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Idiosynkratische Hünxe (Altersfreibeitrag)

12. Dezember 2010

"Hünxe": Kräftige HÜften, lange HaXeN...

– Für Gabel  –

Mein zertifiziertes Magistertum erlaubt mir, mit Wörtern herumzuschmeißen, die mich automatisch zum Mittelpunkt jeder Party machen. Ein schon paradiesvogelartiges Flair verleiht zum Beispiel der Ausdruck „idiosynkratisch“. Seinen faszinierenden Bedeutungsreichtum offenbart dieses Wort gern allen Fleißsternchen-Sammlern, die das mal irgendwo googeln. – Unter anderem nennt man zum Exempel wiederum Ausdrücke „idiosynkratisch“, die einer Privatsprache Würze und Glanz verschaffen. Unsere privatsprachlich kommunizierende eheliche Sprach-Zugewinngemeinschaft bereicherte die Gattin gestern im  Bonner„arco“ durch ein neues Wort. Es heißt „Hünxe“.

„Hünxe, Hünxe …  – ist das nicht so’n Ort oder was?“ fragen aufgeweckte Leserinnen. Ja schon, auch, – doch in unserem Fall setzte sich das Wort aus den Komponenten „Hüfte“ und „Haxen“ zusammen und bezeichnete eine im unnatürlich gezickten Super-Model-Gang daherstiefelnde, langbeinig einen blasierten Hüftschwung pflegende Kellnerinnen-Blondine, deren mittelhochnäsiger Gesichtsausdruck darauf hindeutete, dass es sich evtl. um eine Eigentlichkeitsschnepfe handeln mochte. Dies sind Personal-Personen, die mit jeder Geste, Miene und Bewegung zum Ausdruck bringen, dass sie „eigentlich“ gar keine Kellnerinnen sind, sondern eben in Wirklichkeit Super-Model, Stewardess-Prinzessin oder wenigstens Kunstgeschichtsstudentin im 3. Semester.

Als lebenszerknitterte Gebrauchtmenschen und Falten-Rocker, die wir schon vom Senioren-Tellerchen nippen und sich den Cocktail im Schnabeltässchen bringen lassen, trieben wir den Altersdurchschnitt von Personal und Publikum der schnieke, aber sympathisch gestalteten Lokalität drastisch in die Höhe. Hinterm Tresen und im Service schien mir, meinem subjektiven Eindruck nach, überhaupt niemand mehr über 21 zu sein; allesamt blutjung-bildhübsche, angenehm „unverschrumpelte“ (Max Goldt) Exemplare der Generation „Irgendwas-mit-Medien“! Uns wurde das fällige Absackerchen nicht von der Hünxe, sondern von einer zuckersüßen, ätherisch-zarten Milchzahnfee serviert, die überdies eine frappierende Ähnlichkeit mit Fräulein Emma Watson aufwies, dieser entzückenden ehemaligen Kinderdarstellerin und nunmehrig schon fast erwachsenen Jung-Actrice aus den Harry-Potter-Filmen („Hermine“)! – Berückend!

Das den Laden frequentierende Jungvolk bestand indes fast ausnahmslos aus auffallend gesitteten, neuerdings zu Recht das Abitur besitzenden, adrett gewandteten Seiten- und Mittelscheiteln, die mitteleuropäisch urban (d. h. hübsch zimmerlautstark, zierlich-zivilisiert und kashmir-brav) miteinander plauderten, dazu permanent nichtrauchten und Alkohol nur in homöopathischen Dosen konsumierten. An den in Verbraucherschutzartikeln gelegentlich bemängelten Sitzgelegenheiten schienen sie nichts auszusetzen zu haben, sondern besetzten diese mit Nonchalance und tanzstundenerprobter Gewandtheit. – Ach, was für ein Unterschied zu den verqualmten, zugemüllten und mit Rock-Musik vollgedröhnten Laster- und Drogenhöhlen, in denen unsereins seine Jugend verbrachte bzw. verschwendete! Ehrlich: Hätte ich Nachwuchs, der noch einer gewissen pädagogischen Aufsicht und Betreuung bedürftig bzw. zugänglich wäre, ich wäre beruhigt, wenn sie den Abend bzw. Lebensmorgen in einer Lokalität wie dieser verbrächten. Meinetwegen dürften sie dort sogar kellnern – vielleicht würden sie ja „entdeckt“!

Wir selbst freilich retirierten, um die Jugend mal unter sich sein zu lassen, dann doch lieber ins nahe gelegene Hotel, wo wir Senioren residierten; zum Ausgang humpelnd, registrierten wir noch die Tatsache, für die stolzgewachsene kühle Blonde berechtigterweise Luft zu sein. Nun ja, ab einem gewissen Alter gewöhnt man sich daran, unsichtbar zu sein. – „Pah! … Hünxe!“ schnaubte die Gattin, und ich verstand sie ohne weiteres.

 

 

 

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