Bingo, Ingo!


Hier wird noch korrekt kommuniziert...

Bingo! Ingo!

Aufgewachsen bin ich im Schützengraben des Dreissigjährigen Ehekrieges meiner Eltern. (Noch heute bin ich ein wandelnder Kollateralschaden…) Eine der verheerendsten Waffen im Krieg zwischen Mutti und Vati war das mehrtägige Nicht-miteinander-Reden. Man schwieg sich an, schwieg sich nieder, schwieg sich tot. Ich war sozusagen ein echter Schwieger- oder Schweigesohn, der irgendwann nicht mal mehr zusammenzuckte, wenn am ca. 1qm-großen, resopalbezogenen Esstisch, an dem die ganze Familie saß, die Mutter mir auftrug: „Frag Vati, ob er noch Kartoffelpürée will!“ Ich tat wie geheißen, und übersetzte zwischen den Krieg führenden Schweige-Kombattanten. Meinen Eltern verdanke ich daher den früh entwickelten Sinn für das Absurde. Als in den 60ern die irren Stücke von Beckett, Ionescu und Arabal („Absurdes Theater“) auf die Bühne kamen, war ich als Einziger nicht irritiert – war ja wie zu Hause! Mutti saß in ihrem Resignier-Sessel und schlürfte Schmoll-Cognac, während Vati sich Kriegsrat bei den Waffenbrüdern im Schützenverein suchte…

Um so traumatisiert-neurotischer reagierte ich, als jetzt mein altes MacBook und mein neuer iMac, wiewohl auf dem gleichen Schreibtisch zuhause, sich ebenfalls weigerten, miteinander zu kommunzieren. Ich versuchte es mit allen Tricks: Ethernet, Bluetooth, externe Festplatten – nix! Wie verzickte Ehestreithähne wandten die Geräte sich den Rücken zu und wollten voneinander nichts wissen.

Die alten Schröcknysse des Dreyssigjährigen Krieges stunden wieder auf und brandtschatzten, verwüsteten und verheerten mein Nervenkostüm! Das konnte doch nicht wahr seyn! Zwar von Mutter und Vater mittlerweile emanzipiert, bin ich doch heute von Rechnern abhängig – die ich ebenso wenig begreife wie weiland meine werten Erzeuger.
Naive Eigen-Frickeleien, innigste Gebete und hilfesuchende Telefonate mit Qyperin „karu“ – die sich mit Macs normalerweise auskennt wie sonst mit Presslufthämmern, Schaufelbaggern und Zementmischmaschinen – brachten keine wirkliche Hülfe. Lag es, wie bei meinen Eltern, an den unterschiedlichen Betriebssystemen? War es, wie bei ihnen, der Altersunterschied? In meiner Not griff ich zu den extremsten Methoden: Spielte den Geräten etwa Mario Barth vor („Ick hab ne Freundin, verstehsse, verstehsse, verstehssse, ne Freundin, die vasteh ick einfach nich…“) – aber so dumm waren die Rechner dann auch wieder nicht.

Dann kam die Erleuchtung – Bingo! Ingo!

Nach außen führt Ingo das unauffällige Leben eines brillentragenden Werbefuzzis und Webseiten-Bastlers. Aber wenn wo in Big Apple MacIntosh-Town ein armer Depp in Not ist, schlüpft er in der Telefonzelle in sein Supermac-Kostüm und kommt in Nullkommanix angeflogen, setzt sich vor meine zickenden Rechner, lässt, unverständliche Abbreviaturen, Suffixe und Tool-Namen murmelnd, ca. zweieinhalb Minuten lang die Finger über die Tastatur fliegen, stellt ein lokales Netzwerk her, verbindet telepathisch beide Geräte und fragt: „Sonst noch Probleme?“

„Äh, nein, nix, oder doch, warte Mal, hier, Dings…“ – Ingo löst, wo er schon mal da ist, noch schnell ein paar Probleme, von denen ich kaum wusste, dass ich sie hatte, und hinterlässt noch ein Test-Dokument mit dem Titel „deringokannwiederweg.doc“, steckt ein – eigentlich viel zu kleines, weil im Grunde ist er meine gesamten Zahn- und Bruchgoldvorräte wert – Scheinchen ein und fliegt wieder davon.

Mein Guru! Hätte ich ihn nur früher gekannt, er hätte bestimmt auch meine Eltern mit irgend so einem Ever-nice-Programm repariert! Für Techno-Analphabeten wie mich ist so einer wie Ingo mehr wert als die Heiligen Nothelfer St. Dionysius, St. Timotheus und Sta. Barbara! Leute mit Mac-Problemen: Ruft-ihn-an!

Mein NoteBook und mein iMac sind jetzt im Dauerbetrieb: Sie haben sich sooo viel zu erzählen…

 

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6 Kommentare - “Bingo, Ingo!”

  1. ottogang Says:

    ich hatte gestern und heute auch so einen Ingo da.
    Er mußte aber meine Kiste mitnehmen, durchmessen, Teil austauschen und jetzt saust das wieder so dahin, ich komm gar nicht mit, so schnell geht das jetzt.
    Und Scheinchen gingen auch so einige über den Tisch.

  2. /cbx Says:

    Und so findet wieder einmal zusammen was zusammen gehört. Hier der familiär vorgeschädigte Magister, der die Kommunikationsverweigerung seiner Erzeuger auf der Metaebene so erfolgreich auf seine (vermeintlich unbelebten) Computer projiziert, dass auch diese ohne professionelle (==kostenpflichtige) Mediation nicht mehr miteinander kommunizieren wollen (mithin ist ein Computer natürlich kein unbelebtes Gerät. Was auch immer zur Heimtücke fähig ist, muss belebt sein).

    Dort der Inschenjör, dessen Elternhaus so harmonisch und kommuikativ funktionierte, dass er in jungen Jahren fast schon meinte, sich seiner unproblematischen Jugend schämen zu müssen. Dafür wäre der Inschenjör jetzt derjenige, welcher die autistisch schweigenden Computer das Kommunizieren lehren soll (und oft auch kann). Und doch ist die Berufung eine Bürde – zieht doch jeder Eingriff in diese Außenbordgehirne und Persönlichkeitsverlängerungen automatisch eine quasi lebenslängliche Verantwortung nach sich („Aber seit Du da vor 2 Jahren ein anderes Internet [→Firefox] drauf gemacht hast…“).

    Deshalb habe ich aufgehört, Menschen mit denen ich nicht direkt blutsverwandt bin, diesbezügliche Hilfe zu bieten.

    Im Zweifelsfall würde ich trotzdem jeden geistesverwirrten Computer einem blasenkranken Geschirrspüler vorziehen…

    • 6kraska6 Says:

      „Außenbordgehirn“ – schön. Darf ich das verwenden?

      • /cbx Says:

        Das ist sicher schon jemandem vor mir eingefallen, ohne dass ich eine Quellenangabe hätte. Ich will aber eh nicht Kriegsminister werden.

        Sollte ich das wirklich selbst erfunden haben, stelle ich es unter CC BY 3.0 frei.

        Nein – Scherz: Ich würde mich natürlich geehrt fühlen!

  3. oachkatz Says:

    Den Tag gerettet – weiß ich nicht. Den Tag verschönt – hat mir Dein Bericht auf jeden Fall. ich hätte nur noch gern die Nummer von Ingo.

    • joulupukki Says:

      Wollte ich auch gerade anmerken. „Ruft-ihn-an!“ rufen und die Nummer verschweigen … pfff … das hat er sicher von Muttern.


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