Archive for the ‘Kraskas dezente Erotica’ category

Ein Spielfilm „im Netz“ (Pornorama)

24. November 2011

Noch unbemannt: Nacktes Sofa

Zunächst sah man eine Weile nichts, dann erfasste die Kamera ein Wohnzimmer, das durch eine gewisse karge Unpersönlichkeit hervorstach, etwa wie so eine Möbelschaunische bei IKEA. Auf dem Sofa „Bjørndal“ aber saß bzw. räkelte sich auf etwas nervöse Art hingegossen eine blondierte Dame, die  –  hieß sie Gisela? Silke? Sabrina wohl eher? – sichtlich sich langweilte. Mal schaute sie auf die Uhr, mal las sie in einem bebilderten Magazin, dann wieder blies sie mopsig die Backen auf. Gelegentlich, so weit ging die Langeweile, nestelte sie traumverloren an den Knöpfen ihres Sommerkleides.

Fast begann der Film schon eine Wim-Wenders-hafte Langeweile auszustrahlen, da trat urplötzlich und unmotiviert ein drahtiger Jüngling zur Tür herein. Es entspann sich ein belangloser, später etwas anzüglicher Wortwechsel, der, seis aus kognitiven Beschränktheiten, seis aus dramaturgischen Gründen, die Handlung zunächst nicht wesentlich vorantrieb. Aber der Dame wurde offenbar dennoch warm von der Konversation. Knopf auf Knopf öffnete sie ihr Kleid und verschaffte sich Kühlung, dabei unversehens und gewiss unbeabsichtigt gewisse Reize enthüllend. Der hinzugetretene Jüngling machte darauf gehorsamst Stielaugen. Als zuvorkommender Gentleman kam er der Film-Partnerin insofern entgegen, als dass er sich seinerseits ungefragt seiner Beinkleider entledigte. Es folgte ein sich beschleunigender Entkleidungswettbewerb, an dessen Ende Herrenoberbekleidung und Damen-Unterwäsche auf dem IKEA-Wohnzimmerboden ein ganz schönes Durcheinander anrichteten. Aber die Kamera verweilte darauf nicht lange, sondern verfolgte lieber, wie das unversehens zum Paar gewordene Protagonisten-Duo sich nun zusehends enthemmteren Balgereien hingab.

Selten in der Öffentlichkeit auftretende Körperteile kamen zur Großaufnahme, Unaussprechlichkeiten wurden zelebriert, Interna offenbart, darunter viel Anatomisches, Überlebensgrosses, das, wie Heidegger sagt, in die Unverborgenheit trat. Der ohnehin lakonische Dialog indessen verarmte nun zusehends. „Ja, ja. Jaaah!“ sagte die Dame und „Ooooh, Baby!“ versetzte der junge Mann. Der dezidierten Zweckentfremdung zugeführten Körperteile ließen vermuten, dass Freizügigkeit zu den bevorzugten filmischen Mitteln bzw. intendierten Wirkungen gehörte.

Die Regie schien, nicht gänzlich zu Unrecht, eintretende Redundanzen zu fürchten; die konstruktive Zusammensteckbarkeit von Mann und Frau leidet unter der Beschränkung der Kombinationsmöglichkeiten; man kennt das aus der eigenen Lebenserfahrung. Also schickte man, zum Teufel mit dem Drehbuch, einen weiteren Herrn ins Getümmel, in das dieser ohne Präliminarien und lange Courtoiserien umstandslos hineintrat. Die vorübergehende Polonaise-artige Belebung ging freilich auf Kosten der Übersichtlichkeit. Nur noch ein Herr mehr, und der Tanz um die Dame gliche schon einer Art Reise nach Jerusalem. Verschlingungen und Verknotungen wurden nun geschürzt, welche die genuine Alltagspersönlichkeit überfordern würden. Ob die angestrebte Aufpeitschung der Zuschauersinne hierdurch gelang, darf offen bleiben. Zoom und Totale taten gewiss ihr Bestes.

Das große Finale fiel etwas enttäuschend aus, indem nämlich die zugrunde liegende Dame mit einer seltsamen Feierlichkeit und ekstatischen Aufregung ein klein wenig bekleckert wurde, ein eigentlich unspektakulärer Vorgang, der aber anscheinend zu den genretypischen Sensations-Faszinationen gehört. Der Kliniker steckt dies unter dem Titel Saliromanie kühl in die Schublade der Paraphilien.

Die Schauspieler waren großartig. Sie verstanden es hervorragend, „es“ zu tun und doch auch wieder nicht, indem sie nämlich verfremdend komplett neben sich standen und bar jeden Ausdrucks in die Kamera starrten, als exekutierten sie das berühmte Brechtische „Glotzt nicht so blöd“.  – Das war frappant und hätte einen Bambi verdient.

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Voll schwul (Romantik)

5. Juli 2011

Romantisches Essen, ohne Mutti

Freitag, Fragestunde. Mein serbo-deutscher Nachhilfe-Schüler Milan darf mir wieder Fragen stellen. Meistens sind sie ziemlich persönlich. Lieblingstier, Lieblingsreligion, Lieblingsfarbe, Lieblingsgetränk. „Wein“ sage ich. „Aber neulich, bei uns, da hast du aber BIER getrunken, Lährärr!“ – „Ja“, repliziere ich herzlos, „weil es nichts anderes gab – aber ich hasse Bier!“„Aber Wein?“ – „Ja, den trinke ich gerne. Wenn ich mit der Gattin koche und wir essen, dann gibt es Wein.“ Milan, mit acht Jahren schon immens weltläufig, nickt verständig: „Und mit Kerzen, ne? Und denn Sonnenuntergang! Und nachher geht ihr ins Kino…“ Ehe ich nachfragen kann, fügt er träumerisch hinzu: „Dassis dann … ROMANTISCH, ne?“ Was „romantisch“ ist, weiß er aus dem Fernsehen. Amerikanische Filme. Soviel zum Weltwissen achtjähriger Migrantenkinder. Obwohl er die Grammatik des Geschlechtlichen noch nicht so drauf hat. Was nach dem Kino evtl. noch passieren könnte, bleibt vorerst im Dunklen.

Dass er, wie ich ihm prophezeie, dereinst ein hübsches Mädchen heiraten wird, empfindet er indes als Beleidigung. Ein Mädchen? Das ist ja wohl voll eklig! Ich verzichte darauf, ihm zu erklären, die Alternative wäre, schwul zu werden, weil schwul ist nämlich noch schlimmer als sich mit Mädchen abzugeben. Oder, präziser, strikt nach Schulhoflogik: Sich mit Mädchen zusammenzutun ist „voll schwul“! Sobald Papa tot ist, heiratet Milan deshalb seine Mutter. (Er hat ein beunruhigendes Interesse am Thema „Erben“.) Und fremde Frauen möchte er zuhause nicht haben. Da mich gelegentlich der Hafer sticht, sage ich ihm vorher, dass er in ein paar Jahren verrückt nach Mädchen sein wird. Darüber kann er nicht lachen. „Lährerr“, sagt er ernst, „du machst mich schon wieder Scherz! Hab ich genau gemerkt!

Immer denselben schlechten Scherz machen die öffentlich-rechtlichen Medien mit mir, indem sie zu meiner nie erlahmenden Fassungslosigkeit stundenlang sog. Fürstenhochzeiten übertragen. Das Rätsel, wer zur Hölle so etwas guckt, ist gelöst: Ich! Wenn auch nur drei Minuten, und bestimmt nicht, weil ich das „romantisch“ finde. Kürzlich las ich den Kindermundspruch: „Wenn man Kinder haben will, muss man Sex machen oder heiraten.“ Oder, wenn man aussieht wie ein pummeliger Busfahrer aus Leverkusen, aber ein voll schwuler Operettenprinz und schwer betuchter Spielbanker ist, kauft man sich halt eine schöne Frau und heiratet die öffentlich. Kinder kann sie ja dann vom Bademeister kriegen. Die bildschöne Frau hat ein bisschen geweint, was auch in den Nachrichten kam. Sie hatte wahrscheinlich zu spät geschnallt, wozu Candle-Light-Dinner und Kino-Besuche führen können. Ihr Prinz Albern I. sah übrigens aus, als hätte er lieber Mutti geheiratet, das war deutlich zu sehen.

Abschließend stecke ich mir eine fremde Feder an den Hut. Unsere BILD-Zeitung – ist sie nicht unschlagbar? „In aller Offenheit kann unsere Nationaltorhüterin Nadine Angerer erklären, dass sie mit einer Frau lebe. Undenkbar im Männerfußball.“ – Der ist nämlich voll schwul.

Über die innere Übersichtlichkeit unserer Nutztiere. Mongolen-Könige kaufen in Dinslaken!

4. Dezember 2010

Wille zur Gemütlichkeit: Tisch fürs private Gänseessen am Digitalkamin

Bei einem privaten Gänseessen, auf dem wildfremde Leute halt notgedrungen miteinander reden mussten, kam irgendwann natürlich die unvermeidliche Frage auf: „Und was machst du so beruflich?“ – Eine eigentlich enorm indezente und überdies uninteressante Gesprächseröffnung, die selten zu funkelnden Highlights der Konversation führt, denn die meisten machen eh halt „irgendwas mit Medien“, und wenn nicht, wie in meinem Fall, bekommt man nur nebulöse Auskünfte, die in die Irre führen. Mein durch reichlichen Gans- und Rotwein-Genuss schon auf wattig-beduseltes Aufmerksamkeitsniveau herabgesunkenes und dort träge herumdümpelndes Gemüt bekam jedoch einen erfrischenden Kick, als meine charmante junge Tischbarin kundgab, sie sei jüngst von der gemeinen „Eigenbestandsbesamerin“ zur „amtlich zertifizierten Besamungstechnikerin“ aufgestiegen. Das groovt ja nun eindeutig mehr als das Geständnis, man sei „Philosophielehrer für ältere Erwachsene“, oder? – „Sind das nicht“, frug ich rotwangig animiert und durch RTL2-Reportagen vorgebildet, „nicht so Leute, die sich einen blauen Müllsack über den Arm stülpen, um dann hinterrücks schultertief in Kühen herumzustochern?“ – „Pferde“, konterte die zierliche Mitgästin daraufhin lakonisch, „ich mach es nur bei Pferden“. Als kostenfreie Dreingabe bekam ich hierzu die fortbildende Mitteilung, Pferde seien „innen viel übersichtlicher und auch hygienischer“ als Kühe, eine Information, die mir nicht weniger schwer verdaulich vorkam als die servierten Gänsekeulen. Meine stark angefackelte Wissbegierde wurde leider nicht weiter befriedigt, weil andere Gastmahlsteilnehmer das sich anbahnende Gespräch als „bei Tisch nicht appetitfördernd“ abbzubrechen befahlen. „Aber wieso denn..?“ versuchte ich noch zu protestieren, „das ist doch ganz … äh … natürlich!“, wurde aber mit einem Gläschen Wodka abgefertigt und ruhig gestellt. Halb träumerisch begann die mit Rotwein begattete innere Spieldose meines unübersichtlichen Gehirns bereits ein spekulativ angelegtes Traktat zu formulieren, das den barocken Titel tragen sollte: „Über die innere Übersichtlichkeit größerer Haus- und Nutztiere“…

Übersichtlicher als der Komplettvogel sind natürlich vor-amputierte Gänsekeulen, aber dennoch, sie angemessen und mit hohem Köstlichkeitsfaktor zu braten erfordert ein ähnliches Maß an Erfahrung, know how, Liebe und Hingabe wie, beispielsweise, die Besamungstechnik. Ich griff der federführend gastgebenden Hausfrau brattechnisch ein bisschen unter die Arme, denn bei Gänsebraten verstehe ich keinen Spaß! Erstens sind Gänse hochsympathische, viel zu denken gebende Geschöpfe Gottes, zweitens isst man sie höchstens ein, zwei Mal im Jahr, weswegen man sie drittens mit  besinnlicher Andacht, quasi-religiöser Hingabe und pedantischer Präzisionspusseligkeit zubereiten sollte.  Pfusch und Gefummel sind hier Lästerung! Als zwar nicht zertifizierter, aber seit Landei-Kindheit doch erfahrener Eigenbestandsbrater weiß ich darüber hinaus, dass es eine gehörige Rolle spielt, ob da jetzt so eine lieblos maisgestopfte, haltbare Graugans (Bertolt Brecht) aus schneeverwehten Tiefkühleiswüsten zu uns herübergehumpelt ist, oder ob es sich um ein vom grünen Bio-Bauern liebevoll handgestreicheltes, des Abends mit Liedern aus dem agrarischen Folkloreschatz in den Schlaf gesungenes, zertifiziertes Edelthaustier handelt – das Ergebnis nach drei Stunden Bratandacht unterscheidet nämlich sich um Welten!

Die in unserem Falle überaus köstlichen (außen kross-knusprigen, innen zart würzigen) Gänsekeulen lieferte eine hiesige Qualitäts-Metzgerei, die vielfach prämiert und zertifiziert ist und sich im Internet mit berechtigtem Stolz als „königlicher Hoflieferant der Bordschigin Familie der Mongolei“ präsentiert. Die mir bis dato gänzlich unbekannt gebliebene Tatsache, dass die Mongolen über einen König verfügen, der sich überdies sein Fleisch ausgerechnet aus Dinslaken-Hiesfeld einfliegen lässt, gehörte zu den weiteren lehrreichen Unterrichtungen dieses genussvollen Abends in unserem nun gewiß nicht „bildungsfernen“ Kreis.

Unser Tischgespräch glitt indes im weiteren aus dem Pferde-Inneren wieder hinaus und in den Erfahrungsaustausch über die Frage hinüber, wie es sich anfühle, eine Gans auszunehmen. Einig war man sich, dass hier Fingerspitzengefühl angeraten sei, denn käme es durch Unachtsamkeit oder Defizite in der Kenntnis der Vogelanatomie zur Verletzung der Gallenblase, müsse das schöne Vieh nämlich leider komplett weggeschmissen werden. Ein Pferd wegzuschmeißen, wäre zweifellos noch trauriger und kostspieliger, aber die rund um dieses Tier ausgebildete Tisch-Dame versicherte mir beruhigend, ein Pferd sei, schon aus Gründen innerer Übersichtlichkeit, weniger empfindlich und gefährdet, sodaß der Eingriff in der Regel eben nicht zur Verringerung des Pferdebestandes, sondern zu seiner Vermehrung beitrage, – eine Sachinformation, die nicht zuletzt auch den Mongolen-König erfreuen dürfte, wenn denn seine Existenz nicht, wie manche meinen, „eine Ente“ sei. Über die Zubereitung solcher Enten ein andermal.


 

Über die Sexualität alter Männer. Pinguine im Meerschweinchen-Becken

30. Juli 2010

Alter Sack, noch in Betrieb

Seine biologische, soziale und ökonomische Funktion hat er, na ja, schlecht und recht, erfüllt: undankbare Kinder gezeugt, mickrige Bäume gepflanzt, dickleibige Bücher geschrieben (oder zumindest Bausparverträge verkauft), ferner Alimente gezahlt, in den Grenzen seiner Möglichkeiten Karriere gemacht, Haus gebaut, Haus bei ebay wieder verkauft, um den Erlös auf dem Trümmergrundstück seiner trostlosen patch-work-Vergangenheit vertröpfeln zu lassen. So weit, so na gut. Anstatt sein Lebenswerk aber dann fristgerecht mit einem finalen Herzinfarkt zu krönen, trödelt er immer öfter unschlüssig in seinem überfälligen Leben herum und will par tout nicht abtreten. Gott, wie der anödet, der alte Herr! Er ist übergewichtig, hoffnungslos unattraktiv, ihm wachsen Haare aus Ohren und Nase, er quengelt, nörgelt und bietet an jeder windigen Straßenecke seine überholten Erfahrungen an wie rumänisches  Gammelfleisch. Niemand will ihn, den alten Sack, doch klebt er zäh am Dasein wie altes Kaugummi. Als hätte er noch eine Zukunft, rennt er panisch zu Vorsorgeuntersuchungen, macht alle zwei Wochen Belastungs-EKG und kauft heimlich Viagra® im Internet, wahrscheinlich mit Frührentner-Rabatt. Wofür, bleibt im Dunklen. Kurzum: Der ältere Mann ist ein Lästling! Zunehmend – wie auch sonst, mit dem Abnehmen will es ja doch nicht mehr klappen – wird er zum sozialen Problemfall oder Brennpunkt, im Klartext: zu einem Entsorgungsproblem.

Männer ab sechzig, sofern sie nicht durch irgendwelche dubiose Polit-Macht, gewesene Schlagerprominenz oder sonst eine zwielichtige Windbeutelei ihr verstaubtes Charisma in essigsaurer Tonerde mumifizieren konnten, sind, seien wir offen, eine Zumutung. Dieser Bodensatz der Gesellschaft – es sei denn, er hat talkshow-kompatible Eminenz  aufzuweisen oder steht unter polit-historischem Denkmalschutz –, besitzt nicht die geringste Existenzlizenz mehr! Ehrlich: Männer ab sechzig, an denen man vergessen hat, rechtzeitig den sog. „Vatermord“ (S. Freud) zu vollziehen, verzehren unsere Renten-Ressourcen, belästigen anderswo dringend benötigte Land-Ärzte mit ihren Wehwehchen und besserwissern ansonsten ziellos am Büdchen, in der Kneipe oder am Stammtisch herum. Viele sind dabei sinnlos (!) alkoholisiert, stehen unter Drogen (Beta-Blocker, Cholesterin-Senker) oder geben sich sonstwie als hemmungslose Spießgesellen der Spaßgesellschaft zu erkennen.

Das widerwärtigste an älteren Männern ist ihre sog. Sexualität! Ekelerregend und hart am Rand der Sittlichkeits-Kriminalität. Menschlichen Zeitbomben gleich, umschleichen ältere Männer unentwegt (sie haben ja Zeit ohne Ende, die fitten Vorruheständler!) Kinderspielplätze, obskure Erlebniskinos und miese Striptease-Schuppen. Entweder, unsagbar abgründig: denen ihre Impotenz! Alte Männer, das macht sie sympathisch wie Furzkissen, „kriegen keinen mehr hoch“, also praktisch latte fuccicato, – was sie mit Recht zum verächtlichsten macht, was der reproduktionsorientierte Menschenmarkt an Ladenhütern überhaupt zu bieten hat. Zum Abschuß freigegegeben: der notorische „alte Sack“ und Null-Testosterontoleranz-Zombie. Naturgemäß wird er nach Ersatzbefriedigungen suchen – Senioren-Tanz, regelmäßiger Besuch öffentlicher Gerichtsverhandlungen („da hab ich was Sinnvolles und bin der Frau aus dem Weg!“), sowie GPS-gestützte Fahrradtouren durch die Region. Lachhaft! – Man verzeihe mir meinen zivilcouragierten Mut zur waghalsigen political incorrectness, aber ich bin der Überzeugung: Alte Säcke brauchen wir wie Pinguine im Meerschweinchen-Becken!

Oder, noch monströser und superfieser als der „alte Sack“ – der als „widerlicher, alter geiler Bock“ berüchtigte Hormonkrüppel, der, wie ich gerade in einer elektronisch übermittelten Leserbriefzuschrift las, z. B. gern auf Schützenfesten (die Loveparade-Orgie des alten Sacks) jungen Hüpfern, Backfischen und kellnernden Saaltöchtern – und zwar häufig: glasigen Auges! – auf deren sekundären Geschlechtsmerkmale stiert. Und zwar je ansehnlicher die Jungfer und je hervorstechender besagte Merkmale, desto gieriger! Ein Alarmzeichen: der alte Bock ist zwar mausetot, weiß es aber noch nicht oder will es einfach nicht wahrhaben, denn unseligerweise ist sein Triebleben noch nicht erloschen. Es kaspert einfach immer weiter, das Ge-Triebe, obwohl das Verfallsdatum seines Herrchens längst überschritten ist. Wie beim altbekannten Pawlowschen Hund löst sein vertrocknetes Hirn noch immer automatische Sabber-Reflexe aus, sobald er ranker Weiblichkeit ansichtig wird. Wie widerlich ist DAS denn! Abscheulich! Warum schreitet der Gesetzgeber nicht ein? Der Sozialdienst? Die Pharmaindustrie? Was für Jungspunde absolut legitimerweise als „sexy“ gilt, ins Beuteschema passt und ordnungsgemäße Balz-Rituale initiiert, ist für den alten Sack resp. Bock selbstredend Tabu, verbotenes Früchtchen, no-go-area, Sperrgebiet mit Nato-Draht und Vergrämungsanlage. Der Senioren-Simpel hat seine Triebimpulse, evtl. gleich zusammen mit dem Führerschein, rechtzeitig bei den Behörden abzugeben. Und dann aber ab in die Selbsthilfegruppe!

Moralisch betrachtet, und das ist bei Sexualität der einzig denkbare Gesichtspunkt, hat sich der alte Sack, wenn er schon seine fiesen, unausgelebten Restsehnsüchte nicht gebändigt bekommt, gefälligst auf die inneren Werte gleichaltriger Damen zu fokussieren. Jedem das Seine und ihm, was übrig bleibt. Also alles Mutti – oder Neutrum. Angorapullis und Perlenketten, Stützstrümpfe,  Krampfadern und adrette Faltenröcke seien ihm jetzt erotischer Reiz genug! Verdient er, der bierbäuchige Grauhaar-Wackeldackel, denn etwa anderes? Er hatte seine Zeit, die er hoffentlich genutzt hat, der lüsterne Lackel, – jetzt aber hat er szypko szypko Platz zu machen. Mach Er Sitz, Dackel! Und laß Er das Hecheln! Unverschrumpelte Knackärsche, süß knospende Mädchen-Brüste und blank gleichschenklige Dreiecke (der wüste Traum des geilen alten Pythagoras-Sacks: Arsch-Quadrat mal Brust-Quadrat gleich…) haben ihn ab sofort rundweg kalt zu lassen. Reflektion statt Erektion. Das Gesetz der Euklidischen Geriartrie!

Der lächer-verächtliche „geile Alte“ (früher auch durchaus gern weiblichen Geschlechts –  heute unterbinden das in ihrer Regel die Frauenbeauftragten…) ist eine literarisch allseits beliebte Witzfigur seit zig tausend Jahren, ein Papp-Popanz und Pappenheimer, auf den auch der letzte Erz-Schmand, Dorfidiot oder Pickel-Grind noch, wenn nur unverdientermaßen zufällig etwas jünger, herzhaft draufschlagen durfte, von Aristophanes bis Loriot, in der attischen Komödie der alten Griechen wie in der Comedia dell’Arte und weiter bis zum Ohnesorg-Theater und der heutigen 0/8-15-Fernseh-Comedy. Der Typus des unzeitgemäß geilen Seniorendeppen ist entwicklungsgeschichtlich das erste hominide Rudelmitglied, auf das ausnahmslos alle Neandertaler straflos einkeulen durften, ohne Angst haben zu müssen, revanchehalber eins in die kinnlose Überbissfresse zu kriegen.  Alte Säcke haben seit jeher noch weniger Lobby als Kinderschänder – die sie ja schließlich potentiell auch immer sind, aus rein (geronto-) logischen Gründen. Sie stieren, starren, glotzen und sabbern (interessant, kaum ein Spachklischee kommt ohne dieses „Sabbern“ aus!). Am liebsten würden die Herren Drüsentrieb-Knechte selbstredend nicht nur „sabbern“, sondern vielmehr womöglich gern auch noch „antatschen“, „befummeln“, „begrapschen“. Das wär wohl noch schöner! Wie lange wollen wir das noch mit ansehen, ohne zum Knüppel zu greifen? Zum Elektroschocker oder Bolzenschußgerät?

Warum wir alle den „geilen alten Bock“ so ungemein einhellig verachten, hat zunächst archaisch-soziobiologische Gründe. Um zweierlei kämpft man(n) in der Urhorde: Um Fleisch-Ressourcen und dann um die Weiber, sprich: die Reproduktionsgelegenheit. Schon um des Gen-Pools und der evolutionär effizienten Zuchtwahl willen dürfen die Generationen nicht durcheinander kommen. Verbrauchte Säcke müssen von der Reproduktion ausgeschlossen werden, auch wenn sie noch „können“. Bzw. natürlich gerade dann! Neben dem Inzest-Verbot ist die sexuelle  Generationenbeschränkung eines der grundlegendsten kulturstiftenden Tabus. Die Anarchie des Biologisch-Natürlichen muß eingedämmt werden. Tut mir Leid, Freunde: Evolution is a harsh mistress.

Selbst ausgedörrte Yoga-Damen, verbitterte Spät-Punks, Alt-Rock’n’Roller oder postklimakterielle Besucherinnen des fair gehandelten Häkelkreises von Presbyter-Präses Dr. Schleierhaft, letztere eigentlich zur christl. Nächstenliebe verpflichtet, hassen und verachten schnaubend den „alten geilen Bock“. Widerspruch muß da niemand fürchten. Wer will schon so einen als Nächsten haben!  – Aber andererseits, wir haben heute natürlich auch Zivilisation, Aufklärung, Menschenschutz und alles, weswegen einfaches Lynchen und grobschlächtiger Totschlag (sog. „Keulen“) mit gewissem Recht geächtet sind und leider nicht mehr in Frage kommen.

Und hier komme ich mit meinem Plädoyer bzw. humanen Projekt der psycho-sozialen Entsorgungshilfe: Männer ab 60, über den Daumen, sollten einer – selbstverständlich humanen, also menschlich schon okayen, verständnisvollen und einfühlsamen – Einschläferung zugeführt werden. Entsorgung im Wohlfühlambiente: Ein sedierendes Schnäpschen vorweg, eine kleine blaue Spritze, dazu als Sterbe-Soundtrack Mozart-Sample oder Ennio Morricone, in würdigem, auf Wunsch auch erweitert patch-work-familiären Rahmen, pardauz! –  und allen wäre doch gedient! Im Anschluß, nach der besinnlich gestalteten Feuerbestattung, Kaffee und Käsekuchen, damit die Hinterbliebenen eine schöne Erinnerung gehabt haben werden und gut über den Verblichenen reden. „Ja, gut, vielleicht war er ein alter geiler Bock, aber nun ist er von dem Leiden erlöst, das er uns bereitete“. (Kleiner Tipp: Zuvor das Testament nicht vergessen!) – Und wieder ist die Welt ein bisschen schöner, sauberer, sicherer und bewohnbarer geworden!

– In der nächsten Folge: „Wohin bloß mit Mutti? – Wenn Frauen ihre Jahre bekommen“

Quo vadis, Beinkleid?

22. Juli 2010

Hose der Fa. Baur, Beine unbekannt

EIN LÄNGERES TRAKTAT ÜBER DIE KURZE HOSE

Beim Bikini zum Beispiel, beim BH oder auch beim Reißverschluß weiß man es, glaube ich. Aber wer hat eigentlich das sinnreich ersonnene Kleidungssstück erfunden, das wir als sog. „Hose“ kennen und schätzen? Römische Autoren der Antike haben das raffinierte Doppelröhren-Teil als Alltags-Tracht der wilden Germanen-Stämme beschrieben, halb spöttelnd, in der kalten Jahreszeit dann aber auch schon zunehmend ein bisschen neidisch. Hosenlose Horden gelten in der Moderne bereits als rückständig. Obwohl es m. W. noch keinen bundes- oder gar weltweiten „Tag der Hose“ gibt, wird die zivilisatorische Daseinsberechtigung dieses Beinkleides kaum noch bestritten. Freilich, keine Hose ohne Dornen, will sagen ohne Umstrittenes, Fragwürdiges, ja irritierend Bedenkenswertes.

Ich spreche vom Funktionswandel der Hose! Den nämlich gibt es zu verzeichnen! Grundidee der antiken Beinkleidschneider war es ja wohl ursprünglich, die beiden braven Zwillinge, das stämmige Stand- und sein puppenlustiges Spielbein, mit einem ledernen, später textilen (Jeans!) Schonbezug zu umhüllen, damit es nicht friere (fröre) und vor allem Unbill einer feindseligen Umwelt wohl verwahrt seine Arbeit tue. Oder täte. Dass dabei das stämmige Germanen-, Westgoten- oder Vandalenmännerbein auch den Blicken der Öffentlichkeit entzogen wurde, nahm man billigend in Kauf. Heute fragt sich der konservative Kulturbeobachter indessen schon wieder bang: Quo vadis, Hose?

Die Hose steht heute ratlos am Scheideweg, und zwar besonders als sog. Kurze  bzw., für das weibliche Geschlecht vorbehalten, sogar Sehr Kurze Hose. Seit der Klimawandel uns im Sommer mediterrane oder sogar tropische Temperaturen beschert, hat der deutsche Mann eine Art Zwangsneu-Hose entwickelt: die obsessive, öffentlich-schamlose Kurzbehostheit. Was soll man sagen? Als unterlägen ihre unelegante Stampfer neuerdings einem staatlichen Verhüllungsverbot, entblößt man wie blöd und zwanghaft seine knochigen Knie, wurstigen, wollbehaarten Waden oder madenweißen Magermilchschenkel. Trotz der Proteste internationaler Menschenrechtsorganisationen enden solche Unaussprechlichkeiten unten noch immer gern in weißen, beigen oder braunen Socken. Pfui Spinne! Wollen wir das ästhetisch ausführlicher würdigen? Besser nicht; taktvoll-dezent schlagen wir die Augen nieder und bitten still stoßbetend um plötzliche Schafskälte und die gnädige Rückkehr der seligen Eisheiligen.

Ganz anders wiederum, oft betörend und sinnverwirrend, die heuer, wie mir scheint, faktisch wie modisch im überhitzten Stadtbild mehr und mehr dominierende, extrem knapp sitzende Fräuleinhose, früher kess „Hotpants“ (vgl. auch „Der Name der Hose“!) genannt, ein zumeist aus Jeans-Stoff geschneidertes (man möchte, hehe, eher sagen: beschnittenes), jedenfalls eminent, ja  frappant kontraproduktives Beinentkleidungsbeinkleid, dessen nahezu beinfreie Knappheit den Gläubigen offenbart, dass der Schöpfer – wie es das on dit ja schon lange vermutet –, wenigstens was das beinbezogenen Feindesign angeht, beim Manne nur geübt, beim jungen Weibe aber zur Vollendung gefunden hat. Die Anatomie ist im Prinzip ja die nämliche, aber der ästhetische Effekt ist beim ultrakurzbehosten Jungfernbein ein verblüffend anderer, zumal in der Mädchen-Population dieses Jahres, will mir scheinen, die Beine besonders lang, elegant und hühnchenknusperbraun gewachsen sind. Manche Mädels bringen es, ich kann das als urbaner Biker beurteilen, mit Hilfe eines solchen Entkleidungsstückes zuweilen bis zum mobilen Verkehrsbehinderungsereignis!

Ist eine solche sachliche Feststellung etwa von chauvinistischer Frauenfeindlichkeit geprägt? Ganz im Gegenteil! Fern liegt mir altem Hosenkavalier jede Anzüglichkeit! Die kurze Hose (im Gegensatz zu Horrorhosen-Relikten wie der verflossenen Karotten-, Reit- oder Pumphose) versichert uns vielmehr, dass der früher aus ideologischen Gründen unterschätzte „kleine Unterschied“ noch immer existiert und sich nicht hinwegmodeln oder -mendeln gelassen hat. Das von mir praktizierte Frauenversteher- oder Verehrertum macht vor dem Bein nicht halt. Beine gehören zum integralen Bestandteil femininen Menschentums! Steht, empfehle ich daher der heurigen Mädchenblüte, steht zu euren Beinen!

Beine sind ein Gottesgeschenk – ein paar aufreizend knappe Jeanshosen für sie hat Gott allerdings nicht wachsen lassen, die muß man zur natürlichen Ausrüstung hinzukaufen. Hierfür gibt es aber gut erreichbare Fachgeschäfte.

„The Sting“ zum Exempel ist ein aus den Niederlanden stammendes, im „Forum“ niedergelassenes sowie im Prinzip – so sagen die Töchter – recht empfehlenswertes Bekleidungshandelsunternehmen für junge, schlanke, gut gewachsene Menschen, die sich mit Hilfe der feilgebotenen  div. Markenklamotten figurbetont herausputzen möchten. (Achtung: Die Größen S, M, L und XL beziehen sich eher auf thailändische Maßstäbe!),  Dass modische Kleidung ihre Attraktivität oft durchs Weglassen behauptet, kommt man mit wenig Stoff aus, was der Taschengeldfreundlichkeit der  Hemdchen, Tops & Höschen zugute kommt. Der Öffentliche Raum profitiert: In der Stadt erblühen die Augenweiden.

Aufgrund der äußersten Knappheit und Kürze der sommerlichen Hosenbeine habe ich mir erlaubt, den Text hierüber etwas länger geschneidert bzw. ausufern zu lassen.

Der Mann: Seelenfreund oder blaues Silikon-Würstchen?

3. September 2009
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Welcher Mann möchte HIERAUF reduziert werden?

Um einmal wieder – ich finde, jetzt darf es an der Zeit sein –, ein heikles Thema anzusprechen: Zwar sind einige meiner besten Freunde Frauen, aber dennoch, mir will keine irgendwie geartete Beziehung einfallen, in der ich es geschmacklich, ästhetisch oder erotisch für angemessen, geboten oder auch nur vertretbar hielte, einen sog. Dildo zu verschenken. Ich meine, wer weiß? Möglicherweise wird es irgendwann ja dereinst science-fiction-mäßig emanzipierte Zeiten geben, in denen das Verschenken sorgfältig und künstlerisch wertvoll gestalteter Vibratoren – etwa zum Mutter- oder Hochzeitstag, zu Geburtsjubiläen oder zu hohen kirchlichen Feiertagen – nicht anstößiger wirkt als, sagen wir: die freundschaftliche Überreichung eines Milchaufschäumers, Pürier-Stabes oder Sektquirls.

 In solchen Zeiten wird dann ein Mann, ohne Anzeichen der Befangen- oder Verlegenheit eine Dildo-Boutique betreten und nonchalant etwa folgendes herunterhaspeln: „Ich suche etwas für eine aufgeschlosssene, junggebliebene Dame mittleren Alters, bevorzuge dabei indes Naturmaterialien, aber wiederum möglichst aus ökologischem Anbau, also eventuell schon Teakholz in warmen Rotbraun-Tönen, aber aus kontrollierten, alternativen, nachhaltig organisierten Baumschulen! Und gibt es da auch welche mit Solarbetrieb?“ In der Folge würde sich der ratsuchende Herr von einer hochkompetenten, nicht im mindesten verlegenen, virtuosen Fach-Vibratraktoristin  über die Vorteile und Nachteile verschiedener Modelle aufklären lassen, dabei betont verständig nicken und schließlich eine vernünftige, Preis und Leistung gegeneinander abwägende sachliche Wahl treffen. Zart errötend, aber dankbar wird er abschließend zustimmen, wenn die Befriedigungsgeräte-Fachkraft professionell flötet: „Darf ich’s Ihnen als Geschenk einpacken?“

 Solche und ähnliche Phantasien fliegen mich an, wenn ich fast täglich, auf dem Weg zur Arbeit, durch die kleine, verschwiegene Seitengasse radele, in das „Pussy Pleasure“ liegt. „Pussy Pleasure“ heißt zu deutsch: „Muschi Vergnügen“, was evtl. ein missverständlicher Ladenname wäre. Es handelt sich um nämlich nicht um ein Geschäft für Katzenbedarf, sondern um einen kleinen Laden, der sich dem exklusiven Sektor weiblicher Bedürfnisse widmet, die vom DM-Markt, der Parfumerie Douglas und den Schuhgeschäften nicht abgedeckt werden. Da ich, wie gesagt, hier feilgebotene einschlägig verwendbare Geräte und Spielzeuge nicht verschenke, andererseits das soeben phantasierte Verkaufsgespräch erst in der fernen Zukunft stattfindet, habe ich mich noch nie getraut, die kleine Boutique zu betreten.

 Dennoch vermag mich der Shop (eigentlich doch schade, das man ihn englisch benannt hat; „Ulla’s Wollust’läd’chen“ oder „Spielzeugstube Tralala“ hätte ich niedlicher gefunden…) anzuregen, wenn auch nur zu Gedanken folgender Art:

 Warum eigentlich ist, mal sexualkulturanthropologisch gefragt, die soziale Akzeptanz autoerotischer Betätigung geschlechterspezifisch so unterschiedlich verteilt? Zu deutsch: Wenn ein männliches Wesen, sei es aus Partnermangel, Schüchternheit oder überschießender Libido, Hand an sich legt, und dabei womöglich „so Heftchen“ oder gar miese Schund-Filme zur Hilfe nimmt, so schaut man in der Regel halb mitleidig, halb verächtlich von schräg oben auf ihn herab und heißt ihn einen „elenden kleinen Wichser“; tut eine Frau ganz ähnliches und versichert sich dabei der Unterstützung durch männerverachtend übertrieben geformte Geräte, noch dazu batteriegetriebene, so schnalzt man hingegend allgemein anerkennend mit der Zunge: Oh la là, was für eine kühne, emanzipierte, zu ihren Lustbedürfnissen stehende „moderne Frau“! –Warum heißt es denn da jetzt nicht: „Booaah! Ist ja superekelig! Die doofe Schlampe reduziert den männlichen Menschen auf einen brummenden, surrenden, vibrierenden Plastik-Pürierstab! Wie inhuman männerverachtend! Hier wird der Mann, der doch Lebenstraum-Partner, anlehnungsschultergewährender Seelenfreund und Herzensgefährte sein soll, brutal zum technoiden Instrument mechanischer Lustgewinnung degradiert!“ Irgendwie ungerecht, oder nicht? Oder haben Frauen da irgendwie einen Bonus? Aber warum? Weil bei ihnen das meiste irgendwie besser aussieht?

 Ich weiß nicht – im Grunde habe ich nichts gegen diese immer etwas auftrumpfenden Frauenerotikläden. Da „Pussy Pleasure“ schon seit Jahren existiert, wird es wohl genügend Kundschaft geben, und ich bin der letzte, der das beklagt. Ist ja für uns Männer auch irgendwo ein stückweit entlastend, wenn wir nicht mehr allein für besagte „pleasure“ verantwortlich sind. Das einzige, was mich an diesem Frauenerotikding manchmal stört, ist so eine gewisse narzisstisch verkitschte Süßlichkeit wie bei diesen obzönen Blüten-Bildern von Georgia O’Keefe, oder den patschuli-duftenden Weichzeichner-Nymphchen von Georg Hamilton („Bilitis“), diese Art feminine Selbstverkitschung, die so tut, als sei weibliche Sexualität irgendwie duftiger, ätherischer und weniger verschwitzt, als die männliche. Aber weiblichen Sexismus will ich den werten Betreiberinnen von „Pussy Pleasure“ gar nicht unterstellen. Wenn ich von weitem einen schüchternen Blick riskiere, sehe ich dort immer junge, moderne, fröhliche Frauen, die Spaß haben, viel lachen und, scheints, ein lustiges Leben führen. Das sei ihnen von Herzen vergönnt. Immer hinein ins Vergnügen!

Brennende Lust: Nacktes Nackenwerfen vs. Feminismus

20. August 2009
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Fast menschenleer: Ein Strand in der City

Derzeit beginnen zeitaktuelle Kolumnen-Texte gern mit einem Zitat von The Loving Spoonful: „Hot town, summer in the city, / my neck’s gettin’ dirt and gritty“ – warum auch nicht, liegt doch nahe bei 37° C im Schatten! Außerdem ists ja ein schönes altes Lied. Ich fang trotzdem mal anders an: Stellt euch einen einsamen Sandstrand vor – nahezu menschenleer liegt er unter der Sonne; bis auf das gelegentliche leise Vorübertuckern eines Schiffes ist es himmlisch still; kein Kindergeschrei, kein hektisches Geplantsche, keine sportgeilen Muckibengel mit Beachball, die einen andauernd immer mit Sand bestäuben. Die Sonne erzeugt mediterranes, wenn nicht sogar nordafrikanisches Flirren, doch ein zwar wüstenhauchwarmer, aber doch erfrischender, kräftiger Wind fächelt Annehmlichkeit zu. Wohin man da fliegen muß? Nirgendshin, das geht mit dem Rad, ist bei mir um die Ecke, im Ghetto, am Rhein.

H ier kann man völlig ungestört sich sonnen, meditieren, den Schleppkähnen auf dem Rhein zusehen oder, auch wenn das hier im Viertel der hundert Nationen etwas exotisch wirkt, ein Buch lesen. Ich für meinen Fall hatte ein Buch der feministischen US-Philosophin Judith Butler mit dem Titel „Die Macht der Geschlechternormen“ dabei, weil ich das für ’nen Vortrag lesen muß. Ich habe ja auch einen Beruf, da ich vom Bloggen oder Qypen nicht leben kann. Leider konnte ich mich am Strand auf die Geschlechternormen und ihre Macht nur schwer konzentrieren, da ein junger Mann die Gunst der Menschenleere und Ungestörtheit nutzte, um von seiner Freundin Erotik-Fotos zu schießen. Heute heißt das so: „Komm, Chloé-Sandrine, Baby, wir machen heut ein mal ein sexy Foto-Shooting, ja?“. Vielleicht wars auch nicht seine Freundin, sondern ein Profi-Model, denn das bis auf gewisse Zonen knusprig grillhähnchen-farben bronzierte Fräulein, das lediglich mit einem großzügig aufgeknöpften weißen Herrenhemd bekleidet war, zeigte körperbaulich gesehen vorzüglich gestaltete Anlagen. Man möge mir das verzeihen oder nicht, aber da, wie gesagt, ein kräftiger Wind ging, der das besagte Hemd in reizvolle Flatterhaftigkeiten versetze, geriet meine Feminismus-Lektüre irgendwie ins Schlingern, weil, es gibt Dinge, die kann man einfach nicht gleichzeitig! Etwa ein Auge dem theoretischen Feminismus, und eines der praktischen Frauenschönheitsverehrung widmen. Das gibt, vor allem in der prallen Sonne, Hirnschwurbel!

Der Fotograph war jedenfalls mit Sicherheit kein Profi, sonst würde er ja nicht grad seine Bilder „schießen“, wenn die Sonne, im Zenit ihrer weißen Mittagsglut, der Mademoiselle Modelle völlig unschmeichelhaft senkrecht auf den Schädel brennt. Da ich mir hinter meiner großen Sonnenbrille ohnehin schon die Indiskretion des Da-Hinguckens erlaubte (ich kann nichts dafür, ich bin ein Augenmensch!), konnte ich ebenso gut, sagte ich mir, auch gleich mal studieren, wie sich die Macht der Geschlechternormen in den Erotik-Vorstellungen der passionierten Amateure so niederschlägt. Die Regie- bzw. Model-Führung des Fotographen ließ eigentlich nur zwei Schlüsse zu: Entweder taumelte das Mensch einhundert Prozent phantasiefrei durchs Geschlechtsleben, oder er pflegte eine eigenartige, bizarre sexuelle Obsession: Das Nackenwerfen! Wieder und wieder, ein ums andre Mal, hörte ich ihn der Dame zurufen: „Wirf mal den Kopf in den Nacken! Leg mal so den Kopf zurück! Beug dich mal so nach hinten, ja?“ Die einzige Pose, die der arme Kerl bei seinen ca. dreitausend „Schüssen“ offenbar goutierte und für erotisch hielt, bestand darin, daß sein Modell den Kopf extrem weit in den Nacken warf und so tat, als würde sie von ihren mit Helium gefüllten Brüsten irgendwie gen Himmel gezogen! Mal sollte sie dazu die Schenkel spreizen, mal lasziv das Knie anwinkeln, mal alles zusammenkneifen, aber immer: den Kopf in den Nacken werfen! Mir wurde ganz schwindelig vom Zugucken!

Also, jedem seine erotische Vorliebe, aber mich würde eine weibliche Begleitung ja eher irritieren, die ungefähr tausendmal am Tag ihren Kopf in den Nacken wirft! Da läuft frau doch die Gefahr, sich ein Schleudertrauma zuziehen! Sind die Geschlechternormen das wert? Mein stets polymedial aktive Multifunktionshirn spielte mir „Bettina, pack deine Brüste ein / Bettina, zieh dir bitte etwas an“  von der Band Fettes Brot ein, was sich als perfekter Soundtrack zu dieser Strandstunde erwies.

Trotz allem, es gibt natürlich schlimmeres, als an einem heißen Augusttag am einsamen Rheinufer-Strand Sonnen-Siesta zu halten und physisch gut entwickelten jungen Erwachsenen beim Versuch zuzugucken, sexy zu sein. Ich hoffe, Frau Prof. Butler hat dafür Verständnis!

 Nachtrag: Warum dieser neu gestaltete Strand tagsüber noch immer menschenleer ist, bleibt ein Rätsel. Vielleicht ändert es sich, wenn 2010 die geplante Gastronomie am „Strand“ verwirklicht wird? Obwohl, wenn’s nach mir ginge, könnts so bleiben: Die Ruhe mitten in der Stadt ist traumhaft!

Bubikopf, Einschlafbier, demokratischer Fisch-in-Tomatensauce (Ein Gespräch über Madonnas Achselhaare)

10. Juli 2009
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Stilikone Madonna in der Neigungsnische (Foto: Lee Friedlaender, PLAYBOY 1985)

Innerfamiliär schätzen wir das bekannte Gute Gespräch. Neulich beim Abendbrot haben wir uns in der Runde z. B. lange über Madonnas Achselhaare unterhalten. Einig war man sich insofern, daß Madonnas Style heute – also dieser Typ abgemagert-hager-sado-sehnige Fitness-Tucke – uns ja nun überhaupt nicht anmacht. Die Frau sieht aus wie eine sm-hardcore-lederlesbische Turnlehrerin im Stadium fortgeschrittener Unterleibsverbitterung! Dassisdonnich schön! flöteten wir unisono.

Ich gab dann damit an, daß ich mal das PLAYBOY-Heft von 1985 besessen habe, worin nachträglich Aktfotos der 17-jährigen Karriere-Beginnerin abgedruckt waren, die da noch  Madonna Louise Veronica Ciccone hieß und ein reizendes italienisches Pummelchen-Frollein war, dazu südländisch-mediterran, also ungemein großzügig körperbehaart. Auf den künstlerischen (ha!) Schwarzweißfotos, ich erinnere mich erschauernd noch heute, stach ihr flamboyantes, lockig-buschiges, pechschwarzes Achselhaar einigermaßen provokant ins Auge. Unvorsichtigerweise gestand ich, dies damals „irgendwie auch sexy“ gefunden zu haben, worauf die 21-jährige Tochter des Hauses pantomimisch einen Kotzwürganfall andeutete und mich mit weit aufgerissen-überquellenden Augen puren Ekelentsetzens anstarrte, als hätte ich gerade zugegeben, von Sex mit Königspudeln zu träumen. So kamen wir auf das Thema Haare.

Nebenbei, Schwarzweißfotos und Haare: Frau Gülcan Kamps (26, Abitur in Lübeck) hat nicht nur im Fernsehen ihren Brötchen-Prinz geheiratet, sondern auch an der Quizsendung „Was denkt Deutschland?“ teilgenommen. Ausweislich eines Radiomitschnitts ist herausgekommen, was die VIVA-Moderatorin selber denkt. Sie denkt, auf Schwarzweißfotos sind weiße Haare schwarz und schwarze Haare weiß abgebildet. „Du meinst Negative“ hält man ihr daraufhin vor. „Nee, überhaupt nicht“, antwortet sie da, „ich mein das gar nicht negativ…!“

Haare gehören zu den evolutionär eigentlich längst überholten Sachen, um die Menschen ein dennoch riesiges Gewese machen. Es wird unentwegt gestylt, gelockt, getönt, gesträhnt, geföhnt, gegelt, gescheitelt, wachsen gelassen, abgeschnitten (stufig!) oder wegrasiert, aufgetürmt, verfilzt (dreadlox), kunstverstrubbelt (Schlingensief), geflochten und noch weißderteufelwas. Manche, wie der Internet-Prominente Sascha Lobo, gelen sich das Haupthaar zu einem feuerroten Irokesen und können ganz gut davon leben. Andere fühlen sich morgens suizidal, weil „einfach die Haare nicht sitzen“. Der aus haarigen Verhältnissen herausgewachsene Herrenfrisör Udo Waltz ist zur Kanzler-Beraterin und gefragten Society-Tucke aufgestiegen, weil er sich gut mit Ministerinnenfrisuren auskennt.

Frisuren sind derjenige Teil einer Weltanschauung, den man sehen kann: Glatzen (Skins, Neo-Nazis, Werbe-Fuzzis) und Vokuhilas (Zuhälter, Fußballprofis, Muckibuden-Betreiber) können bei der sozialen Einordnung des Gegenübers helfen; auf Heavy Metal-Konzerten sieht man im Schnitt 35% mehr Haare als bei einem Gig von Placebo oder Jan Delay. Ob Haare als hip oder gar „sexy“ empfunden werden, hängt von der Stelle ab, wo sie wachsen, und auch noch von Mode. Ich wuchs in Zeiten auf, als der Schnauzbart en vogue war, den später nur noch Polizisten trugen, leistete mir dann, weil es mit meiner Nasenlänge harmonierte, einen Bart à la Frank Zappa; noch später erwog ich die Anpflanzung eines Grunge-Ziegenbärtchens, was mir aber meine Frau geschmackvollerweise untersagte.

In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts hielten es die subtilsten Erotiker der Republik für ungemein erregend, wenn eine Dame einen sog. Bubikopf trug. Es gab eigens von irgendeiner Hochkulturzeitschrift eine Umfrage unter Geistesgrößen, was man von so einer neumodischen Kurzhaarfrisur denn zu halten habe. Sogar Thomas Mann hat es sich damals nicht nehmen lassen, einige verschwiemelte Gedanken hierüber ins Schriftdeutsche zu stelzen. Noch Ernest Hemingway, der alte Männlichkeitshaudegen, Entenjäger, Kriegstrinker und Frauensäufer, kriegte sich erotisch gar nicht mehr ein, wenn er davon schrieb/träumte, mit einer Kurzhaarfrisur tragenden Frau zu schlafen. Es kam vermutlich seinen krypto-schwulen Neigungen entgegen; das Irisierende, Oszillierende und Irritierende von Mädchen mit Jungshaaren hat ihn genauso wie Thomas Mann schwer angefackelt.

Heute finden Mädels aller Frisurklassen und Haarkreationen die verdiente erotische Beachtung, vorausgesetzt, sie beherrschen den Umgang mit einem lady shaver. Das allerdings soll ein Muß sein. Die Rasierklingenschmiede und Rasierschaumschläger reiben sich schon seit einiger Zeit die geschäftigen Hände: Die großflächige Epilation haarwuchsverdächtiger Körperregionen wird im 21. Jahrhundert zur zivilisatorischen Selbstverständlichkeit und ästhetischen Hygienepflicht! Eine befreundete Vielbeschäftigte, die sich freimütig gewisse exzentrische Entspannungshobbys leistet, berichtete mir jüngst, im zeitgenössischen europäischen Porno-Film seien mittlerweile auch die meisten Männer bereits Vorreiter glattrasierter Rundumtadellosgepflegtheit, und zwar durchaus auch, wie die Freundin mit hochgezogenen Brauen erläuterte, „unten rum“! Der ethno-anthropologische Beobachter registriert diese Entwicklung mit wohlwollendem Interesse.

Ein anderer Freund überraschte mich mal mit der emphatischen Behauptung, es sei für ihn „Demokratie“, daß er das verbriefte Recht hätte, nachts um drei Uhr noch eine Dose Fisch-in-Tomatensauce zu öffnen und zu seinem Einschlafbier genüsslich auszulöffeln. Als ich einwendete, meines Wissens hätte noch kein Diktator der Welt Fisch-in-Tomatensauce verboten, noch auch den Nachtverzehr desselben reglementiert, patzte er zurück, ich hätte eben einen anderen Freiheitsbegriff. – Für mich ist eher Demokratie, daß in der offenbar strikt geordneten und durchkategorisierten Welt der Internet-Pornographie inzwischen schon wieder auch für passionierte Behaarungsinteressierte eine Nische mit Bildern und Filmchen bereitgehalten wird, die Frauen von der Art der jungen Madonna Ciccone beinhalten. Vorbei die Zeit der genormten Einheitserregung! Laßt hundert Blumen blühen! Bzw. Neigungsnischen locken. Übertrieben finde ich bloß, wenn Männer sich neuerdings nicht nur die Beine rasieren, sondern auch die Brauen in Form zupfen. Solch effeminierten Spleen pflegte man meines Wissens zuletzt in der römischen Spätantike, und was aus dem Imperium dann geworden ist, wissen wir ja.

Den PLAYBOY mit den Madonna-Bildern habe ich irgendwann eingetauscht, gegen eine Mundharmonika. Zum Glück kursieren die Fotos aber noch im Internet. 

Zugreifen, meine Damen: Das Männer-Imitat!

16. April 2009

 

DEM IMITAT GEHÖRT DIE ZUKUNFT

In meinen lange zurück liegenden erotischen Lehr- und Gesellenjahren hatte ich das Vergnügen, ein hoch-intelligentes, hyperaktives und sehr aufgeschlossenes, indessen auch rund 15 Jahre jüngeres Punkmädel (süß, sexy und enorm anstrengend!) meine vorübergehend  ständige Begleiterin zu nennen, die mir in sexualibus etwaige, angesichts ihrer Jugendblüte evtl. aufkommenden Schüchternheiten bzw. Befangenheiten eines Abends abrupt nahm, indem sie lakonisch verkündete: „Überanstreng dich bloß  nicht, es gibt sowieso nichts, was ein richtig guter Vibrator nicht genauso, wenn nicht sogar besser kann! Und länger!“ –  Hm, ich weiß nicht, keine Ahnung: War das jetzt scherzhaft gemeint ? (Immerhin: Die Nachttankstelle in ihrer Gegend machte außerhalb der Ladenschlußzeiten ungewöhnlich guten Umsatz mit dem Verkauf von Ersatzbatterien… )

Jedenfalls bringt mich diese Äußerung neuerdings wieder ins Grübeln: Ist der herkömmliche Mann eigentlich noch zeitgemäß? Ist es nicht in Zeiten des Käse-Imitats und der vegetarischen Entenleber angebracht, einmal über den Analog-Mann nachzudenken, der gegenüber dem aus Fleisch, Blut, Fett und Bier hergestellten Natur-Mann einige Vorteile böte? Hier schon einmal die Prototypen.

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Wertvolles Imitat: Der Analog-Mann (gefühlsecht)

Kritische Verbraucherinnen werden vielleicht bemängeln, daß die Männermodelle zwar schnieke aussehen und über schwungvolle Taillen verfügen, aber doch der Hände entbehrten, was sich als Defizit bewerten ließe. Mais non, ma chères: Im Gegenteil, dieser Prototyp besitzt Wechselfutter in den Manschetten: Man kann ihm jeweilen an Händen hineinschrauben, was gerade gebraucht oder gewünscht wird: Maurerfäuste, Reifenwechslerpranken, Wasserkästen-Schlepp-Haken, Tapezier-Patscher oder ultra-chirurgen-sensible, feinmotorisch hochgezüchtete Ästhetenfinger für die besonderen Stunden zu zweit. Wenn man will, kann man sogar zwei linke Hände anschrauben, um dieses unnachahmliche Gefühl von Realität zu behalten, das man im Umgang mit Natur-Männern gewohnt ist.

Was den Backfisch wegen der Frisur und den Blaustrumpf (gibt es diese beiden Weiblichkeitsblumen eigentlich heute noch?) aus intellektuellen Gründen verprellen könnte, ist hier der Ersatz des Kopfes durch ein formschönes Holzimitat in realistischer Größe. Aber bitte, bedenken Sie, verehrte Damen, die Vorteile: Der Analog-Mann guckt nicht dauernd Fußball, er trinkt kein Bier, macht keine unangenehmen Geräusche, gibt keine Widerworte, und, entre nous, was gewisse schwache Stunden angeht – schauen Sie mal genau hin! Da geht doch was!

Ich bin überzeugt: Der elegante, geruchslose, wohlgeformte Analog-Mann wird, als Blickfang in der Wohnung, als schweigsamer Begleiter in der Oper, als stummer Diener im Boudoir oder gefühlsechter Ehemann auf dem Sofa bald Furore machen! Trauen Sie sich, meine Damen! Und gönnen Sie sich zwei zum Preis von einem! Der Analog-Mann dankt es Ihnen mit Formbeständigkeit und langer Lebensdauer!

Altchinesische Liebeskunst: Die schärfsten Stellen!

2. April 2009
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Altasiatische "Kunst des Schlafzimmers", hier: Doppelte Frühlingsrolle, scharf!

ÜBERLISTET! DIES IST ÜBER LISTEN…

 Das Schriftzeichen shi (sprich etwa: che) bedeutet Umstand, Situation, Vermögen, Potential. Es läßt sich gemeinhin in jeder Erörterung strategischer Operationen (Krieg, Politik, Sex, Tee kochen, Fische fangen, Schuhe kaufen etc.) verwenden. In speziellerer Hinsicht bezeichnet shi auch die Veräußerlichung der inneren Kraft, die vom zentralen Atem ausgeht und sich durch die ganze Verkettung systematisierter Haltungen und Handlungen hindurch entfaltet. So auch beim Sex, dem die alten Chinesen ihre elaboriertesten, subtilsten und duftigsten Gedanken widmeten.

So erstellt der unbekannte Meister der Tang-Zeit (7.-9. Jahrhundert) in seiner berühmten „Kunst des Schlafzimmers“ die umfassende Liste der dreissig Stellungen beim Beischlaf als Liste von shi auf, die alle möglichen Fälle, Vorlieben und Befriedigungsdenkbarkeiten abdeckt. Zum aufknospenden Frühling, sozusagen als erotische Frühlingsrolle, hier die neun  schärfsten und heißesten Stellen bzw. Stellungen:

 Das Abspulen der Seide“,

Der Drachen, der sich einrollt“,

„flatternde Schmetterlinge“,

„umgekehrt fliegende Enten“,

„die mit ihren Zweigen bedeckende Pinie“,

„Bambusstöcke vor dem Altar“,

„fliegende Seemöwen“,

Luftsprung wilder Pferde“,

sowie, für ganz Verwegene,

das „Streitroß im Galopp“!

So, genug Sex als Teaser. – Für die Zigarette danach noch eine Zugabe. François Jullien bemerkt ganz zu recht: „So unterschiedlich ihr Inhalt auch sein mag, wir können uns eines bestimmten Gefühls der Befremdung nicht erwehren, wenn wir diese Listen anschauen.  Während die einen absolut einförmig und regelmäßig sind, treiben andere ihre Heterogenität an die Grenze dessen, was ‚vernünftigerweise’ kompatibel ist.“

Eine solche sehr heterogene, hinreißend hirnrissige, bzw. recht poetische und denkwürdige Liste tradierte Jorge Luis Borges einst als „gewisse Chinesische Enzyklopädie“, derzufolge

 die Tiere sich wie folgt gruppieren:

 a)    Tiere, die dem Kaiser gehören,

b)    einbalsamierte Tiere,

c)    gezähmte,

d)    Milchschweine,

e)    Sirenen,

f)     Fabeltiere,

g)    herrenlose Hunde,

h)    in diese Gruppierung gehörende,

i)     die sich wie Tolle gebärden,

j)     die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gemalt sind,

k)    und so weiter,

l)     die den Wasserkrug zerbrochen haben,

m)  die von weitem wie Fliegen aussehen.“

 Wer jetzt zum Frühling mal weltanschauungsmäßig einen Tapetenwechsel braucht, der sollte einmal ungescheut beginnen, die Dinge seiner Umwelt ein wenig anders zu sortieren bzw. umzugruppieren. Verfertigt Listen, es lohnt sich! Oder, meinetwegen, macht mal wieder den „Luftsprung wilder Pferde“, wenn Euch danach ist!