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Sie können nicht anders!

28. März 2009
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Gewährsmann Friedrich Nietzsche (1844-1900)

 DEUTSCHLAND IM GERECHTIGKEITSFIEBER

„Ganz Deutschland“, so informiert uns die BILD-Zeitung („Gierige Geldsäcke!“ titelt die offenbar gemeinnützige Obdachlosenzeitung des Springer-Verlags in ressentimentsabbernder Anbiederung), ist mal wieder im sozialen Gerechtigkeitsfieber! Aufreger der Woche sind natürlich die Manager-Deppen der Dresdener Bank, die sich öffentlichkeitswirksam Millionen-Boni auszahlen, nachdem sie Milliarden in den Sand gesetzt und dafür hilfsweise Staatsknete beansprucht haben. Tja, na ja. Jetzt, wo viele Menschen in der Krise um Job, Auskommen und Existenz bangen, kommen Ressentiments gut an, also springen alle auf den Sozialneid-Zug und grooven sich ein: Allen voran die Politiker der staatstragenden Parteien – die erst dafür gesorgt haben, daß ohnehin hochbezahlten Managern leistungs- und erfolgsunabhängige Bonuszahlungen vertraglich zugesichert werden können. – Freilich, auch wenn die „Geldsäcke“ nun reihum aufeinander zeigen und rufen „Haltet den Dieb!“, wird daraus noch keine Selbstkritik der besitzenden Klasse.

Ich persönlich finde ja, „geldgeile, inkompetente Manager“ ist sowieso ein Pleonasmus. (Wie? Ja, genau: Wie „weißer Schimmel“!) Auch Habgier wächst mit ihren Ausgaben. So what? Mich langweilen solche Geschichten! Geld, Geld, Geld! Ich gähne vernehmlich, und das nicht, weil ich etwa zu den Reichen und Wohlgestopften gehörte. Keineswegs! Aber was gehen mich die Millionen von irgendeinem verantwortungslosen Spekulanten-Arsch an? Soll er doch verrecken damit, oder glücklich werden, ist mir doch wurst! Ich sage das jetzt mal so unverblümt. Möchte ich vielleicht ein Leben führen wie dieses öde verkommene Superreichen-Geldpack?

 Als Feinschmecker sozialmoralischer Verwahrlosung hat für mich folgende Geschichte schon mehr Raffinesse: Offenbar eigens dafür abgestellte Spitzel der Stadt Göttingen haben einen Sozialhilfeempfänger dabei beobachtet, wie er sich in der Stadt ein paar Cent Zigarrettengeld erbettelte. Ganze € 7,40 hat er sich erschnorrt – was die Stadtbüttel, die jeden Cent offenbar mitgezählt haben, zu 120,00 Euro im Monat „hochgerechnet“ …und dem armen Schlucker anschließend als „zusätzliches Einkommen“ von der Sozialhilfe abgezogen haben! Solche Bürokrateseelen sind keine Monster, sondern „auch nur Menschen“! Nur haben sie anstelle des Herzens einen automatischen Bleistiftspitzer implantiert, und sie haben ihre Vorschriften. Man nennt das mit Hannah Arendt die Banalität des Bösen: Adolf Eichmann hatte persönlich ja auch nichts gegen Juden, aber mußte doch dafür sorgen, daß die Züge nach Auschitz und Treblinka fahrplangemäß verkehrten. Womit ich keine Gleichsetzung von Göttinger Sozialspitzeln und Nazis gezogen haben möchte – obwohl… warum eigentlich nicht? So mentalitätsmäßig?

 Gewährsmann Nietzsche, ein Mann mit heißem Herzen und verdammt kühlen Kopf, empfiehlt, mal die moralische Zentralperspektive außer Kraft zu setzen und die Sache nüchtern zu betrachten:

 Wenn der Reiche dem Armen ein Besitzthum nimmt (zum Beispiel ein Fürst dem Plebejer die Geliebte), so entsteht in dem Armen ein Irrthum; er meint, Jener müsse ganz verrucht sein, um ihm das Wenige, was er habe, zu nehmen. Aber jener empfindet den werth eines einzelnen Besitzthumes gar nicht so tief, weil er gewöhnt ist, viele zu haben: so kann er sich nicht in die Seele des Armen versetzen und thut lange nicht so sehr Unrecht, als dieser glaubt. Das Unrecht des Mächtigen, welches am meisten in der Geschichte empört, ist lange nicht so gross, wie esscheint. Schon die angeerbte Empfindung, ein höheres Wesen mit höheren Ansprüchen zu sein, macht ziemlich kalt und läßt das Gewissen ruhig… – während man unwillkürlich voraussetzt, dass Thäter und Leidender gleich denken und empfinden, und gemäss dieser Voraussetzung die Schuld des Einen am Schmerz des Anderen misst.“ („Menschliches, Allzumenschliches“, 1878)

 Das ist eine unbequeme Wahrheit – aber wo steht geschrieben, daß Wahrheiten uns immer schmecken müssen?

 

 

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Kürzlich in Afrika…

18. März 2009
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MC Benedix "das Sechzehntel"

GANGSTA-RAPPER AUS ROM SCHWÄRZT NEGER  AN!

Ist es politisch korrekt, zu sagen, aus Afrika kommen komische Geräusche? Ich glaub schon, denn es geht ja nicht um das, was mein Vater noch gewissensbißlos „Negermusik“ nannte. Den ressentimentgeladenen Satz „Mach gefälligst die scheiß Negermusik leiser!“, den ich in meiner rebellischen Rock’n’Roll-Jugend leider noch reichlich zu hören bekam, benutzen heute die schlimmsten Rassisten nicht mehr. Heute sind Musikhörer auf beiden Ohren farbenblind: Ob Roy Black, Jack oder Barry White, Joel Grey, Adam Green, Roberto Blanco, James Brown, die Blue Man Group, die Violet Femmes oder die Red Hot Chili Peppers: Wir hören die Farbe schon gar nicht mehr raus. – Aber jetzt mal was ganz anderes: Lebt eigentlich der nervige, alte Wirrmichel noch?

Klar lebt der, pumperlgsund und puppenlustig sogar, wie es nur der ausgestopfte Reliquiensack aus der Heiligen Geisterbahn hinbekommt: Benedix „das Sechszehntel“, Vize-Vorsitzender des Universums vulgo Stellvertreter Gottes, Plage der Menscheit und Narrenprinz beim traditionsreichen katholischen Lach- und Schießverein. Er hat sich grad vom Kurienchor St. Bitterindenfeldern wieder vorsingen lassen, was in der Bibel über die sieben Plagen steht, die der Chef einst den Ägyptern schickte. Angemacht und aufgekratzt ließ er daraufhin seine Schranzen, Knappen und Pagen den vatikanischen Flieger satteln, bestieg diesen und rief: „Ich will verdammt sein, wenn die Zeit nicht reif ist für eine neue Plage! Afrika, ich komme über dich!“

Kaum gesagt, schon passiert: Ein flottes rotes Mützchen auf dem Kopf, seine schneeweiß gebügelte Schlafrockkutte umgetan, wackelt der große greise Weiße Mann des Gangsta-Rap die Gangbangway herunter, küßt den Boden des vor Freude erbleichenden Schwarzen Kontinents flüchtig auf beide Backen und will sofort mit dem Geräusche-Machen anfangen. Aber was auf die Schnelle aufsagen? Ratloses head scratching! Die Gemeinde steht schwarz und schweiget. Einfach den erstbesten Hirnschrott, der durchs Gebälk der St. Alzheim-Basilika rieselt? But’s your turn now, dude, you’ve got only one shot, one opportunity, das Mic ist auf, die Crowd will grooven und dancen!  Also wirft MC Benedisc den Geräusche-Werfer an: 

Yo! Holla, Niggah, Whigger und Wanker! Liebe Homies, Honks und Hustler! Schwestern, Chicks, Chalas und Bitches! Pimps, Pussys und Papisten! Fuck you bzw. gesegnet sei mein Name! Ich bin MC Bigdix the Semiquave, the Original Gangsta from Rome, euer Ticker, euer Dopeman, peace! Ich höre vollkrasse bad news: Ihr seid alle scheiße krank, derbe sick, yo! Struggelt mit AIDS und so, ihr Muthafuckah. Mann, mann, 22 Milionen AIDSies, das ist fett, yo, Opfer, ich will euch nicht dissen, aber da seid ihr echt fett gefickt, word? Aber apropos, bros & sistas: Ihr seid selber schuld, homies, ihr habt euch sick gefickt, habt euern magig stick zu oft den mamacitas gesteckt, yeah! Und jetzt die hook, die punch line, Leute:

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Die Jugend hört Geräusche – aber versteht sie die auch?

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Finger weg von Kondomen! Schluß mit Schnackseln!

Kondome machen AIDS, machen alles schlimmer,

Kondome helfen nie und nimmer

Kondome sind des Satans Säckchen.

Ein jeder trage doch sein Päckchen,

Fuck the WHO! Fuck the WHO!

Denn gefickt, ihr Niggah, seid ihr sowieso!“

Schmunzelnd entschwebt Big Popa Bonehead dem kranken Kontinent. Er ist mit sich zufrieden. Noch immer findet er für die Probleme der Zeit eine zeitgemäße Sprache. Und das seit 2000 Jahren! Es ist zum Heulen … schön. 

Bleibt ein letzter frommer Wunsch: Lieber Gott, laß ihn sich angesteckt haben…!