Neueste Nachricht aus dem Geddo: Gerade wird es dunkel! Das ist keine Nachricht? Ist es wohl! Jedenfalls für meine vom Ramadan gebeutelten Nachbarn. Heftiges Tellerklappern und gieriges Geschirrgeklirr zeugen davon, dass Allah gnädig ist und es nicht übertreibt! Guten Appetit! Afiyet olsun, Nachbarn. Wie? Nein, vielen Dank, ich hab schon gegessen. Meinem Gott ist es ja egal, wann wir essen. Oder sogar ob überhaupt. Unser Gott ist gerade von einer Dienstreise aus Somalia zurück und es geht ihm gut. Er hat ein bisschen zugelegt und ordentlich Farbe bekommen. Wir sind ihm übrigens grundsätzlich eigentlich egal, lässt er ausrichten. – So, nach diesem eher funebren Tusch des Orchesters jetzt etwas leichtere Kammermusik.
Als Jugendlicher war ich etwas sperrig, weswegen mein Vater mich gern ins Heim gesteckt oder auf die Militärakademie geschickt hätte. Auf milderndes Drängen von Mutti wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt und ich musste bloß zur Tanzschule. Trotzdem: Traumatisiert bin ich davon! Aber das nebenbei. – Jedenfalls, aus diesem hier nur knapp angedeuteten Bedeutungsuniversum kenne ich „von früher“ das Verb „abklatschen“. Ein Lexikon für aufgeweckte Heranwachsende hätte es so definiert: Abklatschen ist, wenn du siehst, wie deine Flamme schon viel zu lange mit diesem affigen Schnösel aus der Parallelklasse tanzt; dann gehst du dahin und „klatscht“ die Braut „ab“, was günstigenfalls bedeutet, dass sie sich vom Lackaffen ab und dir, dem wahren Sternenprinzen, zuwendet. Manchmal klappt das, manchmal nicht. Wenn du Pech hast, kriegst du was aufs Maul, was dem Begriff „abklatschen“ eine unangenehme Neben-Konnotation verleiht.
Alles ist im Wandel, warum nicht auch die Semantik. Heute klatscht andauernd jeder jeden ab, nicht nur im Sport. Abklatschen ist heute eine ubiquitär-universale Blöd-Geste, wenn ich das richtig sehe. Esoterische Poeten klatschen ihre Frau ab, wenn ihnen eine gute Zeile eingefallen ist; Koch-Show-Teilnehmer klatschen sich ab, wenn die Risotto-Pampe geriet; Plünderer tun es, wenn sie einen Flachbildfernseher ergattert haben und phänomenale Liebhaber reichen ihrer Bett-Gespielin die Hand zum Abklatschen, wenn diese einen furiosen Orgasmus gespielt hat; und ich, schon im Sarg, klatsche den Pfarrer ab, der mich beerdigt, weil mein Leben so irre gut gelungen ist.
„Abklatschen“ heißt heute, bzw. man tut es fortwährend deswegen, um sich gegenseitig zu beglückwünschen, wie toll man ist. Ist man denn toll? Daran nagt der Zweifel, und je mehr er nagt, desto öfter reckt man das Patschehändchen in die Luft und hofft, dass irgendein schlicht gehäkelter Mitbürger dagegen klatscht. Dann weiß man: Doch, doch, du bist ein Hecht. Sicher.
Apropos Klatsch. Die Dichterin Charlotte Roche, so dröhnt es mir vom SPIEGEL bis zur Bäckerblume werbefeucht entgegen, hat ein Buch verfasst, in dem sie ihre Erfahrungen mit Fellatio, Anal- und Trio-Sex aufarbeitet. Ganz schön mutig, finde ich! Als frühreifes und selbstaufgeklärtes Kind, wenn ich auf der Straße eine Schwangere sah, hab ich still bei mir immer gedacht: „Ha! Die hat bestimmt Sex gemacht!“ Jetzt weiß ich, dass Frau Roche auch Sex macht. Dieses Wissen wird mein Alltagsleben vielleicht nicht beträchtlich bereichern, aber es ermutigt mich, mein Privatleben ebenfalls öffentlich zu machen: Ich war mal in einem Swingerclub! Gern teile ich meine diesbezüglichen Erfahrungen mit dem bildungshungrigen Publikum: Es ist im Darkroom nicht nötig, sich namentlich vorzustellen – und Abklatschen ist dort weitgehend verpönt.
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