„INTRIGIERTE DISKRIMANALISIERUNG“: EINE EINLEITUNG
Es ist ein neues Blödwort aufgetaucht, daß mir bei jeder Lektüre heftiger zuwinkt, damit ichs endlich mal geißele. (Auf einer blödwort-analogen Verwechslung beruht es übrigens, daß immer mehr Leute von der „Geisel der Menschheit“ reden, wenn sie, ma sagen, das organisierte Verbrechen geiseln wollen. Ich glaube, sie werden durch Grimms Märchen vom „Wolf und den sieben Geißlein“ verwirrt, weil es eben nicht Geiseln sind, die der Wolf nimmt. Freilich auch keine sieben Geißeln…) Blödwörter werden in der Regel entweder vom Geschmeiß der Werbe-Texter und professionellen Wortfalschspieler oder aber von Journalisten kreiert und in Umlauf gebracht. Wenn sie blöd genug sind, werden sie bald inflationär benutzt. Manchmal werden ganz seriöse, sozusagen unschuldige Wörter zu Blödwörtern, weil immer mehr Blödwortmänner nicht mehr wissen, was sie in Wahrheit bedeuten. Da wird dann schon mal „Gourmet“ und „Gourmand“, oder „Intrigieren“ mit „Integrieren“ verwechselt, oder die Dinge werden auseinanderdividiert , zusammenaddiert oder diskriminalisiert, was weiß ich, aber egal, ich will ja eigentlich gar nicht zu einem dieser besserwisserischen Sprachpedanten werden, die schon die Augenbrauen heben und strafend hüsteln, wenn ich mal „Kommas“ sage statt „Kommata“ (obwohl wir schon ewig strafffrei „Themen“ statt „Themata“ sagen dürfen!), und die dann gleich süffisante Glossen darüber verfassen und uns etwa darüber belehren, daß sowohl „Firlefanz“ als auch „Kinkerlitzchen“ ursprünglich aus dem Französischen kommen, was mir wurst ist, da es für die Schreibweise keine Rolle spielt, anders als bei den Wörtern altgriechischer Provenienz, denen man das „Th“ oder „Rh“ mit der Rechtschreibereform geraubt hat.
Jedenfalls, das Blödwort, daß ich meine, heißt: IKONE.
Meiner Beobachtung nach – die nicht stimmen muß – tauchte das Wort erstmals vor ca. 5, 6 Jahren in Zusammenhang mit Frau Madonna Louise Veronica „Esther“ Ciccone auf, die man nicht länger Lust hatte, „Queen of Pop“ (gähn!) zu titulieren, und sie daher beschloß, zur … „Stilikone“ zu ernennen. Was die Presse-PR-Plapper-Profis damit meinen oder sagen wollten, war vermutlich, daß der Geschmack, den Frau Ciccone hinsichtlich sogenannter Anziehsachen an den Tag lege, in der Modewelt stilbildend wirke. Vielleicht spielt eine assoziative Verbindung zwischen der vagen Erinnerung daran, was Ikonen mal waren, sowie dem Namen „Madonna“ auch eine Rolle, da rund ein Drittel aller Ikonen ja … Madonnen-Bilder sind.
Die nächste Stufe zündete mit der Weiterentwicklung zum rätselhaften Begriff „Werbe-Ikone„. Mit diesem Titel bzw. dieser Berufsbezeichnung belegte man bei uns m. W. erstmals eine junge Frau namens Verona Feldbusch, die zuvor mal irgendwas mit Dieter Bohlen hatte, und die dann später jenen Herrn Pooth ehelichte, den Olli Dietrich alias „Dittsche“ hartnäckig als „Geräte–Franjo“ veralbert, jenen Geräte-Franjo, den der vorübergehend obdachlose Dittsche „nie im Leben nicht“ um ein Obdach bitten würde, da er, vgl. Folge der 17. Kalenderwoche, „auch, ma sagen, eine Würde“ hätte. – Wie wird man nun „Werbe-Ikone“? Ganz einfach. Man muß, wie Frau Feldbusch, zunächst mal nichts besonderes gelernt oder geleistet haben; es reicht, wenn man durch irgendetwas mal ins Fernsehen gekommen und den Zuschauern im Gedächtnis geblieben ist. Bei unsere Werbe-Ikone in spe war dies, neben ihren Brüsten, die sie stets wie ein Cafeteria-Tablett mit heißem Kaffee vor sich herzutragen pflegte, neben ihrer Oberweite also die Tatsache, daß sie glaubhaft vorspiegeln konnte, unglaublich doof und zudem ihrer Muttersprache nicht recht mächtig zu sein. In Wahrheit, falls das interesssiert, ist die Dame übrigens keineswegs doof, sondern clever, möglicherweise sogar gerissen, und im korrekten Gebrauch des Dativs hat sie sich längst auch unterweisen lassen.
Irgendwie aus dem Fernsehen bekannt zu sein, nennt man Aufmerksamkeitskapital – man kann es re-investieren. Da die Leute im Fernsehen sehr gern Leute sehen, die sie schon aus dem Fernsehen kennen, werden solche immer wieder in Talk-Shows eingeladen; wenn man oft genug in immer wieder anderen Zusammenhängen in solchen unsäglichen Plauderrunden präsent war, wird man von der Familie der Couch Potatoes adoptiert – jetzt ist man so bekannt, daß die Werbewirtschaft sich sagt: Dem oder der drücken wir jetzt mal einen Spinat, eine Geflügelwurst oder ein Mineralwasser-mit-Kohlensäure in die Hand und machen Werbung damit! Tritt die Ikonen-Anwärterin nun aber in Werbe-Spots auf, kennt sie bald jedes Kind. Deshalb bekommt sie immer mehr Werbe-Aufträge, verdient Millionen und wenn die Steuer fragt, was ihr Beruf sei, dann sagt sie, „also ich bin bekannt dafür, bekannt zu sein, also bin ich hauptberuflich „aus dem Fernsehen bekannt“ und damit beschäftigt, andere Dinge wie Rahmspinat oder Gelbe Seiten mit meiner allgemein beliebten Bekanntheit aura-mäßig zu adeln“. Sie könte aber auch sagen, sie sei eine „Werbe–Ikone„.
Der Begriff „Ikone“ bekam eine Aura von Erfolg, Bewunderung, Anerkennung. Schon bald fand man die Handballer-Ikone, die Trainer-Ikone und heute, ich las es eben, im alten Wolfgang Neuss die „Kaberett-Ikone“. Mit anderen Worten: Jetzt wird es langsam endgültig blöd! Irgend wie sind semantisch Dinge wie Idol, Leistungsträger, Nestor, Mentor und Trendsetter zu etwas zusammengeflossen, das man in der „Ikone“ am besten aufgehoben findet. Mit Ikonen hat das alles freilich nichts zu tun.
Leider werde ich nie zur Ikone des präzisen Sach-Journalismus avancieren, denn Thema dieses Aufsatzes sollte eigentlich die Frage sein, was eine Ikone eigentlich darstellt. Nun ist aber schon die Einleitung so voluminös, daß ich den Hauptartikel mit gesonderte Post ins Netz stellen muß. Bis dahin wünscht, mit der Bitte um fortdauernde Gewogenheit verbunden, einen flotten Tanz in den Mai:
Kraska, Abschweifungs-Ikone
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