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Tiere in der Stadt

11. Juli 2013
Alopochen-aegyptiacus

Verflogen?

Eben vorweg: Auf dem Rad zum Salatladen begegnete mir ein kleinerer Schwarm Postboten. Eifernd schnoben sie an mir vorbei und stießen aus ihren Nüstern weißen Qualm direkt in den vorne oben vor ihnen befindlichen Himmel, denn es war noch bitterer Wintermittag und in der Kantine gab es gute Suppe, bestimmt mit ordentlich Wursteinlage. Ich finde es schön, wenn Vorkommnisse erklärlich sind. Mögen Kausalitäten sich stets wohlig aneinander schmiegen, ohne hässliche Lücken zu lassen, in denen dann Schmuddel-Kommissare mit Ehe- oder Alkoholproblemen übermüdet und lustlos herumstöbern müssen!

Momentan übe ich fleißig das Affirmieren und Schönfinden, denn im Grunde ist mir nach Mieseln und Maulen, aber das nervt ja und macht alt. Schön zum Beispiel ist es ja wohl, was das ZDF mir neulich über den Papst mitteilte: „Der Papst ist nicht nur Südamerikaner, sondern auch Argentinier“. Wie es scheint, kehrt die Zeit der Doppelbegabungen zurück! – Doch nun endlich zur urbanen Fauna. Ausdrücklich begrüße ich im Stadtbild zurück den Eichelhäher, das mausgraue Moppeltaubenhudelhuhn und vor allem den stattlichen Königspudel. Letzteren hielt ich für leider ausgestorben, aber jetzt sieht man ihn hier und da wieder elegant federnd durchs Viertel traben, wobei er seine bescheuerte Frisur, für die er ja nichts kann, mit denkbar schnippischer Würde zur Schau trägt. Deutlich kühler begrüße ich indes den feinen Herren Marder, der uns den Kühlschlauch zerbissen hat. Lasse Er das inskünftig, Mistvieh!

Erlebnisse mit Tierbezug sind für den Städter generell eine willkommene Abwechslung vom Bad im Häusermeer. Gewiss, der meinungsfreudige Landmann, die hart arbeitende Landfrau, sie denken anders, sensibler, orientiert mehr an Nutzen und Frommen. Sie perhorreszieren den Schädling, den Wühler, den Beißer, das Bierschneckerl. Als metropolnisch-urbaner Tierfreund finde ich indes: Auch Bizarrem begegne man doch bitte mit höflichem Wohlwollen. So las ich mit solchem kürzlich, weil irgendwo bei uns eine Population possierlicher Biber nach erfolgter Auswilderung mittlerweile auf die stolze Zahl von fünfhundert Exemplaren angewachsen sei, hätte man sich behördlicherseits jetzt notgedrungen durchgerungen, Biberberater einzustellen. Dieser Beruf war mir neu, aber ohne Beratung geht ja heute nichts mehr; worin aber der spezielle Beratungsbedarf des Bibertums bestehen mag? Ich weiß es nicht. Wird vermutlich was mit Integration zu tun haben.

Stundenlang trug ich mich mit dem Plan, einen Song mit dem Titel „Ach, ich bin nur ein biblisch biederer Biberberater aus Biberach“ zu komponieren. Passend würde ich es von einer aus beleibten älteren Bandscheiben-Herren bestehenden Reggae-Truppe aufführen lassen, welche Biberkostüme mit enormen Überbiss-Schneidezahnprothesen trüge, wodurch der Text auf charmante Art vernuschelt und verlispelt heraus und herüber käme. Die feiste Landjugend würde höflich zum Mitsingen und -klatschen eingeladen sein, falls sie das gleichzeitig kann.

Im Übrigen ist mir klar, dass solche Projekte unter starkem Vergeblichkeitsverdacht stehen. Blütenreich duften die Wiesen und Weiden im Ideenhimmel und wem danach ist, der darf dort nach Herzenslust naschen und pflücken; leider erweist sich die mitgebrachte Ernte im Lichte morgendlicher Realität bzw. wiedererlangter Nüchternheit allzu oft als bereits hoffnungslos, d. h. irreversibel verwelkt. Dann heißt es, auf Lesefrüchte zurückgreifen: Über eine Gegend am Niederrhein las ich entzückt in der Rheinischen Post, bemerkenswert sei dort nicht zuletzt das Vorkommen des „nächtlich rufenden Weinhähnchens“. Darüber klatschte ich innerlich vergnügt in die Hände – wie innerliches Händeklatschen geht, erkläre ich ein andermal –, denn so ein nächtens rufendes, ja zuweilen sogar lauthals singendes Weinhähnchen war ja auch ich einmal; ein klein wenig enttäuscht erfuhr ich dann allerdings, das nachtaktive coq au vin sei streng genommen nichts als eine kleine Heuschreckenart, nämlich eine Blütengrille. Was Tiere sich immer für Namen zulegen!

Oder naive Navis. Gestern hatte ich am Rheinufer (im Geddo!) eine intensive Begegnung mit einem großen bunten Vogel. Es handelte sich um eine schnieke Nilgans, die nervös herumtrippelte, einigermaßen skeptisch, wenn nicht schon verstört über den Strom schaute und dabei insgesamt eine große Verlorenheit, ja geradezu Verflogenheit ausstrahlte bzw. verdeutlichte. Ihr Köpfchen mit dem eindrucksvollen Augen-MakeUp ruckte zweifelnd hin und her – und für einen einzigartigen Moment des Weltlaufes konnte ich genau verstehen, was sie dachte, und zwar dies: „Afrika, Afrika? Nie und nimmer ist das hier Afrika!“

 

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Ontologische Verteidigung des Negers

19. Februar 2012

Eigentlich schwarz: Barry White

Statistiker sagen, im Geddo hausten Repräsentanten von 99 Nationen. Das ist aber Stand vorletztes Jahr, möglicherweise sind es heute schon 120, 130, man weiß es ja nicht. Einer der interessantesten Zuwanderer dabei ist der Neger.  Er lebt nur Freitag und Samstag Nacht hier im Geddo, dies praktisch ist der Tag des Negers! Unter der Woche geht er offroad dunklen Geschäften nach. Man sieht ihn nicht, er verteilt sich und macht sich dünne. Das ist natürlich ein Vorurteil, ganz klar, das sehe ich ein und entschuldige mich in aller Aufrichtigkeit. Ich bin beileibe kein Rassist, das liegt mir fern. Der große Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, wusste übrigens, obschon er zeitlebens über das Weichbild Königsbergs nie hinausdrang, vom Neger, dass dieser morgens seine Hängematte verkaufe und dann des Abends aber nicht wüsste, wo er sich betten soll. Diese Ansicht gilt aber als überholt. Heute verkauft der Neger Hängematten, die er gar nicht hat, und schläft abends im Hotel. Ha, ha, kleiner Scherz mit Gruß an die Nigeria-Connection. Zum Glück versteht der Neger Spaß!

Manche Leute haben Vorurteile, weil sie den Neger nur aus der Schlagerparade kennen; ich hingegen darf sagen: Einige meiner besten Freunde sind sogar Neger. Einer von ihnen heißt, was mir einen unversiegbaren Quell der Verblüffung darstellt, Wolfgang! Wolfgang Mbami-Goreng. Er ist sogar durchaus auf seine Weise ein bisschen sympathisch, aber wenn wir mal so auf ein Hirsebier zusammensitzen, kommt es noch immer vor, dass ich, von einem unwiderstehlichen Drang getrieben, meinen Zeigefinger mit Spucke befeuchte und vorsichtig  an seiner Haut reibe. „Wolfgang“, sage ich dann regelmäßig, „ich wollte es nicht glauben, aber du bist ja allem Anschein zum Trotz wirklich ein in der Wolle gefärbter Originalneger! Als kämest du aus Afrika!“ Wolfgang pflegt dann mit extrem weißen Zähnen zu lachen und haut mir gutmütig eins aufs Maul. Während ich mein Nasenbluten zu stillen versuche, lacht er noch immer generös: „Bruder, Blödmann, ich BIN aus Mother Afrika!“ Ich ertrage das wiederum , denn Diskuskulturen sind halt unterschiedlich.

Wolfgang findet Weiße aus Gründen, die ich nicht teile, aber nachvollziehen kann, etwas unappetitlich. Sie haben eine Haut aus Käse, können nicht tanzen und riechen irgendwie penetrant nach türkisblauen Klo-Steinen. Wir fremdeln also, aber mit Herz und Sinn für Völkerverständigung. Wär ja noch schöner, wenn wir den Neger nicht nach seinem Gusto hier leben ließen. Die Zeiten der Sklaverei sind vorbei, heute heißt das „keine Papiere“ und, na, haha, „Schwarzarbeit“.

Ich gelte ja als philonegroid. Die Frage ist, ob auch bulgarische Roma im weitesten Sinne zu den Negern gehören. Ich denke ja nicht. Lange Zeit habe ich vergeblich versucht, an ihnen was Gutes zu finden. Es wollte mir erst nichts einfallen. Wodurch bereichert uns kulturell der Roma-Bulgare? Wir verstehen ihn nicht, denn zumeist spricht er ein Türkisch mit heißen Kartoffeln im Schlund, es schollert und bollert, dass es einen graust, und die Hauptbeschäftigung des Roma-Bulgaren ist, nebst Akkordeon-Belästigungen im Innenstadt-Bereich und der Produktion von mindestens zehn Kindern, die Ablagerung von eklem Müll auf dem Bürgersteig. Lange Zeit, ich gebe das zu und entschuldige mich dafür, fand ich den Roma-Bulgaren nicht als Bereicherung.

Jetzt aber doch, denn er singt! Während Biodeutsche debil Thomas Gottschalck gucken, gruppiert sich der Roma-Bulgare zur Gemeinschaft und singt folkloristische Lieder. Polyphon, pentatonisch und heimwehzerfressen intonieren bulgarische Roma-Frauen herrliche Gesänge, die eindringlich über dem Geddo erschallen. Da kann der Muezzin einpacken mit seinem blöden Geknödel! Bulgarinnen singen, das ist von zahlreichen CDs bekannt, wie die Engel! Der Bio-Deutsche hingegen hat die schöne Praxis des gemeinschaftlichen Singens völlig verlernt!

Der Neger, technisch etwas mehr beschlagen, ist meistens ohrverkabelt und LÄSST singen, Reggae, Ska, Dub und 2Step, das ganze Programm auf dem iPod. Kürzlich sprach mich ein wildfremder Neger am Brückenplatz an: „Hey, Bro, aint it a perfect night to party?“ Ich bejahte dies freundlich. Wem Rassismus fremd ist, der kann dem Neger nichts abschlagen. Er ist halt durch seine komische Hautfarbe geschlagen, aber er ist doch immerhin auch EIN MENSCH! Soweit wage ich mich vor in der ontologischen Verteidigung des Negers! – Über den Juden dann ein anders Mal…

Ein Dichterleben

16. Februar 2012

Kulturdamen verabscheuen Indezenz! (Quelle: http://www.allmystery.de/)

„Am 23. Jänner, im dritten Semester, war ich bereits dermaßen arm, dass ich erwog, mir die Fingerspitzen zu frittieren, um wenigstens einmal wieder etwas Warmes zu knabbern zu haben.“ – Auf einer Novelle, die dergestalt sinister begänne, läge kaum Segen. Mit Grausen beschlösse die jäh abgeneigte Leserin, immerhin Absolventin mehrerer Volkshochschulkurse zum Thema Gute Damen-Literatur, die Lektüre noch in der duftkerzenbeschienenen, von Vivaldi-Musik umschmeichelten Wellnessschaumbadewanne abzubrechen. „Ein entschiedenes ‚Igitt, nein!’ zu solchem sozialkritischen Autokannibalismus! Es sind ja noch nicht mal Rezepte drin!“ schleudert die vor Unzufriedenheit bebende Lesedame dem unbekannten Autor K. entgegen, der hungrig in seiner Dachmansarde im 5. Stock (ohne Aufzug) sitzt und den Kopf hängen lässt, nicht wegen der strengen Lektüre-Domina, die hat er ja zum Glück gar nicht hören können, sondern aus allgemeiner Geschmacksverbitterung und hirn-ekliptischer Gemütsokkultation.

 * * *

„SPUCKEN SIE BLUT BEIM ZÄHNEPUTZEN?“ – Mit dieser marktschreierisch-aufdringlichen, schamlos verhörerischen Erkundigung hatte den jungen Empfindling schon am Morgen eine Reklametafel für Zahnpasta angefallen und gründlich den Tag verdorben. Solche indezente Herumbohrerei in seiner oralen Intimzone hatte ihn nachhaltig verstört; in seinem Merkbuch für angehende Dichter hieß nämlich eine der ersten Maximen: „Merke, Dichter! / Blut und Eiter/ stimmen niemals heiter!“ – Unbedingte Körperdistanz und strikte Affektkontrolle! – so hatte es ihm einst sein alter, vor zwei Jahren auf einer Kreuzwallfahrt nach Detmold verschollene Traurigkeitslehrer Arnold Winterseel stets eingeschärft. Schon, dass er inwendig lauter Adern besaß, in denen es praktisch ständig blutete und, schlimmer noch, einen meterlangen rosa-bräunlichen Darm, in dem unentwegt Unaussprechliches vor sich ging, kränkte ihn aufs peinlichste und ließ ihn vor Selbstabscheu das Atmen vergessen. Seine fortschreitende Dezenz veranlasste ihn sogar, nachts seine Wortschatzkiste zu durchkramen und gemeine Wörter wie „schleimlösend“, „Brechdurchfall“ oder „Mukoviszidose“ auszusortieren und unter allen Anzeichen des Ekels in den Wäschekorb zu stopfen. – „K.“ ist übrigens natürlich nur ein Künstlerpseudonym, unser Autor heißt bürgerlich Fredi Asperger, eine Name, unter dem er indessen praktisch unbekannt ist.

* * *

Wie mancher zumeist Ungelesene lebt Asperger häufig von frugaler Mangelernährung. Fettfreier Erbsbrei, Trockentoast und Teewurst alle Tage, an hohen Feiertagen vielleicht eine Dose plastinierte Ölsardinen, das ist das Brot der Dichter. Vitamine, Sprudelelemente und ungesättigte Mineralöle? Fehlanzeige! Eine gewisse Dünnhäutigkeit ist die Folge, was freilich der emsigen Verwandlung von Alltagszumutungen in schöne oder auch weniger schöne Literatur förderlich sein kann, in der Mansarde, nach Feierabend. Nur die Plapperkiste muss aus bleiben, denn da kommen zum Abendbrot schon wieder Nachrichten aus dem Verdauungstrakt.

* * *

Zum Glück war der TV-Apparat ohnehin längst entzweigegangen und komplett hin, weil Asperger, von einem Koi-Aquarium bei seinem Eck-Chinesen inspiriert sowie durch eine halbe Flasche Schottenschnaps ein wenig übermütig geworden, einmal während einer öden Talk-Show eine Kanne Blumenwasser hineingefüllt hatte, um zu prüfen, ob die verzweifelt munteren Plaudertaschen im Studio wohl einmal das Plaudern vergäßen und zu schwimmen versuchten, wenn man sie dazu zwänge. Sie vermochten dies aber eher nicht, soweit Asperger dies beurteilen konnte, denn zu seiner schlagartigen Ernüchterung implodierte die Flimmerkiste mit einem unangenehm endgültigen Brizzel-Knall-Geräusch und verriet fortan nichts mehr über das weitere Leben ihrer internen Spaß-Figürchen. – Im Grunde ein Segen, denn Fernsehen verklebt, wie die Ölpest das Gefieder der Pelikane, die Flügel der Phantasie, – mit Ausnahme von Kulturfilmen aus Afrika, zum Beispiel über diesen einen Stamm in Äthiopien, wo sich die Frauen Essteller in die Unterlippe operieren, um attraktiver zu sein. Das lädt freilich endlos zum Träumen ein.

 

Albtraumatlanten

4. Februar 2012

Weiße Flecken in Schwarzafrika

Ich besitze als Erbstück einen gediegenen, sommernachtsblauen Atlanten von 1905, in dem die Welt noch weiße Flecken der Unerschlossenheit enthält, vor allem in Schwarzafrika. Es handelt sich, obwohl er bescheiden unter dem Titel „Handatlas“ firmiert, um einen fast hundsgroßen, mit Goldprägung versehenen 40-Pfünder, über dem zu träumen einen massiven Ohrensessel und sehr starke Knie erfordert. Manchmal weiß man bei einem weißen Fleck auf der Karte nicht auf Anhieb, ob die entsprechende Gegend noch nicht erforscht oder bloß unbewohnt ist. Mich würde dies speziell für das Land Oklahoma interessieren, denn dorthin wanderten die Gebrüder Reinhold und Christoph H., meine Ur-Ur-Großonkel väterlicherseits, aus, und zwar aus Birnbaum, woher sie gebirtich; heute liegt das verträumte Örtchen an der Warthe-Schleife, um Juden und Deutsche sorgsam bereinigt, in der Woiwodschaft Wielkopolskie, Rzeczpospolita Polska, und heißt nun Międzychód. Damit aber genug der geographischen Pedanterien!

Meine beiden Ahnen sind, mangels Wildwesttauglichkeit, leider umgehend, kurz nach ihrer wohlbehaltenen Ankunft, in der Prärie verschollen. Verschollen, das ist übrigens 2. Partizip von „verschallen“, ein Wort, das längst nicht mehr erklingt. Es ist also seinerseits verschollen, das schöne Verb. Ich male mir gern aus, dass die auswanderlustigen Brüder von edelwilden Indianern der Marke Sioux massakriert wurden. Nicht dass ich ihnen das direkt gewünscht haben möchte, aber es wäre irgendwie romantisch und verliehe einem doch ein gewisses Flair, wenn man auf Partys, nachts in der weinseligen Küchenrunde, von einer Familiengeschichte zu erzählen wüsste, in der es von Tragischem und Exotischem wimmelt bzw. strotzt, z. B. von skalpierten Ur-Ur-Großonkeln väterlicherseits. Man wäre berechtigt, kurz und männlich beherrscht aufzuschluchzen, wonach einen möglicherweise Frau Frerkes an den wogenden Busen risse und einem mütterlich tröstend über den Kopf striche!

Wenn ich heute von der Lust überfallen würde, meinem Vaterland den Rücken zu kehren, fände ich Zuflucht auf den Hebriden, wo ich ein Stück Land besitze, einen Quadratmeter Schafsnasengrasnarbe in Küstennähe, eine Parzelle im Nirgendwo, die ich mal als Werbe-Gimmick drauf zu bekam, als ich im Internet eine Flasche sehr teuren schottischen Whiskys erstand. Er schmeckte ungeheuer authentisch nach verbranntem Torf, Salzwasser und Schafsexkrementen – ein Schluck, und man wähnte sich auf den sturmzerzausten Hebriden! Was man trinken muss, um da wieder wegzukommen, ist pauschalschriftlich nirgends erwähnt; man kann sich also ganz individuelle Trinkrouten ersinnen, zum Beispiel mit der MS Verpoorten nach Eierland, von dort den Rumgrogzug nach On-the-Rocks nehmen und dann gemütlich mit dem Riesling-Express wieder nach Hause in den Ohrensessel, wo man traumtrunken erwacht, um sich gnadenreich vage an erlittene Reise-Unbill zu erinnern.

Ein vierzigpfündiger, fast hundsgroßer Atlas eignet sich nicht zum Handgepäck, weswegen ich ohne ihn unlängst eine Traumreise in die Residenz Moers unternahm, um Fleisch und Hemden zu kaufen, ein Marktflecken, der in meinem Traum freilich nicht nur Ausmaße ungeheuerlichster Unübersichtlichkeit angenommen hatte und mit exaltiert Walt-Disney-haften Sakralbauten vollgestellt war, sondern auch einen labyrinthischen Grundriss besaß, so dass ich mein Fahrrad nicht mehr fand und den Weg verlor; unter anderem begegnete mir ein Mensch mit einem grässlichen, rosa-schleimig glitzernden Elefantenfuß, ferner, in einem Kinderwagen, ein Kopf ohne Körper, der jämmerlich vor sich hin greinte, sowie eine Menge durchweg freundlicher Einwohner, die mir den Weg erklärten, nur jeweils immer einen anderen. Wäre ich nicht vom dringlichen Dingdong der Türglocke erwacht, ich würde heute noch, die Hände voll rohem Fleisch und flatternden Hemden, in Moers herumirren.

Als ich jedoch nichtsahnend die Tür öffnete und davor meine beiden in karierte Reise-Plaids gehüllten Ur-Ur-Großonkel standen, mit blutüberströmten Schädeln und einem verlegenen Grinsen im Birnbaumer Bauerngesicht, da schwante mir freilich, der Traum sei noch nicht zu Ende, sondern drohe zum Alb auszuarten.

Ein Traum von Afrika

30. April 2010

Es gab auch schon afrikanische Kaiser! - Fotoquelle: http://de.academic.ru/pictures/dewiki/66/Bokassa_.jpeg

Ich war beim Kaiser, zur Audienz, schon das zweite Mal. Die Gattin hatte das vermittelt. Waren wir eigentlich in Berlin oder in Wien? Ich weiß es nicht genau. Alles war jedenfalls aus Marmor oder Granit. Das heißt, zunächst handelte es sich um eine zwielichtige Art pornographisches Kabinett, in dem altmodisch, aber nachlässig gekleidete ältere Herren verstohlen mit allerhand skandalösen Unanständigkeiten beschäftigt waren. Plötzlich aber wurde ich aus den beklemmenden Schummrigkeiten dieses Angst einflößenden Ortes in den hell getäfelten Warteraum geführt, von dem aus man schon die mächtige Flügeltür erblicken konnte, hinter der sich das Arbeitszimmer des Kaisers befand.

Ich fühlte mich unwohl in meinem unförmigen lederbewehrten Winterpelz, unter dem ich aber, wie mir siedendheiß einfiel, einen mit Eigelb und Mehl total bekleckerten Pulli trug (ich hatte vortags Kichererbsenpuffer gebacken), so daß ich den blöden Mantel schlecht ablegen konnte. Alle anderen Herren trugen Frack oder Cuts! Ein comme il faut elegant geschneiderter Hofsekretär, so aristokratisch bleich, daß er wie aus einem österreichischen Schwarz-Weiß-Film der 40er wirkte, eilte auf mich zu: „Bestehen der Herr Magister auf dem Thema HipHop?“ wisperte er atemlos vor devoter Arroganz. Ich wechselte einen Rat suchenden Blick mit der als Souffleuse fungierenden Gattin, die energisch, aber unauffällig, also in einer Art gestischem Bühnenflüstern, den Kopf schüttelte. „Nein, nein!“ rief ich daraufhin dem Schranz nach, der schon wieder davoneilen wollte, „nehmen Sie Afrika! Das Thema ist Afrika! Der Kaiser interessierte sich seinerzeit immer sehr für…

So kam es, daß ich, um ein weniges später, vor dem mächtigen, aus lauter Walnussbaum und puren Ebenholz gedrechselten Schreibtisch des Kaisers auf dem Besucherklappstühlchen saß und über meine abenteuerliche Somalia-Reise referierte. Während meines zunächst in schüchterner Heiserkeit (Frosch im Hals!)  vorgetragenen Berichts wurde mir freilich bald schon peinigend bewußt, daß ich eine solche Reise niemals unternommen, vielmehr bloß kürzlich, nach abendlicher, und wohl übermäßiger Lektüre des SPIEGELS, geträumt hatte! Eine einigermaßen peinliche Situation. Der Kaiser, der mich durch das blankgebügelte Fensterglas seiner zwiebelförmigen Audienzbrille gütig anblinzelte, ließ sich nichts anmerken. Um nicht gänzlich dumm dazustehen, leitete ich mein Referat behutsam über zur Biographie meines Urgroßonkels, der in der Tat und familienhistorisch verbürgt einst nach Tanga in Deutsch-Ostafrika gegangen war und dort 1912, glaube ich, einem schwarzen oder irgendwie sumpfigen Fieber erlag. Der Kaiser ließ es sich nicht nehmen, meinem Urgroßonkel hierfür postum eine silberne Verdienstmedaille zu verleihen. Seine Hände zitterten dabei unübersehbar, was mir schlagartig in Erinnerung brachte, daß er nun auch schon überschlägig 130 Jahre das undankbare Reich regierte.

Nach all diesen Aufregungen wieder auf freiem Fuß, bzw. als die Wirkung der Kräuterzigaretten nachließ und ein ziemlicher Hunger-Flash aufkam, fiel es uns am späten Nachmittag schwer, das Erlebte nicht auch wieder unter die belanglosen Traumgespinste zu subsumieren. Fände ich nur die blöde Medaille wieder, die irgendwo in den Untiefen des Futters meiner Winterjacke verschwunden ist! – Aber wie gesagt, das Thema ist Afrika.

In meinem Viertel leben viele Schwarze, welcher Nation oder Ethnie im einzelnen weiß ich leider nie zu sagen. Manche sprechen französisch oder gut deutsch, seltener etwas extrem Hitzig-Kehlig-Gutturales, als hätten sie dicke, heiße Kartoffeln verschluckt und bäten einander nun verzweifelt um ein Schlückchen Wasser. Unter meinen multiethnischen Mitbürgern sind sie bei mir persönlich ehrlich gesagt die beliebtesten: Sie sehen gut aus, bewegen sich wie Halbgötter, haben die süßesten und intelligentesten Kids, hören korrekte Musik und sind überhaupt umwerfend cool. Ihre Kneipe hier ist das „Bistro-Café Paradiso“, ein äußerst karg, ja vereinsheimmäßig ausgestattetes, allerdings mit einem Bob-Marley-Poster einladend geschmückten Etablissement, in dem ausschließlich Schwarze verkehren. Und das bringt mich zu meinem Dilemma.

Ich würde das „Paradiso“ gern mal testen, ja, empfehlen und zum Beispiel demnächst bei der WM die Spiele der afrikanischen Mannschaften hier verfolgen, ich trau mich aber nicht hinein! Nicht, daß man mich abschrecken würde – die Männer machen alle einen freundlichen, fröhlichen und unglaublich entspannten Eindruck. Nie hört man böse Worte oder gar lautes Gebölk. Aber wenn ich jetzt da hineingehe und frage, ob man auch als Weißer Zutritt hätte, fühlen die sich vielleicht versch…pottet? Andererseits weiß ich aus meiner Zeit in Chicago, Illinois, daß es ganz schön blümerant werden kann, wenn man, sagen wir in South Side, als singuläres Weißbrötchen eine Schwarzen-Kneipe betritt und so tut, als sei nichts.

Infolgedessen, ärgerlich an meiner zähen Mixtur aus Neugier und Schüchternheit kauend, umschleiche ich den Laden erstmal, bis sich einer erbarmt und mich zum Ehrenneger ernennt. Immerhin hat mich auch schon der Kaiser empfangen! Ich berichte dann…

Ich bin ein Pionier der Gentrification, denn ich finde mein abwrackreifes Ghetto „sexy“

16. August 2009

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SPÄTSOMMERBLUES NACHTS IM VIERTEL…

Manchmal, ich weiß auch nicht, sticht mich der Hafer, dann tu ich ignoranter, als ich eigentlich bin. Nur so „aus Daffke“, wie der Berliner früher sagte. Auch ich habe schroffe Seiten. Also nenne ich Aphrodite, den Hund der Alk-Fraktion im Erdgeschoß, einen Mops. „Na?“, sage ich beispielsweise sarkastisch zu Elli, der Hausbesorgerin, „watt machsn fürn Gesicht? Hat die Alk-Fraktion ihren Mops wieder erschöpfungshalber zum Scheißen bloß in den Garten geschickt?“ Der Ton in meinem neuen Ghetto ist halt rau, aber warmherzlich, ich kann nix dafür. Und natürlich weiß ich in Wirklichkeit sehr gut, daß Aphrodite kein Mops ist, sondern eine schwarz-weiß gescheckte französische Bulldogge, mit arttypischen Fledermausohren und dem wissenden, abgründig dunklen, unendlich todtraurigen Blick eines schwarzen, baumwollpflückenden Blues-Sängers. Ich nenne sie aber solange einen Mops, bis die Alk-Fraktion aufhört, mich durch nächtliche Gesänge oder Krakeelereien zu ängstigen! Man kann sich doch, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, auch mal still betrinken!

Tja, was soll ich sonst über mein Viertel sagen? Verkehrssprache ist hier ein basales Pidgin-Turk-Deutsch. Jungmännerdialog zwischen Osman und Tolgan (gestern im Rheinpark mitgehört) geht hier in etwa so: „Oh, Alter, Bruder, Weiber ey, isch sach dir! War Tussi an Händi!“ – „Escht? Scheise, Mann. Unnn? Haddse gestreitet?“ „Nee, war’m Heuln! Schwör! Die willmisch! Die Alde steht voll auf misch!“ „Schwör? Öylemi? Escht am Heuln, Ağabey?“ „Ja, Bruder, schwör! Ferttich war die, Mann, voll datt Opfer, eh, vallahi!“ „Boah, voll Missgeburt, Mann, äy! Issie scheis Jude, oder was?“ „Näh, die is auch Duisburger!“ „Abba Madonna is Jude, und, ey, die Alte da, in dem Film, wie heiß noch, Halle Berry…“

Thema der Woche bei der allabendlichen Hausgemeinschaftsbesprechung war, neben dem Dauerbrenner, daß die Alk-Fraktion immer das Treppenhaus versaut, das alljährliche Fest der Stadtwerke hier im Viertel, an diesem Wochenende. Wie früher die römischen Kaiser mit ihrem Zirkus, spendiert man fürs Volk Belustigungen. Hausbesorgerin Ellis Ehemann Pitti hat sichs schriftlich geben lassen und säuberlich aus dem Anzeigenblättchen ausgeschnitten: Costa Cordalis kommt! Und Olaf Hennig! Nach dieser Nachricht muß Pitti erstmal zur Bude, Frischbier holen, was mir Gelegenheit gibt, mich unauffällig zu erkundigen, wer die genannten Gaststars denn seien und welcher Lebensleistung sich ihr Ruhm verdanke. (Es handelt sich um einen ur- und einen mittelalten Schlagerheini mit Appeal zum Schlichtpublikum!) „Aber auch Sweet!“ trumpft Anneliese, der 60er-Spätlese-Teenager aus dem Nachbarhaus auf, „Sweet kommt auch! Die aus den 70ern! Fox on the run und so! Damdam dadada-damdam!“ Das Stadtwerkefest heißt übrigens „Energiespaßtage“, und ich bin ganz froh, nicht der herzlose Diktator von Deutschland zu sein, weil ich dann bestimmt zur Abschreckung ein paar Werbefuzzis für ihre scheiß Wortspiele ins Arbeitslager schicken würde.

Das friedliche Zusammenleben der Ethnien und Nationen wird bei uns nicht zuletzt durch sorgfältig getaktete Zeitkorridore geregelt. Alle haben ihre Zeit, die bulgarischen Menschen- und die serbischen Waffenhändler, die breit watschelnden, schnatternden anatolischen Kopftuchmuttis, die pakistanischen oder srilankesischen Krickett-Spieler, die verkniffenen altdeutschen Blockwarte, die beinharten russischen Putin-Doppelgänger und BMW-Kabrio fahrenden Bodybuilder vom Großpuff. An einem warmen Spätsommerabend wie gestern gehört seltsamerweise das Viertel ab 22.00 Uhr dem schwarzen Mann. Ich muß das leider so pauschal sagen, denn von außen sieht man ja nicht, ob einer jetzt Afro-Deutscher, Afroamerikaner oder Originalneger aus Mother Africa ist. Das hat mit Rassismus nichts zu tun! Ich kann von weitem sehen, ob einer Pole, Ukrainer, Kroate oder Slowenier ist, aber Hutu, Tutsi, Bantu oder Xhosa kann ich kaum unterscheiden! Ist hier aber auch nicht wichtig, nehm ich an.

Auf meiner Spätpatrouille entdecke ich vor „Gino’s Nachtcafé-Bistro“ die dicke Mandy, die, glaub ich, in Wirklichkeit Magdalena heißt und aus Kiew stammt. Es heißt, sie habe Architektur studiert oder Pharmazie. Auf jeden Fall macht ihr in Sachen Superblondheit keiner was vor. Ihr himmlisch weißbrotfarben schimmerndes Dekolletée erleuchtet die Straße wie ein dreidimensionaler Doppel(fast)vollmond; sie verhandelt auf der Straße mit zwei bejammernswert dürren, langen Schwarzen, und es sieht aus, als käme man ins Geschäft. Überhaupt kapier ich Naivling allmählich, daß die nachts überall an den Ecken herumstehenden, oft überraschend hübschen Mädchen gar nicht auf den Bus warten. Ich hab mich schon gewundert, weil hier nämlich gar keiner fährt!

Am Brückenplatz, der tagsüber der internationalen Alk-Fraktion gehört, sind in der Nacht alle Männer schwarz. Es müssen Afrikaner sein, denn sie frönen überwiegend ihrer, wie es aussieht, in der Fremde einzig kultivierten Obsession: Nach Hause telefonieren! „Hello?! Helloo?! Can you hear me?“ schallt es aus Rostlauben, Billigkneipen und Telefonierkabinen. Yes, we can! Die Dorfgemeinschaft daheim will schließlich informiert werden, was im deutschen Paradies so läuft. Ob man auch von Mandy erzählen wird?

Am Brückenplatz befindet sich die m. W. einzige Trinkhalle (für Nicht-Ruhris: Das ist ein Kiosk für Trinker- und Raucherbedarf mit extrem dehnbaren Öffnungszeiten) Duisburgs, die, ausweislich einer Reklameinschrift, auch jederzeit Zahngold und Unterhaltungselektronik ankauft.

Den südlichen Teil des Platzes beherrscht die bei mir hochrespektierte Duisburger Bäckereikette Bolten, die hier einen Brötchenladen mit angeschlossenem Café betreibt. Bolten ist gut: Deren Baguette z. B. kann ich warm empfehlen! Warm schmeckts jedenfalls am besten. Im Café sitzt die Bevölkerung der Postmoderne. Kaftan-Islamisten geben hier ihre zwei, drei Burkassen zur Aufbewahrung ab, wenn sie Koranlesen gehen; blasse, dünne Frauen aus Osteuropa ruhen sich hier aus, die all night long vergeblich auf den Bus gewartet haben; Herren aus aller Männer Ländern buchstabieren stirnrunzelnd ihre Zeitung, und manchmal trifft man auch mich hier, über esoterische Fragen nachgrübelnd, wie die, warum Konditoreimädel oft wirklich wahnsinnig und kinofilmreif süß sind, Fleischereifachverkäuferinnen hingegen überdurchschnittlich oft einen Hang zum Wurstigen und Grobfleischernen zeigen. Bei Bolten im Café sitzend und das Treiben im Viertel betrachtend, hat man die Wahl: Wahnsinnig werden, Amok laufen, oder still, bescheiden und konzentriert einer milden, wohlwollenden Melancholie verfallen.

Vielleicht bring ich Aphrodite mal ein Zipfelchen Wurst mit?

Kürzlich in Afrika…

18. März 2009
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MC Benedix "das Sechzehntel"

GANGSTA-RAPPER AUS ROM SCHWÄRZT NEGER  AN!

Ist es politisch korrekt, zu sagen, aus Afrika kommen komische Geräusche? Ich glaub schon, denn es geht ja nicht um das, was mein Vater noch gewissensbißlos „Negermusik“ nannte. Den ressentimentgeladenen Satz „Mach gefälligst die scheiß Negermusik leiser!“, den ich in meiner rebellischen Rock’n’Roll-Jugend leider noch reichlich zu hören bekam, benutzen heute die schlimmsten Rassisten nicht mehr. Heute sind Musikhörer auf beiden Ohren farbenblind: Ob Roy Black, Jack oder Barry White, Joel Grey, Adam Green, Roberto Blanco, James Brown, die Blue Man Group, die Violet Femmes oder die Red Hot Chili Peppers: Wir hören die Farbe schon gar nicht mehr raus. – Aber jetzt mal was ganz anderes: Lebt eigentlich der nervige, alte Wirrmichel noch?

Klar lebt der, pumperlgsund und puppenlustig sogar, wie es nur der ausgestopfte Reliquiensack aus der Heiligen Geisterbahn hinbekommt: Benedix „das Sechszehntel“, Vize-Vorsitzender des Universums vulgo Stellvertreter Gottes, Plage der Menscheit und Narrenprinz beim traditionsreichen katholischen Lach- und Schießverein. Er hat sich grad vom Kurienchor St. Bitterindenfeldern wieder vorsingen lassen, was in der Bibel über die sieben Plagen steht, die der Chef einst den Ägyptern schickte. Angemacht und aufgekratzt ließ er daraufhin seine Schranzen, Knappen und Pagen den vatikanischen Flieger satteln, bestieg diesen und rief: „Ich will verdammt sein, wenn die Zeit nicht reif ist für eine neue Plage! Afrika, ich komme über dich!“

Kaum gesagt, schon passiert: Ein flottes rotes Mützchen auf dem Kopf, seine schneeweiß gebügelte Schlafrockkutte umgetan, wackelt der große greise Weiße Mann des Gangsta-Rap die Gangbangway herunter, küßt den Boden des vor Freude erbleichenden Schwarzen Kontinents flüchtig auf beide Backen und will sofort mit dem Geräusche-Machen anfangen. Aber was auf die Schnelle aufsagen? Ratloses head scratching! Die Gemeinde steht schwarz und schweiget. Einfach den erstbesten Hirnschrott, der durchs Gebälk der St. Alzheim-Basilika rieselt? But’s your turn now, dude, you’ve got only one shot, one opportunity, das Mic ist auf, die Crowd will grooven und dancen!  Also wirft MC Benedisc den Geräusche-Werfer an: 

Yo! Holla, Niggah, Whigger und Wanker! Liebe Homies, Honks und Hustler! Schwestern, Chicks, Chalas und Bitches! Pimps, Pussys und Papisten! Fuck you bzw. gesegnet sei mein Name! Ich bin MC Bigdix the Semiquave, the Original Gangsta from Rome, euer Ticker, euer Dopeman, peace! Ich höre vollkrasse bad news: Ihr seid alle scheiße krank, derbe sick, yo! Struggelt mit AIDS und so, ihr Muthafuckah. Mann, mann, 22 Milionen AIDSies, das ist fett, yo, Opfer, ich will euch nicht dissen, aber da seid ihr echt fett gefickt, word? Aber apropos, bros & sistas: Ihr seid selber schuld, homies, ihr habt euch sick gefickt, habt euern magig stick zu oft den mamacitas gesteckt, yeah! Und jetzt die hook, die punch line, Leute:

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Die Jugend hört Geräusche – aber versteht sie die auch?

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Finger weg von Kondomen! Schluß mit Schnackseln!

Kondome machen AIDS, machen alles schlimmer,

Kondome helfen nie und nimmer

Kondome sind des Satans Säckchen.

Ein jeder trage doch sein Päckchen,

Fuck the WHO! Fuck the WHO!

Denn gefickt, ihr Niggah, seid ihr sowieso!“

Schmunzelnd entschwebt Big Popa Bonehead dem kranken Kontinent. Er ist mit sich zufrieden. Noch immer findet er für die Probleme der Zeit eine zeitgemäße Sprache. Und das seit 2000 Jahren! Es ist zum Heulen … schön. 

Bleibt ein letzter frommer Wunsch: Lieber Gott, laß ihn sich angesteckt haben…!