Eben vorweg: Auf dem Rad zum Salatladen begegnete mir ein kleinerer Schwarm Postboten. Eifernd schnoben sie an mir vorbei und stießen aus ihren Nüstern weißen Qualm direkt in den vorne oben vor ihnen befindlichen Himmel, denn es war noch bitterer Wintermittag und in der Kantine gab es gute Suppe, bestimmt mit ordentlich Wursteinlage. Ich finde es schön, wenn Vorkommnisse erklärlich sind. Mögen Kausalitäten sich stets wohlig aneinander schmiegen, ohne hässliche Lücken zu lassen, in denen dann Schmuddel-Kommissare mit Ehe- oder Alkoholproblemen übermüdet und lustlos herumstöbern müssen!
Momentan übe ich fleißig das Affirmieren und Schönfinden, denn im Grunde ist mir nach Mieseln und Maulen, aber das nervt ja und macht alt. Schön zum Beispiel ist es ja wohl, was das ZDF mir neulich über den Papst mitteilte: „Der Papst ist nicht nur Südamerikaner, sondern auch Argentinier“. Wie es scheint, kehrt die Zeit der Doppelbegabungen zurück! – Doch nun endlich zur urbanen Fauna. Ausdrücklich begrüße ich im Stadtbild zurück den Eichelhäher, das mausgraue Moppeltaubenhudelhuhn und vor allem den stattlichen Königspudel. Letzteren hielt ich für leider ausgestorben, aber jetzt sieht man ihn hier und da wieder elegant federnd durchs Viertel traben, wobei er seine bescheuerte Frisur, für die er ja nichts kann, mit denkbar schnippischer Würde zur Schau trägt. Deutlich kühler begrüße ich indes den feinen Herren Marder, der uns den Kühlschlauch zerbissen hat. Lasse Er das inskünftig, Mistvieh!
Erlebnisse mit Tierbezug sind für den Städter generell eine willkommene Abwechslung vom Bad im Häusermeer. Gewiss, der meinungsfreudige Landmann, die hart arbeitende Landfrau, sie denken anders, sensibler, orientiert mehr an Nutzen und Frommen. Sie perhorreszieren den Schädling, den Wühler, den Beißer, das Bierschneckerl. Als metropolnisch-urbaner Tierfreund finde ich indes: Auch Bizarrem begegne man doch bitte mit höflichem Wohlwollen. So las ich mit solchem kürzlich, weil irgendwo bei uns eine Population possierlicher Biber nach erfolgter Auswilderung mittlerweile auf die stolze Zahl von fünfhundert Exemplaren angewachsen sei, hätte man sich behördlicherseits jetzt notgedrungen durchgerungen, Biberberater einzustellen. Dieser Beruf war mir neu, aber ohne Beratung geht ja heute nichts mehr; worin aber der spezielle Beratungsbedarf des Bibertums bestehen mag? Ich weiß es nicht. Wird vermutlich was mit Integration zu tun haben.
Stundenlang trug ich mich mit dem Plan, einen Song mit dem Titel „Ach, ich bin nur ein biblisch biederer Biberberater aus Biberach“ zu komponieren. Passend würde ich es von einer aus beleibten älteren Bandscheiben-Herren bestehenden Reggae-Truppe aufführen lassen, welche Biberkostüme mit enormen Überbiss-Schneidezahnprothesen trüge, wodurch der Text auf charmante Art vernuschelt und verlispelt heraus und herüber käme. Die feiste Landjugend würde höflich zum Mitsingen und -klatschen eingeladen sein, falls sie das gleichzeitig kann.
Im Übrigen ist mir klar, dass solche Projekte unter starkem Vergeblichkeitsverdacht stehen. Blütenreich duften die Wiesen und Weiden im Ideenhimmel und wem danach ist, der darf dort nach Herzenslust naschen und pflücken; leider erweist sich die mitgebrachte Ernte im Lichte morgendlicher Realität bzw. wiedererlangter Nüchternheit allzu oft als bereits hoffnungslos, d. h. irreversibel verwelkt. Dann heißt es, auf Lesefrüchte zurückgreifen: Über eine Gegend am Niederrhein las ich entzückt in der Rheinischen Post, bemerkenswert sei dort nicht zuletzt das Vorkommen des „nächtlich rufenden Weinhähnchens“. Darüber klatschte ich innerlich vergnügt in die Hände – wie innerliches Händeklatschen geht, erkläre ich ein andermal –, denn so ein nächtens rufendes, ja zuweilen sogar lauthals singendes Weinhähnchen war ja auch ich einmal; ein klein wenig enttäuscht erfuhr ich dann allerdings, das nachtaktive coq au vin sei streng genommen nichts als eine kleine Heuschreckenart, nämlich eine Blütengrille. Was Tiere sich immer für Namen zulegen!
Oder naive Navis. Gestern hatte ich am Rheinufer (im Geddo!) eine intensive Begegnung mit einem großen bunten Vogel. Es handelte sich um eine schnieke Nilgans, die nervös herumtrippelte, einigermaßen skeptisch, wenn nicht schon verstört über den Strom schaute und dabei insgesamt eine große Verlorenheit, ja geradezu Verflogenheit ausstrahlte bzw. verdeutlichte. Ihr Köpfchen mit dem eindrucksvollen Augen-MakeUp ruckte zweifelnd hin und her – und für einen einzigartigen Moment des Weltlaufes konnte ich genau verstehen, was sie dachte, und zwar dies: „Afrika, Afrika? Nie und nimmer ist das hier Afrika!“
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