Ich muss mich kurz fassen, denn gleich ist es Zeit: Ich muss zum Vergeblichkeitstraining! Vielleicht ist das erklärungsbedürftig. Das Institut entdeckte ich nämlich gerade noch rechtzeitig, man drohte mir bereits mit Apfeldiäten, Sportspazieren und Altersjubel. Horden von homöopathischen Waldorf-Vorkostern verfolgten mich bis zum Gemüse-Türken, das Haus umstellt von Physio- und Psycho-Terroristen, meine Dauerkarte fürs Phantasialand konfisziert. Trinkverbot. – Also schneller Entschluss: Flucht und Verkleidung! In den Untertauchanzug schlüpfen, Tarnkneifer auf, Nase zu und durch!
Mir kam die Zufallsfee zur Hilfe, es regnete, ich stellte mich in einen Hauseingang, und weil es nicht aufhören wollte, las ich aus Langeweile die Inschrift am Portal: „Institut für Negatives Denken“ stand auf dem polierten Messingschild, und darunter, kursiv: „Es ist alles eitel und ein Haschen nach Wind“. Hier war ich richtig, das wusste ich gleich und drückte die Klingel. Die Tür zu meinem neuen Leben schwang auf.
Am Empfangsdesk saß rauchend eine naturbleiche Mondäne, die sterbensmüde in ihr Sektglas starrte. Ohne mich anzuschauen, murmelte sie: „Keine Bewegung!“ – „Wie? Was?“ – zögernd hob ich die Hände. „Erstes Gesetz hier: Keine Bewegung!“ Ich ließ die Hände wieder sinken. „Also kein Seniorenturnen, kein ‚nordic marching’, kein Gehampel auf futuristischen Fitnessgeräten…“, fuhr die Dame fort, „…schaffen Sie das?“ Ich nickte so heftig, dass sie entnervt aufseufzte. „Wir haben noch einen Platz in der Sitzgruppe frei. Wenn Sie wollen? Bringt aber nicht viel…“ – So kam ich zum Vergeblichkeitstraining im Institut.
Vorkenntnis braucht man keine, nur die Einsicht, dass der Tod einen, entgegen der Propaganda der Ärzteverschwörung, auch dann findet, wenn man sich ständig bewegt. Tut mir leid, Ihr Super-Ultra-Ausdauerlebenden, ich verrate euch was: Bewegungsunschärfe ist kein hinreichendes Versteck! Der Sensenmann holt auch hagere Hungerhaken. Vielleicht, mag sein, wie gesagt, etwas später, so dass sie stolz auf ihr langweiliges Gemüse-Dasein ohne Alkohol, Fleisch, Zigarren und gemütliche Couch-Abende zurückblicken dürfen. Na schön, Glückwunsch. Übrigens, was die Apothekerzeitung verschweigt: Auch Ärzte sterben. Obwohl sie ja verrückt nach Bewegung sind und praktisch im Schweinsgalopp leben. Die sollen mal schön still sein, die Ärzte! Ständig zeigen sie unappetitliche Bilder von menschlichen Innereien vor, schneiden saure Besorgnisgesichter dazu und raten, weil ihnen ja sonst nichts einfällt, natürlich zu viel Bewegung im Hamsterrad makrobiotischer Ertüchtigung. Lachhaft!
Vergeblichkeitstrainiert und tiefenentspannt durchschaut man bald das gauklerische Lügengewebe der Diät-Dealer. Freunde, um euch auch diese Illusion zu nehmen: Dünne alte Männer haben bei der Damenwelt kein Gramm mehr Chancen als dicke alte Männer; eine späte Schnitte machen höchstens reiche alte Männer, aber reich wird man nicht durch Diät, höchstens durch Diäten, haha. Ich sag wie es ist. Es ist alles vergeblich. Junggebliebensein ist eine Illusion besonders starrsinniger Alter. Punk ohne Pogo – was soll das? Jung bleiben ist letztlich wie blöd bleiben, wobei letzteres möglicherweise noch erreichbar sein mag. Und also? Schlussfolgerung? Den Gürtel weiter schnallen, der Kulinarik pflegen, erlesene Drogen konsumieren, gelegentlich krasse Sätze der Altersweisheit raushauen. – Wie etwa die obigen.
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