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Das Wesen der Ehe

29. Januar 2012

Altägyptische Hieroglyphe. Übersetzung: Für den Seegurch Mikado-Suppe!!

Samstag: Motte und Nobbler durften noch etwas draußen und flogen zusammen über den Fußballteich. Im Einmachglas dabei: Hans Griebel, Nobblers zahmer Seegurch. „Komm“ frohlockte Motte, „lass uns mal Wirklichkeit spielen!“ – „Ooch, nö, nich wieder … – und welche denn?“ nöl-zögerte Nobbler. – „Na, komm schon! Die harte, ganz grause!“ – „Ach so. Na gut…“ – Schon legte Motte los und setzte sein schlimmstes Besorgnisgesicht auf, Mundwinkel unters Kinn geknöpft, und machte so jämmerlich „uuh, ooh, uuh, ooooh!“ dazu, dass der Seegurch erschrocken aufquiekte. „Jetzt müssen wir rasch einen nachhaltigen Geredeschirm spinnen“ bibberte Nobbler, vom Elend der Wirklichkeit betroffen,  und bohrte suchend in der noch kindlich unentwickelten Stupsnase, „damit wir Vertrauen haben. Vertrauen ist nämlich total wichtig! Und auch Wachstum noch!

Motte hatte indes von der Fernseh-Muhme ein niegelnagelneues Blödwort dabei, das jetzt passte: „Ich denke,“ er sog an seiner imaginären Grübelpfeife, „wir sollten auch in der Fläche breit aufgestellt sein...“  Nobbler schob bereitwillig das Bäuchlein vor, um sich breit aufzustellen, nur mit der Fläche haperte es noch einstweilen. „Wir müssen aber auch nach vorne schauen“, schlug er deshalb vor. Besinnliches Schweigen. Eine Weile schauten sie beide nach vorne. Hans Griebel auch. Dann wurde das aber allen fad, denn dort vorne gab es wirklich gar  nichts zu sehen.

Wirklichkeit ist ein ziemliches scheiß Spiel, und überhaupt mehr was für Mädchen – darüber wurden sie alsbald einig und stülpten stracks ihre Antennenmützen aus dem Metaphysikunterricht über, um etwas Himmelsfunk abzuhören, Mangoldengel, Rauschgoldflittchen, Gesänge aus der Offenbach-Offenbarung, das ganze Programm für kleine Visionäre. Hans Griebel bekam die hölzernen Kopfhörer über. Seegurch-Propheten kommunizieren im Unterholzbereich, niedrige Sequenz-Frequenzen, einfache Sprache, große Buchstaben. – Nachdem Samstagabend-„Hosiannah!“ erscholl ihnen aber selbdritt die Stimme des Höchsten: „Wahrlich, es wird eine Zeit kommen, da ihr Käsestullen essen sollt!“  Nobbler hatte zwar „Creme-Schnittchen“ verstanden und der Seegurch schwor, es müsse „Gräten-Rollen“ heißen, aber egal, ein Hörfehler ward ökumenisch ausgeschlossen: Religion macht alle Klein-Gläubigen hungrig. – „Ey, Leute, mal herhörn“, krähte Motte enthusiastisch, „doppelter Hoppel-Galopp! Wer erster im Heim ist!“

Derart lustig flogen die Beine und schepperten die Schulterblätter, dass dem Seegurch in seinem Glashaus die Karussellen klingelten, oder, um ein billiges Wortspiel auf seine Kostenstelle zu setzen, ihm wurde ganz griebelig. Erhitzt, mit quatschnassem Schuhwerk und glühenden Ohren traf man im Turboläum ein, dem Internat für Knaben aus katholischer Bodenhaltung. Die Herbergsmutter, Frau Frerkes, schimpfte pflichtschuldigst ein wenig über die lehmigen Klotschen, schmunzelte aber doch dann gütig durch die Finger und schmierte ihren Rackern Margarinebrote mit Käse – so war es ja geweissagt, im Himmelsfunk! Für Hans Griebel gab es Mikado-Suppe, dann ab ins Regal, Schlafenszeit für Gurchi.

Auch Nobbler und Motte holten sich bei Pastor Meyerbeer, dem Traum-Kastellan, ihr täglich-nächtliches Schippchen Abend-Segen, tranken im Schrankbett noch einen Hustentee mit Honigseim und verklebten die Finger zum Nachtgebet. „Wenn ich groß bin, heirate ich vielleicht Mutter Frerkes“, verkündete Nobbler träumerisch ins Dunkel. Motte lachte sich scheckig! „So’n Quatsch, Mann!“ prustete er, „dann wärst du ja ein voll schwuler Ödipus, Blödi! Nee, da geh ich lieber nach Hammurch-St.Pauli, als Profil-Boxer!“ – Knabengespräche halt, wie sie so oder ähnlich wohl überall geführt werden, wo Gottvertrauen, Unterwasserfußball und schwellende Säfte zusammenprallen. „Mann, Mann, Frau Frerkes, die ist mal bummlich achtunnfuffzig!“ murmelte Motte noch, aber Nobbler war schon eingeschlafen und träumte von Bergen von Bratkartoffeln. – Ach, wehe, sie kommt nicht wieder, die schöne, sorgenfreie Knabenzeit! – Im Traum war Motte übrigens Freigeist, er träumte, er sei ein freigrüner Posaunenpilz und fräße kleine Mädchen. Als Pointe zu schwach, aber in sozialer Hinsicht auch nicht unbedenklich! Freund Nobbler indes träumte von erregenden Bratkartoffel-Verhältnissen. Er war der frühreifere von beiden. Er wusste vom Wesen der Ehe!

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Grundregel bei Verdrängungsbedarf

29. August 2011

Wer das Glück hatte, Kinder zeugen zu dürfen, weiß, dass dieses ein durchaus zweischneidiges ist. Vom vierten bis zum achten Lebensjahr sind Menschenjunge oft beinahe entzückend, besonders, wenn sie eine Spur altklug sind oder ein Musikinstrument (Ausnahmen: C-Blockflöte, Geige, Schlagzeug) spielen. Dann allerdings geht es bald zügig bergab: Trotzkopfphase, extreme Pampigkeit, patzige Pubertät. Mit ca. 14 bricht die sog. Hebephrenie aus, früher auch Jugendirresein oder Läppische Verblödung genannt. In diesem Stadium erreicht der Mensch den Höhepunkt seiner Unzurechnungsfähigkeit.

Diese Phase dauert, je nach dem, so rund 20, 30 Jahre, dann tritt bei manchen allmähliche Besserung ein. Zuvor jedoch herrscht Unerträglichkeit, besonders bei Mädchen. Tragik der Natur: In einem Alter, in dem die jungen Damen zum Anbeißen anmutig aussehen, sind sie leider kognitiv komplett außer Kraft gesetzt und haben einen IQ, der weit unterhalb der Körpertemperatur rangiert. In diesem Entwicklungsstadium finden junge Menschen alles  peinlich“. „Meine Eltern, ey, die sind sooo was von voll peinlich!“ ist ein auf dem Schulklo beim Nachschminken häufig gehörter Satz. Es ist die Zeit, wo man sich als Vati oder Mutti unauffällig schon mal nach geeigneten Heimen umhört oder öfter mit dem Jugendamt telefoniert.

Nun, sagen wir es ungeschminkt: Nichts ist so peinlich wie junge Menschen. Wobei „jung“ unter Umständen ziemlich lange dauern kann.

Ich persönlich erreichte, das Internet war kürzlich so freundlich, mir das ungebeten unter die Nase zu reiben, den Gipfel unsäglicher Peinlichkeit erst mit 26 Jahren. Ich hatte schon gehofft, ich könnte die Tatsache, von meinem 16. bis zu meinem 28. Lebensjahr ein blickdicht beratungsresistenter Idiot gewesen zu sein, im engeren Familienkreis halten, aber Pustekuchen. Irgendein blödes Sozialgeschichte-Institut an der FU Berlin hatte nichts besseres zu tun, als die Geschichte „der außerparlamentarischen Opposition“ zu dokumentieren. Und? Unter der Rubrik „maoistische Jugendorganisationen“ werde ich da als „1. Sekretär der Roten Garde“  ausgegraben und gezeigt, wie ich in meinem umgearbeiteten Konfirmationsanzug auf irgendeiner bescheuerten Bühne stehe und unsägliche stalinistisch-maoistische Stanzphrasen aufsage, die Welt erkläre (voll imperialistisch!) und deren sofortige Umarbeitung verlange (Diktatur des Proletariats!). – Grundregel für die Jetztzeit: Wem an Verdrängung liegt, der sollte nicht den eigenen Namen googeln!

Wenns ihn nur gäbe (Dies irae)

8. März 2010

Als man noch daran glaubte: Dies irae (Hans Memling)

Schlimm genug so schon, das Leben in der Desorientierungstufe: Als pickliger Präpubertätspumpernickel stiefelt man verwirrt, ängstlich und, innerlich extrem zartbesaitet, trotzig durchs Labyrinth der Lebensanforderungsprofile und weiß nicht recht, wohin mit sich. Und wie behält man die Nase im Wind bzw. wenigstens einigermaßen oben, wenn einem zum Heulen ist? Zwischen Dudelfunk, Doubleschule und Dübeldiplom heißt es: Kleiner Mann, was nun? Man hat ja Gefährdungspotential. Und dann die Hormone! Sie sind im Anfluten und machen schon sofort nichts als Ärger! Soll sich der Knirps lebenslang als Mädelknecht verpflichten und den typischen Krampfdamenkampf aufnehmen? Oder sind verdruckste Klosterklo-Kosereien eine Option? Und wenn man ein süßer Knabe ist, – verdammt! Was heißt das denn? Und „süß“ für wen? Was man in dieser prekären Lage, barfuß auf dem Hochdrahtseil, so dringend braucht wie eine Kettensäge an der Kehle, sind als Pädagogen getarnte priesterliche Sadisten, Betatscher und Vergewaltiger. Soviel dürfte außer jeder Frage stehen.

Was uns die Medien derzeit, gut eingespeichelt und vor lustvoller Sensationsgeilheit sabbernd, präsentieren, ist ein wirklich kotztrauriges Bild: Lehrer, Schuldirektoren, Priester, kurz, die üblichen Verdächtigen (Heuchelpfaffen), die sich, offenbar serienweise und systematisch, an den ihnen anvertrauten Kindern vergehen. Haben wir es nicht immer geahnt? Inwändig vor Geilheit kernschmelzende Zölibatszwiebeln toben ihre ranzigen Lüste an Schutzbefohlenen aus. Das paßt in unser Bild, oder? Schon ätzt und hämt die Presse von Hodenwaldschule, Dionysios-Gymnasium und Regensburger Dreckspatzen. Mensch, manno, trägt denn jeder gottverfluchte Pfaffe rosa Spitzenreizwäsche unter der Soutane? Ach, Freunde. Zugegeben, vielleicht ist das Snobismus, aber ich hasse es, und mir wird übel, wenn Gemeinpläze, Klischees, Vorurteile der übelsten Art – … tatsächlich stimmen!

Weil ich massenkompatible Klischees nicht mag, hab ich sogar kurz erwogen, aus purer Lust an der Provokation, die Kirchenmänner zu verteidigen. Da ich, der notorisch leibhaftige Anti-Christ und diplomierte Überzeugungsheide, der Sympathie mit Benedix’s Leuten nun echt unverdächtig bin, dachte ich, – ich, der ich (dreimal „ich“ = 666 = der Satan!), diesmal als Literaturwissenschaftler, sehr wohl weiß, daß das Klischee vom geilen Pfaffen so alt ist wie das vom Ewigen Juden –, es könnte für Kenner hübsch denkanstößig wirken, und wäre eine gute Idee, mal die Selbstgerechtigkeit der Ankläger in Frage zu stellen. Daraus wurde aber nichts.

Ich bin, wie gesagt, und wer mich kennt, weiß und bezeugt es, kein Christ. Im Gegenteil, und das praktiziere ich im wesentlichen auch. Deshalb, genau aus diesem Grunde, bin ich aber ein Jesus-Fan. Meine Lieblingsstelle im Neuen Testament, einem, wie ich finde, ansonsten weithin ziemlich überschätzten Buch, ist diese: Frauen hassende Fanatiker zerren zeternd eine Nutte (Maria Magdalena) vor Jesus. Er soll ein Hinrichtungsurteil absegnen. Der Rabbi Joshua ben Nazareth ist verstört und traurig. Verlegen kritzelt er mit einem Stöckchen Schriftzeichen in den Straßenstaub. Schließlich, nach langem, gedankenvollen Schweigen, stößt er hervor: „Wer von euch ohne jede Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“

Nun, das Idyllische an der Geschichte: Niemand wirft.

Heute werfen alle, auch die Sünder. Die Heuchler. Die Selbstgerechten. Ich werfe lieber nicht, denn ich weiß aus gerammelt gesammelter Lebenserfahrung, daß die sexuelle Begierde eine ungeheure, kaum zu bändigende, gefährliche Macht darstellt. Ihr zu erliegen widerfuhr schon Großen, Klugen und Frommen. – Da es aber zu jeder Meinung ein „andererseits“ gibt: Was treibt eigentlich das unsäglich uneinsichtige, ignorante, menschenverachtende institutionalisierte Pfaffenpack dazu, derart verstockt auf den Aufklärungswunsch der Öffentlichkeit zu reagieren? Wie üblich, wird heruntergespielt, vertuscht, verharmlost, geleugnet und, in der Logik des erwischten Kriminellen, der Vorwurf an die Kritiker zurückgegeben. Ihre Peinlichkeit, Nichtswürden Bischof Mixa, das Idol aller Hausierer, Kesselflicker und fahrenden Betrüger, äußerste sich dahin gehend, wir, die sog. „68er“ mit unserer Liberalisierung des Sexes, seien Schuld daran, daß zölibatäre Priester die Finger nicht von ihren Schützlingen ließen!

Die Opfer werden mit Ausflüchten und leeren „Entschuldigungen“ abgespeist. Fast neige ich dazu, den Katholischen Kirchenoberen zu wünschen, ihren Gott gäbe es wirklich. Sie scheinen wohl nicht daran zu glauben, sonst müßte ihnen vor Angst schon das nackte Grauen ins Gesicht geschrieben stehen.