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Das Tao der Diva (Sex im Altertum)

16. Juli 2012

Weise Frau: Marlene

Für Kenner. Arte nun wieder: Mitten im Sommerloch bekam ich kostenlos einen meiner Zehn-Unsterblichen-Lieblingsfilme kredenzt: Altmanns The Long Goodbye. Dass so was noch gezeigt wird! Elliot Gould, der beste, schrägste, tragischste, jüdischste und komischste Phillip Marlowe aller Zeiten. Allein die breit ausgespielte Eingangsszene, in der er vergeblich versucht, seine Katze per ausgeklügeltem Dosenfraß-Etikettenschwindel mit falschem Futter zu betuppen, hat Beckett-Format! Beim Wiederanschauen fiel mir auf, dass Gould den bierernsten Marlowe mit der Körpersprache von Groucho Marx beseelt. Das fanden die Fans des humorfreien Humphrey Bogart damals  empörend!

In den Sexigern. Jungvolk, macht mal das Handy mit den Porno-Clips aus und lauscht, wie es früher war! Das ist lehrreich!  In der spät-adenauerschen Holzapfelzeit hießen die Mädchen zum Beispiel noch Renate, Petra, Jutta oder sogar Agnes von. Honigblonde Zöpfe trugen sie oder eine trockene Hippie-Krause und dazu noch neongelbe Nylon-Unterröcke, die bösartig statische Elektrizität verknisterten, wenn man hektisch versuchte, sie ihnen über den Kopf zu streifen. (Gibt es die Bekleidungskategorie „Unterrock“ heute noch? Ich meine – außer bei den Amish People?) Beim Spazieren-Küssen im Wald verdrehten sie die Augen, dass man nur noch das Weiße darin sah. Es war noch Goethe-Zeit und manchmal der blanke Horror. Die Beatles wollten bloß meine Hand halten. Heidrun auch. Mehr war nicht. Wilhelm Reich empfahl aus sozialpolitischen Gründen dringend sexuelle Befriedigung, sagte aber leider nirgends, wie und mit wem. Zum Äußersten, dem Geschlechter-Verkehr kam es natürlich nicht; in der Tanzschule wurde unerbittlich „Hey Jude“ gespielt, wozu man Ingrid und Gudrun andauernd auf die spitzen Schuhe trat und vor lauter purem Selbstekel auf der Oberklippe und in den Handflächen schwitzte. Man muss sich das vorstellen: Man war Zeitgenosse von Bob Dylan und Lou Reed – und ging in die Tanzschule! Slow-Fox und lateinamerikanisch Standard. Gott war offenbar tot oder senil.

Blindbacken. „Der Aufschub bildet das Wesen des Lebens.“ (Jacques Derrida) – Stimmt vielleicht, für notorische Prokrastinierer wie mich sowieso. Man könnte aber auch sagen, Leben ist wie Blindbacken. Blindbacken bedeutet, so habe ich gerade von der Gattin gelernt, dass man zum Beispiel Blätterteig hat, als Trägermaterial für etwas Leckeres, und den backt man erstmal vor und belegt ihn dabei, damit er nicht vorzeitig aufgeht, mit Blindmaterial, zum Beispiel Kichererbsen, die später keine Rolle mehr spielen, und erst dann kommt das Eigentliche auf den Teig, wobei dieser Zeitpunkt im Leben leider fast nie eintritt, denn das Eigentliche, zum Beispiel Blaubeeren, Ziegenkäse und Mango-Chutney, kommt immer zu spät. Einfacher Syllogismus: Das Leben ist im Wesentlichen halbgarer Blätterteig mit verbrannten Kichererbsen – also immer im Aufschub. Erfüllung ausgeschlossen. Die Hoffnung machts. Wir tanzen in einen Morgen, den es nicht gibt. Immerhin haben wir Kichererbsen.

Yüz yıl uyuyan masal prensesi. Etwas kompliziert auf türkisch, auf deutsch einfacher: Dornröschen. Ich hätte nie gedacht, dass Märchen für mich noch mal erkenntnisfördernd sein könnten, aber genau das ist es: Azizze, 19, Abiturientin, meine Nachhilfeschülerin, mein teilzeitweise adoptiertes Sorgenkind, ist Dornröschen! Sie tut nichts, sie weiß nichts, sie interessiert sich Null für gar nichts. Sie schläft einfach, zehn, zwölf, vierzehn Stunden am Tag, das ist ihr Existenzmodus, schön, sanft, unberührt von jeder Art Leben. Sie braucht nicht mal ein Kopftuch. Weltenentrückt im begriffslosen Schlummer, wie die narkoleptische Prinzessin aus Grimms Fantasy-Repertoire. Alles, was sie zu wissen müssen glaubt, steht im Koran. Den sie freilich nicht wirklich versteht, denn sie kann ja kein arabisch, das allerdings dann immerhin auswendig. Irgendwann, vielleicht in hundert Jahren, kommt die Erweckung resp. Erlösung. Wenn diese die Form eines Prinzen annimmt, wird das evtl. in Kauf genommen. Und ich habe sie trotzdem durchs Abi gepaukt! Ich möchte dies als dezente Eigenreklame verstanden wissen. Mag. Kraska: Ihr Mann für aussichtslose Fälle!

 Marlene. Manchmal ist das Leben wie der MDR: Ein Idiotenprogramm für überalterte Debile mit habituellen kognitiven Defiziten. Ein jeder kennt das gut: Es gibt Tage, da glaubt man, von lauter Schwachköpfen umgeben zu sein. Aber, bitte, Vorsicht: Eine gefährliche Situation! – man vergisst nämlich darin leicht, dass man selber auch keineswegs die hellste Birne am Leuchter ist. Dieser Irrtum ist so verbreitet, weil er im Alltagsleben einfach unmittelbar plausibel erscheint: Ein vom Hirn-Schimmel bedrohter katholischer Klotzkopf bekommt den Büchner-Preis, obwohl er nachgewiesenermaßen nicht einen einzigen korrekten deutschen Satz zustande bringt. Ein Philosophieprofessor macht Weltkarriere, während er zerebral seit Jahren oder Jahrzehnten im Koma liegt. Ein lausiger Gurkenhobel-Propagandist, der seine Weltlaufbahn vor dem Neuköllner Karstadt begann, wird millionenschwerer TV-Moderator und gefeierter Quizmaster. Nur man selbst, das genuine Originalgenie, bleibt zurück, wird nichts, verdient nichts, und keiner kennt einen. Ist das nicht empörend? – Ach, eher nein. Machen wir uns nichts vor: Ruhm ist für Idioten. Als Maximilian Schell das Kunststück vollbrachte, eine Film-Doku über die Dietrich zu drehen, ohne eine einzige Bild-Aufnahme von ihr zu haben, teilte die Diva mit brüchiger Stimme am Telefon mit: „Über mich wurden schon 50 Bücher geschrieben, Ich lese die nicht. Ich gehe mich einen Dreck an.“ Womit ihr Genie endgültig bewiesen ist.

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Geschichten aus dem Sommerloch (Wir Schauspieler)

17. Juli 2011

Nicht Depp, nicht Pitt: Früher Schauspieler

Klein, ungemein klein haben wir anfangen müssen, wir Schauspieler, galten kaum mehr als die Wanderhure, der Quacksalber, die Trompeter des Scharfrichters. Wir mussten spitze Hüte tragen, mit Schellen dran, und hausten außerhalb der Stadtmauern, wir durften nur auf jede zweite Gehwegplatte treten und hatten ein gelbes Hungertuch um den Leib zu schlagen, damit die ehrbare Jugend gewarnt war. Allenthalben knuffte und bespuckte man uns, zwiebelte uns an den Ohren, haute uns auf den Hinterkopf. Holte einen der unseren des Schlafes großer Bruder, verscharrte man den ruhmlos Verschiedenen schnöde auf dem Schindanger, denn geweihte Erde war tabu, no-go-area. Das war vielleicht ein Hundeleben, als Schauspieler!

Kaum weiß man noch, wie es zuging, dass der Herr uns erhob und erlöste. Hatte wohl mit Elektrifikation zu tun, mit der Erfindung der Schiffsschaukel begonnen oder war vom Aufkommen der Windmühlen begünstigt, jedenfalls durften die ersten Schauspieler per Lizenz vor hohen Herren kaspern, vor dem König sogar, denn das Barock war ausgebrochen und die Fürsten beschlossen, der Landplage Langeweile den Garaus zu machen. Zum Meilenstein wurde die Erfindung des Rampenlichts, zwar aus Ölfunzeln noch, aber immerhin, man konnte uns nun sehen, wie wir, eingezwängt in blecherne Rüstungen, mit schwerem Federpuschel auf dem Kopf, hölzern gereimte Texte knarzten, schnarrten und haspelten, Texte, die man heute schwer verdaulich findet, ja mitunter schon fast grottenöde.

Das Knarzen, Schnarren und Haspeln blieb noch bis ins frühe 20. Jahrhundert state of the art,  bis uns für ein, zwei Jahrzehnte der Stummfilm zum Schweigen brachte. Zwar heulten wir noch immer schaurig „Sein oder Nicht-Sein“ und „Durch diese hohle Gasse muss er kommen“, aber das Nicht-Sein und die Hohlheit der Gasse mussten nun pantomimisch dargestellt werden, in schwarz-weiß und mit unnatürlich rollenden Augen. Das war auf die Dauer recht bedrückend, aber am rosigen Horizont der Zukunft scharrte bereits ungeduldig der Ton-Film mit den Hufen, dann der Bunt- und der Breitfilm und schließlich Holliwudd. Millionen sentimentalisierter Dienstmädchen und notgeiler Ladenschwengel strömten in die Lichtspielhäuser, um mit Jopi Heesters „ins Maxim“ zu gehen, mit Charlton „Ben Hur“ Heston Pferdewägelchen zu fahren oder an der Seite spitzbrüstiger Heulsusen optimistisch in den Sonnenaufgang zu reiten. Es war die Zeit der ersten Stars: Humpty Bogert, Marion Brando, Ingrid und Ingmar Bergmann.

Jetzt wollten auf einmal alle Schauspieler werden, Traumfabrikarbeiter in der Schaumschmiede, denn dies versprach nicht zu knapp Weltruhm in den Wochenschauen. Männer wie Charlie Chaplin wurden auf der Straße erkannt, Frauen mit sperrhölzernen Namen wie Marlene Dietrich, Gina Lollobrigida oder Liselotte Pulver zu internationalen Männerzermalmerinnen hochgejubelt oder sie heirateten den Schönheitskönig von Monaco. Der Schauspieler wurde zum Idol, zum Trendsetter, zum verbindlichen Volksvorbild. Wie viel junge Leute haben nicht ein Mundharmonika-Studium begonnen wegen Charles („Spiel mir das Lied vom Tod“) Bronson, das Trinken angefangen wegen Dean Martin oder das Turbo-Prügeln geübt wie Bruce Lee! So manches derbe Landmädel presste „ihre Kurven“ wie Marilyn Monroe in zu gerade oder zu enge Kleider und träumte trällernd von der Diamantenen Hochzeit mit irgendwem! Viele Stars und Diven verdienten damals Phantastilliarden Dollar und verstarben dann glamourös frühzeitig an vergoldeten Nasen, erbrochenen Herzen oder zu schnellen Sportautos. Eine fast ungebremst romantische Zeit!

Sie ist vorbei. Auch Onkel Dagoberts Holliwudd muss heute knausern und kniepen. Echte Stars kann sich keiner mehr leisten. Man behilft sich mit Selbstgemachtem. Kaum, dass ein blondes H&M-Boutiken-Aushilfs-Mädel, das tagsüber achtlos ausgezogene Anziehsachen aus den Anprobier-Zellen einsammelt und wieder auf Kante faltet, zwischen den Pappkulissen einer Seifenoper mal zwei Sätze aufgesagt hat, die fast wie in echt klingen, ist sie schon ein Star, wenn nicht sogar ein shooting star (was eigentlich Sternschnuppe heißt und somit eher ephemere Karrieren verheißt). Nach zwei, drei Jahren Lehrzeit als shooting star wird man von der IHK oder wem zum Superstar ernannt, bekommt Preise, riskiert High-heel-staksend Haut und Knöchel auf roten Teppichen und sitzt andauernd in Talkshows, um seine neuen Filme zu promoten, die man mit „wahnsinnig netten Kollegen“ unter einem „tollen, super einfühlsamen Regisseur“ gedreht hat, und zwar über ein „irrsinnig spannendes Thema“. Mit Mitte Dreißig kriegt man dann noch eine goldene Uhr für sein Lebenswerk.

Heute wollen alle so sein und aussehen wie wir Schauspieler. Depp und Pitt sind der Hit. Bekannte Politiker nehmen bei uns Unterricht im Schnöseln, Schnarren und Schleimen. Paparazzi filmen uns beim promiskuitiven Geschlechtsverkehr und nach der Adoption wohltätiger Kinder. Wer schon mal einen Kommissar gespielt hat, wird zu Anne Will oder Frank Plasberg in den Fernseher eingeladen, um über Jugendkriminalität befragt zu werden. Ein blendender Schauspieler zu sein, gehört heute zu den soft skills von Managern, Magnaten und Mafiosi. Wer kein guter Schauspieler, oder wie wir Fachleute sagen, performer ist, der sieht die Sonne nicht, der bleibt käsig im Dunklen, bleibt ein no-name, loser und wannabe, wie wir das in Babelsberg nennen, er muss einen spitzen Hut tragen, ein gelbes Hungertuch und Schellen, er muss außerhalb der Stadtmauern hausen, in Marzahn, Hochfeld oder Eimsbüttel, er kommt nicht im Fernseh vor, hat keinen Artikel bei Wikipedia, ihn kennen nicht Gott noch Google. – Wär er mal lieber Schauspieler geworden!

Selbstbeweihräucherung, sozialverträglich

11. Februar 2010

Fürs Ego unerläßlich: Weihrauch

Eine der wenigen befriedigenden, zicken-freien Zwischenmensch-Beziehungen, die nicht in Kummer-Blues und fies verdüsterter Seelen-Verkaterung zu enden drohen: Selbstverknalltheit! Ich empfehle das! Mit sich selbst hat man totsicher eine lebenslange Affäre. Gut, zwar hab ich mich auch schon mal selbst betrogen, aber – bislang bin ich jedesmal reumütig zu mir zurückgekehrt! Mit mir raufe ich mich immer wieder zusammen, denn ich bin ja ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann! Ich (297) bin dufte, knorke & hip: außerdem Nichtr., schlk., tol.,  unkomplz., sportl., humorv. und Akadem.!

Mich mag ich nicht nur um meines Körpers willen, und auch nicht bloß des Geldes wegen! Ich find mich einfach supergut, hach! – „so, wie ich bin“! Um es rundheraus zu sagen: Ich bin wohl im Grunde meine große Liebe! Die Liebe meines Lebens! Keiner versteht mich so gut, keiner kennt meine verborgenen Qualitäten besser und keiner weiß, wie witzig, klug, na ja, seien wir ehrlich: im Grunde genial ich eigentlich bin – niemand leider, außer mir selbst! Nee, ich glaube, jetzt mal im Ernst, ich bin schon ein klasse Typ! Ein Unikat, ein Schnäppchen, ein Sahneteil…

„…Na“, denkt das Publikum allmählich stark verschnupft, „da ist aber mal einer schwer auf dem Selbstbeweihräucherungstrip! Was für ein eminent unerträglicher Blödmann! Das ist ja nicht auszuhalten!“ Tatsächlich nerven ja Zeitgenossen, die unentwegt von sich selber sprechen und einem erzählen, was für unfassbar aufregende Ausnahmeerscheinungen sie darstellen, immens, oder? Sie wirken immer so beklemmend bedürftig, diese Leute, die einem andauernd aggressiv ihr leeres Mützchen entgegenstrecken, damit man ihnen lauter pure Anerkennung oder atemlose Bewunderung hineintut; Anerkennungsbettler berühren unangenehm, schon weil man – unverdientermaßen auch nicht gerade in Ruhm und allgemeinem Applaus gebadet! – selbst gern mal das eigene Ego in der Sonne spazieren führen würde.

Ich persönlich praktiziere eine Form von Selbstbeweihräucherung, die ich für weitgehend sozialverträglich halte; Besucher schnuppern zwar manchmal ein wenig nervös in meinem sorgfältig stilisierten Privat-Ambiente meiner Teilzeitmönchsklause herum und meinen, gewisse Spurenelemente von Eso-Qualm, Hippietum und Baghwan-Zauber zu erschnüffeln, aber als pensionierter Ex-Punk-Rocker der härtesten Sorte bin ich hippiesk spinnerter Verweichlichungen unverdächtig; und dem vorbeischneienden Kriminalhauptkomissar-Schnüffler erkläre ich milde: Oooh, nein! Diese kristallinen Bröckchen sind weder Crack noch Crystal Meth! – es handelt sich bei diesen exotisch-berauschenden Odeurs lediglich um strunz-legalen … – Weihrauch, und den brauche ich, wenn ich meditiere und meine Übungen mit Schwert, Bogen, Zwille, Dolch oder Teebeutel absolviere. Ich bin bekanntlich Hobby-Asiate! Weihrauch reinigt, stärkt, bügelt und faltet das vom Alltag geschundene Ego wieder auf Kante, es verleiht Ruhe und Gelassenheit, stärkt die spirituellen Kräfte (Ki, Chi, Qui oder wie), und zwar  gerade an Tagen, an denen einem mal wieder alles tierisch auf den Sack geht!

Weihrauch kennt, verehrt und benutzt man seit der ur-ersten Alt-Antike. Seit Duft, zeitlos, erhaben und fremdartig, erinnert dich daran, daß du weder der erste noch der letzte Mensch bist. Weihrauch ist, was schon Jehova als Deo benutzte oder auch Buddha und seine Leute, und so weiter. Weihrauch verhält sich ein bißchen zu Gott, wie Veilchen-Parfum zu meiner Oma: Die ihn trugen, sind schon lange tot, aber ein Hauch ist in den Zimmern geblieben, in denen sie dereinst gewohnt haben sollen…

Wenn man nicht gerade das Jesus-Kindlein im Stall zu Bethlehem ist und daher Weihrauch, Myrrhe & Co. vom Lieferdienst der DREI Hl. KÖNIGE nicht frei Haus geliefert bekommt, erhebt sich die Frage: Wo krieg ich denn dieses überaus kostbare Zeugs (das getrocknete Harz des Weihrauchbaums Boswellia) her? Ich bin doch nicht katholisch, außerdem fast nie in Somalia, in Oman, oder gar in Indien? Und kann man das überhaupt bezahlen? Ja, kann man, und dank Globalisierung und Internet bekommt man – was früher Glücksache war und der Job jahrelang unterwegs seiender Kamelkarawanen! – , heute innert drei Tagen  cool geliefert, zuverlässig, aromaschutzverpackt, preiswert und in reichhaltiger Auswahl!

Wer spirituelle Aufrüstung gern durch die Nase zieht, dem empfehle ich, den liberianischen Koks-Dealer mal für eine Weile zu meiden und dafür die legale, seriöse, zuverlässige Firma „Anandam“ zu nutzen. – Auch für atheistsche Historiker geeignet: Wenn ihr mal wissen wollt, wie es in Nomadenvater Moses’ Ziegenfellzelt roch, auf Noahs Arche, oder bei Familie Gautama-Buddha daheim: Anandam hat für euch die passenden Räucherwerke. Gönnt euch das! Legt eine Platte auf, von Leonard Cohen, Nusrat Fateh Ali Khan oder mit Bollywood-Schlagern, lasst euch selbst beweihräuchern und träumt von großen Dingen! Badet den Orient! Schaumbad für die Seele: Weihrauch!

Bloß kein Buch schreiben!

12. Mai 2009
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Nicht wirklich oft, aber hier und da mal werde ich gefragt, ob oder wann es mich als Buch gäbe. Jedesmal bin ich ja nicht wenig geschmeichelt, – obwohl meine Lebensplanung sich heute längst nicht mehr darum dreht, ein „Schriftsteller“ und „berühmt“ zu werden. Ich habe auch ohne schriftstellerischen Ruhm genug Frauen „kennengelernt“, und den Versuch, „sich einen Namen zu machen“, habe ich aufgegeben, als ich merkte, daß meine Ich-Schwäche, die ich damit eigentlich beseitigen oder kompensieren wollte, gar nichts Schlechtes, sondern vielleicht das Beste an mir ist.

Anders gesagt: Einerseits liebe ich Bücher, und mein Arbeitszimmer ist vollgestopft damit (vgl. Foto), andererseits hat sich bei mir in den letzten Jahren die para-taoistische Einstellung durchgesetzt, daß Bücher auch überschätzt werden und es überdies ein wenig unhöflich ist, welche zu veröffentlichen.

Wenn man nicht schon aus dem Fernsehen bekannt ist, macht es unheimlich Arbeit, das Buch zu bewerben, den Autoren zu promoten und allgemein hinreichend Wind zu machen, um das Buch zu verkaufen; ich müßte auf Lesungen in muffige Stadtbüchereien und Kulturkneipen, wo Studienrätinnen und Zahnarztwitwen immer an den falschen Stellen lachen, und womöglich auch noch ins Fernsehen zu allen erdenklichen Talk-Shows, wo ich eine zutiefst klägliche Figur machen würde, da mir richtig gute Antworten mangels Schlagfertigkeit und Geistesgegenwart immer erst lange nach Sendeschluß einfielen. Man würde mich für einen Autisten halten, für einen Stoffel oder einen medikamenten-bedröhnten desorientierten alten Sack, und das möchte ich nicht! Außerdem wäre ich abends dann nie zuhause, und ich habe das Gefühl, einem gedeihlich-beschaulichen Eheleben wäre das bestimmt abträglich!

Außerdem, wenn man es geschafft hat, einem Verlag das eigene Buch aufzuschwatzen, muß man Ehrgeiz entwickeln und Schamlosigkeit, man muß damit vor jeder verfügbaren Kamera herumfuchteln und sich besser finden als die rund anderthalb tausend anderen guten Schreiber, die es gibt. Ferner muß man ertragen, daß über einen der größte Mist in die Presse kommt, wie etwa kürzlich über die erfolgreiche Schriftstellerien Julia Zeh, in der sie dafür gelobt wurde, die „Doppelbelastung (!) als Feministin (!), Autorin und alleinerziehende Mutter“ zu bewältigen. Wenns weiter nichts ist! Ich meistere täglich die Multibelastung als Stiefvater, Skeptiker, Anarchist, Seinsfrömmler und Humorist, und ich mache doch auch kein Geschrei darum!

Unhöflichkeit droht, wo man so dazu gedrängt wird, andere Menschen zu nötige, das Buch zu kaufen. Bücher kosten relativ viel Geld, und daher würden viele Käufer denken, „jetzt hab ich so viel Geld für den verdammten Wälzer ausgegeben, jetzt muß ich es auch lesen!“, und das wäre kein Lesemotiv, daß mich erfreuen könnte. Bedeutend bescheidener und höflicher scheint es mir, seinem Ausdrucksbedürfnis im Internet per Blog die Zügel schießen zu lassen. Da muß man sich nicht mit Lektoren, PR-Fritzen und Vertriebsschefs herumschlagen, und jeder kann selbst entscheiden, ob er mein Zeug wirklich lesen möchte oder daran lieber kopfschüttelnd oder leise lächelnd seitlich vorbeigehen möchte.

Ja aber, ja aber! sagen jetzt welche: „Dann hast du aber nicht mehr als 78 Leser, und auch nur, wenn das Wetter schlecht ist und die Leute im Büro am PC herumspielen, und Ruhm kannst du dir abschminken!“ Das ist es ja! Früher, als ich mich an Hölderlin und Rilke berauschte, an Tucholski und Alfred Polgar, an Robert Walser und Franz Kafka, an Karl May und Eckard Henscheid, da dachte ich bei mir noch: „Ja, Ruhm! Das wäre etwas extra feines!

Aber im Ernst, Leute, wer ist heute berühmt? Hape Kerkeling ist heute berühmt, Dieter Bohlen oder Mario Barth. Allein um die Auflagenzahlen dieser Hohlgeschosse zu übertreffen, müßte man Milliarden von Lesungen und Talkshowauftritten meistern! Und wofür? Um dann beim Bäcker schüchterne Seitenblicke zu ernten, auf der Buchmesse unzählige Wangen-Küsschen und im Taxi dann Fragen zu hören wie „Sind Sie eigentlich verwandt mit diesem FRANZ Kraska?“

Nein, da liegt kein Segen drauf. Außerdem habe ich keine Botschaft. Man muß ja eine Botschaft zu sagen haben, warum sollte man denn sonst die Leute belästigen? Eine gute Message wäre zum Beispiel, daß moppelige Frauen ihren Körper lieb haben und zu ihren Schwächen stehen sollen; oder daß man ruhig mal eine Auszeit nehmen und nach Santiago de Compostela pilgern sollte, um herauszufinden, ob man evtl. katholisch ist. Eine andere zur Erlangung von Beliebtheit geeignete Botschaft wäre noch die, daß Männer und Frauen sich, aufgrund unüberbrückbarer Differenzen, nur selten verstehen. Doch all diese Botschaften sind bereits hinreichend im Umlauf, und mit Überzeugungen tue ich mich generell schwer. Wozu also Lärm schlagen, wozu Bäume fällen lassen, Papier verbrauchen, seinen Namen in die Welt posuaunen oder gar Frau Ulla Unseld-Berkéwicz vom Suhkamp-Verlag schöne Augen machen, damit ums Verrecken NOCH EIN Buch erscheint, das man sich dann schenken kann?

Am Ende wäre man rätselhafterweise doch berühmt geworden, vertränke, weil der Ruhm zu Kopfe gestiegen, Haus und Hof, müßte schon zu Lebzeiten seinen Nachlass ans Stadtarchiv verkaufen und das würde dann von der Erde verschluckt, abbrennen oder ein Raub der Fluten. Nein, es ist, wie der Prediger im Buch Kohelet, meinem Lieblingsbuch in der Bibel, gesagt hat: „Es ist alles ganz eitel und ein Haschen nach Wind!“.