehen, ohne eine einzige Bild-Aufnahme von ihr zu haben, teilte die Diva mit brüchiger Stimme am Telefon mit: „Über mich wurden schon 50 Bücher geschrieben, Ich lese die nicht. Ich gehe mich einen Dreck an.“ Womit ihr Genie endgültig bewiesen ist.

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Abwesenheitsnotiz, mit guten Zitaten

31. August 2011

Hier geht es evtl. rund! Kraska ist moseln...

Es gilt unter Kennern nicht gerade als untrügliches Zeichen geistigen Überfliegertums, sich über das Wetter zu beklagen, ich weiß. Es wäre so, als wollte man über die Gravitation jammern, was ich aus schwergewichtigen Gründen zwar im Stillen auch manchmal tue, aber es ist halt dieses Allerweltslamento doch von so eklatanter Sinnlosigkeit und ein derart plattes Klischee, dass man gute Erziehung und korrekt gebügelte Lebensart eher dadurch unter Beweis stellt, dass man mit einem mild stoischen Lächeln über die unvermeidlichen Unbill des Erden-Daseins hinweg geht. Vielleicht ist es ein Vorurteil, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein britischer Gentleman jemals über das Wetter spricht. – Freilich gibt es zu jedem einer- auch ein andererseits.

In dem Film „Willkommen Mr. Chance“ (im Original: „Being there“), einem meiner zehn Lieblingsstreifen aus den späten  70ern, die ich  einst in Cihcago, Illinois, im Kino sah oder sehen und entziffern durfte (war ohne Untertitel!), spielt der legendäre Peter Sellers in einer seiner letzten Rollen einen tumben Einfaltspinsel von Gärtner, der nur eine Weisheit beherrscht: „Well, first there is spring, then you’ll have summer, which just follows autum, and after that – winter. Then spring again“. Diese Binsenweisheits-Worte spricht er aber mit solchem Ernst und so großer Emphase, dass alle Welt denkt, er meint das bestimmt irgendwie metaphorisch und als sibyllinische politische Anspielung; man hält es für ein Statement über Ökonomie und Marktzyklen, lädt ihn in TV-Talkshows ein und am Ende wird er damit Präsidentschaftskandidat in den USA. Damals eine super Satire, würde der Film heute nicht mehr funktionieren, weil die Behauptung, dem Frühling folge der bzw. ein Sommer, nicht mehr als Binsenweisheit gilt, sondern als heikle, unsichere und höchst umstrittene Prophezeiung.

Das Blöde ist: Ich bin Sternzeichen Salamander, von der Physiologie also wechselwarm, und hatte eine längere sonnig-warme Phase fest eingeplant, um leichtblütig über die bevorstehende Herbst- und Winterdepression zu kommen. Stattdessen regnete es mir monatelang kühl und herzlos ins Hirn. (Wer sich Sorgen um mich machen will, sollte es JETZT tun, bitte. – Vielen Dank, sehr freundlich.) Die Depression erhebt ihr träges Haupt. Bang deklamiere ich für mich den armen Hölderlin: „Weh mir, wo nehm ich, wenn
/ Es Winter ist, die Blumen, und wo
/ Den Sonnenschein, / Und Schatten der Erde?
/ Die Mauern stehn
/ Sprachlos und kalt, im Winde
| Klirren die Fahnen.“ So sieht es doch aus! Vor lauter Fahnenklirren und Blumenvermissen ist mir schon jetzt ganz blümerant zumute.

Erstaunlicherweise war es der große Elisabethanische Unterhaltungsschriftsteller, theatralische Räuberpistolen-Dichter und Prophet William Shakespeare, der meinen Zustand vorausahnte, als er seinen Narren („Was ihr wollt“) folgenden Singsang anstimmen ließ: „Und als der Wein mir steckt’ im Kopf / Hopheisa, bei Regen und Wind! / Da war ich ein armer betrunkener Tropf; / Denn der Regen, der regnet jeglichen Tag.“ – Yes, Sir, so kann man es ausdrücken! Hier im Westen regnet in der Tat der Regen jeglichen Tag. Erst war er warm, der Regen, dann fröstelig kühl, jetzt wird er schon empfindlich kalt. Ich will nicht übertreiben, aber – ist schon mal jemand am Wetter gestorben? Darauf ankommen lassen werde ich’s grad nicht, Freunde – weshalb ich zu einem verzweifelten Mittel greife: Obwohl ich diese Tätigkeit perhorresziere: Ich reise! Und zwar ab!

Bloß an die Mosel zwar nur, und lediglich ein paar Tage, weswegen die Gattin schon ätzt: „Das wird bestimmt mehr so’n Rentnerurlaub!“ – Sicher, doch „immerhin“, repliziere ich schlagfertig, „wandern wir noch nicht durch den Harz, du mit blauem Popeline-Blouson und ich in straff gebügelter beiger Anglerweste!“ Kann nichts schaden, der Gattin schon mal die eheliche Zukunft auszumalen; die stillen Tage im Alzheim.

Wenn also hier einige Tage nichts Neues unter der Sonne (Ha!) erscheint, dann, weil ich moseln gefahren bin. Entweder herrscht dort eitel Sonnenschein, oder ich stecke mir enorme Mengen Wein in den Kopf. Vielleicht, begeisterungshalber, auch beides. Danach habe ich mit Sicherheit SAD („seasonal affective disorder“), wofür zumindest die Klassiker noch angemessenes Verständnis hatten. Wenn ich es irgendwie vermeiden kann, werde ich von dem romantischen Moselort keine Fotos machen, keine Klöster und Burgen beschreiben und auf die Belobigung von Restaurants und Weinprobierstuben strikt verzichten. So viel Noblesse muss sein. Indes, falls ich dort, in der Fremde, dem wahren Leben begegne, dann lass ich es von euch grüßen. 

Aus dem Alltag eines Berufsphilosophen

18. Mai 2011
Imannuel Kraska, als Kant

Mit meinem Beruf bin ich etwas verschämt. Dabei bin ich weder Zuhälter, noch Anwalt oder Immobilienmakler. Schamhaft nuschele ich immer was von „Dozent in der Erwachsenenbildung“. Dabei dürfte ich eigentlich ruhig zugeben, dass ich „Philosoph“ bin, denn das hab ich gelernt und das bin ich ja auch, zertifiziert, diplomiert und behördlicherseits ordnungsgemäß abgestempelt. Aber es klingt immer so blöd komisch, entweder prätentiös anmaßend oder, hm, etwas windbeutelig. Sage ich die Wahrheit, heißt es prompt mit kaum versteckter Häme: „Und was ARBEITET man so, als, ahem, … Philosoph?“  Darauf gibt es diverse Antworten mit unterschiedlichem Wahrheitsgehalt. Zum Beispiel könnte ich sagen:  „Ooch, direkt arbeiten tue ich eigentlich nicht, ich sitz bloß am Schreibtisch und unterstreich so in Büchern…“  Mit etwas mehr Lust zur Mystifikation klänge es vielleicht so:  „Tja, morgens nehm ich halt meine Medikamente, schniefe ein paar lines Koks, trinke Kaffee und dann geht’s zur Matinée mit Düsseldorfer Industriellen-Gattinnen, die mir an den Lippen hängen bzw. zu Füßen liegen und mir verstohlen prall gefüllte Sparbücher zustecken...“ –  Die Wahrheit liegt, leider, noch nicht mal irgendwo dazwischen.

In Wahrheit träume ich vor mich hin, prokrastiniere ziellos ins Blaue, grübele konfus über dieses & jenes – bis plötzlich das Telefon läutet. Ou-ou, jemand Offizielles! Vom ***Museum im Kant-Park! „Herr Magister Kraska!“ trompetet der junge Mann, „entschullien’se die frühe Störung! Wie Sie vielleicht wissen, leite ich das Philosophie-Café im *** Museum!“ –  „Gern“ repliziere ich (wg. der Störung), – „leider nicht“ (wg. dem Wissen) und  „viel Erfolg!“ – (wg. des bestimmt ambitionierten Vorhabens). – „Ich habe da so ein spezielles Konzept…“ verrät der Mann. – „Aha?“ antworte ich, mäßig interessiert. – „Jaha, und zwar möchte ich mal die Philosophie so mehr auf die theatralische Ebene heben, wenn Sie wissen, was ich meine…“ – Nö, keinen Schimmer, weswegen ich erstmal schweige. – „Ja, und in diesem Zusammenhang wäre da oder hätte ich mal die Frage, ob Sie vielleicht einen halbstündigen Vortrag über Kants Drei Kritiken halten möchten, draußen da, im Park, im Rahmen so einer theatralischen Performance, am Donnerstag?

Als ich noch jung und heißblütig war, hätte ich entweder zu lachen begonnen oder spontan etwas sehr Ätzendes formuliert. Reif und gelassen geworden, stelle ich hingegen sachdienliche Fragen: „Mit den drei Kritiken meinen Sie aber doch Immanuel Kants 2500-seitiges Hauptwerk, für das er 25 Jahre gebraucht hat? –  Mit Donnerstag meinen Sie übermorgen? – Und mit einer halben Stunde meinen Sie, äh, so… 30 Minuten? Ach so, und mit ‚theatralisch’, dass ich mich im Park verstecke, beim Auftauchen einer von Ihnen geführten Touristengruppe im Kant-Kostüm hinter einem Baum hervorspringe und ein bisschen was vor-philosophiere?“ – Auf jede Frage erntete ich ein „Ja“, wenn auch mit allmählich abnehmendem Selbstbewusstsein. Es gäbe, so der Anrufer, spürbar sich windend, evtl. als Honorar auch so, na ja, sagen wir vielleicht, hm, so … „hundert Euro?“ 

Kurz habe ich durchkalkuliert, was eine bulgarische Nutte bei mir um die Ecke in „Sin City“ für ’ne halbe Stunde ohne Gummi bekommt, dann habe ich abgelehnt. Erstens könnte ich im Rokoko-Kostüm allerhöchstens den dicken schottischen Bonvivant und Erz-Skeptiker David Hume verkörpern, nie und nimmer aber den bucklicht rachichitischen, asketischen Knochenmann Kant; zweitens sind selbst einem Didaktik-Genie wie mir zwei Tage Vorbereitung zu wenig; drittens könnte ich in 30 Minuten gerade mal „Meine verehrten Damen und Herren“ sagen; viertens sind die Zeiten, wo ich mich zu neckischen Spielchen im Park versteckte, seit einem Vierteljahrhundert vorbei. Außerdem, um ehrlich zu sein, für einen Hunni den Affen zu machen – das findet man mit Zwanzig okay, in meinem Alter aber nicht mehr, weswegen ich fünftens, vor allem leider aus Zeitgründen, die geschätzte Anfrage leider ablehnen müsse.

Hinterher hatte ich Skrupel und Grund zum Grübeln: Bin ich jetzt eine Diva geworden? Habe ich Allüren? Ich zog das Tao der Demut zu Rate. Aber selbst dort stand nicht, der Gelehrte („das alte Langohr“) habe sich prinzipiell zum Idioten zu machen.  Ich fühlte mich gestärkt. Es gab mir die Kraft, den Rest des Tages über die geistesverwahrloste Erlebnis-„Kultur“ der Gegenwart angemessen kulturkritische Gedanken zu wälzen. Beschlossen aber habe ich, zur Veranstaltungsreihe „Warum wir Kulturmanager allesamt verrohte Komplett-Idioten sind“ meinen Beitrag zu leisten. Zur Not im Nietzsche-Kostüm, mit dem Hammer in der Hand. – Als ich mein Erlebnis im Seminar-Kreise zum Besten gab, wurde mir versichert, man wäre aber bestimmt gekommen, mit der Kamera, um mich im Kant-Kostüm abzulichten. – Schön, wenn man Respekt genießt!

Warum immer Sonnenbrillen? Der Phänotyp des Bösen

11. Mai 2011

Warum tragen Diktatoren immer Sonnenbrillen? – Kim Yong Il bei der Weinprobe

Woran erkennt man einen Serienkiller? Laut Aussagen der fassungslosen Nachbarn zumeist daran, dass er überhaupt nicht wie einer aussah. Einen guten Bankräuber erkennt man indes daran, dass man sich an sein Aussehen par tout nicht erinnern kann. Woher weiß man aber, dass man einem Diktator gegenübersteht? Das ist einfach. Diktatoren tragen immer Sonnenbrillen. Warum tun sie das? Sei es, dass sie nicht erkannt werden möchten, wenn sie ihr zusammengeklautes Geld von Schweizer Nummernkonten abheben, sei es, weil sie das Elend des eigenen Volkes nicht mit ungeschützten Augen mit ansehen können. Manche Diktatoren kombinieren die Sonnenbrille mit dem Hemd einer Beduinen-Tunte; andere tragen nachtblaue Mafioso-Anzüge von Brioni und maskieren sich mit brutalen Allerweltsfressen, denen man lieber nicht im Dunklen begegnen möchte. Dr. Hannibal „the cannibal“ Lecter trug das Gesicht von Sir Anthony Hopkins, was furchteinflößend genug war. Wieder andere Tyrannen verstecken sich hinter arabischen Namen, die sich kein Sau merken kann.

Früher war alles einfacher. Adolf Hitler war eine Marke, schon wegen der scheußlichen Frisur, dem absurden Bärtchen und den durchfall-farbenen Uniformen. Stalin erkannte jedes Kind an seinem tabakgelben Georgier-Schnauz und den verschlagenen Trinker-Augen; Massenmörder Maos Vollmondgesicht wurde durch die berühmte Pickel-Warze kenntlich. Gegenbeispiel: Pol Pot. Wer mag da am Computer ein Fahndungsfoto erstellen? Der könnte sich theoretisch, wenn er nicht tot wäre (ist er doch, oder?), vom deutschen Geheimdienstnetzwerk beschützt, ein Haus an der Elbchaussee kaufen und keiner würde ihn erkennen. Noch raffinierter: Die KZ-Schnalle und Mädchen-Schinderin Heidi Klum: Ihre umoperierte Allerweltsnase und das Quietsche-Entchen-Organ machen sie unbeschreiblich. Kurzum: Das Böse hat viele Gesichter.

Nur wenige kennt man aus dem ff bzw. TV: Jörg Kachelmann, Guido Westerwelle, Frank Elsner, Stefan Raab, Karl Moik, Gaddafi oder Phillip Rösner, der sich allerdings unter einer albern grinsenden Asiaten-Maske verbirgt. Wie es scheint, hat die ehrwürdige Wissenschaft der Physiognomik auf ganzer Linie versagt. Das Anerbieten, aus angewachsenen Ohrläppchen oder Hakennasen Substantielles über den Charakter eines Menschen zu schließen, wird nur noch selten gemacht. Inzwischen regieren wieder Geschmack und Sympathie. Es liegt mir fern, einen Gefallenen noch zu schubsen, aber ich habe nie verstanden, warum Karl Theodor zu Guttenberg bis vor ein paar Wochen (so ändert sich die Optik!) in den Medien immer einhellig als gut, ja „blendend“ aussehend bezeichnet wurde. Also von da, wo ich gucke, hatte er immer schon eine ausgesprochen brutale Hackfresse. Jetzt freilich sieht er immer vergrätzter, mauliger, frisch geohrfeigter und wie von Mutti beim Onanieren erwischt aus.

Gleichviel, auf welche sexuelle Orientierung ich mich gerade kaprizierte, ihn hätte ich auf jeden Fall immer „von der Bettkante geschubst“. Sagt man so noch? Von der Bettkante geschubst? – Wirklich gut aussehend, also das war für mich Osama bin Laden! Woran man mein physiognomisches Unvermögen erkenen kann. Und wenn ich mir meine eigene Nase anschaue, die ich auch gern in meine eigene PhotoBooth-Kamera hänge – na, die Hand würd ich für mich auch nicht gerade ins Feuer legen…

Kraska, Halb-Diktator

Kleist rockt! Annonce

29. April 2011

Heinrich von Kleist, König des Nebensatzes

Es soll dem Vernehmen nach aber in dem neblichten Gaue, wo das Westfälische und das Niederheinische sich zur vagen Vermischung und Durchdringung treffen und in ein konfus hybrides Landschaftsgemenge – nicht sowohl der Hügel und Auen, als vielmehr auch der Herzen und Seelen – sich zur Vereinigung anschicken, einer brav schwarzbrot-kartoffeligen deutschen Region also, die bekanntermaßen, wiewohl gefährdet und angeteufelt durch die bedrohliche Nähe des französischen Erbfeindes und der verderbten Niederlande, durchaus vaterländisch treu und biedertrotzig sich, weiter dem Gerüchte nach, recht wacker als teutsches Grenzrayon durchgeschlagen hat, und zwar in einer von welschem Wein-Genuss noch unangekränkelten Bierbrauerstadt mit dem altholländisch-schollerndem Namen Duisburg, ein entlaufener Magister, Ex-Theolog und Gelehrter der sieben Artes Liberales sich einigermaßen wohl befinden und derohalber dort seine irdische Frist hinbringen, der auf den Namen Bruno Kraska, wenn auch vielleicht nicht recht höret, so doch mittels dieses immerhin amtsbekanntermaßen bestätigten Titulus behördenkundig sein soll, welchselber Skribent, wie das Gerücht will, der seltenen magischen Kunst einigermaßen kundig sei, Sätze zu drechseln, wie komplex, interpunktionsreich und schwurbelig sie sonst nur der berühmte abgebrochene Student der Kameralwissenschaften und altpreußische Adelssproß Heinrich von Kleist hätte hinbekommen, dem in diesem Aufsatze zuvörderst das höhere Andenken mehr und rechtlich gehöret, welchselbes Gedächtniß und frommes Angedenken sich nicht zuletzt aus jener erschröcklichen That ableitet, die sich vor zweihundert Jahren am Ufer des Kleinen Wannsees, dem von den Bauern Stolper Loch genannten Gewässer, zutrug, jedem Christenmenschen zum Grauen,  allwo nämlich besagter Kleist, Sproß einer hochangesehenen Familie, die sonst unzählige Generäle, Majore und gar einen Feldmarschall hervorbringen durfte, im Falle des armen Heinrich aber nur einen zu Lebzeiten erfolglosen Dramatiker und Novellendichter, Projektemacher und Pläne-Zernichter, dem, wie er selbst mit eigener Hand schrieb, „auf Erden nicht zu helfen“ gewesen, sich, in Begleitung einer gewissen Frau Vogel, mit Hilfe eines Pistol selbst entleibt hat. Leider!

Hüte sich aber das verehrte Publikum, diese That für den ganzen Mann zu nehmen, welcher nämlich ein zwar unaufgeräumter, doch überragend heller Kopf gewesen, ein Meister, Magier und Machthaber der deutschen Zunge überdies, dem wir markerschütternde Tragödien, heiterste Lustspiele und atemberaubende (besonders beim Vorlesen!) Novellen verdanken, mit denen füglich das unreife Schulvolk bis zum Abwinken traktiert werden sollte, dergestalt, daß die Jugend einmal merken wolle, wie wenig die deutsche Sprache auf die leichte Schulter genommen werden könne, in Sonderheit zu gegenwärtigen Zeiten, wo das Heilige Idiom Goethens, Schillerns und eben auch und gerade Kleistens in arge Gefahr geraten ist, von den barbarischen Lauten des Englischen oder Osmanischen überflutet, erobert und zuschanden geritten zu werden, sodaß eine finstere, geistferne Zeit einzutreten droht, in der man Kleistens Werk schon kaum noch lesen, geschweige denn verstehen und würdigen dürfte. Dieses am Horizont dräuende Elend zu wehren und zu dessen Prävention beizutragen, indem er des Genius gedenke, hat sich oben bezeichneter Magister nun entschlossen, jenem Kleist einen Vortrag oder eine Vorlesung  zu widmen, einen rühmenden und ehrenden Aufsatz, den er zu gegebener Zeit, so er eben fertig geworden ist, spätestens aber im November dieses Jahres dem geneigten Publico, so es eben gebildet und auch willens ist, zu hören, unterbreiten wird, versprochen und Ehrenwort!

Sollten aber die Gebildeten Anstoß nehmen und in Atemnot geraten ob der naturgewaltigen Hochflut in einander geschachtelter Nebensatzkonstruktionen, dergestalt dass sie dem Überdruß nahe, das Mitdenken einzustellen drohten, wäre, in diesem Falle, weil er auch an die Geneigtheit seiner Mitbürger angewiesen ist, der Autor bereit, sich dazu zu bequemen, gewisse Kürzungen vorzunehmen, ja, sich sogar zu einer preußisch-militärischen Breviloquenz zu verstehen, indem er das Thema seiner Abfassung auf einen spitz gesetzten Punkt bringt: KLEIST ROCKT! 

Acoustic Geddo (His Masters Voice)

14. Oktober 2010

So, jetzt sollte es klappen: Auf mehrfachen Wunsch der Artikel „Geddo Symphony“ vom Autor gelesen, als mp4

geddo symph

Einstürzende Altnormen: Kraska tritt zurück!

27. Juli 2010

Meinetwegen: Ein Wort zu dieser Schmutzranderscheinung. Gottes Mikrophon-Fellatrice im Aufmerksamkeitsnotstand. (Foto: static.rp-online.de/.../ 21979-eva-hermann-AP.jpg)

Also gut, meinetwegen ein Wörtchen zu dieser Schmutzranderscheinung namens Eva Hermann. Was solls? Soll ja auch das kleinste Kotzbröckchen nicht unbeachtet bleiben. Irgendwer muß auch das ja mal wegmachen. – Ich sags also mal so: Da offenbar niemand den Job des Sündenbocks will, und ich als bereits berenteter, weitgehend (zu weit gehend?) ausgedienter Denk-Magister eh auf keine Zukunft mehr hoffen darf, habe ich mich nach reiflicher Überlegung entschlossen, die volle Verantwortung zu übernehmen! Ich wars! Ich bin schuld! Mein Kopf rolle! Ja, es ist die „fast völlig nackte“ Wahrheit: Ich habe das Loveparade-Desaster gewollt, habe es von langer, ja, jahrzehntelanger Hand geplant, vorbereitet und mit Gottes Hilfe auch erfolgreich durchgezogen. Meinen satanischen Neigungen folgend habe ich dabei, dessen darf ich mich immerhin rühmen, „ganze Arbeit geleistet“. Ich habe sogar Sachverständige eingebunden, im Vorfeld alles richtig gemacht und in der Nachbereitung nichts ohne Not zugegeben!

Apropos: Zugegeben, zunächst wollte ich mich hinter den gerade am Pranger des Volkszorns stehenden üblichen Verdächtigen, den notorischen Inkompetenzschranzen, Erbämlichkeitsdezernenten, den windelweichen Schön-, Klein- und Ausrednern, den schwadronierenden Beschwichtigungsschwuchteln und bestallten PR-Heuchelmördern vom Schlage Pleitgen, Scheydt, Gorny, Jäger, Sauerland, Rabe, Schaller, Schmeling et al. verstecken.  Naiverweise dachte ich, wer die Chuzpe besitzt, das eigene Totalversagen als „stimmiges Konzept“ zu verkaufen, der wird doch am Teufel wohl drei gute goldene Haare lassen und dessen Großmutter zur Schönheitskönigin ausrufen können! Da habe ich mich aber verrechnet (Achtundsechzig minus 666: Nullsumme!). Leider haben sich diese Windel-Weichei-Wichte derart klein gemacht, dass sie mir keine vernünftige Deckung boten.

Entlarvt wurde ich von einer einzigen, unerschrocken zu ihrem Glauben stehenden, schlichten Blondine aus dem Volk: Frau Eva Hermann , welche mir das Handwerk legte, bloß mit der Waffe des treffenden Wortes und der Schärfe eines zeitgeschichtlich wie kulturkritisch unbestechlichen analytischen Blickes ausgerüstet.

Folgendermaßen  aber ließ sich Gottes schärfste Fregatte seit Hildegard von Bingen in Gottes Namen über das Loveparade-Desaster vernehmen:

„Die unheilvollen Auswüchse der Jetztzeit sind, bei Licht betrachtet, vor allem das Ergebnis der Achtungundsechziger (sic!), die die Gesellschaft „befreit“ haben von allen Zwängen und Regeln, welche „das Individuen doch nur einengen“. Wer sich betrunken und mit Drogen vollgedröhnt die Kleider vom Leib reißt, wer die letzten Anstandsmormen (sic!) feiernd und tanzend einstürzend einstürzen lässt, und wer dafür auch noch von den Trägern der Gesellschaft (sic!) unterstützt wird, der ist nicht weit vom Abgrund entfernt. Die Achtundsechziger haben ganze Arbeit geleistet.“ Autsch, das saß.

Ich gebe zu, ich habe gesündigt: 1.) Ich bin, wenn auch einer allerjüngsten, Achtundsechziger und damit durchaus verantwortlich für die sattsam bekannten „unheilvollen Jetztzeitauswüchse“; 2.) und ja, zahllose Male war ich in all den Jahren seither zweifellos sinnlos betrunken, manchmal wohl auch „mit Drogen vollgedröhnt“, und habe in diesem erlösungsbedürftigen Zustand a) „feiernd und tanzend“ mindestens mir, b) oft genug aber auch willigen Zweiten oder gar zunächst noch unbeteiligten Dritten „die Kleider vom Leib gerissen“, bis diese „fast völlig nackt“ waren oder zumindest „den Busen … blank zogen“, Hoho!; 3.) ferner es mit systematischer Diabolik darauf angelegt, – und das war weißgott nicht immer einfach!, „die letzten Anstandsmormen (!) feiernd und tanzend einstürzen“ zu lassen. Letztlich habe ich aber, wie man sieht, diesen Anstandsnormen-Einsturz tadellos zuwege gebracht. Dank meiner Wühlarbeit sieht man heute allüberall „fast völlig nackte“ bzw. „dünn bekleidete Körper“ herumeiern, „in Trance“ meistens und „im Rhythmus zuckend“. 4.) Möchte ich mich bei den „Trägern der Gesellschaft“ (so wie natürlich meinen Eltern, meiner Frau, meinem Agenten, meiner Produktionsfirma sowie allen facebook-Freunden und Twitter-Followern) für ihre Unterstützung bedanken: Ohne euch Gesellschaftsträger hätte ich es bis hierin nie geschafft! 5. Wohin? Nun, ich stehe „nicht weit vom Abgrund“. Deswegen trete ich ja auch zurück! Ich bitte die Herren Träger oder Rücktrittsbremsen, die sich hinter mir verstecken, mal eben Platz zu machen.

Wie Frau Hermann, die – anders bzw. päpstlicher als Papst Bendixt der Viertelvorzwölfte –, die Tanzwut der Jugend eindeutig als Teufelswerk und „Ergebnis der Achtundsechziger“ identifiziert hat, richtig ahnt: Hier haben „auch ganz andere Mächte eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen“. Ein Ende mit Schrecken, nun ja, tja, nebbich, aber bei „Drogen-, Alkohol- und Sexorgien“ darf der Herrgott nun mal  kein Auge zudrücken. Sonst übersähe er vielleicht die „dünn bekleideten Körper“ (sic!), die sich „betrunken, vollgekifft, mit glasigen Blicken… in rhythmischem Zucken wie in Trance wiegen“;  womöglich hätte er so auch die Töchter Sodoms nicht entdeckt, die einen Anblick bieten wie „in der Verfilmung der letzten Tage, wie sie in der Bibel beschrieben werden“. Ich hab die Bibelstelle grad nicht parat, aber laut Frau Hermann lautet sie ungefähr: „Viele Mädchen haben den Busen blank gezogen (sic!), manche sind fast völlig (!) nackt. Sie wiegen sich in orgiastischer Verzückung in ohrenbetäubendem Lärm, Begriffe wie Sittlichkeit oder Anstand haben sich in den abgrundtiefen Basschlägen (sic!) in Nichts aufgelöst“. – Und am Schluß emergiert der Antichrist in Form des Geistes von Dr. Motte und reitet auf dem Goldenen Kalb!

Die Vision aus der apokryphen Hermann-Apokalypse ist freilich markerschütternd. Schon der Anblick „fast völlig“ nackter Mädchen lässt einen natürlich seelisch in den Grundfesten wanken; sich unter „abgrundtiefen Basschlägen in Nichts auflösende“ Begriffe sind da fast nur noch einen völligen Tick grauenerregender.

Trotz allem und jetzt mal im Klartext: Ich bin – manchmal mit grimmig zusammengebissenen Zähnen – Verfechter des § 5 unseres Grundgesetzes – jeder soll seine Meinung frei äußern dürfen! Und sei’s, der Herr verzeihe mir, der würgendste, gottfernste, von allen guten Geistern verlassene absolute Scheißdreck! Er mag und darf sich äußern! Nicht umsonst heißt es bei Geistesfürst Schiller: „Sire, geben Sie Gedankenlosigkeitsfreiheit!“ Dieses Recht auf unbeschränkte, unzensierte Dämlichkeitsäußerung gilt, das muß man als Verfassungspatriot nun mal aushalten, auch für geistig unzweifelhaft „fast völlig“ verwahrloste, verzweifelt gegen ihre zehrende Bedeutungslosigkeit ankrähende Publicity-Nutten und postklimakteriellen Hysterikerinnen vom medialen Straßenstrich der Aufmerksamkeits-Junkies und abgehalfterten C-Promis, die ihre umfassend nekröse Hirnzerrüttung und persönlichkeitsverheerende Hormonkatastrophe zu Markte tragen, weil ihnen selbst allgemeine und einhellige Verachtung lieber ist als gar keine Aufmerksamkeit. – Ich muß wegen dieser indenzenten, unappetitlichen Metapher um Entschuldigung bitten: Auch blondschillernd-fette Mast-Schmeißfliegen sind zwar unbedeutend und der Rede nicht wert, gewiß, und dennoch bieten sie, wenn sie in die Leichname gerade Verstorbener Eier legen und ihre Maden wachsen lassen, einen ekelerregenden Anblick. Ich weiß auch nicht, aber bei manchen Mitgeschöpfen kommt mir immer des grandiosen François Villons „Großes Testament“ in den Sinn und der Vers (am besten von Klaus Kinski gesprochen!): „Man schlage diesem Lumpenpack / das Maul / mit schweren Eisenhämmern / kurz und klein“.

Keine Sorge, dies ist natürlich kein Aufruf eines unbelehrbaren Achtundsechzigers zur Gewalt gegen Personen. Ich möchte nicht ernsthaft, dass man Frau Hermann schwere Gegenstände in die erzdumm aufgehübschte, sorgfältig restaurierte Botox-Schnute wirft! Um Gottes Willen! Ich wollte nur zu Protokoll geben und ganz im Allgemeinen zum Ausdruck bringen, dass mir, im Zweifelsfall, der unverstellt narzisstische Selbstgenuß eines „fast völlig nackten“ jungen Loveparade-Mädels in Trance weitaus angenehmer anzuschauen scheint als die schamlose, abgeschmackte widerwärtige, reaktionäre Denunziation jeder ausgelassenen jugendlichen Sinnen-Freude aus dem Plappermaul eine alt gewordenen Hure, die, vom Verschwinden der Freier beunruhigt, plötzlich auf Nonne macht. Kleopatra badete in Eselsmilch und Männer-Sperma; andere MILFS bevorzugen halt Krokodilstränen-Bäder und fromme Friktionen im Unterleibsbereich des Bewußtseins. Wem schon Spanische Fliege, Eigenurin und Spargelextrakt nicht halfen, der versuche es halt mit Jugend-Neid, Ressentiment und hormonell bedingter Unterleibsverbitterung!

Ich übernehme jedenfallls die „fast völlige“ Verantwortung für alles: Daß unbedarfte RanschmeißerInnen und erbarmungswürdig aufmerksamsnotgeile, skrupellose Mikrophon-Fellatricen ihren unsäglichen Senf zu allem und jedem beigeben dürfen und die Öffentlichkeit selbst das noch rezipiert, ist, fürchte ich, auch ein „Ergebnis der Achtundsechziger“! Daß die Medien, stets bitter angewiesen auf eine neue Sau, die man durchs Dorf treiben kann, zur Not und im Sommerloch auch der Logorrhöe einer Schwatztruhe von Ex-Fernseh-Ansagerin verfallen resp. Aufmerksamkeit schenken, ist strukturell bedingt und unvermeidlich. Wäre ich selber freilich so eine Gossen-Hure, ich wäre mir des göttlichen Beistandes nicht so sicher. Gott kann, wie die Ereignisse zeigen, ähnlich wie der Teufel, ziemlich unberechenbar sein. Auch dümmstes Geschwätz bleibt nicht immer ungestraft. Gottlob bin ich nicht gottesfürchtig – aber wer es ist, und sei es als PR-Marotte, der zittere besser.

Mich trifft der Blitz eher nicht; ich bin flink zurückgetreten.

Fremdenführung durch „da ‚Hood“

15. Mai 2010

Guck jetzt nicht hin, da die
Smarten, die Harten, die Derben
Das sind Balkankriegs-Serben.
Die grüßen mich nie.

Die da mit den Halbmondfahnen
proben als sture Alt-Osmanen
Den Spagat
Zwischen Bacardi-Cola
Und Kalifat.

Die dunklen Jungs am Wiesengrund
Nennt man Tamilen, und
sie wollen bloß (Volleyball)
spielen.
Auch bei Exoten ist auf jeden Fall
Der Ball meistens rund…

Die Finstergucker am Eck? Ach, Skipetaren,
Machen etwas Im-, meistens aber Export
Vielleicht sinds auch Kossovaren,
jedenfalls, wenn sie reden
Versteh ich kein Wort.

Häkelkappe, Vollbart und Kaftan,
Die Burkasse immer dahinter,
Das ist ein Mullah aus Dingens-tan,
Sein Name? Na,
bestimmt nicht Günther!

Ich sags nicht gern, doch der Roma-Rumäne,
Und zwar wegen dem seinem Müll,
macht mir manchmal Migräne!
Den Dreck in die Tonne stopfen
Ist dem schon zuvüll.

Und dann die armen Bulgaren
Auf ihren Limousinen
Liegt ein Fluch:
Immer müssen sie mit ihnen
durchs Viertel fahren,
Den Parkplatz nimmt ihr Besuch.

Des Nomaden liebster Spaß ist Grillen.
Die Türken grillen wie irre,
Als sei das ihr’m Allah
Sein allahhöchster Willen.
Mich macht der ganze Qualm
Schon ein bißchen kirre.

Opa, und wie erkennt man die Polen?
Gar nicht, Junge, sind gute Katholen
Wie wir auch,
Nur etwas mehr unverhohlen
Ist deren Wodkaverbrauch.

Einen Belorus oder einen Ukrainer
Kennt – jetzt persönlich – keiner,
und doch sind sie da, mit ’nem Truck,
Und was sie liefern,
Ist sicher kein Muckefuck.

Steinern die Fresse, das Kinn aus Granit,
Die Putins wollen immer nur eines: Profit.
In ihrem BMW-Cabriolet
Frauen, Waffen und Schnee.
Wenn du sie störst, tun sie dir weh.

Hier, die Süßen: Emine, Dilem und Semra
Verhüllen mit Doppelkopftuch ihr Haar.
Ich finds a weng schizophreng:
Ihre Hüftjeans sind nämlich hauteng!

Die ganze Black Community groovt
Wenn Miri „Queen Mum“ Kuti zum Essen ruft,
Ihre Sandalen machen fröhlich flip-flap,
Auf den Tisch kommt freilich
Meistens Millipap.

Multikult! Ein Durcheinander von Nationen und Rassen.
Es gäbe bei manchen Gründe, einander zu hassen,
Doch tut man es nicht. Auf engem Raum
Geht man sich aus dem Weg, gelassen,
man kennt sich ja kaum

Sensationell: Kraskas anderes Ego schreibt auch!

8. Dezember 2009

Der Durchblicker: Zwerg Allwissend im Billy-Regal (erklärt die Welt...)

Es wird gemunkelt: Hinter den Kokshalden, hinter den sieben Stahlkombinaten, hinter dem Industriequalm der Montan-Montage wohnt Kraskas Dr. Jekyll: Der Zusammenhangsaufklärer, Traurigkeitslehrer, Rätselschleifer und lustige Rechtdenke-Mönch Reinhard Haneld. Hier in Duisburg zelebriert er seine klandestinen Geheimzusammenkünfte, um einer winzigen, im Grunde handverlesenen und stark überalterten Elite freier Geister die Geheimnisse der Philosophie zu erklären. Er kennt dabei weder Rücksicht noch Gnade. Er guckt Frau Sophia unter den Rock und schaut, was des Kaisers neue (oder altehrwürdige) Kleider wert sind.

Reinhartd Haneld ist der Bruce Lee des Denkkampfsports; er vereinigt den Sex-Appeal von Frau Hannelore Elsner mit der erkenntnisfördernden Galligkeit von Hannelore Hoger. Reinhard Haneld ist gewissermaßen der Charles Bronsen-Rächer jener, die an philosophischen Texten schon immer verzweifelten. Kurz melancholiert er auf der Mundharmonika, aber dann schießt er schon, blitzschnell, aus dem Hinterhalt.

Nun fragen immer wieder auswärtige Virtual-Freunde: Da will ich mal dabei sein! Nur: Wie soll ich denn bloß nach Duisburg kommen? Und wo krieg ich das Tickett für diese geheimen Denk-Parties? Und gibt das in Duisburg überhaupt Herbergen?

Alles nicht nötig, Freunde. Bruno Kraska hat sich entschieden: Er trennt sich von seinem Autor! Der krieg jetzt einen eigenen Blog! Die Adresse ist:

http://reinhardhaneld.wordpress.com/

und der Blog heißt mit halb gequälter Lustigkeit: „denkfixer„. Dort wird der Herr Magister Dr. Jekyll in loser Fortlaufenheit (?) seine rund hundert Vorträge, Aufsätze und Texte zur freien und kostenlosen Lektüre veröffentlichen, Texte, die sich mit Büchern und Autoren, Philosophie und Alltagsfragen befassen, Texte, die jeden Leser und jede Leserin auf Anhieb pro Stück und Stunde um ca. 24% klüger machen.  Und ihnen Atem und Nachtschlaf rauben!

Der Reigen beginnt mit einem Vortragstext über „Laienphilosophie„, also mit der Beantwortung der Frage, warum sich ganz normale, intelligente, geistig gesunde Menschen dennoch mit Philosophie beschäftigen sollten und was evtl. dabei herauskäme.

Hernach folgen weitere Texte: Über die Philosophie des Reisens etwa, über den Genuß, die Sinne und den Tod, aber auch Würdigungen unserer Lieblinge: Montaigne, Stirner, Nietzsche, Robert Walser, Samuel Beckett, Jorge Louis Borges usw. – Und alles ohne Kosten und Verpflichtungen! Dafür erwarte ich orntlichen Beifall, Nachbarn!

Nebenbei kann, wer sich für so was interessiert, Licht in das Dunkel der Frage bringen, welch Geistes Kind eigentlich Magister Kraska ist. Denen, die lesen mögen, wünsch ich viel Spaß. Den meisten anderen mach ich demnächst eine Zeichnung!

Aura kaputt, aber a scheene Leich

8. Juli 2009
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"Kennen wir uns?" Pappkamerad Altenberg (links) und Bewunderer Kraska im Central

NOSTALKOHOL

 Ich weiß zuviel. Ich bin Besserwisser. Das meiste, was ich unternehme, tue ich daher wider besseres Wissen. Je mehr Wissen, desto öfter macht man Sachen, bei denen man schon vorher weiß, es kommt nichts dabei heraus. Und je älter man wiederum wird, desto häufiger verzichtet man auf Unternehmungen, die voraussichtlich zu nichts führen. Unterm Strich: frühe Alterslethargie! Denn die alte Ingenieursweisheit „use it or loose it“ stimmt ja: Beispielsweise hab ich, weil ewig nicht mehr benutzt, komplett meine Aura-Erschauerungsfähigkeit verloren. Früher erschauderte ich gern etwa auf Pariser Friedhöfen: Die Ruhestätten Stendhals, Balzacs oder Prousts mit ihrer Aura ergriffen mich, sogar das Grab von Molière auf dem Père Lachaise, obwohl er da gar nicht drinliegt, höchstwahrscheinlich, ließ heilige Schauer über meine innere Haut rieseln!

Und heute? Vorbei. Mythische Orte lösen gar nichts mehr in mir aus. Man könnte mich vor den brennenden Dornbusch stellen, aus dem einst der Herr Jehova zu Moses redete – schnöde würde ich sagen: „Meinetwegen können Sie den Brenner jetzt abstellen!“ Ich bin, scheints, zu 100% gedenkstättenresistent geworden. Gefühlskalt wie eine frigide Fregatte! Zeigte mir Papst Benedikt XVI. persönlich den Sarkophag, von dem er neuerdings glaubt, er berge die gebrochenen Knochen des Heiligen Märtyrer-Apostels Paulus, so liefe aus meinem Mund – würde unsere Begegnung denn in einem mittelalterlichen Bildwerk festgehalten – so ein Spruchband heraus, auf dem stünde: „Ach was! Was Sie nicht sagen, Heiliger Vater! Hier also liegt der Hund begraben? Wie ungemein spannend!“ – Natürlich wäre das Band mit einer goldbrokatenen Borte aus lauter Ironiezeichen umbördelt.

Diese meine schon ins Eisige spielende Abgebrühtheit, Indolenz und Unbeeindruckbarkeit macht es schwer nachvollziehbar, warum ich das Café Central besucht habe, aber Konsequenz macht das Leben ja auch langweilig und vorhersehbar. –

Das Cafe Central! Wer hat nicht davon gehört? Einst DAS Wiener Kafeehaus. Meine geheimen Helden, Peter Altenberg, Alfred Polgar, Anton Kuh, Egon Friedell und Karl Kraus pflegten hier zu verkehren, wie man so sagt, verbummelten hier ihr Leben und saugten sich ihre berühmte locker aufgeschäumte Kaffeehausliteratur aus den nikotingelben Fingern. Der Dichter und Außendienstler „im Damenverehrungsgeschäft“ Peter Altenberg gab sogar, als er ins Literaten-Lexikon (Kürschner) aufgenommen wurde, das Cafe Central als seine Adresse an!

Alfred Polgar entwickelte hier sogar seine „Theorie des Cafe Central“, die folgendermaßen beginnt: „Das Café Central ist nämlich kein Caféhaus wie andere Caféhäuser, sondern eine Weltanschauung, und zwar eine, deren innerster Inhalt es ist, die Welt nicht anzuschauen. Was sieht man schon?“ um u. a. fortzufahren: „Das Café Central liegt unterm Wienerischen Breitengrad am Meridian der Einsamkeit. Seine Bewohner sind größtenteils Leute, deren Menschenfeindschaft so heftig ist wie ihr Verlangen nach Menschen, die allein sein wollen, aber dazu Gesellschaft brauchen.

Indes, auch das Herumlungern in Kaffeehäusern erfordert so etwas wie buddhistische Übung:  „Teilhaftig der eigentlichsten Reize dieses wunderlichen Caféhauses wird allein der, der dort nichts will als dort sein. Zwecklosigkeit heiligt den Aufenthalt. Der Gast mag vielleicht das Lokal gar nicht und mag die Menschen nicht, die es lärmend besiedeln, aber sein Nervensystem fordert gebieterisch das tägliche Quantum Centralin. Mit Gewöhnung allein ist das kaum zu erklären, auch nicht damit, daß es den Centralmenschen, wie den Mörder an den Ort der Tat, immer dorthin ziehe, wo er schon so viel Zeit totgeschlagen, ganze Jahre ausgerottet hat. Also was denn ist es? Das Fluidum! Ich kann nur sagen: das Fluidum! Es gibt Schreiber, die nirgendwo anders wie im Café Central ihr Schreibpensum zu erledigen imstande sind, nur dort, nur an den Tischen des Müßigganges, ist ihnen die Tafel der Arbeit gedeckt, nur dort, von Faulenzlüften umweht, wird ihrer Trägheit Befruchtung. Es gibt Schaffende, denen nur im Central nichts einfällt, überall anderswo weit weniger.

Alfred Polgar mußte es wissen, der er verbrachte hier Tarock-Karten spielend ein beträchtliches Quantum Lebenszeit, sodaß der „Sprechsteller“ Anton Kuh schon unkte: „…sah man ihn stundenlang so sitzen, dann war gewiß der Gedanke ununterdrückbar: ‚Herrgott, was könnte aus diesem Mann werden, wenn er hier nicht stundenlang tarockspielend säße!Diesethalben saß er und spielte.“ Daß in diesem Biotop der Eckensteher und Herumhänger eine höhere Genie-Dichte pro Quadratmeter zu verzeichnen war als in London oder Paris (immerhin gingen auch Hugo von Hoffmannsthal, Arthur Schnitzler, Sigmund Freud u. a. hier ein oder aus), konnte man als Fremder nicht erkennen. Anton Kuh : „Der unbefangen Eintretende allerdings hätte mit Recht darauf geschworen, nichts als zeitunglesende und kartenspielende Spießer vor sich zu sehen.“

Die große Zeit der Bohème, der geistreichen Schnorrer, scharfzüngigen Spötter und edelfedernder Wortvirtuosen ist freilich schon im Märchenland versunken, will sagen: schon nicht mehr wahr, seit hundert Jahren vorbei. Das heutige Central residiert zwar noch immer in der Herrengasse im 1. Bezirk, aber nicht mehr im einstmals berühmten Kuppelsaal der Börse, sondern im ehemaligen Foyer einer Bank, das man im Stil toskanischer Neo-Renaissance aufgehübscht und marmoriert hat. Bohème gibt’s nicht mehr (es sei denn, die Genies tarnen sich als Touristen und „zeitungslesende Spießer“), und Peter Altenberg, der berüchtigte Schnorrer, hätte seinen Wohnsitz wohl kaum in einem Café genommen, in dem ein kleiner Schwarzer 3,70 Euro kostet.

Freilich: der Kuchen hier ist noch immer köstlich, die Kellner sind auch in der heurigen Generation von vollendeter Wiener Höflichkeit, und mit ein bißchen Einbildungskraft mag man sich in eine Zeit zurückträumen, als Kaiser Franz Josef noch gütigst das Reich zu regieren geruhte, die beiden Weltkriege noch nicht geführt waren und die größte Aufregung ein falsch gesetztes Komma im Leitartikel auslöste, über das Karl Kraus und Anton Kuh in Streit gerieten.

Das Cafe Central weiß natürlich, was es seinen Literaten schuldet und hat zumindest Peter Altenberg ein Denkmal gesetzt in Form einer lebensgroßen Pappmachée-Figur desselben, die am Eingang sitzt und sich, ohne eine Miene zu verziehen, von den Jebildeten unter den Touristen fotographieren läßt. Das Café Central der Jahrhundertwende ist lange tot – aber es is a scheene Leich!