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KRASKA ERKLÄRT KNAPP UND ARROGANT EIN KUNSTWERK

27. April 2010

Nee, die sind nicht weg! Wo sollen sie denn auch hin? Ausgestorben, wie ich mal dachte, sind sie jedenfalls nie nicht: Die unverbesserlichen Querulanten, Volkssturmpfleger, Kunstspießer, Nörgelproleten, kommunalen Kommissgünstler, die eckensteherischen Bescheidwisser und notorischen Leserbriefschreiber, die Moppelkotzmotzer, Emil-Tipper und Klischee-Klistierer mit ihren unvergänglich ewigem Gemaule: „Datt is donnich schööön!“, „Dafür hamse nu Geld!“, „Stattse earsma’n Kindergarten bauen!“ (Sekundant: „Odern Hallenbad!“) Wie der Pavlovsche Hund beginnen sie unvermeidlich zu geifern, wenn wo mal ausnahmsweise Kunst klingelt. „So’ne Kunst könn wa auch!“ – Volkes Stimme ist nach wie vor zum Verlieben. Schön, daß man sich auf etwas verlassen kann, und wenn es die beherzte Strunzdoofheit der Masse ist.

Sozial engagiert, wie ich bin, fertige ich zuerst die intellektuellen Kassenpatienten, die sog. „einfachen Leute“ ab. Erstens: Nein, die Stadt hat keinen Cent bezahlt; das haben Sponsoren gemacht; zweitens: Jahaa, das ist in der Tat Kunst, und wenn ihrs nicht begreift, was ja keine Schande ist, – dann fragt halt, bevor ihr hier ’rumbölkt! Drittens: Nein, seit ungefähr hundert Jahren oder etwa drei Generationen muß Kunst nicht mehr „schöön“ sein, Ihr Punks, im Gegenteil, daß was Ihr „schön“ findet, ist leider grad KEINE Kunst, sondern Kitsch; viertens, was „die da“ können, könntet Ihr eben genau nicht „genauso gut“, weil, wenn Ihr dazu in der Lage wäret, würdet Ihr echte Kohle verdienen und nicht am Büdchen Euer Hartz IV-Bier süffeln müssen, Ihr stammelnden Stamm-Tischler! Zack! Rumms! Autsch. Das saß! – Zugegeben, recht herzlos harte, aber doch nichtsdestoweniger ehrliche, ja,  notwendige Worte.

Das coole Volk der Durchschnittsurbanisten eilt am rosa Trumm vorbei und zuckt die Achseln: „Na ja…“ Junge Frauen bewitzeln kennerisch frivol die relative Bescheidenheit des Gemächts; anderen erscheinen die Proportionen nicht recht realistisch; ältere, aber dennoch coole Menschen fühlen sich von der puddinghaften, fleischfarbenen Nackigkeit zwar genervt, aber dezent genervt. Nur grad eben so nadelstreifengenervt.

Bleiben die Handvoll Wissbegierigen. Sie wenden sich an den Magister, der hat Zeit, der weiß Rat, der hat ein gutes Wort für sie. Klar, sagt er, Kunst ist das schon. Die Skulptur, eine ziemlich originalgetreue Reproduktion des „David“ (1501/1504) von Michelangelo stammt vom international bekannten Künstler Hans-Peter Feldmann (1941). Wie sein Florentiner Renaissance-Vorbild ist die David-Skulptur von Feldmann über fünf Meter hoch (mit Sockel sogar 9m), und wie Michelangelos Werk ist der biblische Heros etwas unrealistisch proportioniert, weil die Skulptur ursprünglich mal dazu bestimmt war, aus extremer Untersicht bestaunt zu werden, in welchem Falle die Harmonie wieder stimmen würde.

Feldmann hat aber was dazu getan. Seine Plastik ist ein ziemlich pop-krasser Remix des Originals, das, wie der Toskana-Tourist und Bildbandbesitzer wohl weiß, aus edlem schneeweißen Carrara-Marmor besteht, während Feldmann mit Marzipan und Vanillesauce arbeitet. Nee, war’n Scherz, aber es sieht zumindest so aus. Seine David-Replik ist schweinchenrosa angepinselt, die Haare diabetesgelb, das Aug blitzt hellhyanzinthenblau. Was ist daran der Witz?

Nun, die Renaissance heißt so, weil man sich um eine Widergeburt des „antiken“ griechischen „Geistes“ bemühte. Die überkommenen Statuen der hellenischen Bildhauer  schienen einen edlen Geschmack zu transportieren: Schneeweiß, abstrakt, fast transparent. Das wollte man in der Renaissance wiederbeleben, und noch im 18. Jahrhundert schwärmte unser deutscher Chef-Archäologe Winckelmann von „stiller Einfalt und edler Größe“, welche die griechische Plastik angeblich verkörpere. Aber Pustekuchen, Leute! Was man schon länger vermutete, aber erst kürzlich wissenschaftlich beweisen konnte: Die Griechen, recht kindliche Gemüter wohl, pflegten ihre heeren Götterstatuen knatschquietschebunt anzumalen, grell disneyfarben und „geschmacklos“ wie die Hölle. Ihre Aphrodite war ’ne Barbie! Und unser Antiken-Bild ein frommer Wunsch.

Feldmann zeigt uns nicht mehr, leider, aber auch nicht weniger als dies: Kunstwahrnehmung ist historisch wandelbar. Was wir heute am Kantpark eher als kitschige Zumutung empfinden, ist sozusagen das hellenische Original; Michelangelos schneeweißer Meister Propper hingegen eine retrograde Illusion. So kanns gehen, zeigt uns der Künstler. Und was „schön“ gefunden ist, unterliegt, wie auch sonst, dem Wandel der Zeiten. Unser Geschmack hat sich an Vorbildern gebildet, die es so nie gegeben hat. Und das gibt, wem es recht ist, zu denken!

Freilich, als Denkanstoß ist der Fleischklops ziemlich monumental. Aber auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil!

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Da gäht därr Post ab durrch där Däcke, liebä Froindä!

8. März 2010

Familie Poplski (Mitte: Gründer Achim Hagemann als Pavel, daneben Cousinetschka Dorota aus der Telefonzentrale)

Wer das noch nicht gesehen/gehört hat, hat den Trend verpennt: „Hey, hey, wos is därr los!“ plärrt Pavel Popolski frenetisch in den brutalstslawisch losfetzenden Bläser-Funk der eineiigen (wenngleich nur durch karierte Saccos verähnlichten) Sauf-Zwillinge Henjek & Stenjek hinein;  der kleine Brudärr Janusz, ohne Alk extrem schüchtern und verdruckster Träger beige-farbener Pullunder mit Rautenmuster, „därr trubste Tasse därr Fammillje“, pumpt den pulsierenden E-Bass, der blinde Bruder Danek, der sein Piano in der Rumpelkammer stehen hat, weil er ja ohnehin nichts sieht, singt verdächtige Hits, Bruder Merek läßt die „Stratocastrvic“-Guitarre jaulen, Pavel trommelt wie der Teufel in Krakow, Bruder Tommek, der „Tiger von Zabrze“ gibt den polnischen Ersatz-Elvis, und dann „gäht därr Post ab, liebä Frroinde, abärr  durrch die Däcke!“ Tante Baisha bringt aus der Küche frischen Bigos-Eintopf, der gute, 100% reine Sobieski-Vodka fließt in Strömen („heite muss ich vielleicht mal eine kippen, liebä Frroindä!“), – kurz die Losung heißt wieder „Nastruwko!“ Bzw.: Party, bis der Doktor kommt.

Die heißeste und schärfste slawische Schönheit der Familie Popolski, Cousinchen Dorota („aus der Telefonzentrale“), in die ich etwas verliebt bin, stretcht ihren hinreißenden Super-Body ins rote Schlauchkleid chansonniert einem Gänsehaut auf die Unterarme, und „in därr Kuche“ auf der Eckbank versucht Aufnahme-Leiterin Tante Apollonia stoisch-realsozialistisch, den Überblick zu behalten. Das ist nicht einfach, denn es sendet die „komplett bekloppste“ chaotische  Vollblut-Popmusiker-Familie Popolski, „aus därr Wohnzimmer in därr Plattenbausiedlung von Zabrze“, und Kenner wissen, jetzt steppt definitiv der Bär, jetzt gibt’s kein Halten mehr, jetzt ist pop-polnische Funk-Polka angesagt, bis das Kondenswasser von der Schrankwand tropft!

Von der Nachbarin Frau Drepzcewynski aus dem elften Stock wird schon mit dem Besenstil gegen die Decke geklopft, aber egal. Wer einmal im Läbänn war eingeladen auf Party in Wohnzimmer von Familljä Popolski, därr weiß, was heißt FEIERRN! Nasdruvko! Die Popolskis („if you can make it in Zabrze, you can make it anywhere!“) sind, gar keine Frage, der heißeste, wahnwitzigste, groovendste, wüstete Pop-Act, der aus dem eigenen Wohnzimmer sendet. Den Popolskis liegt es im Blut. Das liegt an Opa Popolski. Hört, liebe Freunde, die unglaubliche Geschichte:

„Die wohl unglaublichste Geschichte aus der Welt der Popmusik gelangte in der jungsten Vergangenheit endlich ans Licht der Öffentlichkeit: So gut wie alle Top-Hits der letzten Jahrzehnte sind geklaut! Die eigentlichen Urheber der Songs sind die Mitglieder einer vollig unbekannten, verarmten Musikerfamilie aus Polen: Der Familie Popolski! Nachdem „Der Familie Popolski“ sich 2008 erfolgreich in das laufende Programm des WDR chackte, um der verblufften Weltöffentlichkeit die Wahrheit uber die eigentlichen Urheber der Popmusik zu verkunden und sich hieran eine Tournee in ausverkauften Konzerthallen in der gesamten Republik anschloss, hat sich der Familie nun zuruckgezogen, um aus dem schier unerschöpflichen Fundus des Opa Popolski weitere Schätze der Popmusik fur ihr Publikum freizulegen. Und jetzt sind sie zuruck!- „From Zabrze with Love“ ist Name und Motto eines Abends, an dem „Der Familie Popolski“ zuruck auf der Buhnen geht, um nicht nur weitere Originalversionen verhunzter Pophits sowie Klassiker aus dem Schaffen der Popolskis zu präsentieren, sondern auch eine Abend in Liebe und Harmonie mit der Publikum zu verbringen.

Wer das Glück hat, die Familie Popolski auf YouTube (szypko, szypko!), im WDR-Nachtprogramm, oder, zweifellos am ratsamsten, live zu sehen, dem rufe ich ein beherztes „Nastruwko!“ zu.  – Gään wir eine kippe, libärr Froinde!

Folge 1 der neuen Popolski Staffel – direkt aus Zabrze! Teil 1/3:

Teil 2: http://www.youtube.com/watc… Teil 3:http://www.youtube.com/watc…

Bauerntrampel an der Würge-Stange: Bei Britney Spears denke ich nicht an Sex

30. Juli 2009
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Be-eng-stigend: Zu klein gekaufte Bühnenkleidung

Ich weiß nicht, was mich an diesem Gesicht so fesselt. Und warum ich immer lachen muß, wenn ich’s anschaue. Ich kann den Blick nicht abwenden. Das Rätsel läßt sich nicht lösen, die Persistenz des Imbezilen bleibt ein Mysterium! Zu deutsch: Ob blond oder braun, geschminkt oder ohne Makeup, ob Foto oder Video-Clip – dies ist ein Frauenantlitz, das zu allen Zeiten die gleiche unfaßbare, intensive, brachiale, durch nichts zu durchbrechende, massive, mörderische, ja infernalische Dummheit ausstrahlt. Woran liegt das? An der Kombination Blondhaar mit braunen Augen? Das kann es nicht sein. Die zu kleine Nase? Die zu kurze Oberlippe bei zu kräftigem Kinn? Die Wangenknochen? Wie macht dieses moppelige Pop-Schnütchen es bloß, bei eigentlich völliger Ausdruckslosigkeit so viel Ignoranz, Unbelehrtheit und harthölzern-blickdichte Dämlichkeit in ihren Gesichtsausdruck zu legen? Seht her, sagen die leeren, glas-starren braunen Knopfaugen, das üppige, vernaschte Schnütchen, die durchbrechenden schweinernen Hängebäckchen: Wir sind hemmungslos genusssüchtig und brunzdoof wie feuchtes Toastbrot, aber jeder Zeit mopsfidel und zu allem Scheiß bereit!

 Nicht, daß wir uns missverstehen: Es handelt sich nicht um ein sogenanntes Fick-mich-Gesicht. Das geht anders, und viele nehmen Botox dafür. Britney sagt aber, sie trinkt grundsätzlich gar kein Botox. Das hält sie blutjung: Sie besitzt noch immer das Hirn einer Fünf- im Körper einer Fünfunddreissigjährigen. Fit macht sich die zwiefache Mutter durch den JoJo-Effekt beim Diätmachen. Sie geht durch dick und dünn für ihr Aussehen, weil Aussehen ist halt ihre große Leidenschaft. Eine noch größere Passion von Miss Tralala ist es, sich auszuziehen. Weil wahrscheinlich alles, was sie anhat, immer so kneift, macht sie sich furchtbar gern nackig. Vor allem auf der Bühne. Sie hätte gut Striptease-Tänzerin an so einer Würge-Stange werden können, aber da hätte sie nicht singen gedurft beim Ausziehen der Anziehsachen. Wann immer ich die sog. Popprinzessin sehe, hampelt sie in Unterwäsche herum, in Videos auch gern schon mal sogar ganz ohne. Ja, na und? Sollte ich, „als Mann“, das denn nicht gut und sexy finden? Na? Mmh? So nackte Weiber und so? Tja, na ja. Mit vierzehn, fünfzehn (wir hatten ja damals nichts!) hätte ich das ganze lasziv gemeinte Sich-Räkeln, die nuttige Anmache und die porno-turnerische Aerobic-Erotik der Spears-Auftritte möglicherweise aufregend gefunden. Inzwischen bin ich weniger leicht reizbar: Daß ein übergewichtiges Moppel-Ding mit der Anmut eines vierschrötigen Bauerntrampels aus dem dorfeigenen Spielmannszug sich anschickt, mit gottvoll unbeholfenen, linkischen Arm- und Beinwürfen eine Animierdame zu spielen, macht mich nicht an, es amüsiert mich nur. Und wenn ich zuviel Speck sehen will, stell ich mich vor den Badezimmer-Spiegel.

 Ich muß komischerweise auch gar nicht an Sex denken, wenn ich der Ausziehpuppe beim Nackthampeln zuschaue. Nee, lieber nicht! Sex mit Britney Spears stell ich mir vor wie Tango mit der Venus von Willendorf. In deren Steinzeit kleidete die üppigere Dame sich noch in Dessous aus Bärenfell, aber die waren wenigstens großzügig geschnitten. Ich frag mich immer, warum la Spears, wenn sie schon in BH und Schlüpfer auftritt, sich nicht wenigstens mal Sachen kauft, die passen und gut sitzen. Es gibt heute auch für die vollschlanke Dame hochwertige und vorzeigbare Unterwäsche in Übergröße! Als Mann von Welt weiß ich natürlich, daß es heute nicht mehr Schlüpfer heißt oder Büstenhalter, sondern Lingerie, oder, wenn es durchsichtig ist, „Hot Lingerie“.

 Käme die Queen des Moppelpop mal nach Duisburg, lüde ich sie zu Hunkemöller ein. Hunkemöller ist eine Kette von Lingeriewaren-Läden und in Duisburg schon lange ansässig, ich glaub schon seit den Zeiten von Petticoat und Unterröckchen. Daß dies ein seriöses Geschäft ist, kann schon daran erkennen, daß sie Moral und ethische Verantwortung hochhalten; Hunkemölle engagiert sich im Kampf gegen Brustkrebs und gegen Kinderarbeit. Natürlich hat man hier auch ein Herz für die korpulentere Dame, und Geschmack hat man auch. Deswegen würde ich den Popmoppel zu einem Boxenstopp hier überreden und zu ihr sagen: „Hier Süße, kauf dir mal was Hübsches zum Drunterziehen!“, bzw. „…but better take forty-two fort he next time!“ Bestimmt hat der sympathische Sauerkrautschopf eine ansehnliche Kreditkartensammlung, denn eine Billig-Boutrique ist Hunkemöller nicht. Dafür hat die Firma vieles, was Britney noch fehlt: Stil, Geschmack, Niveau. Und passende Unterwäsche.

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Vollschlank: Venus von Willendorf (Steinzeitmoppel)

Gutfinderei von Pop-Phänomenen ist manchmal schwierig

25. Juli 2009

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Erst habe ich das für so einen zärtlich-frozzelnden Schimpfnamen für pubertierende Töchter gehalten, so „Aah, heut dreht sie ja mal wieder voll am Rad, unsere kleine Lady Gaga!“ Aber dann gab es sie plötzlich wirklich, jedenfalls auf MTV: eine uffjedonnerte New Yorker Hüpfdohle und Millionärstochter, sehr trashig, sehr Plastik, sehr 80er irgendwie in allem (kompt ja allet wieda!). Kunststoffblonde Perücke, sexysexy Schnullerschnütchen, Anziehsachen aus dem Porno-Shop und dazu superdünn-flaches Stimmgequäk: Zack, Pop-Queen! Schlichte, eingängige Disco-Liedchen, bestechend allenfalls durch ihren Einfalts-Reichtum. Alles nicht der Rede wert, dachte ich, aber mein Musikalienriecher scheint abzustumpfen. Die popmusikalische Aufblas-Barbie ist der neueste hype! Heavy rotation auf allen Fachkanälen, auf jedem Bildschirm neuerdings dieses bescheuerte kajalverschmierte Gepliere und das unsägliche erotischseinsollende Stripteasegezappel-ohne-Ausziehen, das da als Choreographie fungiert. Das ist ungefähr so sexy, wie meine siebenjährige Tochter, damals, als sie Mamas Pumps anprobierte und vor dem Spiegel den Vamp probte, den sie im TV gesehen hatte. Autsch.

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Verrucht wie Eierlikör: Lady Gaga

Jetzt war Lady Gaga auf Tournee, auch bei uns in der Nähe. Ich bin nicht hingegangen, aber weil ich mich für jeden Scheiß interessiere, habe ich mir die „Konzertkritiken“ in der Tagesfresse angeschaut. Die WAZ, eine unglaublich populistische Anbiederungshure unter den sog. „seriösen“ Tageszeitungen, in der man das Wort Kritik nur ungern in den Mund nimmt, fand den Auftritt wieder mal anbetungswürdig super & wow! Im Gegensatz hierzu hatten die Liberalkatholiken der „Rheinischen Post“ sogar tatsächlich jemand Kundigen zum Konzert geschickt. Sein Fazit: Fader Madonna-Klon, uninspirierte Mucke, perffekte, aber seelenlose Show. Und daß „Lady Gaga“ in Interviews ein paar Rilke-Zitate auswendig aufsagen kann und sich überhaupt gibt, als sei sie Andy Warhols illegitime Kopfgeburts-Tochter, das hat ihn auch nicht beeindruckt.

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Die Rezensionen vergleichend ging mir auf, daß das besondere an Pop-Kultur eigentlich ist, daß man andauernd irgendwas gut oder blöd finden kann, ohne das ernsthaft begründen zu müssen; mit dieser Gutfinderei drückt man dabei zugleich aus, was man für seine Persönlichkeit hält. „Eeeh, guck dir den Nerd da  drüben an, der hört bestimmt Placebo und so“. „Das ist so’ne Tante, die noch bei Herbert Grönemeyer ihr Bic-Feuerzeug schwenkt.“  Man kann Peter Fox gut finden, und sobald das zu viele tun, sagt man „Pah! Der!“ und schwört lieber auf Jan Delay. Und so weiter.

Schwieriger wird’s, wenn man Pop-Phänomene zugleicht gut und blöd findet. So geht es mir mit Graffiti. Ich bin bekennender Banksy-Fan, und es gibt Sprayer-Kunstwerke, die man genial nennen darf. Andererseits pflege ich gewisse Empfindlichkeiten, was Dilettantismus angeht, und die Milliarden uninspirierter, hässlicher, geschmackloser Namens-„Tags“, die von unfähigen Writern überall hinge-etched oder mit Edding hingemacht werden, nerven mich wie Neuköllner Hundedreck. Kurzum: Suberversive, geile Kunst, verbunden mit Untergrund und Mutprobe: Respekt! Pubertäres Namensgeschmiere zur bloßen Reviermarkierung: Bah! – Ich habe leider keinen Kontakt zur Sprayer-Szene, deswegen weiß ich nicht, wie die diversen Fraktionen zur Illegalität stehen. Ist die unverzichtbar? Gelingen richtig bombastische Graffiti nur unter Adrenalin-Höchstdosen, also nachts, gejagt von Polizei und Saubermännern? Oder darf man, wenn man ein Könner ist, auch mal legal zur Spray-Dose greifen?

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Im Rheinpark, in Duisburg-Hochfeld, hat mans mal versucht (vgl. Fotos). Der nagelneue Rheinpark wurde auf dem Gelände einer Industriebrache am Rheinufer angelegt, ein großzügiges Gebiet mit Promenaden, Rhein-Strand, Grünflächen, Biker- und Skater-Trainingsplätzen usw. Auf dem Gelände befinden sich noch die Fragmente einer alten Sinteranlage, Mauern von rund vier Metern Höhe und zwanzig bis fünfzig Metern Länge. Das Geld für Sprengungen hat man dankenswerterweise gespart und dafür lieber die besten Sprayer der Region eingeladen, die Betonbrocken künstlerisch zu bearbeiten. Die Ergebnisse, finde jedenfalls ich, können sich sehen lassen. Da waren überwiegend echte KönnerInnen am Werk. „Ordentliche Arbeit!“ möchte man sagen, wenn man nicht wüsste, daß dies für Sprayer eventuell kein Lob bedeutete. Auf alle Fälle machen die farbenfrohen Riesenkunstwerke mitten im Grün einen ganz eigenartigen, wenn man ihrer zum ersten Mal und unvorbereitet ansichtig wird, surrealen Effekt.

Wenn unsere Stadtväter mal eine richtige pfiffige Idee realisieren, was seltener vorkommt als ein Gastspiel von „Lady Gaga“ in unserem Stadttheater, dann finde ich das richtig gut und bin mit meiner Gutfinderei vielleicht sogar mal auf Seiten der Mehrheit.

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