EINE KURZE BESINNUNG ÜBER IKONEN
Bloße Kulturchristen wie unsereins wissen es noch mit Ach und Krach: Der Psalmsonntag bezeichnet den ersten Tag der Karwoche, an dem Religionsstifter Rabbi Jeshua von Nazareth auf einem weißen Eselsfohlen in Jerusalem einritt, begrüßt von jubelnden Menschen, die ihm „Hosianna!“ (= „Hilf doch!“) zuriefen. Die Woche ging bekanntlich gar nicht gut aus, zunächst. Am Ende muß man dann immer dran glauben, so oder so. – Wer weiß aber, bzw. glaubt, daß Jesus auch Briefe geschrieben und Bilder von sich hat machen lassen?
„Hilf doch!“ schrieb ihm nämlich der Kirchenlegende zufolge auch von weither ein gewisser König Abgar V. von Osrhoene aus Edessa (dem heutigen südtürkischen Urfa), denn Abgar war krank, jedenfalls krank genug, um zu glauben, er könne sich den Wunderheiler-Rebbe Jesus mal eben so mir nichts dir nichts nach Mesopotamien einfliegen lassen.
Um den Gottessohn zu ködern, bot Abgar ihm sogar Asyl an: „Daher wende ich mich in diesem Briefe an dich mit der Bitte, dich zu mir zu bemühen und mich von meinem Leiden zu heilen. Ich habe nämlich auch gehört, daß die Juden wider dich murren und dir Böses tun wollen. Ich habe eine sehr kleine, würdige Stadt, welche für uns beide ausreicht.“ –
Kirchenchronist Eusebius berichtet im Jahr 325, Jesus habe die Einladung wegen anderweitiger Verpflichtungen (Kreuzigung, Auferstehung, Welterlösung) damals nicht annehmen können, habe aber dem Eilboten Abgars, einem Manne namens Ananias, einen netten Brief für Abgar V. mitgegeben, worin er geschrieben habe: „Selig bist du, weil du an mich glaubst, ohne mich gesehen zu haben. Es ist nämlich über mich geschrieben, daß die, welche mich gesehen haben, nicht an mich glauben, und daß die, welche mich nicht gesehen haben, glauben und leben sollen. Bezüglich deiner schriftlichen Einladung, zu dir zu kommen, mußt du wissen: es ist notwendig, daß ich zuerst all das, wozu ich auf Erden gesandt worden bin, erfülle und dann, wenn es erfüllt ist, wieder zu dem zurückkehre, der mich gesandt hat. Nach der Himmelfahrt werde ich dir einen meiner Jünger senden, damit er dich von deinem Leiden heile und dir und den Deinigen das Leben verleihe.“ [Eusebius, Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica) 1.Buch Kapitel 13].
Besagter Eilbote Ananias (alias „Hannan“) sei nun aber auch Maler gewesen, heißt es, der die Gelegenheit beim Schopfe griff und gleich mal eben den Gottessohn ratzfatz abkonterfeite und das Bild seinem König mitbrachte. Das ist ja zwar irgendwie nicht ganz logisch, weil es doch im Begleitbrief gerade heißt, „daß die, welche mich gesehen haben, NICHT an mich glauben“, aber Theologie und Logik stehen eh in einem gewissen Spannungsverhältnis. Ist ja nicht weiter schlimm. Noch weniger logisch scheint, daß dieses so entstandene Christus-Porträt als „nicht menschengeschaffen“ bis heute verehrt wird (heute hats der Papst in seiner Privatkapelle!) – und zwar als … erste wundertätige Ikone! Gott hatte sozusagen den Selbstauslöser benutzt, – was später zu weiteren theologischen Verwirrungen führte: Hieß es doch im Dekalog eindeutig: „Du sollst Dir kein Bildnis machen…!“ Ja, was denn nun noch?
Im 8.und 9. Jahrhundert kam es darüber in Byzanz sogar zum Bürgerkrieg zwischen Ikonoklasten (Bilderstürmern) und Ikonodulen (Bildverehrern). Letztere, z. B. Johannes von Damaskus, brachte pro Bilderlaubnis das theologische Argument vor, der unsichtbare Gott habe sich ja per Menschwerdung in Jesum Christum selbst sichtbar gemacht, – sei daher auch abbildbar geworden. So!
Jedenfalls, um die Sache abzukürzen: In den orthodoxen Ostkirchen sind Ikonen bildliche Darstellungen von Jesus, Maria und einigen Heiligen, welche eine erhebliche und bemerkenswerte Besonderheit aufweisen: Es handelt sich nicht einfach um irgendwelche Bilder, sondern in den flächig, zweidimensional und bewußt schlicht gehaltenen Bildnisssen ist das dargestellte Heilige selbst zugleich anwesend und aktiv. Weswegen solche Ikonen ja eben auch Wunder wirken, Krankheiten heilen, Krebs wegmachen, Kredite einlösen, flüchtige Bräute zurückholen können etc. Ikonen sind Hotlines zum Heiligen, Tag und Nacht besetzt. Wer dran glaubt, darf mit Wundern rechnen. Wer nicht, muß halt abwarten, was kommt.
Ich will über diesen Bildmagie-Glauben gar nicht aufklärerisch die Nase rümpfen. Ich hab als Kind auf dem Schulweg auch geglaubt, wenn ich nur auf jede zweite Gehwegplatte trete, schreiben wir Mathe erst nächste Woche. Der Mensch braucht sein bissel Magie. Wir sind so. Zum Beispiel ist der gegenwärtige Trainer des Zweitligisten MSV Duisburg zwölf Spiele lang nicht zum Friseur gegangen, in der abergläubischen Annahme, der Haarschnitt könne die Siegesserie des Vereins kappen. So ist der Mensch! Noch heute! – Ikonen also, halten wir das fest, sind magisch-spirituelle Dinge, in denen das Heilige selbst und persönlich anwesend ist, wohnt und wirkt. Ob in der Werbe-Ikone Verone Pooth geb. Feldbusch oder in der Stilinkone Madonna das Heilige anwest, bezweifele ich. Aber ich bin auch skeptisch, ob echte Ikonen Krebs wegzaubern. Damit beschließe ich diesen Besinnungsaufsatz. Glaube hin oder her – ich wünschte, das schöne alte Wort Ikone würde nicht zum Blödwort absteigen. Wir machen ja Kirchen auch nicht zu Eventschuppen! Wie? Manche machen das? Dann Fluch über sie! Und jetzt Schluß damit.
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