Zu seinem siebenten Geburtstag bekam der kleine Friedemann von seinen Eltern, braven schwäbischen Prenzlauerbergbauern mit Hang zu Höherem, einen Rhetorikbaukasten von Manufactum geschenkt. „Ei schau! ein Redetorikkasten“ rief der solchermaßen pädagogisch wertvoll Beschenkte gekünstelt aus, seine Enttäuschung wohlerzogen verbergend, denn recht eigentlich hatte er sich tief im kindlich blutvollen Herzensinneren eher ein Wii-Gerät gewünscht, zur virtuell-simulatorischen Unterstützung des Herumhampelns. Herumhampeln war nämlich des kleinen Friedemanns ganz große Leidenschaft. Die Eltern nannten es ADAC oder so ähnlich und verabreichten ihm abends ein Vorsorglichkeitslöffelchen Mirakulin® dagegen. –
Nun aber dieser Kasten, aus zartbitterem Volledelholz fair geschreinert – und geöffnet? ein Traum! Was da zum Vorschein kam! Allein das biofein handgeschmirgelte Werkbänkchen zum selber Phrasen-Drechseln! Die Präzisions-Wortklaubsäge nach Professor Duden! Der Dünnbrettbohrer aus diamantenem Urgestein! Und, guck nur, diese vollfunktionsfähige mechanische Wortverdraisine! Und dann all die Disziplinen, in denen man sich kundig machen durfte: Fraktur reden, Tacheles reden, Schönreden, Ausreden, Drumherumreden! Sogar, wenn auch nur unter Verweis auf den Kasten für Fortgeschrittene, das Energisch-in-Abredestellen, das Strikt-Zurückweisen und das Ins-Gegenteil-Verkehren und die hohe Kunst des Das-Wort-im-Munde-Herumdrehens! Das ganze Programm!
Wie ein von Anfängern nach dem Kochbuch von Reichskochkunstverweser Dr. Oetker hergestelltes oder schlecht und recht zurechtgefrickeltes Soufflée fielen Friedemanns bisherigen Beruflichkeitsträume zu NICHTS bzw. fad-zäher Matsche von gestern in sich zusammen: Umweltretter, Afrikaforscher, Frauenversteher – pah! wie banal! Vergiss es! – „Ich will die Iloquenz beherrschen! Und damit die Welt!“ jubelte der Ehrgeiz in dem kleinen, narzißtisch ungestörten Friedemann, der, von seinen Eltern wohlwollend beäugt, alsbald mit dem Training begann. Nicht immer war das für die Umwelt ohne Belästigung, ähnlich wie bei anfängerhaften Grundübungen in Geige, Posaune und Kontrafagott – am Anfang will es halt noch nicht grooven. Zu Jazz, HipHop oder Klassik sind nur kaum welche geboren. Die Eltern naschten nun auch abendlich vom Mirakulin® , auch von Diazepan und Prozac, denn was tut man nicht für die goldene Zukunft des Kindes. Und Friedemann brabbelte, blubberte, stammelte, stotterte, hüstelte zum Gotterbarm, aber trainierte dennoch unerbittlich weiter, gnadenlos gegen sich und andere: Ein Redekunststeller wollte er werden, koste es die Eltern, was es wolle! Und? Es schlug am Ende an!
Schaut, liebe Eltern, sprach er stolz unter dem Tannenbaum, an Weihnachten, ich biete euch heute heute am Ehrentag des lieben Jesuskindes eine mit Hilfe von der seligen Fa. Manufactum selbstgedengelte Prunkrede dar, in der ich advokatenhaft listig EUCH verantwortlich mache für den bisherigen Misserfolg meiner Laufbahn! Euer Schuldgefühl sei mir Applaus und Anerkennung genug! Jetzt starte ich durch! – Und so kam es: Erst der Göttinger Arthur-Rimbaud-Preis für poetische Altklugheit, dann der Georg-Trakl-Pokal für drogeninduziert präpubertäre Schwermut, schließlich die Walter-Jens-Medaille für präpotentes Gehaspele und Gequatsche! Die Laudatio hält jeweils Fräulein Hegemann. Und nächsten Sommer gehts zum Klagen nach Tränenfurt. Man muss nach vorne schauen. Auch wenn es graust.
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