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Diät, Tiepolo, Kleintierkleidung von KIK

30. August 2012

Unwirklichkeitsmeisterschaften im Vier-Körner-Land: Ich mache jetzt eine Diät! Ein verhungerter Landarzt aus der protestantrischen Steppe hat sie ausgetüftelt. Im Wesentlichen geht es darum, dass man zu jeder Tageszeit irgendetwas nicht essen oder trinken darf, was man sonst als normaler Mitteleuropäer zu sich nimmt. Morgens dafür nur Kohletabletten, mittags saure Milchwurst und abends einen halben Wasserballon – oder war es umgekehrt? Das spielt im Grunde genommen keine Rolle, die wissenschaftlichen Fundamente sind eh rutschig und nicht unterkellert. Es handelt sich um das gleiche Prinzip wie beim Militär oder in den Weltreligionen, die Inhalte mögen absurd sein, aber es ist halt wichtig, sich überhaupt einer Disziplin zu unterwerfen. Absurd ist sogar gut, damit man ständig im Handbuch nachschlagen muss, was man jetzt gerade darf. (Meistens darf man nicht.) Wer durchhält, bekommt das Himmelreich oder eine zwei Nummern engere Hose. Wer schlappt macht, kriegt auf den Grabstein gestempelt: „Er starb aus Disziplinlosigkeit“. Das ist herzlos, aber gerecht. Das Leben ist halt kein Supermarkt. Oder eben leider gerade doch.

Was das nun mit Kunst zu tun hat? Eigentlich gar nichts, aber mir ist diätbedingt irgendwie nach schroffen Überleitungen, und gestern Abend saß ich halt mit der Gattin auf der Terrasse und pflog als angemessen beschauliches Rentnerhobby der Überwachung des einheimischen Luftraumes. Am Firmament trieben kleine Wölkchen, die in der untergehenden Sonne dermaßen originell schräg von unten beleuchtet oder angestrahlt wurden, dass sie wie Zuckerwattenschaum aus Blassgold aussahen. Mich erinnerten sie an das zierliche Himmelszubehör auf spätbarocken Fresken, und so murmelte ich versonnen: „Das sind so richtige Tiepolo-Wolken…“, worauf die Gattin die Stirn runzelte und minutenlang grüblerisch in den Abendhimmel starrte, ehe sie den Kopf schüttelte und zugab: „Sehe ich nicht…“ Es lag aber nicht an ihrem mangelnden Kunstsinn, sondern daran, dass sie statt Tiepolo „Tierpullover“ verstanden hatte, nach denen man zu dieser Jahreszeit natürlich vergeblich Ausschau hält. Giovanni Battista Tiepolo hätte wahrscheinlich nicht schlecht gestaunt, wie schnell wir von seinen an die Wand gepatschten katholisch-barocken Heiligschmalzstullen zu profanen Fragen der Kleintierhaltung übergingen. Ob man abends noch Rokoko-Bilder anschauen darf, ist ohnehin fraglich, denn sie sind zumeist stark überzuckert. „Und lassen Sie den lieb gewonnenen Alkohol weg!“ befiehlt schnarrend der Landarzt. Klar, das musste ja kommen. Dabei will ich nur ein wenig abnehmen, nicht gleich implodieren.

In seinem Handbuch prahlt der Landarzt, unter seiner Diät-Fuchtel hätten bereits viertausend Menschen zusammen über dreißigtausend Kilo abgenommen. Das ist jetzt aber schon schwindelerregend, oder? Ich hab überschlägig nachgerechnet: Wenn nur die Hälfte aller Deutschen nach dieser Diät lebte, kämen wir leicht auf über 300 Mio. Kilo Fett, die wir loswerden, also zum Beispiel exportieren könnten, um verlotterten Krisenländern unter die Arme zu greifen oder die Kaiser von China zu schmieren, damit sie probehalber die Menschenrechte einführen!

In China darf man bekanntlich nur ein einziges Kind haben, was vielleicht den sog. „himmlischen Frieden“ erklärt, der im Land der Mitte herrscht und dem man in Peking sogar einen Platz gewidmet hat. Ob die Zahl der Hunde auch reglementiert ist, weiß ich nicht, fänd ich aber nicht schlecht. Hier im Viertel nimmt das nämlich überhand. Wenn die Brüsseler Bürokraten mit der Glühbirnenernte fertig sind, könnten sie doch mal kleine Hunde verbieten. In meiner Nachbarschaft leben viele ältere Damen, die, wenn es noch ohne Rollator geht, durchweg ein bis drei lächerlich kleine Trippel-Köter spazieren führen. Mit ihrem goldigen Puschelfell mögen diese (die Pinscher, nicht die Damen) ja meinetwegen aussehen wie von Tiepolo an den Himmel gepinselt, aber Rokoko-Wölkchen kläffen nicht giftig im Falsett, sind nicht hysterisch und machen auch keine Häufchen im Park. Da besteht in punkto Umweltverträglichkeit doch Regulierungsbedarf!

Andererseits will ich auch nicht zu laut nach einem Kleintierverbot schreien, denn womöglich würden dadurch Millionen chinesischer Arbeiterinnen brotlos, die derzeit in schlecht belüfteten unterirdischen Fabriken, mit blutigen Fingern und entzündeten Augen, in Zwölfstundenschichten für KIK diese putzigen kleinen Tierpullover stricken, auf die „wir reichen Westler“ ja offenbar nicht verzichten können. –  So, Mittag. Ich brat mir jetzt einen Hund. Mittags erlaubt das der Landarzt, sofern das Tier aus Magerquark und Tofu-Bollen besteht und biologisch abbaubar ist. Aber vorher Pullöverchen abschälen!

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Theologie im Kinderzimmer (Frag den Hodscha)

23. Juni 2011

Schmeißt Allah mit Büchern? (Foto-Quelle: Wikimedia Commons)

Freitags, da mach ich immer allgemeine Fragestunde. Mirko, mein serbo-deutscher Nachhilfeschüler darf fragen, was er will. „Auch über dich, Lehrrärr?“„Klar!“ – „Also ch’ab ich Frage: Warum bistu nich Muslim, Lehrrärr?“ Darüber haben wir nun schon tausendundeinmal gesprochen, aber es will einfach nicht in den kleinen kurz geschorenen Quadratschädel, weil, der Hodscha hat gesagt, ein Muslim weiß alles, was man wissen muss, und da ich in Mirkos Augen jemand bin, der nahezu alles weiß (sogar die Geheimnisse achtjähriger Knaben), muss ich in seinen Augen logischerweise auch Muslim sein. Eigentlich spreche ich nicht gern über Religion, um keine Verwirrung zu stiften, aber Mirko hat einen ähnlichen theologischen Forscherdrang wie ich mit acht Jahren. Er lässt nicht locker, denn er sorgt sich um mich: „Aberr wie kannstu nich an Allah glauben! Denn tuter dich mit Blitze verschmettern!“ Ich erkläre ihm, dass der Hodscha, von dem er das hat, vielleicht was falsch verstanden haben müsse, denn da hätte Allah ja wohl allerhand zu gewittern, weil nämlich ein paar Milliarden Menschen nicht an ihn glauben.

Mirko lässt sich erstmal aufmalen, wie viel Nullen eine Milliarde hat und macht große Augen. Da der Hodscha anscheinend nicht viel auf dem Kasten hat, übernehme ich widerstrebend den Religionsunterricht. „Weißt du denn überhaupt“, fragt also der jovial-liberale Toleranz-Onkel Kraska, „wie der Koran entstanden ist?“ Mirko nickt selbstgewiss: „Is von Himmel geregnet auf ersten Mann, wo geboren wurde, wie heißt noch?“ „Adam“, souffliere ich und bohre nach: „Wie jetzt? Allah hat den ersten Menschen mit Büchern beschmissen?“ Mirko muss  grinsen, weil er die Vorstellung auch ein bisschen lustig findet, nickt dann aber ernsthaft: „Hmm, aber nur mit die gelb-roten!“ (Beim ihm zuhause steht die „offizielle“ Koran-Prachtausgabe in Rot und Gold auf dem Wohnzimmerbuffet.) – Also gut, erzähle ich dem jungen Mann mal vom Propheten Mohammed (hat er noch nie gehört – in der Sonntagsschule von diesem Hodscha möchte ich ja mal Mäuschen spielen!), von Mekka und Medina, vom Erzengel Gabriel und von der Entstehung des Koran. (Im Stillen schüttle ich über mich selbst den Kopf: Hab ich jetzt hier Koran-Schule, oder was?)

Mirko möchte wissen, ob Mohammed in Serbien wohnt. „Eher nicht“, erkläre ich, „der ist seit mehr als dreizehnhundert Jahren tot.“ – „Der hats gut!“ murmelt mein Koran-Schüler. „Wie bitte?“, ich fasse es nicht. „Möcht ich auch gern, gestorben haben...“ träumt Mirko weiter, der momentan nämlich lieber tot wäre, weil er ewig Stress mit Papa und Mama hat, die Geschwister doof sind und die Mitschüler ihn immer schubsen. Doch dann gewinnt sein theologisches Interesse wieder oberhand: „Lehrrärr, ch’ab ich noch Frage: Kann Gott auch sterben?“ Ich wechsle einen kurzen Blick mit dem Nietzsche-Porträt bei mir an der Wand und antworte ausweichend: „Na, das darfst du gerade MICH nicht fragen…“„Aber Lehrrärr, du hast gesagt, ich darf ALLES fragen!“ protestiert er empört. – „Schon, sicher, aber da ich nicht an Gott glaube, kann er für mich doch auch nicht sterben…

Mirko ist kreuzunglücklich und insistiert: „Lehrrärr, wie kannstu nich an Gott glauben, wo hat dich doch gemacht!?“ Ich bestreite das: „Also, mich haben meine Eltern gemacht…“ Mirko weiß zwar noch nicht genau, wie Kinder entstehen, aber dass es etwas mit Vater und Mutter zu tun hat, scheint ihm plausibel. Ich setze nach, weil ich der Versuchung nun doch nicht widerstehen kann, einen zarten Keim des Zweifels ins fromme Kinderherz zu pflanzen: „Schau, du hast gesagt, Adam war der erste Mensch, wo, äh, ich meine, DER geboren wurde?“ Er nickt. „Und wer hat ihn geboren?“ „Is von seine Mutter geboren“ läuft mein Disputpartner prompt in die Falle. „Aha!“ triumphiere ich.

Miko grübelt, aber dann fällt ihm ein, dass es noch ein anderes Gebiet gibt, das ihn brennend interessiert: „Lehrrärr, wie kriegt man Babies?“ – Da ich mir nicht sicher bin, ob sich mein Lehrauftrag auch auf Sexualkunde erstreckt, antworte ich knapp: „Indem man grüne Erbsen isst.“ Mirko ist begeistert. „Stimmt nicht!“ jubelt er, „Gar nicht! Ch’ab ich gleich gemerkt! Du willst mich Scherz machen!“ –  Ich zuck die Schultern: „Dann frag doch deinen Hodscha!“ – Jetzt bin ich mal gespannt…

Ein kurzes Lob der Inkonsequenz

15. Juni 2009
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Konsequent inkonsequent: Echthaarperücken für die Orthodoxie

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Jehovas Liebling: Wuschelbrünett

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Please, call me Eve: Blondes Gift

ORTHODOXE ECHTHAARPERÜCKEN BOOMEN: KONSEQUENZ MELDET INSOLVENZ AN!

Jemand bemängelte, ich hätte mich mieselsüchtig über das Reisen geäußert, sei aber selber nach Wien gefahren, in die Sommerfrische. Erwischt! Touché! Nun könnte ich das zwar erklären („Es ist nicht, wie Ihr denkt! Ich kann alles erklären!“), aber das klänge ungut nach Rechtfertigung, und wir sind ja hier nicht beim Plenum der GRÜNEN oder wo. Nö, aux contraire: Ich werde gleich wieder frech und behaupte neuerlich wenig Konsensfähiges: Wenn ich eines nicht ausstehen kann, außer Geiz, dann ist  es … Konsequenz! Präziser: eigentlich gar nicht mal Konsequenz als solche, sondern ihre Erhebung zur Tugend.

Ohne Inkonsequenz wären wir längst verloren: Konsequent geht die Welt zugrunde. Konsequent ist ein Wort mit lateinischem Migrationshintergrund und heißt zu deutsch eigentlich bloß: folgerichtig. Dies wiederum meint halbwegs: in seinen Handlungen den Gesetzen bzw. Schlussregeln der Logik folgend. Und was soll nun daran gut sein? Die Welt, Freunde, das Leben, das sog. Dasein oder die Realität: Nichts davon ist logisch! Das meint vielleicht Professor Dr. Oberreiter aus Unterföhring, der uns in einem Leserbrief mitteilt, seines akademischen Wissens nach sei ja wohl A = A, es gelte doch der Satz vom Widerspruch und der vom ausgeschlossenen Dritten auch?! Ja, Pustekuchen! Mögen die Hirnwindungen eines deutschen Geisteswissenschaftlers auch rechtwinklig sein, die Quartiere und Straßen der Existenz sind es nicht! Im Leben ist A gar nicht immer gleich A, und der ausgeschlossene Dritte wartet im Schrank, bis der Ehemann wieder zur Arbeit ist!

Die Menschen sind eh nie konsequent. Da liebt einer sein Gespons, ist aber garstig zu ihm, oder ihr. Da weiß einer, das Rauchen zerrüttet das Organische, und qualmt doch wie ein Schlot, weil Gott ihm wohl gesagt hat, die Welt sei heute ausnahmsweise ein Raucherclub. Da sagt Hinz zu Kunz, er haue ihm gleich aufs Maul – tut es aber gottlob dann doch lieber nicht, und die Wirthausschlägerei ist mangels Konsequenz abgesagt.

Ich spiele hier bewußt ans Militärische an, denn Konsequenz scheint mir auf dem Gebiet von Oberbefehlshabern und Staatsgewalttätern bevorzugt zu siedeln. Hitler war konsequent, Stalin oder Mao. Mir sind Staatsmenschen letztlich lieber, die ein wenig herumeiern, wie Frau Dr. Anke Merkel oder dieser eine von der SPD, der immer guckt wie eine verschlafene Eule, wenn’s tagsüber donnert. Solche Leute sind wie Du und ich, sie schließen Fitness-Center-Verträge ab und gehen dann nicht hin, sie machen Brigitte-Diät und belohnen sich dafür mit Käsekuchen, sie lassen das Kondom mal weg, weil, wer so schöne grüne Augen besitzt, der hat doch kein Aids! Kurzum, man kennt die Regeln, findet sie auch gut, aber vor allem findet man: „Ab und zu ist auch mal was egal!“ – Und das ist zufällig die Maxime der Lebemänner, Bonvivants, ja sogar der savoir-vivre-Experten in Brüssel!

Warum soll ich denn etwas nicht doof finden dürfen, und es dann trotzdem tun? Bin ich denn etwas Besseres? Jahrzehntelang bin ich beispielsweise Exemplaren des weiblichen Geschlechts nachgelaufen, von denen ich wusste, sie sind entweder unerreichbar oder, wenn erreichbar, dann nicht gut für mich. Hörte ich deswegen etwa auf, zu hofieren, zu antichambrieren oder meinen Minnedienst abzuleisten?

„Det is aba jezze inkonsequent, Sie!“ – Ja, und? Oder: so what? Nur Menschen mit einer gewissen Inkonsequenzkompetenz kommen im chaotischen Zickzack-Kurs des täglichen Wahnsinns einigermaßen ans Ziel. „Deine Rede sei Ja, Ja und Nein, Nein“ heißt es, glaub ich, in Luthers oller Bibel, aber da steht auch, daß Reiche nicht ins Himmelreich kommen, weswegen aber kaum ein Auto-Manager, Kaufhaus-König und Immobilien-Schlawiner gleich seine Kohle für Bedürftige spendet. (Weswegen meine Rede auch zumeist „Jein“, „eventuell schon auch“ oder „das ist viel komplizierter, als du glaubst“ lautet.)

Religion und Konsequenz, das ist auch so eine verhängnisvolle Affäre.  Mir scheinen – aber bitte! Das ist nur eine ganz persönliche Ansicht, die nur bis heute abend gültig ist! – die geistig Gelenkigsten unter den Weltreligiösen noch die Juden zu sein. Jedenfalls sind sie die einzigen, deren Gott einen gewissen Humor besitzt und sich von seinen Anhängern auch schon mal ein wenig beschummeln und betuppen läßt, wenigstens wenn es stimmt, was man mir aus New York erzählt. Auch dort gilt, bei orthodoxen Juden, das Gebot, die Frauen möchten, bittschön, in der Öffentlichkeit ihr Haupthaar nicht herzeigen. Das ist nebbich auch wieder so ein doofes Gesetz, dessen Befolgung einen keinen Schritt weiter bringt. Was tun nun aber die orthodoxen Jüdinnen von New York? Tragen sie Tschador, Burka oder Türban? Verstecken sie sich unter blickdichten Schonbezügen? Keine Spur! In den entsprechenden Vierteln der Orthodoxen blühen dagegen Perückengeschäfte, in denen das zumeist von Inderinnen stammende Echthaar zu aufregenden Frisuren getrimmt wird – und DAS setzen sich die Damen auf den Kopf, denn es heißt in der Tora ja bloß: Zeige DEIN Haar nicht her in der Öffentlichkeit, auf daß kein Nächster gereizt werde, dich zu begehren!

Gesetze durch elegantes Unterlaufen derselben zugleich zu befolgen und auch wieder nicht: Das nennen wir intelligentes Verhalten. Kann sein, der liebe Hergott Jehova hat sich gedacht, er legt seinem ausgewählten Volk mal grad deswegen ein paar hundert komplett meschuggene Ge- und Verbote auf, „damits a bisserl mehr Intelligenz im Durchlavieren entwickeln. Brauchen derfen werdens des schon noch!“ Der brave Soldat Schweijk hat den Krieg ja nicht deshalb überlebt, weil er Befehlen widersprach, sondern weil er sie bis zur letzten absurden Konsequenz befolgte.

Kann aber auch sein, die Geschichte mit den Perücken, die ich aus zweiter Hand habe, stimmt gar nicht und gehört zu den urban myths, zu deren Verbreitung ich unwillentlich beitrug. Dann übernehme ich die Verantwortung und ziehe die Konsequenzen!

OSTERBOTSCHAFT

11. April 2009
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Gerade noch zu glauben: Die Zweifaltigkeit von Bruno Kraska und Reinhard Haneld

PERSÖNLICHE OSTERBOTSCHAFT AN DIE GLÄUBIGEN

 Ich persönlich möchte von den existierenden Weltreligionen eher abraten. Die mosaische Religion ist intellektualistisch, weltfremd und eigentlich nur etwas für Spezialisten, die sich damit beschäftigen, wie viele vollkommen absurde Gebote und Verbote man erfinden kann, um sich selbst das Leben schwer zu machen. Außerdem ist der jüdische Gott eifersüchtig, und eifersüchtige Leute nerven, vor allem, wenn sie wie Jahwe zu überschießender Gewalttätigkeit (Sintflut; Sodom; Gomorrha etc.) neigen. Außerhalb Israels besteht eigentlich kein triftiger Grund, ein besonders gläubiger Jude zu sein. Atheistische Juden sind nach meiner Erfahrung in der Regel jedoch ein sehr angenehmer Umgang.

Das Christentum in seinen ca. 1001 Spielarten stellt, wie schon Paulus andeutete, zwar eine „herrlich verrückte“ Antwort auf die Frage dar, wie bizarr und unplausibel ein Glaubenssystem aussehen muß, damit man daran nur glauben kann, indem man seinen Verstand nach erfolgter Überanstrengung zur Abwrackprämienstelle bringt, aber die Wiedererlangung eines fahrtüchtigen Verstandes ist schwierig und langwierig. Ich weiß aus persönlicher Erfahrung: Wem Mutti erstmal einen Überwachungsgott in die kindliche Seele gepflanzt hat, dem bleibt auch als aufgeklärter Renegat im Hirn ein dauerhafter Schaden: etwa wie eine Art Loch im Zahn. Also besser gar nicht erst damit herumspielen! Man denke: Die Hälfte aller Welthirnschmalzreserven wurde auf den letztlich abgebrochenen Versuch verwendet, zu verstehen, was es mit der trinitarischen Dreifaltigkeit auf sich hat, in der Herr Gott, Gott sein Sohn und Gott sein Geist mit einander selbdritt zugleich unzertrennlich und doch, nun ja, eben zu dritt sind. Wozu soll man denn so etwas glauben?

Dann der Islam: Je nun. Fast alles, was man über ihn sagen kann, hören seine Anhänger gar nicht gern – es sträubt sich ihnen der Bart, sie verbrennen Strohpuppen von einem oder sinnen sogleich auf Massenvernichtung der Ungläubigen. Ein unangenehmer Zug. Übrigens plaudere ich gern ein Geheimnis aus der Häschenschule der Gottesbeweise aus: Der Koran ist gar nicht Gottes Wort! Denn Gott, was immer er sonst ist, ist per definitionem jemand, der seine Groschen beisammen hat und deshalb schon noch weiß, was er sonst noch alles offenbart hat. Der Koran hingegen beinhaltet ein krauses, krudes, nur halbbegriffenes, naives, durcheinandriges, wirres und vom Hörensagen her zusammengebasteltes Konglomerat alter jüdischer und christlicher Erzählungen und Theologeme. Außerdem erscheint es unwahrscheinlich, daß Gott, wenn er etwas extrem wichtiges zu diktieren hat, sich als Sekretär ausgerechnet einen ungebildeten, analphabetischen Kamelkarawanenführer aussuchen würde, dessen vages Gerede man erst fünfzig Jahre nach seinem Tod aufzuschreiben beginnt. Der Koran ist kein Text Allahs, sondern das Resultat einer im sonnenverbrannten, wüsten Beduinenland besonders lang unterwegs gewesenen stillen Post. – Außerdem ist der Gesamt-Islam extrem uncharmant zu Frauen, so was kann ich schon mal gar nicht ausstehen!

So, weiter. Was noch? Hinduismus? Na ja – für unsereinen ziemlich unübersichtlich, oder? Nichts gegen indische Exotik, Gurus und Heilige Kühe, aber die meisten hinduistischen Götter sind philosophische Prinzipien, von denen im Kindergarten die Aufgabe hieß, quietschbunte Bildchen anzufertigen. Ich meine, ich finde zwar diesen einen, wie heißt der noch? Der mit dem Elefantenkopf? Ganeshi? ganz lustig, aber im Grunde kann ich dann auch einen Kult um den bösen Wolf und die drei kleinen Schweinchen machen, – und etwas ernst möchte man doch auch genommen werden!

Bleibt der Buddhismus – schon fas-zi-nie-rend! Es gibt drei Sorten von Buddhismus: Zen, den tibetischen und den richtigen. Letzterer ist übrigens anstrengender, als die meisten glauben. Aber bitte: Wer gern ohne Fleisch, Alkohol, Sex, Spiel und Spaß, Schmuck und Schnickschnack leben möchte und lieber mit schmerzenden Knien im Lotussitz auf den endlich eintretenden Einsturz der Himmel wartet, meinetwegen. Ich frag mich bloß: Wenn es stimmt, daß Buddhisten keinen lieben Gott haben, Andersgläubige nicht hassen und verachten, keine Glaubenskriege führen und niemanden dafür blutig prügeln, daß er etwas anderes denkt – wozu dann überhaupt Religion? Dann kann man ja gleich normal bleiben!

Selbstverständlich schätze ich die kulturellen Mitbringsel der Weltreligionen. Das Judentum hat uns Klezmer, Selbstironie und die Buchmessen beschert, der Christenheit verdanken wir herrliche Kathedralen, die Zwangsneurose und ihre Psychoanalyse sowie in toto das liebe, teure europäische Abendland. Dem Buddhismus danken wir für Sushi, coole Wohnungseinrichtungen und die Kunst des Blumenschießens; nicht zu vergessen den Dalai Lama, Papst für die Verständigen unter den Träumern. Ohne den Hinduismus schließlich kein Bollywood, keine Null (und damit keine digitalen Rechner!) und kein Lamm-Curry oder Tandoori-Huhn.

Und was den Islam angeht, na, dem werden wir schon auch irgendwas verdanken. Alles ist ja auch immer zu etwas gut, selbst eine Katastrophe.

 Wer aber nun, ganz ohne den Schutz, die Versicherung und hirn-schonende Komplexitätsreduktion der Religionen, in der Welt etwas fröstelt, frustet und fremdelt sowie einen gewissen Draht zum Himmel vermisst, dem aber reiche ich ein Trostpflästerchen:

 Besorge er sich die neue CD der Leipziger Sopranistin Simone „the Queen of Baroque“ Kermes mit Händel-Arien, so hat er dem Gesang der Engel hienieden schon einmal lauschen dürfen. Wer sich, sagen wir, die CDs „La Magia Abandonata“ und die neueste, „La Diva“, kauft, der braucht kein sprengstoffumgürteltes Märtyrertum,  der hört den makellosen Glanz, die leidenschaftspralle Fülle und überweltliche Göttlichkeit engelsgleicher Koloraturen schon auf Erden, der nimmt die auf ihren Extrakt, ihre Essenz eingekochten menschlichen Leidenschaften der Liebe, des unerfüllten Begehrens, der Wut und Rachsucht, der Bitterkeit und des Entsagens in einer quasi-himmlischen Verklärung wahr, die überirdisch zu nennen keine Übertreibung darstellt. Wer Frau Kermes’ Händel-Arien lauscht, braucht keine blassen, dummen 72 Jungfrauen! Die sind erstens im Gesang inbegriffen und zweitens darin im Hegelschen Sinne schon aufgehoben und überwunden, sublimiert nämlich und vergeistigt zu reinem Wohlklang. – Und wer nicht in den Himmel will, der soll sich die Musik trotzdem anhören, denn Georg Friedrich Händel feiert heuer das Jubiläum seines 250. Todestages, Anlaß genug, sich dem berauschenden Zauber seiner Opern einmal rückhaltlos auszusetzen. Ist immer noch weniger schädlich als Aberglauben!