Ehrendoktor für zu Guttenberg!
Die nationale Erregungsgemeinschaft treibt ein neues Ferkelchen durchs Dorf: Karl Theodor zu Guttenberg, amtierender Baron Münchhausen von Berlin und zu Kunduz, soll seine Dissertation mit Fremdmaterial aufgefüttert haben. Ach, Herrjeh! Was für ein Aufreger! Hatten wir doch bisher gedacht, unsere führenden Politiker seien allesamt Geistesfürsten, Brillanzexzellenzen und Intelligenzquotienzpotentaten, wandelnde Kompetenzcenter und akademische Ordinariatsorakel! Und nun das! Der Haarölprinz hat „geschummelt“. „Plagiat, Plagiat“, schreien alle, die gar nicht wissen, wie man das Wort „Dissertatation“ überhaupt schreibt. Sonst haben wir keine Sorgen. Unser oberster Heerführer stolpert über fehlende Fußnoten!
Leute, darf ich höflich anfragen, wie naiv ihr seid? Glaubt ihr ernsthaft, ein Berufspolitiker, der zwölf Stunden am Nachmittag im Heli von Termin zu Termin fliegt, kann ständig überprüfen, was ihm seine Referenten für Textbausteine zusammenklauben? Denkt ihr, der Mann hätte die Zeit, 450 sturzbrunzlangweilige Laberseiten mit zwölfhundert Fußnoten selber zu lesen? Bloß weil es sich um seine eigene Diss handelt? Dafür hat man Assistenten! (Die gehören jetzt natürlich zeitnah entlassen.) Wer jemals an einer geisteswissenschaftlichen Dissertation gesessen hat, weiß, daneben noch einen Vollzeitjob durchzustehen, ist völlig unmöglich. Wer glaubt, Dr. Helmut Kohl, Dr. Guido Westerwelle etc. hätten ihre Doktorarbeit mühselig selber zusammengeforscht, der glaubt auch, dass der alte Mann im roten Mantel im Dezember Geschenke bringt.
Außerdem leben wir in der Post-, wenn nicht sogar in der Postpostmoderne: Die Ära der Zitate, Samples und Collagen. Sollen jetzt vielleicht alle DJs, Rapper und HipHopper jeden ihrer Samples mit Fußnoten versehen? Wie soll man die denn singen? Originalität heißt heute, geschickt und kreativ zusammenzubasteln, was es schon gibt. Wenn das schon für Hits gilt, warum dann nicht für sehr viel weniger groovende Wälzer über Verfassungsrecht?
Ob sich der alert-aalglatte Freiherr jetzt Professor, Lügenbaron oder König Ohneland nennt, ist mir doch egal! Dass der Sproß einer uralten Dynastie notorischer Rosstäuscher, Bauernauspresser und Parasiten ein Blender und cremeschnittiger Windbeutel ist, wurde von Fachleuten schon lange vermutet. Ja und? Was für Politikerdarsteller wollt ihr denn? Vielleicht Rainer „Prost“ Brüderle? Das knopfjackige Merkelmuttchen? Den Weißschopf-Steinbeißer? Den umtriebigen Triebschwätzer Siegsam Gabriel? Haben die vielleicht attraktive Blondinen an ihrer Seite? Können die mehrere Sätze mit Inhalt auswendig geradeaus aufsagen? Sind die in der Lage, hier, dings, Kompotenz von und zu vermitteln? Na bitte!
Ich stehe zu Karl Theodor und seinen Referenten. Und wenn die Uni Bayreuth ihm jetzt womöglich seine Collage vermasseln will und das „summa cum lausig“ zurücknimmt, dann wünsche ich ihm als Trostpreis einen echten Ehrendoktor. Auf den Bahamas gibt es so etwas schon für ein paar Tausender.
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Schlagwörter: Dissertation, Guttenberg, Karl Theodor zu Guttenberg, Plagiat, Postmoderne, Promotion, Rapper, Referenten, Samples, Schummeln, Uni Bayreuth, Universität
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18. Februar 2011 um 10:47 AM
Oh großer Meister der adjektivischen Attributierung, wieder einmal neige ich mein Haupt vor Eurer Sprachgewalt. Wie leichtfüßig silberglänzend liest sich dieser elfenhaft elegante Text gegen mein altmännergrimmig hingegrummeltes Buchstabenejakulat (no offence intended).
Da musste ich natürlich gleich hinterherlinken.
18. Februar 2011 um 11:31 AM
Lieber Inschenjör, ich schwör: Ich hab Deinen Text zuvor nicht gelesen! Sonst könnte man den meinigen ja fast für ein Plagiat halten! Wir scheinen einig zu sein – auch wenn ich bloß ein Geistesscheinwissenschaftler bin…
18. Februar 2011 um 11:53 AM
Und gleich noch einer.
18. Februar 2011 um 11:55 AM
Schöne Glosse. Und das Ferkelchen in angemessenen Dimensionen, endlich mal.
Ich kann nicht verstehen, was ein Doktortitel nun plötzlich mit Politik zu tun haben soll. (»Beweis« für die »Schmutzkampagne«: Herr Fischer-Lescano ist ja nicht bloß ganz normal links, nein, er hat sogar ein einschlägiges Institut gegründet …)
Ich kann allerdings auch nicht verstehen, daß ein Doktorvater offenbar keinerlei Überprüfung akademischer Arbeiten vornimmt. Wenn ihn ein akademischer Kollege dafür zur Rechenschaft zieht: Recht so!
Und nun möge sich die Republik bitte wieder abregen und die Affäre »Dr.« G. den Leuten überlassen, die hier zum Richten taugen.
18. Februar 2011 um 1:02 PM
Die „paar Tausender“ hätte er mal lieber gleich ordentlich in eine Überprüfung der Arbeit investiert. Ist doch abzusehen, dass sich die Öffentlichkeit so draufstürzt, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie die Textkopien der Hegemann schon für Aufsehen gesorgt haben. Aber im Netz läufts ja nicht anders: http://buuusch.wordpress.com/2011/02/17/plagiat-politik-und-die-pure-peinlichkeit/
Postmoderne, wie du schon sagtest.
18. Februar 2011 um 3:39 PM
Kommt Zeit, kommt Abi,
kommt mehr Zeit, kommt Doktor.
Weder Abi noch Doktor-Titel sind Zeichen von Intelligenz.
Ich weiß nicht wen ich hier zitiere, setze als Quelle aber mal Sokrates und Laotse ein.
gez. Dottore Philipp Elph, dessen entsprechende Arbeit weniger Seiten hat als K.Ts. nichtzitierte Abschriften
18. Februar 2011 um 3:41 PM
Soweit ich weiß, hatten Sokrates und Laotse noch nicht mal Abitur.
18. Februar 2011 um 3:46 PM
Stell Dich mal nicht so pingelig an! 😉
18. Februar 2011 um 4:17 PM
Wie, Sokrates ist vorher geflogen? Etwa vom Altsprachlichen??
18. Februar 2011 um 8:06 PM
Ne, hatte nur ne fünf in Latein.
18. Februar 2011 um 3:49 PM
Ich habe so sehr auf genau diesen Artikel von genau diesem Autor gewartet. Darf ich Deine Zeilen nun auszugsweise nutzen? Ich setze auch die Gänsefüsschen. Dr. Uffnik – wie das klingt!
18. Februar 2011 um 8:07 PM
Du darfst sie auch komplett nutzen. Fußnote nicht vergessen!
18. Februar 2011 um 9:37 PM
Das hat der arme Mann nicht verdient:
Uneingeschränkte Solidarität mit Dr. zu Guttenberg!
19. Februar 2011 um 1:53 PM
Er ist sicher kein armer Mann.
Allein seine Beliebtheit machte in so zur Zielscheibe.
„Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ (*1)
(*1) Johannes-Evangelium: 8,7
23. Februar 2011 um 6:02 PM
Na ja, selig sind die geistig armen. Eher geht ein Kamel durch die Promotion. Oder so irgendwie.
Um die Debatte mal etwas zu versachlichen, haben wir hier die Diskussionsgrundlagen übersichtlich zusammengetragen:
Grundlagen wissenschaftlichen Zitierens
2. März 2011 um 6:49 PM
Ich bin kein Akademiker, aber mich freut, dass da jemand ist, der Situation um Freiherrn zu Guttenberg erfasst hat. Es geht hier nicht um eine Erschleichung eines Doktortitels sondern um Schlamperei vom Doktorvater und der Uni. Das Theater ist eine gesteuerte Angelegenheit. Wenn man das hämische Lachen von Herrn Tritin und weiterer Herren im Fernsehen gesehen hat, weiß um die Umstände der Jagt auf Freiherr zu Guttenberg. Es zeugt von trauriger Intelligenz der Treibjäger und der Treiber( das Volk ) die dieses Treiben als Wichtigkeit für eine die Voraussetzungen eines Ministers sieht. Ein fähiger Mann ist Deutschland
verlorengegangen.
2. März 2011 um 10:35 PM
Ja klar, der brave, saubere Baron mußte nur gehen, weil Doktorvater und Uni geschlampert haben! Endlich haben wir wahren Schuldigen. Und im übrigen bin ich der Meinung, daß ein Betrüger in Augen vieler durchaus ein ehrenwerter Mann sein kann, q.e.d.
2. März 2011 um 10:56 PM
Um das nochmal festzuhalten: Herr G. hat mit seiner Arbeit betrogen, und aktuell hat er verharmlost und gelogen. Wiederholt. Wenn das kein Grund ist, von einem Amt zurückzutreten (ehe man’s entzogen bekommt), dann weiß ich auch nicht.
3. März 2011 um 12:14 AM
Richtig, Lakritze!
Vieles ist viel zu schwierig, um es einfach zu verstehen: Glosse oder Satire oder Kommentar – Ironie, Zynismus, Unbedarftheit, Analyse und mehr Varianten des Ausdrückens (da ist es bei einer Zitrone einfacher). Ich hatte den Kommentar von HH frei von Ironie oder gar Zynismus gesehen.
Und deshalb gefiel mir der Inhalt in keiner Weise!
26. März 2011 um 7:24 PM
http://bit.ly/gSVlOv