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Entgleister off-mainstream-Text

14. Februar 2013
In-AEgypten-entgleister-Zug

Entgleistes Denken findet immer mehr Freunde (Foto: afp)

Leute, kennt ihr den? „Wie nennt man eine Blondine, die sich die Haare färbt?“ Na? Wie? Haha, genau! Hahaha, haah! Hach! Zum Schlapplachen lustig, oder? Oder? – Nein. Leider nicht. Oder nur insofern, als ultraflache Matt&Plattscherze natürlich unfreiwillig etwas über denjenigen preisgeben, der sie zum Besten gibt. Kürzlich vermutete jemand in einem Kommentar, ich gehöre ja wohl zu den „intellektuell Entgleisten“, worüber ich nicht nur schmunzeln musste, weil mir dieser Verdacht – wie auch derjenige, einen Sprung in der Schüssel zu haben und schon als Kind nicht ganz richtig im Kopf gewesen zu sein – auch schon lange selber gekommen ist, sondern noch mehr deswegen, weil der anonyme Schmähkritiker mit  seiner vermeintlichen Injurie freimütig, wenn auch  wahrscheinlich unwillentlich offenbarte, er für seinen bescheidenen Teil zöge das Denken auf Schienen bzw. in eingefahrenen Gleisen vor – als seien Berechenbarkeit, Redundanz und Fahrplanmäßigkeit herausragende geistige Fähigkeiten. Aber vielleicht glaubt er das ja tatsächlich.

Zum Glauben übrigens – ich prunke hier mit einer off-mainstream-Meinung – gehört eine gewisse Grundintelligenz. Die knappe Mehrheit der Deutschen, die sich für Atheisten halten, haben sich nicht etwa mühevoll durch die prallbunte, zauberhafte und hirnbetörende Welt der Glaubensüberzeugungen hindurch gearbeitet, sie sind nur schlicht zu doof für Religion.  Sie begreifen weder Funktion noch Geschichte oder gar Wesen des Religiösen und auf dieses ahnungsfreie Banausentum sind sie mächtig stolz. Sie glauben sich auf der sicheren Seite, wenn sie zum hunderttausendsten Mal auf der bahnbrechenden Einsicht herumreiten, „dass es Gott gar nicht gibt“. Ach was! Was ihr nicht sagt! Als wenn die Frage der Existenz irgendeine Rolle spielte. Millionen von Lotto-Spielern haben nie im Leben eine Begegnung mit den ominösen, ja numinosen sog. „sechs Richtigen“, warten wie auf den Messias vergeblich auf das Erscheinen der getippten heiligen „Zusatzzahl“ und opfern wöchentlich immense Summen einem offenbaren Hirngespinst, – und sie glauben dennoch fest daran, dass unverdientes Geld auf sie wartet und sie irgendwann total glücklich machen wird. Punkte ich bei denen etwa, wenn ich als naseweiser Aufklärer versichere, dass es „Lotto gar nicht gibt“? Lotto und Gott „gibt“ es genau so lange, wie genügend Menschen daran glauben, so einfach ist das. Gleiches gilt für Einhörner, die einmalige große Liebe und Rentenversicherungen.

Dank der hervoragenden Arbeit des CTV (Centro Televisione Vaticano) habe ich gestern die Abschiedsvorstellung des scheidenden Papstes angesehen, die große Aschermittwochsmesse im Petersdom, und ich war wieder mal ergriffen, zum Teil fast zu Tränen gerührt. Den Einwand, ich hätte sogar damals bei „E.T.“ geweint, wische ich als nichtig beseite! Vielleicht darf man nicht katholisch sein, um, wie ich, einer solchen machtvollen Demonstration kulturellen Gedächtnisses sowohl ästhetischen wie spirituellen Ereigniswert beizumessen.

Ich hör gewiss schon das Gezeter der Neunmalklugen: Was die für komische Sachen anhaben! Und diese Hüte! Und allet auf Latein! Und der joldene Prunk! Da könnt’ma doch Kindergarten für bauen! – Ja und? Was denn? Was wollt ihr damit etwa sagen – dass die Kirche nicht modern ist? Echt? Modern war die Kirche im 5. Jahrhundert. Wäre sie es danach noch gewesen, gäbe es sie heute nicht mehr. Die Kirche ist die größte und ehrfurchtgebietendste Maschine zur Überwindung der Zeit. Von der Taz bis zur Titantic mault die Meute der Geistlosen, Kirche samt Papa sanctissimo seien „aus der Zeit gefallen“. Eben, ihr Schnellmerker, eben! – das ist nämlich denen ihr Trumpf und konkurrenzloses Alleinstellungsmerkmal, das spirituelle Pfund, mit dem sie wuchern! Möge ihr Wuchern Früchte tragen an Gemüt, Gesittung und schönem Schein! Die antikirchlichen Nörgler indes gleichen schlaumeiernden Schildbürgern, die da sagen: „Also in der Renaissance möchte ich nicht gelebt haben – die hatten ja total unmoderne Klamotten damals!“ – Ich hingegen gähne, genieße, schweige und weine.

Schön und begrüßenswert ist ja, dass man heute nicht mehr gezwungen wird, katholisch zu sein. Wer dies aber aus freien Stücken dennoch möchte, dem gönne ich von Herzen seine fromme Verzückung angesichts des Stellvertreters Christi und dem ganzen liturgischen Zinnober! Die sich darüber beömmeln, sollen sich mal selber im Spiegel angucken, wenn sie sich Samstagnacht gar nicht mehr einkriegen, weil oben auf der Bühne vier Musikanten einer mittelberühmten Tanzkapelle auf Elektrogeräten herumschrammeln – die Ekstase ist zwar exakt die gleiche, aber oha! – modern…

Übrigens, aus der Zeit gefallen ist inzwischen auch der junge vorlaute Dichter Arthur Rimbaud, der vor mehr als hundert Jahren krähte, es sei nötig, „absolut modern“ zu sein. Ja? Im Ernst?  Also wenn ich mir die danach folgende Moderne ansehe, finde ich das ja eher nicht. Und was die Ästhetik angeht: Ich bin in einem vom Protestantismus verheerten Landstrich aufgewachsen, in dem man Kirchen aus altem Graubrot baute und eminent verhärmte, knorzig-häßliche, freudlose Bronzeengel von Ernst Barlach anbetete. Ich weiß also, was Sinnenhunger ist. Protestantismus: die unvorstellbare Herrlichkeit Gottes durch Tiefgaragen aus Beton erfahrbar machen zu wollen – das nenne ich bizarr!

Nun aber, weil gleich schon wieder Schluss ist, endlich zum Thema: – Papstwitze! Aber dazu ist ja wohl alles gesagt.

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Trost im Schaf (Kurze Haare)

28. September 2011

Schafe "Ursache" und "Wirkung", nach Neutrinos Ausschau haltend (Foto: Wikipedia)

Im Fernsehen war es zu beobachten: Musste der Papst sich in das Goldene Poesiealbum einer Stadt eintragen, krakelte er ein kleinwinziges „Benedict XVI pp“ hinein. Das „pp“ ist hierbei keineswegs dasselbe wie in „etcetera pp“, wo es „perge“, d. i. „und so fort“ bedeutet, sondern will sagen: pastor pastorum, Hirten der Hirten. Ich teile dies mit, um zum Thema „Schaf“ zu gelangen. „Man kann“, sagt, in Thomas Manns nobelpreisgekrönten Roman,  der alte  Konsul Buddenbrook, der seine Tochter gewinnbringend lukrativ verheiraten will und ihr den ungeliebten Mann schmackhaft machen möchte, ja doch „am Ende nicht fünf Beine auf ein Schaf verlangen“, und das ist ja wohl wahr, und gute alte Kaufmannsweisheit dazu! Ein Schaf mit fünf Beinen wäre zwar ökonomisch durchaus wünschenswürdig, weil es eine Lammkeule mehr pro Schafskopf ergäbe, aber nebbich! so Schafe sind halt extrem selten und praktisch unbezahlbar.

Neulich träumte ich von Versuchen, Kühe zu züchten, deren linke bzw. rechte Beine kürzer als die jeweils gegenüberliegenden sind, damit sie stabiler am Hang stehen. Auch dies wäre zweifellos begrüßenswert, ist aber andererseits ebenso schwer zu realisieren. Aber so ist der Mensch –  immer angetreten, die Schöpfung innovativ zu meliorisieren.

So hätte man beispielsweise etwa den nun wieder nach Rom entschneiten Papst gern evangelisch, als homme à femmes, schwulenfreundlich und libertär, was der gute alte Mann etwa so hartleibig verweigert, wie das Schaf, sich fünf Beine wachsen zu lassen. Was hatten wir denn gedacht? Der Schaf bleibt Vierbeiner, das Papst ein Katholik. Und das ist letztlich „auch gut so“, weil, wo fänden wir sonst einen billigen Gegner? Der Papst hat mal kurz durchblitzen lassen, dass er nicht doof ist und spielte ansonsten den bockigen alten Kirchenhampel.

Brillant hat er das gespielt! Ganz am Ende hat er sogar gemurmelt, ihm seien Agnostiker lieber, die noch vergeblich Gott suchen (also praktisch auch ich!), denn „Routiniers im Glauben“. Das war, diplomatisch gesehen, schon ein Hammer, und kam bei mir sehr gut an: Wir sind schließlich die Mehrheit!  Leute, die nichts Ungewisses wissen, darauf aber nicht stolz sind, dennoch indes subtil dandyhafte Ironiker bleiben, die sich stillvergnügt über Seiner Heiligkeit erzreaktionären Starrsinn die Hände reiben, weil sie den Zwergenaufstand dagegen so putzig finden. – Die missliche Erdenwelt bietet wenig Kurzweil, da muss man sich das Vergnügen halt tröpfchenweis zusammensaugen.

Aber nun von etwas anderem! Wieviel Beine noch mal hat ein Schaf? Das kann man sich gerade noch merken, aber was man im Alter immer öfter plötzlich vergisst, ist die eigene PIN! So steht es in einem Zeitungsartikel: Kein Bargeld wegen instantaner PIN-Verschusselung! Gründe hierfür? Kommt drauf an. Ist man eine sog. gPoAe (gesunde Person ohne Alkoholeinfluss), handelt es sich vielleicht nur um stressbedingten Konzentrationsmangel; wer im Wein Vergessen suchte, darf sich allerdings nicht wundern, wenn auch geldwertes Wissen dahinschwindet. Dritte Möglichkeit, doppelplusungut: Demenz. –

Der saudumme Wissenschaftsartikel empfiehlt dann doch tatsächlich, zur Vorbeugung die ersten hunderttausend Stellen nach dem Komma der Zahl π zu memorieren oder eine schöne Primzahl-Tabelle, weil dies mutmaßlich die Durchblutung des Gehirns fördere. Da der Anblick von Zahlenreihen bei mir seit Kindesbeinen eher zu spontaner Blutleere im Gehirn führt, bleibt mir diese Dimension präventiver Demenzkompensationskompetenz verschlossen.

Apropos. Die Abnahme der geistigen Kräfte hat kurzfristig auch positive Effekte: Man wird wieder ein staunendes Weltkind im Garten der Wissenschaften. Mit vor Erregung beschlagener Lesebrille las ich von dem Kuriosum, dass irrgendliche Neutrinos aus dem CERN schneller wieder in Italien waren als der Papst. Bzw. der Papst erlaubt. Jedenfalls überschritten sie das Tempolimit um ein Beträchtliches und stellten damit die Kausalität in Frage. Weltbilder brachen zusammen! Meines auch? Nicht eigentlich. Dass Ursache und Wirkung sich geheimnisvoll schleifenartig verschlingeln können, ist mir seit langem vertraut (hier eigenes Beispiel einfügen: …………………………). Mein Bespiel, aus dem religiösen Bereich, nach Augustinus: Gott gibt es, sofern ich an ihn glaube. Dass ich glaube, ist hinwiederum aber eine Gnade, die mir nur Gott erweist, wenn es ihn gibt, was davon abhängt, dass… usw.  Wer hier die Kausalität festnageln kann, der darf sie behalten und mit nach Hause nehmen.

Ich werde wegen dieser Turbulenzen die Meeresstille der Seele nicht verlieren und womöglich von galoppierenden Neutrino-Schafen träumen, deren Beine ich zähle, um einschlafen zu können. Das ist halt der Vorzug präseniler PIN-Vergessenheit, oder wie es anderersets Konsul Döhlmann in den Buddenbrooks ausdrückt: „Kurze Haare sind bald gekämmt“.

Einwurf: Abseits!

23. September 2011

Kommen wir denn so hoch? (Bild: http://www.welt.de)

Nun abermals und wieder andersrum: Angesichts der enervierenden Selbstgerechtigkeit und bestürzenden Einfalt der sog. „Papst-Kritiker“ fühl ich mich gedrängt, ex kathedra privata einige vermischte Anmerkungen zu machen:

Den hohen spitzen Hut unerträgliche Fremdscham generierender Peinlichkeit hat, nein, nicht der Papst errungen, sondern das Oberhaupt der selbstgerechten Wichtigtuer, der Error-Sympathisant, Israel-Feind und Dauer-Nerver Christian Ströbele! Ich meine: Nichts gegen die deutsche Kulturkampf-„Linke“, die – in vermutlich realistischer Einschätzung ihrer kognitiven Kompetenz oder weil sie den „Abseits!“-Pfiff nicht gehört hat – lieber zum schwul-lesbisch-transischen Straßenkarneval gehen zu müssen glaubte; sie hätten von Professor Ratzingers Rede im Bundestag eh nichts begriffen. Die tuckige Schnepfigkeit und selbstverknallte Attitüde jedoch, mit der die stoffelige Ur-Knalltüte Ströbele wie ein verhaltensauffälliges, ungezogenes Kind den Bundestag während der Papst-Rede verließ, offenbarte eine derart blickdicht brunzdoofe Borniertheit und Selbstgefälligkeit, dass es schon wirklich weh tat.

Benedict XVI. pp., der alte Fuchs, hielt im Bundestag eine respektable Kurz-Vorlesung über Rechtsphilosophie resp. die christlich-naturrechtlichen Grundlagen aufgeklärter  Vorstellungen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten und nutzte dabei listig die postmoderne Vernunft- und Positivismus-Kritik für seine Zwecke. Er versuchte, es schlicht und simpel zu halten, überforderte das „Hohe Haus“ aber doch sichtlich. Für wen das peinlich ist, sei dahingestellt. Desgleichen, wer unter den dummstolzen „Kritikern“ in der Lage wäre, ihm auf gleichem Niveau philosophisch zu entgegnen. So ganz einfach ist das nämlich gar nicht. Aber in Deutschland wird eh lieber mit der Trillerpfeife argumentiert.

Was meine vielen atheistischen Freunde nicht so gerne hören: Es mag wenige geben, die für Religion zu klug sind – die meisten sind dazu leider eher zu dämlich. Wie? Doch, doch, man kann auch zu doof für Religion sein! So jedenfalls mein Eindruck, wenn ich die Stimme der Straße vernehme. Zu doof für Religion? Geht denn das? Aber ja! Das geht, wenn man noch nicht mal das Bildungsniveau eines Dorf-Vikars erreicht und nicht die geringste Ahnung davon hat, in welchem ungeheuren Maß das Christentum zweitausend Jahre lang unsere Kultur und Zivilisation, Kunst, Malerei, Musik, Sprache, Ethik, Philosophie, Lebenswelt und, par bleu! sogar auch noch die Religionskritik beeinflusst bzw. geprägt hat. Ohne das Christentum und die Kirche hätten die Kartoffeln, die sich für „Säkularisten“ halten, noch nicht mal das Rüstzeug, sich, metaphorisch gesprochen, alleine die Schuhe zu binden. Warum man Respekt vor dem Papst haben sollte? So fragen echte Analphabeten.

Vor der Päpstlichen Nuntiatur, dem Nachtquartier des Papstes, haben sich fünfzig postklimakterielle Frauen zusammengerottet, die sich „Hexen“ nennen, um beknackte Lieder zu grölen, den Nachtschlaf des alten Mannes aus Rom zu stören und zur Rechtfertigung in die Kamera der Tagesschau nichts besseres zu faseln wissen als: „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass wir Frauen sind, und dass wir als Frauen DA sind!“ Leider trifft der Papst keine Agnostiker, sonst würde ich gern mit ihm in die Knie sinken und beten: Gott steh uns bei!

Mir persönlich ist die Gnade des Glaubens nicht gegeben, worauf ich nicht stolzer bin als auf ein abbes Bein; mein Interesse an Religionen ist eher melancholisch-distanziert (darf ja nicht mitspielen…), aber was mich fuchsig macht, ist kenntnisfreie Respektlosigkeit vor der eigenen Kultur. Plumper Anti-Katholizismus ist nicht weniger borniert als jedes andere Anti-. Leider sind die Trivial-Pöbler mit ihren ennuyierenden Stereotypen, die dem Papst an den Kragen wollen, um es mal derb-lutherisch auszudrücken, noch nicht mal in der Lage, ihm in die hübschen roten Schuhe zu pinkeln.

Noch nicht gänzlich verworfene Projekte

5. Juni 2011

Keine Panik – ich bin es bloß, der Magister K.

Einen Tag lang in einem überdimensionalen, mindestens 1,90m großen Hühner-Kostüm (an Helfer für den Kopf denken!) durch die Stadt laufen, hyperaktiv mit den Flügeln schlagen und helle, heillose Aufgeregtheit demonstrieren. Passanten über den Sinn der Sache spekulieren lassen (Atom? Gurke? Die da oben, die Banker, die Euro-Spekulanten, das Schweinesystem? Aus Solidarität mit Japan, Spanien, Is- oder Griechenland?), – ansonsten Engagement durch permanentes Gackern unter Beweis stellen. Falls technisch machbar, Mitbürgern gelegentlich sanft auf den Kopf picken.

Die Ausweitung der Grauzone erforschen, medialen Debatten-Krieg gegen das Entweder-Oder anzetteln (FAZ und ZEIT anrufen!). Pamphlet „Für mehr dazwischen!“ gegen die diktatorische Bi-Polarität von Yin und Yang, Amok und Koma, Mann und Weib, AC/DC, brutto und netto usw. entwerfen. Natürlich geht „ein bisschen schwanger“ sehr wohl – halb tot oder fast wahnsinnig geht ja auch! Mit dieser These durch Talkshows tingeln. Auf die Frage, ob das ernst gemeint sei, bedächtig den Kopf wiegen. Vermeiden, Fragen mit Ja oder nein zu beantworten.

Einen aufblasbaren Schwimmgürtel (evtl. rosa Krokodil oder sehr gelbe Ente) kaufen (klären, ob es das in XXXL gibt!), über den eh schon dicken Bauch stülpen, die Straßenbahn besteigen. Empörten Fahrgästen erklären, meine Religion beföhle mir solches, andererseits trüge ich den Gürtel aber auch aus freiem Willen, weil ich mich sonst nicht komplett angezogen fühlte. Zeter und Mordio schreien, falls jemand (Rechtsradikale!) mir die Luft aus der Ente lassen wollte. Flammende Anklage gegen die tägliche Diskriminierung von Dementen und Altersstarrsinnigen formulieren. Ggf. Verband gründen.

Einen Doku-Spielfilm über die ersten 21050 Tage meines Lebens drehen (unbedingt Mäzene finden!), Arbeitstitel: „Trauer, Tragik und Trostlosigkeit des Ego – Die Kirche der Angst vor dem Knall im Kopf“, bei der Biennale in Venedig einreichen. Plagiatsvorwürfe energisch dementieren. Mein Ableben bekannt geben. Nachrufe ausschneiden, sammeln und abheften (delegieren!). Als Buch/Video/DVD herausgeben. Mein Ableben dementieren. Als Untoter durch die Talkshows tingeln, evtl. Interview mit der ZEIT (Giovanni di Lorenzo).

Schon mal geeignete Heime besichtigen. Fragen, ob ich Hühnerkostüm bzw. Schwimmgürtel mitbringen darf. Einen Film (Werner Herzog anfragen!) über meine Zeit im Heim: „Alter und Tod eines Enfant terrible“. Alterswerk planen. Interview in der FAZ (unbedingt Schirrmacher, nicht Bahners!). Mein gesamtes Geld verschenken (BILD: „Sind wir alle dement?“), neues Pamphlet: „Warum ich den Schwimmgürtel trage“.  Im Hühner-Kostüm durch die Talkshows tingeln. Kapitalismus anprangern. „Kirche des wollüstigen Alkoholismus“ gründen. Vielfältige mediale Aktivitäten: CD mit Trinkliedern; Vertrieb von GPS-Spezial-Geräten für Menschen, die aus der Kneipe nicht mehr nach Hause finden; gemeinsame Auftritte mit Joopi Heesters. Eine Oper über Hitler schreiben (für Drehbuch Guido Knopp gewinnen).

Nach der Weltherrschaft greifen. Erste Maßnahmen: den Kapitalismus, Afrika, Dreiviertel-Hosen und deutsche Volksmusik verbieten; übergewichtigen Männern über 60 das Tragen von Schwimmgürteln verordnen; das aufgeregte Huhn ins deutsche Staatswappen aufnehmen (weg mit dem arroganten Adler!), sonst so milde wie möglich regieren.

Endlich mal nachschauen, wohin ich meine Medikamente verbaselt habe.

Monsignore Kraska – Oberster Religionswächter im Geddo

22. April 2011

Traurig trotz allem...

„Oh Himmel, strahlender Azur!“ (Brecht) – Der Frühlingstag im Geddo so rücksichtlos schön, dass es fast wehtut. Bäume und Sträucher im Festtagsgrün, die Amseln flöten fromme Motetten, blank poliert und seinsfromm ruhen die silbernen Daimler am Straßenrand. Nachbar Özgür ist das wurscht, seit Tagen wütetet er im Nachbarhaus mit Bohrmaschine, Hammer und Meißel, schleppt Steine und Rigipsplatten, kurz, schuftet, dass die ganze Straße etwas davon hat. Soviel arbeitet der sonst im Jahr nicht! Tagelang war ich genervt, heute bin ich verärgert, denn es ist, nun ja … Karfreitag, weswegen ich mich persönlich herunter bemühe, um Nachbar Özgür mordsmäßig zusammenzuscheißen, dergestalt, dass ich ihm in derben Worten donnernd, zum Teil auf Türkisch (ayıp! haram!), vorhalte und verdeutliche, dass heute im Gedenken an den Märtyrertod des Propheten Isa ein hoher christlicher Feiertag begangen werde, an dem ruhestörender Arbeitslärm wahlweise Polizeieinsatz oder Höllenverdammnis nach sich ziehe. Schwer beeindruckt und offenbar eingeschüchtert lässt Häusleumbauer Özgür den Hammer sinken und verspricht eilfertig die Einstellung der Bauarbeiten.

Befriedigt ziehe ich ab. Die Gattin hingegen, zufällige Zeugin meines Einsatzes zur höheren Ehre Gottes, zieht die Brauen hoch und spöttelt: „Oha! Der Magister als oberster Religionswächter im Geddo! Ist ja mal ganz was Neues!

Nun ja, stimmt schon, als gläubiger Christ bin ich seit meiner Konfirmation nicht mehr hervor-, sondern vielmehr definitiv ausgetreten. Und doch. Man kann aus einer Kirche austreten und eine Religion ablehnen und ist ja doch in ihrem Dunstkreis aufgewachsen, von ihren Traditionen kontaminiert und visuell oder musikalisch verstrahlt. Ich hab zu viele öde Kindergottesdienststunden auf Bilder des am Kreuz gemarterten Jesus gestarrt und zu viele barocke Passionsoratorien gehört, als dass mir die wirre, traurige, unfassbare Passions-Poesie nicht irgendwie, sagen wir ruhig: im Herzen, naheginge, was immer diese gequälte, triste Geschichte nun symbolisieren will.

Man erkenne mir meinetwegen deshalb das Goldene Ausrufezeichen am Bande (für fünfzig Jahre linientreuen Atheismus) ab, – es ist halt so. Ich habe auch die immer mal auftauchenden, von eher pubertär geprägtem Humor zeugenden Persiflagen auf das Kruzifix, bei dem da ein Frosch, eine Osterhase oder sonst was gekreuzigt wird, nie besonders lustig gefunden. Und als kürzlich der öde Landeslümmel von den NRW-Grünen die Aufgabe der karfreitäglichen Feiertagsrestriktionen forderte – diese scheiß Generation implodiert halt, wenn sie mal einen Tag nicht „Party machen“ dürfen –, erlitt ich einen knapp einstündigen Anfall mittelalterlichen Glaubenskriegertums und rief nach dem Zorn Gottes, dass er niedergehe oder wahlweise bitte sich ergieße auf die Landeszentrale der Grünen, die mir sowieso immer mehr auf den Sack gehen, diese islamophil-debilen Erzschelme. Damit das auch mal gesagt ist.

So. Was noch? Gestern waren schon wieder die Zeugen Jehovas an der Tür. Haben mich  die Sekten-Ganoven doch tatsächlich notiert, weil ich sie neulich nicht gleich die Treppe herunterwarf, sondern freundlich ihres Weges schickte! Da könnte man ja eventuell noch mal mit dem „Wachturm“ nachbohren, dachten sie sich, in eklatantem Missverständnis dessen, was der dicke Magister sein „Tao der Sanftmut“ nennt. Selbst der sanfte Jesus soll ja gelegentlich recht grobianisch gewesen und mit dem Schwert gedroht haben. Manche Leute verstehen halt keine andere Sprache, wird er sich gedacht haben, und verzichtete daher darauf, soweit wir Leben-Jesu-Forscher wissen, mit doofen Heftchen von Tür zu Tür zu latschen. – 

Im Übrigen tröstete mich als Kind an der Passionsgeschichte immer, dass nach drei Tagen alles wieder gut, heil und in Butter war. Dramaturgisch ist das vielleicht etwas übers Knie gebrochen, aber was schluckt man nicht alles für ein bisschen Hoffnung. In diesem Sinne wünsche ich ein frohes Osterfest, an dem ihr glauben möget, was ihr wollt – wenn ihr nur die Finger vom Heimwerkern lasst!

Im Geddo: Cherchez le pig (Deutsch nichso gut)

9. Dezember 2010

Rätselhaftes Schweinchen: Was hat man auf der Pfanne?

 

Für Chris & Hella (Gute Besserung, Mensch!)

„Dialog der Kulturen“ im Geddo. Fragt kleiner serbischer Nachhilfe-Schüler mich: „Lehrerr! Ch’abb isch mal Frage – darf ich? – „Hhmmm?“ – „Lehrerr, bist eintlich … Müslim?“ – „Nee! Niemals nich!“ – „Und, ja aber, Herrr Lehrerr, ch’ast du doch Frau! – Deine Frau, ist der denn Müslima?“– „Also erstens heißt es: ‚die’! Und außerdem, nö, schätz ma erst recht nich!“ – „Ach so, denn is der Krist oda was?“ – „’Die’, Blödmann!!! Aber sonsten: nö, wohl auch nicht…“ – „Unn was seit’n ihr denn zusammen?“ – „Na, weißt … eher so … halt … nix!“  – „???“ – „Na, schaust, Kleiner, Deutsche sind oft weder Krist noch Müslima…“ – (Schüler, sich stolz aufrichtend): „Aba binnisch auch Deutscher … –  und ischbinnich Muslim!“ – Ich, etwas jovial: „Ja, und? Was issn das gezz überhaupt so dolles, Muslim?“„Wir essen kein Schweinfleisch!“ kommt die Antwort prompt wie aus dem Bolzenschussgerät geschossen. Aha.

Aber mal andere Frage: Schweine jetzt – sind die, also von sich her, eigentlich „halal“, „koscher“ oder „ungläubig? Kurzum, was frisst’n so’n Schwein denn selbst? Ja klar, die Studis von der Wikipedia-Uni schnipsen eifrig mit den Fingern. Nach ihrem frisch gebackenen Klickwissen sind Schweine nämlich „Allesfresser“. How how! Beißen, schlingen und knuspern also alles Organische, was nicht bei „drei“ auf den Bäumen ist! Toastscheiben, Suppenreste, Kartoffelschalen: Dem Schwein ist alles Wurscht! Notfallls, wie mein Lieblingsfilm „Hannibal“ zeigt, frisst das wilde Waldschwein auch unmenschliche Bösewichter. Verdient hamses ja wohl, oder?!

Weil isch bin gutte Lehrer, ging ich Sache auf Grund. Schwein! Gibssu mir Wahheit! Bist du koscher, halal oder bös schlimmer Finger? Stieß ich auf so rundes Töppchen „Appel-Grieben-Schmalz“ von öko-edlem „Apfelparadies“. Aah! Ha! – Bzw.: Was? Wie? Ob denn lecker? Ja, ja, klar! Aber nicht die Frage. Auf Deckel von Töppchen hatte Chef von Schmalz-Schmiede (wer sonst traut sich so, bitte?) unbeholfen visuelle Graphik appliziert. Siessu drauf eines von den drei kleinen Schweinchen (Oink-oink-oink, aber ohne böse Wolf, wo pustet Häuschen um!), keckes Kochmützchen auffm Schweinskopp druff. Unterm Hals war so dünnes linkes (!) Ärmchen windschief drangemalt, wo hält seinerseits Pfanne in Pfötchen (sieht bisschen aus wie Augsburger Puppenkiste, Serie: „Die Mumins“). In Pfanne aber nun wiederum entweder vielleicht a) boah! ein klein niedlich Hundchen (hä? Is das chinés Schwein? Unn essen süß-saure arme Hundchen mit Soja unn Anananas, wo doch aber niedlich? – Bah!) , – oder doch vielleicht eher b) noch mal’n Schweinchen (also das zweite von den drei kleinen…). Was soll’n das? Grübel-grieben-grübel.

In Kopp von zweitem Schweinchen stecken, schlarraffenlandesk surreal unwirklich bereits verzehrfertig & verbrauchergerecht Messerchen und Gabeline. Geht Hermeneutik auf Grundeis: Wie jetzt? Is Schweinchen denn kannibal? Schwein & Schweinchen im Blickwechsel: Mag ich disch? Fress isch disch? Bissu Koch oder Opfer, du … Sau? Kannibalische Wohlfühlkommunikation! Schwein guckt Schwein guckt Schwein guckt Schwein … und so weiter. Rätselbild! Fiesolophisch gesagt;  „Selbstobjektiviert und entfremdet durch den die Anerkennung verweigernden Blick des Anderen wird das Subjekt, den Fremden er-blickend als subjektiviertes Objekt auf der ent-fernt anderen Seite des Blick-Agons, seinerseits subjektiviert, kurz: wird im dialektischen Blickwechsel das identifizierte Andere seiner selbst im Spiegel des fremden Blicks“ (J.-P. Sartre, „Das Sein und das Nichts“). Jaha! Genau! Resp. Au weh!  Das Schwein ist des Schweinchens böser Wolfi! Das Böse lauert überall. Wer Schwein, wer Wolf, wer Werwolf? Der Apfel der Erkenntnis fällt im Apfelparadies (!) nicht weit vom Schwein. Hirnschmalz siedet, mit Apfel und Zwiebelgemüse, Grieben noch dabei. Dem Reinen ist alles Schwein. Aber wie soll das ausgehen?

Wie schön iss Muslim-Sein. Nix Dialektik, nix kannibal, nur sauber Übersicht und klare Regel: „Wir essen nix Schwein!“ Kann Schwein mal sehen, wo bleibt. Botschaft von Werbung ist schweindeutig: „Wir obergut, wir vorsichtshalber mal nix essen von unübersichtlich Tier! Wie sagt Proffeeht? Kannibalschwein is grundbös das! Genau wie Schnaps und fiese Kippen!“ – So, jetzt klar das. Schwein unrein unn hat Gesicht wie Steckdos! Sogenannt Schi-nitzel ist Essen von Ungläubige Hunde wie mich und dir! Womit geklärt  Ontologie von Schwein, – wir nix essen dies, bah & basta!

Weil gutte Lehrer immer geben Weltwissen, ich erklär: Wir auch nix essen Oile, Meerschawein und Käng-Guru! Aber sind deswegen nicht doll stolz drauf. Gebe kein Distinktionsgewinn. (Wort Schüler nich verstehn. Aach, mache nix, egal!) Weil deutsch, auch nich schlingen Frosche, Spaghetto und Kakerlak. Aber deswegen nich gleich gut, weil andermal wieder knuspere Kroko, Hummere und Auster-Schleim. Stecke in Mund, was kommt. Unsere Gott egal. Will nur nich, dass wir beiße in Goldene Kalb. Goldene Kalb ganz schlecht, auch in Scheibe (Schi-nitzl).

Serbische Freund’ von „Lehrerr“ fressen gern Manne-Essen: Fett mit Fett an Fett in Fett, aber bittscheen mit gut Buttersoße, sowie viel mit dicke Käse bei. Ja, schaust du: Dicke Mann, gutte Mann, unn is auch viel testosterone Mann-Mann! Frauen machen scharf, wenn dicke Mann! Mann muss immer könne, esse Viagra, fette Lamm, Hammelbein und mächtige Huhn mit Fetttauge-Suppen. Geht alles, wenn hinterher Slibo gut viel.  Hauptsach, nix Schwein. Schwein doppelplusungut. Allah unn Proffeht will nich wissen von Schwein. „Ich soll geschöpft haben? Nie, nix, nimmer. Ist doch krass eeklich Geziefer! Sieht aus wie Mensch, schmeckt wie Mensch, rolle blonde Auge wie Mensch, wenn köpfe.“, so sagt Herr Koran.  Allah meine nich gut mit Schwein. Zwar geschöpft, aber Ausschuß von Schöpfung!

So, willzu esse gut Schweinschmalz, gehssu in Paradies von Apfel. Nix 72 Jungfraue, aber gut esse! Mann stark danach! Ganze Runde ruft: „Ey, Wirt, mache Slibo fiehr Lehrerr! Is nich Müslim, aber gutte Mann, derr Magistrevic!! Weiß immer Bescheid!“ Frau aber schittelt Kopf (ohn Tuch). Hat sie wirklich gesagt: „Mann! Du bist zuviel in dieser Serbenkneipe! Du verblödest da noch!“ ?

PS: Chabb ich gehert, Freund von Freund Chris is anne Airport London gestoppt, weil hatte Töppchen Grieben-Schmalz in Gepäck. Musste ausläffeln an Gate zweihunderfuffzich Gramm von die fette Schmier! Hat danach nebbich bisschen explodiert, und war dann alles voll … Schweinesch…malz. – Allah! Wußt ich, dass Schmalz is fettich und schwer im Magen. Aber Sprengstoff? Nich glauben. Schwein harmlos. Und Islamerer-Terrorist geht nie mit Schwein!

 

Theologie der digital interessierten Stubenfliege

16. September 2010

Lachende (!) oder religiös inspirierte Stubenfliege (Fotoquelle: Wikipedia)

Hat eigentlich schon mal jemand die doch einigermaßen erstaunliche Tatsache erforscht, traktiert oder behandelt, daß die gemeine Stubenfliege (musca domestica), von oben gesehen, und vor allem, wenn sie über den neuen, hochauflösend-brillanten iMac-Bildschirm tippelt, einem cursor verflucht ähnlich sieht? Ich weiß nicht, warum, aber, abgesehen von meinem Mülleimer und evtl. auf dem Frühstücksbrett vergessenen Essensresten, interessiert diese Stubenfliege offenbar am meisten (und jedenfalls mehr als menschliche Leser!), was ich gerade so schreibe. Auch durch hektisches Gewedel, tödlichen Fliegenpatscheneinsatz und vergrämenden Insektenspray lässt sich dieses lästige, aber auch possierliche Geschmeiß nicht davon abhalten, kursorisch meine Textflächen zu besichtigen! Eine nicht zu unterdrückende Neugier zwingt dieses trotzdem wenig sympathische Geziefer, geradezu obsessiv auf meinen Texten herumzuspazieren, als leiste sie irgendeine geheimnisvolle, unverständliche, nämlich rein insektive und daher hermetische Lektoren- oder Korrekturarbeit.

So halb aus den Augenwinkeln verfolgt, erscheint mir halb blindem, brillenabhängigen Bildschirmarbeiter der quasi-digitale Screen-Spaziergang der Fliegen immer, als ob sich der cursor plötzlich selbständig gemacht hätte, um mir entlegen mysteriöse, nur für Insekten verständliche Zusammenhänge zwischen in meinen Texten verstreuten Wörtern  deutlich zu machen. Irgendwie beunruhigt mich der Gedanke, Fliegen könnten lesen! (Jedenfalls mehr als die Idee, Leser könnten fliegen!) Ich meine, natürlich hab ich beim Schreiben ein imaginäres Leserschaft-Publikum vor Augen, aber die gemeinen Stubenfliegen gehören eigentlich nicht zu meinen direkten Adressaten! Was mögen sie über mein Geschreibsel denken? Lachen sie (wenn Fliegen denn lachen könnten – schon wieder eine beunruhigende Vorstellung!) über meine Aufsätze, oder, noch faszinierender die Vorstellung, handelte es sich für sie vielleicht um … Heilige Texte eines höheren Wesens? Könnte doch sein!! – Eine Fliege namens Mohammed kriegt plötzlich Diktat-Botschaften eines Wesens aus höherer Sphäre? Und ich wäre, freilich ohne es zu wissen, eine Art Stubenfliegen-Allah mit insektenverbindlicher Weisungsbefugnis? „Die Worte des allgütigen Kraska sind eine bindende Offenbarung! Und absolut wörtlich zu nehmen“ behauptete ein besonders spirituell begabter, dominanter und rhetorisch gewiefter Stubenfliegen-Ajatollah, und fünfmal am Tag kreuzten nun die fliegenden Gläubigen brav gymnastisch ihre sechs Beinchen, um mich anzubeten – eine Übung, deren verpflichtende Empfehlung sie aus meinen Heiligen Texten herausgelesen (oder herausspaziert)  haben wollen!

Ja, nennt das ruhig eine abwegige Spekulation, – aber warum sonst denn übt ausgerechnet der Flachbildschirm meines Rechners eine derartige Faszination auf diese agilen, hyperaktiven und offenbar intellektuell unterforderten Tierchen aus? Er (der Flachbildschirm von Apple) kann vieles, aber er riecht nicht lecker, er sieht nicht nach toten Tieren aus und macht nicht den Eindruck eines überreifen, bereits zerlaufenden Camemberts, – also Dingen, auf die Stuben- oder Schmeißfliegen sonst so überaus stehen!

Apropos: Zwar beherbergt im Sommer mein geheimes Schlafbüro auch grünschillernde Schmeißfliegen, aber die bleiben hübsch in der Küche, wo der Bio-Abfall-Eimer steht, und warten ansonsten nervös-geduldig auf meinen Tod, um mir endlich ihre Eier in die blicklosen, nahrhaften Augenhöhlen platzieren zu können. – Es sind allein die Stubenfliegen, die sich für meine Texte interessieren. Heißt das nun, Stubenfliegen wären intellektueller? Spiritueller? Religiös musikalischer? Sind sie das (mein) erwähltes Volk? Bin ich womöglich der „Herr der (Stuben-) Fliegen“? Eine albtraumhafte Vorstellung: Man wäre „Gott“ für eine Spezies, und wüßte es noch nicht mal! Und, den Gedanken nur mal so in den Raum gestellt, was wäre, wenn wir für „unseren“ Gott nun auch so etwas ähnliches wären? Stubenfliegen, die SEINE humoresken Schreibversuche unbefugt bekrabbeln und uns einbildeten, die wären „heilig“, und ER wüßte noch nicht mal was davon, weil er unsere Spezies allenfalls lästig findet und ihr mit Menschenpatschen nachstellt?  Tut er nicht? Tut er doch! Nur dass seine Patschen halt Krieg, Pestilenz, Terror, Erdbeben und Überschwemmung heißen. Ist doch wie mit den Fliegen! Ein paar von uns kriegt er, nur nie alle!

Bescheid

9. Juni 2010


Küche im 17. Jahrhundert

AB JETZT WIRD GELESEN, WAS AUF DEN TISCH KOMMT!

Ich denk, ich sag mal Bescheid. Auf der seriösen Kehrseite meines Blogs („denkfixer“) sind drei neue Vorträge als Downloads erhältlich: Sie befassen sich mit der Philosophie des Essens und Trinkens, singen ein freches Lob auf Rauschdrogen und verteidigen das menschliche Recht auf Sinnengenuß ohne Schuldbewußtsein. Die Vorträge heißen im einzelnen:

„Was isst der Mensch? Vorspeise zu einer kleinen Gastrosophie“

„Keine Macht den Drögen – Die Philosophie und das Gespenst der Sucht“

„Der Hedonistische Freispruch – Über Lust, Laster und List des Geniessens“

Ich hab die Texte gelesen, korrigiert, überarbeitet und finde sie immer noch gut.  Wer sie als pdf-Datei herunterladen will, den bitte ich zur Adresse

http://reinhardhaneld.wordpress.com

MY PERSONAL JESUS

23. Dezember 2009

Seltenes Originalfoto von Jesus: Geliebt, verehrt und bewundert, aber leider nie wieder erreicht, gilt er heute neben Elvis und Michael Jackson als einer der "drei Unsterblichen"...

Es ist schon ein Weilchen her, daß mir träumte, ich besäße eines der raren authentischen Originalphotos von Jesus von Nazareth, und er hätte auf meine Bitte, es mit einer persönlichen Widmung zu versehen („Für meinen Lieblingsapostaten, Apostel St. Bruno Kraska“), zwar unendlich schwermütig geschaut, aber dann doch schließlich meiner Bitte achselzuckend entsprochen. Sein sanft durchdringender Blick dabei sprach freilich Bände bzw. den Satz (auf hochdeutsch!): „Herr vergib ihm, denn er weiß nicht, was sich tut!“ Mir war das doppelt peinlich, weil mir gerade die Überlegung durch den Kopf schoß, was so ein Autogramm wohl eintrüge, stellte ich es bei eBay ein. Ich schämte mich dafür, denn in meinem Traum konnte Jesus Gedanken lesen und ich spürte deutlich, wie seine Entdeckung, daß er – übrigens genau wie ich! – gar nicht wußte, wie man etwas „bei eBay einstellt“, ihn quälte und irgendwie verunsicherte. Trotzdem behielt ich von diesem Traum das beruhigende Gefühl zurück, daß Jesus und ich gute Freunde hätten sein können, wäre er nicht so ein hohes Tier geworden. Ein Kumpel, dessen Vater GOTT ist, war mir aber doch zu heikel.

In einem anderen Traum erhielt ich mal in der kleinen Druckerei-Klitsche, in der ich arbeitete, Besuch vom damaligen Papst Johannes Paul II., und zwar wollte er fünfhundert Dreifach-Selbstdurchschreibe-Formularsätze bei uns bestellen. Irgend so Zeug für die Steuerklärung des Vatikans oder so. Obwohl er sehr imposant, zeremoniell und in vollem Ornat, mit goldener Tiara, Schärpe, Stola, Umhang sowie Schnabelschuhen aus weinrotem Saffianleder auftrat, erkannte ihn mein Kompagnon, der für die Kundenbetreuung verantwortlich war, nicht nur nicht, sondern nannte ihn auch noch ständig penetrant „Herr Dr. Schmittke“, was zwar respektvoll klang, aber dennoch gegenüber dem Pontifex maximus völlig deplaziert wirkte. Auch dies war mir ungemein peinlich! Mir scheint, Träume mit Religionsbezug sind bei mir immer mit einem Gefühl der schamvollen Verlegenheit verbunden. Moderne Psychoanalytiker mögen das gern mit meiner verstorbenen Frau Mutter in Verbindung bringen.

Obwohl ich dem Christentum (wie jedem -tum, auch dem Brauch-, Volks- und Heimattum!) skeptisch gegenüberstehe, bin ich Jesus-Bewunderer. Jesus war ein echter Frauentyp: Sanft, einfühlsam und sexy, klug, eigensinnig und angenehm unkonventionell. Er sah verdammt gut aus, hatte Charme und bezwingendes Charisma. Gut, er war auch ein Spinner und hat Sachen gesagt, die er, hätte er kritisch-solidarisch diskutierende Berater gehabt, vielleicht noch mal überdacht hätte. Z. B. diesen Quatsch aus der Bergpredigt, daß, wer eine andere Frau begehrlich ansähe, mit ihr bereits die Ehe gebrochen hätte. Daß finde ich weltfremd und humorlos, und auch ein bißchen arg prüde.

Jesus hatte das Glück oder Pech, wie übrigens auch meine Frau Mutter, an Weihnachten geboren zu werden, einer perversen Zeit des Ratenkaufs und der Null-%-Finanzierungen, der Sonderaktionen und Sale-Schnäppchen. An ein Kreuz aus IKEA-Kiefer genagelt, einen Kopfhörer von Saturn oder Mediamarkt als Dornenkrone (Im Player: „Hosiannah! Best of Holy Gospel-Gossip“) über der Stirn, starb der Nazarener bereits drei bis vier Monate später schon wieder, am Karfreitag, war dann aber allerdings auch nur bis Ostersonntag tot. – Eine krasse Biographie! Nebenher wurde Jesus auch bekannt als Erfinder einer gleichnamigen Sandale und als Singer-Songwriter-Composer des Welthits “Always look on the bright sight of life!“ Gäbe es, was Gott verhüten mögen, eine RTL-Show „Deutschland such den Super Religionsstifter“ (Jury: Dieter Bohlen, Bischöfin Margot Käßler sowie Ottfried Fischer), Jesus käme ins Halbfinale, totsicher.

Meine Mutter wäre dieser Tage 85 geworden; Jesus ist bereits 2009 Jahre alt; in meinen Träumen und in meinem Herzen treiben beide ihr Wesen und dürfen ihr Eckchen bewohnen. Ein kleines bißchen froh bin ich aber auch, ihnen entronnen zu sein.

Die Schönheit und Melancholie der Dinge

17. April 2009
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吉田 兼好; Yoshida Kenkô (* um 1283, † 1350)

Daß ein religiöser Mensch ausnahmsweise auch klug, gesittet, bescheiden, still und fein empfindend sein kann, bewies zum Beispiel der buddhistische Mönch Yoshida Kenkô (jap. 吉田 兼好; * um 1283, † 1350) mit der folgenden elegischen Betrachtung:

„Würde man nicht hinschwinden wie der Tau auf dem Adashi-Feld und nicht flüchtig vergehen wie Rauch auf dem Toribe-Berg, sondern ewig leben – wie könnte man da die zaubervolle Melancholie erfassen, die in allen Dingen webt? Gerade ihre Unbeständigkeit macht die Welt so schön. Unter allen lebenden Wesen ist des Menschen Lebensdauer am längsten. Die Eintagsfliege wartet nur auf den Abend, um zu sterben, und die Sommerzikade weiß nichts von Frühling und Herbst. Wie sorglosen Herzens lassen aber wir ein ganzes Jahr vorübergleiten? Und doch können wir uns, wenn wir uns gierig und ohne zu ermatten, ans Leben klammern, der Empfindung nicht erwehren, es sei nur der Traum einer einzigen Nacht. Was rechtfertigt denn unseren Wunsch, in dieser hinfälligen Welt unsere unerfreuliche Gestalt für immer zu bewahren? Je länger man lebt, desto mehr Gründe ergeben sich, bestürzt über sich selber zu sein. Man sollte sterben, bevor man noch vierzig Jahre alt geworden ist. Lebt man länger, so verliert man die Fähigkeit, sich seines Aussehens zu schämen, man sehnt sich danach, sich mit den anderen noch umherzutreiben, bringt seine letzten Jahre damit zu, sich in die eigene Nachkommenschaft zu vergaffen, und möchte deren Erfolge unbedingt noch miterleben. Immer gieriger klammert man sich nun vollends an die Welt und kann die Schönheit und Melancholie der Dinge nicht mehr empfinden – es ist jammervoll!“ 

[Tsurezuregusa, dtsch: „Betrachtungen aus der Stille“]

Mein Herz ist zu etwa 80% voller Zustimmung. Ich würde die Betrachtung evtl. etwas vom erreichten Alter lösen: Zum einen wünschte man auch manchen deutlich jüngeren Zeitgenossen etwas von der Fähigkeit, „über sich selbst bestürzt zu sein“, zum anderen hat sich, wenigstens bei mir, die Fähigkeit, mich „meines Aussehens zu schämen“, erst weit nach meinem vierzigsten Lebensjahr sprunghaft entwickelt. Auch Meister Yoshida Kenkô wurde ja immerhin 67 Jahre alt. Trotzdem bemühe ich mich, seinem Weg zu folgen: Ich nehme meine „unerfreuliche Gestalt“ zunehmend aus der Schußlinie, sehne mich nicht mehr danach, mich „mit den anderen noch umherzutreiben“ – und meine werte Nachkommenschaft kann mir ebenfalls aus guten Gründen derzeit gestohlen bleiben. So. Habe ich mich vom Anhaften an weltliche Dinge gebührend gelöst?

Noch nicht restlos. Am Samstag gibt es hier in der Oper Händels „Giulio Cesare“, und die Gattin und ich haben zwei gute, teure Karten. Da möchte ich schon noch gern hin – schließlich geht es bei Händel letztlich auch nur darum: um die Schönheit und Melancholie der Dinge…

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Edle Dame, die Abendkühle geniessend