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Ostern: Ein Vorschlag zur Güte

9. April 2009
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Ich bin gegen Kreuzigungen!

ICH MÖCHTE DAS BITTE NICHT!

Ich bin, schon von Berufs wegen, eigentlich aufgeschlossen, aber ich fürchte, an mir würden tausend Missionare zu schanden werden, ein Burn-Out-Syndrom, eine Sinnkrise oder das nackte Grausen bekommen. Glasperlen, Rosenkränze, gute Worte und frohe Botschaften scheinen an mir verschwendet. Ich bin da gar nicht stolz drauf. Ich meine, meinen Beruf ergreift man ja nicht, wenn man nicht einen Faible für komplett abgefahrene, spinnerte, irre oder um mehrere Ecken herum gedachte Hirngespinste besitzt. Ich fieberte bei den Abenteuern von Hegels „Weltgeist“ mit, auf seiner langen Reise „zu sich selbst“. Von Leibnitzens irgendwie seifenblasenartigen „fensterlosen Monaden“ hab ich geträumt; mit Descartes’ Captain Cogito hab ich auf der Brücke der Körpermaschine gestanden, mit Husserl das „reine Bewußtsein“ gesucht und mit Heidegger auf „das Sein“ und dessen Raunen gelauscht. Mit Nietzsches „Übermensch“ bin ich um die Häuser gezogen, hab Sartres „Ekel“ verspürt, in Ernst Blochs „Dunkel des gelebten Augenblicks“ einen Filmriss erlitten, ich habe gegen Marcuses „eindimensionalen Menschen“ gekämpft und bin mit Theodor W. Adorno in der Dämmerung dem „Nicht-Identischen“ begegnet.

 Aber es ist Ostern, das mich verwirrt und melancholisch stimmt. Speziell der Karfreitag, weil, Ostersonntag gibt’s ja Lamm, es wird Frühling und alles hat mit Recht gute Laune. Aber Karfreitag? Leute! Ich meine, die Vorstellung von einem gütigen Gott ist ja auf den ersten Blick recht hübsch, aber dann wird der auf eigenen Entschluß hin Mensch und zwar ausgerechnet auch noch als sein eigener Sohn, läßt sich alsbald auf grausamste, viehischste Weise zu Tode foltern, und zwar, wie ich gerade wieder lesen muß, das alles, um mich von meinen Sünden zu erlösen?! Also bitte! Das wäre doch nun nicht nötig gewesen! Ich will gar nicht mit Logik kommen, aber, wenn ich Schuldgefühle möchte, dann halte ich mich an meine Mutter, die es im Erwecken von Schuldgefühlen  mit jeder jüdischen Mamme spielend hat aufnehmen können. Ich möchte nicht, daß wegen meiner Sünden – Ladendiebstahl (verjährt), leichtes Übergewicht, zuviel Alkohol, Eitelkeit und Hoffahrt – jemand zu Tode kommt! Schon gar nicht auf so entsetzliche Weise! Da muß einer gar nicht unbedingt Gottes Sohn sein – ich bin prinzipiell und aus ganzem Herzen gegen Kreuzigungen. Ich will so etwas nicht!

 Und warum sagt Gott beim Jüngsten Gericht angesichts meines im Weltmaßstab eher bescheidenen Sündenkontos nicht einfach „Schwamm drüber!“ und setzt meinetwegen meine Strafe für 500 Jahre zur Bewährung aus, in denen ich auf Erden als Engel herumspuken muß und dabei helfen, Ehen zu kitten, verlorene Geldbörsen wiederzubeschaffen und armen Kindern Fahrräder zu schenken, beispielsweise? Das wäre wenigstens nützlich. Aber so? Ich glaube 50% meiner kindlichen und präpubertären Albträume gehen auf den in Kirchen stundenlang beglotzten zerschundenen Leichnam Jesu Christi am Kreuz zurück. Fürchterlich! Unter dem Einfluß von Kirchen-Liedern wie Paul Gerhardts unvergesslichem Hit „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ wurde ich zum morbiden schwarzen Romantiker, bekam eine schiefe Weltsicht und versäumte, u. a. aus Schuldgefühlen, viel guten, früh-adoleszenten Sex. Ich hätte eventuell sogar die himmlisch süße Angela aus dem Konfirmandenunterricht küssen können, wäre mir Jesu Blut und Wunden nicht dazwischen gefunkt!

 Ich hätte da einen Vorschlag. Zeit scheint ja keine Rolle zu spielen bzw. reversibel zu sein. Wenn Jesus für meine Sünden gestorben ist, die ich erst zweitausend Jahre später werde begangen haben sollen, könnte man das dann nicht auch irgendwie umdrehen? Also ich sündige nicht mehr, mäßige meinen Weinkonsum, treibe mehr Sport und bin charmant zur Gattin – und dafür läßt ER diesen ganzen Geißelungs- und Kreuzigungsscheiß, lebt schön weiter, heiratet seine Maria Magdalena, und Ostern feiern wir ganz einfach wieder Frühling, Fruchtbarkeit und den Beginn der Spargelsaison? Ich finde, damit wäre uns doch allen gedient! – Aber das ist jetzt naiv, oder?

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