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Moment verpennt

13. Juni 2011

 

Mozart mit Kopfhörer (Gemälde von Anna Maria Dusl für "Falter")

Immer wieder gern gehört wird das Stück „4’33“ von John Cage, eine dreisätzige Komposition, bei der alle Instrumente schweigen („tacet“). Das Stück gibt es für Klavier, Kammer- sowie Sinfonieorchester. Ich bevorzuge die machtvoll schweigende („tutti“!) Londoner Orchesterfassung, die ich oft auflege und so laut drehe, dass sie eigentlich alles andere übertönen müsste. Leider funktioniert es nicht – die Straße will einfach nicht, wenn ich das mal so lautstark ausdrücken darf, ihre Fresse halten! Ich beklagte dies schon öfter, in letzter Zeit nicht nur aus rentnerhafter Ruhebedürftigkeit, sondern auch aus richtig gewichtigen Gründen: Ich soll nämlich Texte von mir einsprechen und hab dafür eigens ein teures Profi-Mikrophon-Headset von Sennheiser auf den Kopf geschraubt bekommen. Wenn ich aber meine elaborierten Klügeleien (von Augustinus bis Zoroaster!) später abhöre, klingt es immer, als hätte ich Kiplings Dschungelbuch vertont, sofern man als Dschungel akzeptiert, dass dort türkisch gebellt, Arabesk-Musik oder Gangsta-Rap gespielt und die Rolle kreischender Papageienschwärme von dauerfußballernden Kindern übernommen wird.

Ich meine, wer will schon erklärt bekommen, warum Hegel meinte, das Wirkliche sei das Vernünftige, wenn dann auf der Soundspur ewig das doofe Geddo lärmt? Die Straße ist zwar nie vernünftig, aber immer verdammt wirklich! Man stelle sich vor: Die zart-filigrane Abstraktionsarchitektur von Immanuel Kants „Kritik der“ leisen, quatsch, „reinen Vernunft“, und dann brüllt ständig einer dazwischen: „Du blöde Votze, ich hau dich zu Brei, du Nutte! Ich frag zum letzten Mal: Wo ist das Geld“? Das ist doch weder pädagogisch noch didaktisch als wertvoll einzustufen, Wirklichkeit hin oder her. – „Kinder, so kann ich nicht arbeiten!!!“

Aber jetzt, heute, Pfinxen, Montag. Ich erwache verkatert (hatte Pfinxen mal wieder mit Vatertag verwechselt, passiert mir jedes Jahr) um 6.00 Uhr morgens in meinem Schlaf-Büro und: ……….. es herrscht himmlische, ja göttliche Stille! Mein Hirn spielt alarmierende Musik ein (Eminem: „…the mike is yours and you’ve got only ONE SHOT, ONE OPPORTUNITY“!) und empfiehlt senile Bettflucht. Jetzt oder nie! Ran an den Schreibtisch, Hörbücher produziert, garantiert ohne Nebengeräusche! Negergeräusche? Nein, nein, Nebengeräusche. Natürlich bin ich es gewohnt, spontane Impulse noch mal reflektierend zu überdenken. Als ich zehn Minten später damit fertig bin, ist es 9.30 Uhr. Auf dem Hörbuch-Track nur weißes Rauschen, untermalt mit John Cage. Immerhin. Es war einfach zu ruhig zum Arbeiten.