New Year’s Hangover
Ein bißchen hab ich von der Silvesternacht noch einen Kater. Aber warum heißt das eigentlich so? Niemand kann mir das erklären*. Warum jammert man nicht: Menno, ich habe vielleicht ein Mordskänguruh? Oder ein verflucht schlimmes Nacktnasenwombat, nur beispielsweise? Ich selbst besaß früher einmal einen Kater, er hieß originellerweise Tiger, aber außer dass er etwas streng roch und immer versucht hat, die Sofalehne zu vögeln (sagt man bei Katzen überhaupt vögeln?), war das ein ganz liebes Tier, ein ganz liebes. Weder hat er mir den Magen umgedreht noch im Kopf herumgehämmert wie blöde. Manchmal kapiere ich Metaphern nicht, da liegt irgendeine Blockade vor. Kann die mal jemand wegmachen? Ich wage jetzt auch mal eine Metapher, die nicht jeder verstehen wird, und zwar: Ein Jahr ist eine Tüte Chips. Oder, Moment, vielleicht besser: eine Tüte Erdnussflips. Genau! Ich darf kurz einflechten, dass die Erdnuss gar keine Nuss ist, sondern eine Hülsenfrucht; dies zu wissen kann Partys bereichern und einen in den Mittelpunkt einer faszinierten Damenwelt stellen, von der man rotwangig angestaunt wird. Was der alles weiß! Zurück zur Erdnuss. Kürzlich sah ich das Plakat einer Gutmenschenorganisation, da stand drauf: Problem: Kinder weltweit verhungern. Lösung: – und als Lösung war da dann eine Erdnuss abgebildet. Eine (1) einzelne Erdnuss! Das muss man sich mal vorstellen: Da streckt einem ein armes Negerkind – früher hatten die sowas und das hieß auch so: Negerkind – streckt einem also verzweifelt die dürren Hungerärmchen entgegen, und was tut man als saturierter weißer Scheißer? Man wirft ihm eine (1!) Erdnuss in den Schoß. Welthunger-Problem gelöst! Soviel zum europäischen Humanismus, Leute. Das prangere ich an! Das muss sich ändern!
Eine Tüte Erdnussflips also, und zwar, es ist doch so: Mitten in der Nacht sagt man Prost! und reißt eine Packung dieser köstlich-knusprigen, würzig-fettigen, mit naturidentischen, indes enorm Sucht erregenden Aromastoffen aufgepimpten Erdnussmehl-Würmchen auf, weil man nur mal probieren will, ob die heutigen noch so schmecken wie in der Kindheit die guten von der Fa. Bahlsen – und zack! ist die Tüte, man weiß nicht wie, schon leer geknuspert. Das ganze Jahr kurzerhand eingepfiffen, wegschmaust, uffjefressen, komplettamente. Boah! Schon kommt die Gattin, guckt streng und äußerst sich kritisch: Sag mal, hast du etwa die ganze Tüte 2013 einfach mirnichts dirnichts weggefuttert?! Muss ich wohl. Die Packung ist jedenfalls leer und das Jahr konsumiert, als wäre man nicht dabei gewesen. Viel war ja auch nicht. Von den Naturkatastrophen ist mir nur die in Erinnerung geblieben, wo die ARD vorher schon zwei Extras gesendet hat, und dann kam der Orkan hinterher gar nicht. Emmissio praecox, wie wir Altklugsprachler sagen. Und sonst? Krisekrisekrise, Skandale, Randale („Rote Flora“, die Arschgeigen), dann wieder Krise, dann Krieg. Massakermassakermassaker: Rattarattata! Austattung von der Firma Heckler&Koch, weltweit tätiger deutscher Mittelstand. Apropos Rüstungsindustrie. Irgendein frommer Leitartikelidiot maulte kürzlich, die bösen Israelis würden ihre Waffen an den armen, friedfertigen Hamas-Arabern „ausprobieren“. Ja – sollen sie es besser in Deutschland tun? Vielleicht in der Redaktion der ZEIT oder der Süddeutschen? Oder, horribile dictu, an Peter Scholl-Latour? No way, sagt Helmut Schmidt, die uralte Morla, das Orakel der bleiernen Zeit.
Wo ich bei Blei und Orakel bin – ich mache mal den Nostradamus von Notredame und verrate, wie das Jahr 2014 werden wird (damit die ARD ihre Sondersendungen planen kann): Zuvörderst wird irgendwo das Meer überschwappen und evtl. Mitmenschen ersäufen, was uns betroffen macht, aber auch nicht so sehr, dass wir uns anderntags nicht schon wieder mit anderem Grusel verwöhnen lassen. Es wird ein bisschen schneien ( ARD-Extra: „Ganz Deutschland versinkt im Schneechaos“) oder auch nicht, was wahlweise als Indiz für Erderwärmung, Klimawandel oder neue Eiszeit bekakelt werden wird. Später wird es etwas wärmer („Ganz Deutschland stöhnt unter der Hitzewelle“). Kaum ist das durchgestanden, wird ein Minister in flagranti erwischt, mit der Hand in anderer Leute Knabbergebäck-Tüte. Aufschrei! Dann Fortschritt durch Rücktritt. Guido Westerwelle wird vor einer weltweiten Erdnussölkrise warnen. So Anne Will. Dann schließlich die wirkliche Katastrophe: Dreitägiger bundesweiter Stromausfall (Sondersendung der ARD: entfällt). Die Züge der Deutschen Bundesbahn werden danach zwei Jahre Verspätung haben, die Wirtschaft bricht zusammen, die Deutschen hungern. Die Unesco schickt jedem Bürger eine Erdnuss. Rettung! Puh, das war knapp! Überdies werden wieder mehrere betagte Mitmenschen den Löffel abgeben. Ein Berufskraftfahrer wird sich böse den Kopf anstoßen (Extra: „Ganz Deutschland betet für Idol Schumi!“), aber nee, Augenblick, das war ja schon. Am Ende aber, so weissage ich, wird es eine bundesweite Finsternis geben, die Menschen werden sich betrinken, Polytox-Cocktails in den Himmel werfen und eine neue Tüte Leben aufreißen, sofern beide Hände gesund drangeblieben sind bei der Knallerei. Und dann die Tüte. Lecker neue Erdnusslocken locken. Bitte, greift nur zu! – Ausblick auf 2015: The same procedure as every year: Die Menschen werden einen Kater haben.
*Wer das unbedingt wissen will, der klopfe hier an: http://www.gfds.de/sprachberatung/fragen-und-antworten/uebersichtsseite/einen-kater-haben/
This entry was posted on 1. Januar 2014 at 5:55 PM and is filed under Notizen. You can subscribe via RSS 2.0 feed to this post's comments.
Schlagwörter: 2013, 2014, Anne Will, ARD, Blei, Erderwärmung, Erdnuss, Erdnussflips, Guido Westerwelle, Heckler & Koch, Helmut Schmidt, Idol, Israel, Kater, Klimawandel, Krise, Lösung, Metapher, Mittelstand, Molotox, Nacktnasenwombat, Naturkatastrophe, Nostradamus, Orakel, Peter Scholl-Latour, Problem, Rüstungsindustrie, Rote Flora, Schnee, Schumi, Sondersendung, Stromausfall, Tiger, Welthungerhilfe
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1. Januar 2014 um 6:30 PM
Leicht gibt man sich, einen Kater habend (danke für die Aufklärungsschrift dazu) auch mit der Katzenwäsche zufrieden, die noch rätselhafter ist, weil sie sich auf ein huschhusch beim Waschen bezieht, während die echte Katzen-Wäsche sehr gründlich und ausgiebig vollzogen wird.
Da Du das Jahr nun vorausgesagt hast, könnten wir eigentlich gleich mit der Tüte 2015 beginnen.
1. Januar 2014 um 6:32 PM
Warum eigentlich nicht? Ein Jahr überspringen? Zumindest Winterschlaf halten? Einfach mal das Jahr beginnen, indem man sich wieder hinlegt. Man verpasst eng nicht viel…
1. Januar 2014 um 6:41 PM
Literaturempfehlung: Therapiemanual
von Michael J. Hanel (sic). Und siehe dort bzw. aproposito praecox: (…) „Auch bei der Paarung des Katzengeschlechtes gibt es im wahrsten Sinne des Wortes einen Haken: Der Penis des Katers hat verhornte Stacheln, die mit Widerhaken versehen sind. Kein Wunder also, dass Sofalehnen vor Schmerz den Kater abschütteln und die Paarung nur wenige Sekunden dauert. So dürfte es unter den gegebenen anatomischen Bedingungen des Katers für das Sofa von Vorteil sein, wenn er unter Ejaculatio praecox leidet (…)
1. Januar 2014 um 6:43 PM
…und schon wieder beginnt das Jahr mit lebenslangem Lernen! Danke! Jetzt versteh ich mein Sofa gleich besser!
2. Januar 2014 um 7:09 AM
Interessant, dass der Kater hauptsächlich mit Studenten in Verbindung gebracht wird, die waren wohl früher besonders bekannt dafür, dass sie sich dem Alkoholrausch hingegeben haben. Ich hoffe, dein Kater ist inzwischen überstanden und über deinen Beitrag habe ich mich wieder köstlich amüsiert! 🙂
PS: Das Sofa tut mir auch leid.
2. Januar 2014 um 10:29 AM
Danke. – Dem Sofa gehts gut – ich habe sterilisieren lassen…
2. Januar 2014 um 10:27 AM
Grundgütiger. Er lebt! Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Wie läuft das Leben in der Altersresilienz … sorry … -residenz, Magister? Schön, dich wieder zu lesen.
2. Januar 2014 um 10:30 AM
Danke! Es läuft, ich gründe ein Rocker-Chapter
(Abt. Rollator ’n’Roll)
7. Januar 2014 um 11:35 PM
Ach, da bin ich aber beruhigt. Kann ich 2014 also auch ausfallen lassen.
Prosit, hm, wasauchimmer!