Der Hl. Franziskus predigt das Vögeln. Ha, ha, Kalauer! In der Frühlingskühle fliegen die Humorschwalben schon mal tief. Nein, den Vögeln natürlich, eine Bildreportage von Giotto bezeugt das. Die Vögel halten sich in der Angelegenheit bedeckt. Ob sie fromm geworden sind, lässt sich kaum beurteilen. Der Hl. Franz ging davon aus. Dass er, der Legende nach, sogar toten Vögeln gepredigt haben soll, zeugt von einem optimistischen Gottvertrauen, das ich persönlich nicht besitze. Das Thema ist also die schöne Natur hier im Viertel, im weitesten Sinne, Fauna und Flora sozusagen. Die Fauna besteht mehrheitlich aus kleinen fetten Hunden mit Fistelfalsett, Adipositas und Arthrose, von denen zu reden ich mir versage, da ich sonst brennende Mordlust bekomme, sowie allerhand hübschem Kleingeflügel. Generell mag ich Vögel; nur Tauben verabscheue ich. Ist das schon Rassismus? Man muss dies befürchten. Ich verwende sogar hate speech, wenn ich dieses Geziefer unwissenschaftlich, aber wissentlich und willentlich als Scheißdreckstaubengesocks tituliere, denn es, das Gesocks, Verzeihung! – scheißt überall hin. Und wer muss wieder das wegmachen? Ausnehmen möchte ich ausdrücklich die Türkentauben: Anmutige, leise, bescheidene, zierliche, geradezu charmante Schmuckgeschöpfe. Wie sie zu ihrem Namen gekommen sind, keine Ahnung.
In der Platane vor meinem Lesezimmer versucht ein Elsternpaar, das Elternpaar werden will, seit drei Wochen ein Nest zusammenzuzimmern, mit rührender, inzwischen aber auch schon reichlich enervierender Unbeholfenheit. Bis jetzt haben sie nichts als so eine Art wackeliges Zweiggewirr zustande gebracht, windschief und wenig vertrauenserweckend. Na ja, andererseits, wenn man sich vorstellt, man sollte ein IKEA-Schrank bloß mit dem Mund und den Füßen aufbauen, sähe man ja wohl auch bescheuert aus. Apropos, manchmal frage ich mich, wann Vögel mal endlich kapieren, dass Menschen nicht fliegen können? Vor allem ich, ich kann ja kaum laufen! Aber sobald ich ihnen was predigen will, hauen sie ab, die Damen und Herren Singgeflügel, hypernervös und hysterisch. Dabei tu ich doch nichts! Ich kann keiner Fliege etwas zuleide tun (obwohl, nun ja….) und kein Wässerchen trüben. Dachte ich jedenfalls. Kann ich aber doch; und habe, um das hier mal, die Gelegenheit nutzend, herumzuposaunen, kürzlich ganz unbeabsichtigt etwas erfunden: Die Wasserschorle. Man nimmt zwei Teile Appollinaris classic und gießt dann einfach mit Gerolsteiner medium auf! Der Geschmack ist von phänomenaler Erlesenheit, allerdings nur für durchtrainierte Feinschmecker. Wer sich die Geschmacksnerven durch tägliches Fressen total überwürzter Chickenwings ruiniert, hat natürlich das Nachsehen, selber schuld, aber armen Vögeln die Flügel abzubeißen ist ja wohl auch das Hinterletzte.
Am Hinterletztesten indes, wenn man das so sagen darf, scheint mir der neueste Irrsinn und Hirnkrampf der Lebensmittelgeschmacksverstärkerindustrie: Die Fa. Maggi verkündet, stolzgeschwellt oder geschwollen, die Entwicklung eines geölten Gewürzpapieres, in welches man ein Geflügelteil einwickelt und dann in die Pfanne legt. Wenn es fertig ist, ist das dann gewürzt, vor allem mit lauter allergenem Mist, versteht sich. Braucht die Welt so etwas? Gehörte Gewürzpapier zu den ersten fünfhundert Dingen, die man auf eine einsame Insel mitnähme? Eine Verwendungsmöglichkeit sähe ich da nur für extravagante Tierfreunde: Die könnten auf das Gewürzpapier mit Zitronensaft einen Brief an das Hähnchen schreiben und dieses dann damit einwickeln, worin sie sich entschuldigen, ausnahmsweise mal Tierteile zu essen. Wahlweise wäre auch der Text der Predigt vom Hl. Franz an die Vögel denkbar.
Mein herzliches Verhältnis zu Vögeln rührt übrigens, wie das meiste bei Menschen, aus der Kindheit her, in der ich, gemeinsam mit meiner Schwester, einen Wellensittich nahmens Peter besaß, der aufgrund wenig artgerechter Haltung sensorisch verarmte, vereinsamte und an Neurosen erkrankte; er starb bei einem tragischen Unfall, als er in den offenen Petroleumofen flog und sich selber grillte. Aber die Beerdigung – ein Traum! Wir bastelten aus einer Zigarrenkiste der Marke „Sportstudent“ einen Sarkophag, betten den eigentlich blauen, nun aber schwarzen Peter auf ein Lager aus Monatsbinden unserer Mutter und trugen ihn singend und Gebete mumelnd in einer kleinen Prozession in den Garten, wo wir ihn unter einem schönen Holzkreuz feierlich begruben. Meine Schwester sprach das Vaterunser und ich sagte, wiewohl es Sommer war, ein Weihnachtsgedicht auf, weil, ich war erst fünf und konnte noch nichts anderes auswendig. Theologisch interessierter als meine Schwester grub ich Peter am dritten Tage wieder aus, um zu schauen, was denn jetzt mit Auferstehung ist. Der Grundstein für einen massiven agnostischen Skeptizismus wurde gelegt. – Soviel zu den Vögeln. Warum nicht einmal Kühe Veganer sind, erläutere ich an anderer Stelle.
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