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Brüderle im Geiste. Ein Gesinnungsaufguss

31. Januar 2013
I-B-2-01

Der Mann kann nicht aus seiner Haut! Wie? Kann er doch?

„Deutsche* Mädchen sind unwiderstehlich, der Zauber des Anorganischen… Viele Schmerzen sind besser als einer.“

Samuel Beckett, Brief an Mary Manning Howe, 30. 8. 1937

In meinen Kreisen, die freilich recht kleine Kreise sind, die von weitem eigentlich mehr wie Punkte aussehen, sehr, sehr wenige Punkte überdies, eigentlich kaum zu erkennen oder überhaupt der Rede wert, in meinen Kreisen also gilt es neuerdings als de la mode und unfein, sich über die allobwaltende Dummheit zu empören. Wie es schon ein alter Tao-Meister der Tang-Dynastie ausdrückte: „Der Jadefisch des Kaisers hat große Macht – aber kann er den Milchsee austrinken, in dem er schwimmt?“ Auch wenn ich den weisen Chinesen gerade erst erfunden habe – er hat doch recht! Mit unseren zierlichen Teelöffeln können wir den See der Imbezilität nicht trocken legen, auch wenn unser See, der mediale Jahrmarkt, nicht mit kaiserlicher Kamelmilch, sondern mit lauter Laberquark gefüllt ist. Der Laberquark hört auf das Unwort des Jahres, das ich ebenfalls frisch gekürt habe. Es heißt „Debatte“ und ist ein Unwort, weil ihm nichts entspricht, denn ein Tsunami im Teetässchen ist keine Debatte, sondern allenfalls ein erzpeinlicher, unbeholfen humpelnder Zwergenententanz ums Goldene Quotenkalb (Bambi)! – Heute ist mir nach großzügigen Metaphern.

Unser lieber, lieber Friedrich Hölderlin, der heuer auch schon 180 Jahre tot gewesen sein wird, erfand seinerzeit eigens einen Griechen namens Hyperion, um ihn vor Abscheu zitternd und total unheilschwanger seufzen zu lassen: „So kam ich unter die Deutschen…“ Diese wiederum kamen dann im Gegenzug nicht besonders gut weg. Die heutigen Deutschen, dicke, rosige Zwerge mit blanken, arglosen Idiotengesichtern sind nicht mehr satisfaktionsfähig und der Kritik von Großlyrikern gar nicht wert. Sie sitzen in ihren Werkstätten und treiben Allotria, zum Beispiel bei der Aktion LiLiPuT („Linke Linguisten Putzen Texte“), wo sie fromme Reinigungslieder summend vor großen Stapeln alter Kinderbücher hocken und, die Zungenspitze zwischen den Lippen, mit roten Wangen und Ohren, daraus das Wort „Neger“ ausradieren, wo immer sie es finden. Die Lage der so ungut Bezeichneten bessert sich bereits stündlich! Wenn sie mit den Fibeln durch sind, radieren sie bei Hesse, Kant und Shakespeare weiter, bis alles reinlich und fromm strahlt wie frisch gewichstes Resopal. Die vom Radieren übrig geblieben Fusseln stecken sie sich in die Stumpfnase. Die Deutschen!

Soll ich, ganz ausnahmsweise doch den Löffel mal ins enorme Gewässer tunken? Ach, was soll die blöde Konsequenz – ich tu’s einfach mal! Leider bin ich so furchtbar träge und aus Sicherheitsgründen schwer entflammbar, so dass ich dem Flächenbrand der „Debatte“ über „Sexismus“ wieder mal meilenweit hinterhaste, mit meinem Gießkännchen voll Öl, aber sagen will ich’s doch; und ich mache beim Schreiben sogar extra ein spitzbübisch-anzügliches Rainer-Brüderle-Gesicht, obwohl die Gattin schon rüberguckt und die Stirn runzelt. Also: Schlimm, schlimm, schlimm! ist der Sexismus alter Männer!

Der Sexismus junger Männer ist allerdings noch tausendmal schlimmer, wie ich aus biographischer Erfahrung weiß und hiermit bekenne: Einst hatte ich unkeusche Gedanken! Als junge, schüchterne Testosterondrohne vulgo glutjunger Pubertäts-Zampel litt ich nämlich unter starker Heterosexualität und daraus resultierender innerer Überhitzung; infolgedessen zog ich sündiger Begierde halber fast täglich Frauen aus, ganz nackend! Im Supermarkt, im Schützenfestzelt, am Freibadstrand, sogar auf dem Schulhof! Meine Phantasie war unersättlich, machte vor nichts und niemandem halt und wäre sexuell äußerst belästigend gewesen, hätte irgendjemand etwas davon mitbekommen (z. B. Mutti!), zu mal ich ein schlampiger Sexist war, der die Damen hinterher nicht mal wieder anzog, sodass sich achtlos beiseite geschobene, traurig verkrunkelte und zerknitterte Kittelschürzen, Dirndl und Business-Kostüme in beträchtlichen Haufen unter meinem Herrenhormonsofa sammelten. Ekelhaft! Mach das mal jemand weg da!

Später arbeitete ich hart an meiner Kultivierung, weil man mit plumper Anmache kaum das Herz intelligenter Frauen gewinnt, um die es mir aber kapriziöser Weise meist zu tun war. Von anderen Körperteilen ganz zu schweigen. Zwar heißt es: „Die Einfältigen erlangen das Himmelreich“, aber das ist, wie die meisten biblischen Weisheiten, stark mit Wunschdenken durchsetzt. Wie es der Zufall will, heißt die derzeitige Debatten-Weinkönigin Laura Himmelreich, ein Name wie von Thomas Mann oder Heinrich Böll erfunden, den beiden ungekrönten Königen übertrieben gebutterter Namenserfindung.

Frau Himmelreich trifft also nachts Herrn Brüderle an der Bar, wo er sich nach einem 15-Stunden-Politiker-Arbeitstag ein paar Gläser Wein gönnt. Ich gönne da durchaus mit. Und? Sagt sie vielleicht: „Trink, Brüderle, trink!“? Das wäre wohl zu nahe liegend. Stattdessen ranzt sie ihn aufs impertinenteste und altersrassistischste an: „Wie fühlt sich das an, in Ihrem Alter (!) noch (!) Hoffnungsträger der Partei zu sein?“ Was soll ein älterer, in Würden ergrauter, soignierter Herr auf so eine scheißblöde Anmache entgegnen? Vielleicht: „Und wie fühlt sich das an, unbedarft, weiblich, blond, frech und indezent zu sein?“ Tja, ich sollte sein Berater werden! Stattdessen zieht er sich leider, möglicherweise sind seine Wachsamkeit und sein Stilgefühl vom Wein etwas erodiert, mit verrutschten Halbanzüglichkeiten aus der Affäre. Was? Was Halbanzüglichkeiten sein sollen? Dumme Frage. Noch nie jemand halb angezogen gesehen?

Bedauerlicherweise zieht er sich damit gar nicht aus der Affäre, der Brüderle, sondern stolpert geradewegs in eine. Öffentlich! Mit Frau Himmelreich! Und mit zigtausenden weiterer Opferfrauen, die twitterhaft aufschreien, weil sie unter uncharmanten Männern und deren Flirt-Defiziten gelitten haben. Debatte! Debatte! Die Deutschen und der Sexismus! Ich würde mich, angesichts derartiger Hysterie, gern unter einer geschwätzabweisenden Burka verstecken! Und durchs Gesichtsgitter „Entschuldigung! Entschuldigung!“ greinen; andererseits beschleichen mich klammheimlich mitfühlende Solidargefühle. Wir sind halt Brüderle im Geiste. Und, ach, bei der Gelegenheit: Darf man eigentlich noch „Frauen“ sagen?

* Im Original heißt es bei Beckett: amerikanische Mädchen, aber das ist ja wohl kaum weniger sexistisch!

 

 

 

 

 

 

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Ontologische Verteidigung des Negers

19. Februar 2012

Eigentlich schwarz: Barry White

Statistiker sagen, im Geddo hausten Repräsentanten von 99 Nationen. Das ist aber Stand vorletztes Jahr, möglicherweise sind es heute schon 120, 130, man weiß es ja nicht. Einer der interessantesten Zuwanderer dabei ist der Neger.  Er lebt nur Freitag und Samstag Nacht hier im Geddo, dies praktisch ist der Tag des Negers! Unter der Woche geht er offroad dunklen Geschäften nach. Man sieht ihn nicht, er verteilt sich und macht sich dünne. Das ist natürlich ein Vorurteil, ganz klar, das sehe ich ein und entschuldige mich in aller Aufrichtigkeit. Ich bin beileibe kein Rassist, das liegt mir fern. Der große Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, wusste übrigens, obschon er zeitlebens über das Weichbild Königsbergs nie hinausdrang, vom Neger, dass dieser morgens seine Hängematte verkaufe und dann des Abends aber nicht wüsste, wo er sich betten soll. Diese Ansicht gilt aber als überholt. Heute verkauft der Neger Hängematten, die er gar nicht hat, und schläft abends im Hotel. Ha, ha, kleiner Scherz mit Gruß an die Nigeria-Connection. Zum Glück versteht der Neger Spaß!

Manche Leute haben Vorurteile, weil sie den Neger nur aus der Schlagerparade kennen; ich hingegen darf sagen: Einige meiner besten Freunde sind sogar Neger. Einer von ihnen heißt, was mir einen unversiegbaren Quell der Verblüffung darstellt, Wolfgang! Wolfgang Mbami-Goreng. Er ist sogar durchaus auf seine Weise ein bisschen sympathisch, aber wenn wir mal so auf ein Hirsebier zusammensitzen, kommt es noch immer vor, dass ich, von einem unwiderstehlichen Drang getrieben, meinen Zeigefinger mit Spucke befeuchte und vorsichtig  an seiner Haut reibe. „Wolfgang“, sage ich dann regelmäßig, „ich wollte es nicht glauben, aber du bist ja allem Anschein zum Trotz wirklich ein in der Wolle gefärbter Originalneger! Als kämest du aus Afrika!“ Wolfgang pflegt dann mit extrem weißen Zähnen zu lachen und haut mir gutmütig eins aufs Maul. Während ich mein Nasenbluten zu stillen versuche, lacht er noch immer generös: „Bruder, Blödmann, ich BIN aus Mother Afrika!“ Ich ertrage das wiederum , denn Diskuskulturen sind halt unterschiedlich.

Wolfgang findet Weiße aus Gründen, die ich nicht teile, aber nachvollziehen kann, etwas unappetitlich. Sie haben eine Haut aus Käse, können nicht tanzen und riechen irgendwie penetrant nach türkisblauen Klo-Steinen. Wir fremdeln also, aber mit Herz und Sinn für Völkerverständigung. Wär ja noch schöner, wenn wir den Neger nicht nach seinem Gusto hier leben ließen. Die Zeiten der Sklaverei sind vorbei, heute heißt das „keine Papiere“ und, na, haha, „Schwarzarbeit“.

Ich gelte ja als philonegroid. Die Frage ist, ob auch bulgarische Roma im weitesten Sinne zu den Negern gehören. Ich denke ja nicht. Lange Zeit habe ich vergeblich versucht, an ihnen was Gutes zu finden. Es wollte mir erst nichts einfallen. Wodurch bereichert uns kulturell der Roma-Bulgare? Wir verstehen ihn nicht, denn zumeist spricht er ein Türkisch mit heißen Kartoffeln im Schlund, es schollert und bollert, dass es einen graust, und die Hauptbeschäftigung des Roma-Bulgaren ist, nebst Akkordeon-Belästigungen im Innenstadt-Bereich und der Produktion von mindestens zehn Kindern, die Ablagerung von eklem Müll auf dem Bürgersteig. Lange Zeit, ich gebe das zu und entschuldige mich dafür, fand ich den Roma-Bulgaren nicht als Bereicherung.

Jetzt aber doch, denn er singt! Während Biodeutsche debil Thomas Gottschalck gucken, gruppiert sich der Roma-Bulgare zur Gemeinschaft und singt folkloristische Lieder. Polyphon, pentatonisch und heimwehzerfressen intonieren bulgarische Roma-Frauen herrliche Gesänge, die eindringlich über dem Geddo erschallen. Da kann der Muezzin einpacken mit seinem blöden Geknödel! Bulgarinnen singen, das ist von zahlreichen CDs bekannt, wie die Engel! Der Bio-Deutsche hingegen hat die schöne Praxis des gemeinschaftlichen Singens völlig verlernt!

Der Neger, technisch etwas mehr beschlagen, ist meistens ohrverkabelt und LÄSST singen, Reggae, Ska, Dub und 2Step, das ganze Programm auf dem iPod. Kürzlich sprach mich ein wildfremder Neger am Brückenplatz an: „Hey, Bro, aint it a perfect night to party?“ Ich bejahte dies freundlich. Wem Rassismus fremd ist, der kann dem Neger nichts abschlagen. Er ist halt durch seine komische Hautfarbe geschlagen, aber er ist doch immerhin auch EIN MENSCH! Soweit wage ich mich vor in der ontologischen Verteidigung des Negers! – Über den Juden dann ein anders Mal…

Vermischtes aussm Geddo

2. Oktober 2011

In vino... Die Gattin hat mich bei meinen Forschungen erwischt!

Die Gattin schätze ich unter anderem wegen ihrer Durchsetzungsfähigkeit, was manche für ein anderes Wort für Dominanz halten. Ihre Strenge macht auch vor Dingen nicht halt. Ich habe frisches Backwerk zum Frühstück mitgebracht, das auf dem Teller das Kunststück fertig bringt, einerseits noch ofenwarm, andererseits aber schon elend pappig und zäh dahinzusemmeln. Die Gattin säbelt und zerrt eine Weile mit wachsender Wut an dem Getreidegummi herum, wirft das Besteck hin, durchbohrt das Weichteil mit loderndem Blick und herrscht es schneidend an: „Du bist ein BRÖTCHEN, Mann!“ Das Teil, anstatt auf der Stelle knusprige Haltung anzunehmen, schweigt impertinent pampig und bleibt zäh. – Also ich hätte mich das nicht getraut!

* * *

 Anatol, der cholerische Alt-Punker kommt mir schon polternd im Treppenhaus entgegen geschossen. „Mann, Mann!“ donnert er die Backen aufblasend, „die scheiß Zigeuner die, du! Dat kann donnich wahr sein! Ich hab gezz aba ma die Feuerwehr gerufen!“ – Ursache seiner romakritischen Empörung ist die Vermutung, die ungeliebten bulgarischen Nachbarn hätten jetzt! auch! noch! ihre chronisch überfüllten Mülltonnen im Hof! angezündet! Na, zutrauen tät selbst ich denen das. „Echt jetzt?“ schüttle ich vorsichtshalber den Kopf und entdecke bei Augenschein-Recherche tatsächlich, dass der gesamte Block hinterwärts auf einen halben Quadratkilometer oder so in dichten, stinkenden gelbgrauen Qualm gehüllt ist. Herrje! Leute! Sah aus wie Seveso & Gomorrha bzw. Smog-Armageddon und Gift-Apokalypse. Meine Katastrophenschutz-Instinkte alarmaktivierend geh ich schnüffelnd und hustend, tränenden Auges den Giftschwaden auf den Grund: Und? Sowieso klar! Dieser Grund liegt mal wieder bei Nachbar Özgür, dem Experten für Stress & Belästigung aller Art – er probiert heute nämlich mal seinen neuen Grill aus. Weil ich Özgür ein bisschen auf dem Kieker habe, hoffe ich herzlos, die Feuerwehr rückt mal jetzt flink mit zwei, drei Löschzügen an, um ihm den Garten zu planieren.

* * *

So, was noch? Drüben gegenüber, im Hinterhof, tagt im grün-blau-goldenen Herbst-Delir wieder das Garagenkollegium, bei Bier, harten Eiern und sauren Gürkchen. Als halbes Vollmitglied werde ich einigermaßen enthusiastisch begrüßt und bekomme umstandslos ein Diebels sowie ein Klappstühlchen ausgehändigt. Das Wort führt gerade Sportrentner Horst, der mit den Erscheinungen hiesigen Ausländertums auf fundamentalem Kriegsfuß steht. Ginge man nur von seinen Tiraden aus, würde er bei der NPD als Rechtsabweichler verstoßen. Er ist aber nur gegen Ausländer, sofern sie im Allgemeinen existieren; im konkreten Fall hilft er, wo er kann. So hat er den kleinen Zoltan zur Einschulung begleitet, weil die armen Serbeneltern verhindert waren. In der Schule trieb man irgendwann die Kinder auf den Hof und holte die Eltern zusammen, die dann namentlich aufgerufen wurden, wodurch es dann auf jenes faszinierende Ereignis auskam und hinauslief, dass Horst, der eigentlich Schmitz heißt und Deutscher „aus Überzeugung“ ist, beim Aufruf „Milan Amir Kustranovic“ die Hand heben und laut „hier!“ schreien musste. – „So weit is datt schon“, klagte der Sportrentner nun, „dasse dich nichma mehr unter dein eichnen deutschen Namen melden darfs…!

 * * *

Der alte Blago, genannt Mazze, weil er gebürtig mutmaßlich aus Mazzzedonien stammt, ein Gründungsmitglied des Garagenkollegiums, weil es nämlich seine, euphemistisch als „Werkstatt“ titulierte, mit tonnenweise Geraffel vollgestapelte Garage ist, vor der wir tagen (das halb herunter gezogene Garagentor dient als „Marquise“), hat mit ca. 70 urplötzlich und pardauz! seine oberen Schneidezähne eingebüßt, was er mit einem umwerfend charmanten Lächeln quittiert, weil, seither kann er viel besser und genussreicher sein Flaschbier zutzeln; Mazze also hat neulich eine Fernsehreportage gesehen, und zwar über Kuba, und da sei ein Neger zu betrachten gewesen, der aus einer alten Zahnpastatube und einem Stück Schnürsenkel einen LICHTSCHALTER gebastelt hätte! Blago, selbst ein begnadeter Frickler und Bastler, ist ehrlich beeinduckt! Wir stoßen zu Ehren dieses Nobelpreiswürdigen kubanischen Bastelnegers mit einer weiteren Flasche Diebels an. Hoch lebe der findige Notneger! – Zumindest, sofern er in Kuba BLEIBT, beeilt sich Sportrentner Horst, hinzuzufügen.

* * *

 „ – Aber weisse, Proff…“, Horst kriegt beim Ausgraben längst verstorbener fixer Ideen schon wieder glasig-glänzende Augen, „…Proff!!! Wenn WIR ne Partei gründen würden! Unn du wärs unser Führer!“ – Geduldig erkläre ich zum abertausendsten Male, dass „Führer“ heute in Deutschland keine wirkliche berufliche Option mehr sei, und für MICH schon gar nicht; Horst indes, nach dem ca. zwanzigsten Diebels, nickt plötzlich resigniert und beginnt, von mir (in meinem Beisein!) in der dritten Person zu sprechen: „Der Proff“, wispert er versonnen zu seinem Bier, „weisse, der Proff, der hat sich zur Ruhe gesetzt! Der is bloß noch son ESS…, EXSCH…, nee, EXX-RE-VO-LU-SCHONNÄR“ – Womit er zweifellos Recht hat. „Horst, du Lieber“, pflichte ich bei, „du bringssas auffn Punkt!“ – Horst denkt drüber ca. halbe Stunde nach (wir köpfen derweil neues Flaschbier), und resümiert dann ausdrucksvoll rülpsend: „Ja, aber schade! Nee, echt gezz…“

 * * *

 Im Anschluss zieht man noch über den stadtteilnotorischen Neger her, wobei ich aber entschieden nicht mitmache. „Ooh nein, den durchschnittlich hier ansässigen Neger“, doziere ich streng, wir hatten dann schon mittlerweile noch ein par Diebels-Alt getrunken, „den Neger, jetzt mal als Idee und Praxis gesehen“, – Horst kriegt runde Augen, Vlado schläft schon und Andy, der seine Schlaghand seit Wochen in Gips trägt, grinst tückisch-verschwommen – , „den Neger an sich beanstande ich keinesfalls“ fabuliere ich weiter, denn dieser sei erwiesenermaßen „sprachlich ein Super-Chamäleon, ein Checker, Auskenner und begnadeter Durchwurschtler vor dem Herren, also praktisch wie du und wir“,  wobei ich den Sportrentner Horst etwas dämonisch anzwinkere, „und wenner mal im Park bisschen Ganja vertickt, ja, na gut, dann ja wohl in bescheiden kleinen Tüten…!“ Auf meinen Antrag hin konzediert das Garagenkollegium widerwillig, „der Neger“ gehöre zu denen, die im Geddo noch am wenigsten Mist bauen; ferner sähe er immer gut aus und spräche oft besseres Deutsch als die polnisch-westfälisch-niederrheinischen Eingeborenen. „Kannzze gezzz soo aunich saagn“, mault Horst.

 * * *

 „Wie, Proff? Willzze schon wiedda gehen?“ quengelt Horst später, als ich mich nach dem soundsovielten Diebels schwankend abmelde und verabschiede, „…watt is? Lässt dich die Frau nich EIMAA in Ruhe hier bei uns sitzen?“ Ich mach mich kerzengerade und erkläre hochwürdig: „Gezz lass meine Frau ma ausm Spiel, Horst! Die sitz nämich zu Haus und dressiert Brötchen!“ Dem Vernehmen nach tagte das Garagengremium noch bis in den tiefen Abend, um meine überraschend private Aussage zu entschlüsseln….

Name-Hopping, Shop with no cheer, mieses Karma

9. Februar 2010

Karma, noch brutto

Wer erinnert sich? Vor 19 Jahren erschütterten zwei epochale Umbenennungsnachrichten die geistige Welt Mitteleuropas: Leningrad wurde wieder in St. Petersburg umgetauft, und der Schokoriegelkeks „Raider“ hieß plötzlich „Twix“. Es muß in dieser Zeit nominaler Turbulenzen gewesen sein, daß auch der vertraute Grand Prix de la Chanson Européenne unvermittelt als European Song Contest wiederkehrte. In jenen Tagen hatten wir zudem die Nachricht zu schlucken, daß unser aller Onkel Ho (griffig: „Ho-Ho-Ho Tsch-minh!“) in Wahrheit als Nguyễn Sinh Cung geboren wurde, sich später in Paris Nguyễn Tất Thành nannte, um dann als Nguyễn Ái Quốc Karriere zu machen; rund 50 mal soll er seinen Namen gewechselt haben, bis er dann schließlich gütigst  mal bei Ho Tschi-minh blieb! –

Wir nahmen das aber als zerebrale Gelenkigkeitsübungen gelassen hin. Die Sprache wandelt sich ja fortwährend. Was gestern gewähltes Deutsch war, geht heute so was von gar nicht mehr! So konnte der Nobelpreisträger Hermann Hesse in seinem „Steppenwolf“ (1927) angesichts bestimmter Jazz-Musik noch gemütvoll von „unverlogener Negerhaftigkeit“ schwärmen, was wir heute selbst im außermusikalischen Bereich besser unterlassen möchten. Der Neger wurde bekanntlich in Schwarzer, dann in Afroamerikaner oder Farbiger umbenannt, oder er heißt auch schon ganz zivil wie wir, z. B. „Herr Häuptling Wumbaba“.

Die meisten Namensänderungen ändern am Inhalt des Bezeichneten nichts. Meine Gattin etwa ließ sich bei unserer Eheschließung zwar großmütig umbenennen, aber die Tatsache der heiratsbedingten Übernahme meines Nachnamens tat ihrer ausgeprägten Unabhängigkeit und Souveränität nie einen Abbruch. Nach meiner Beobachtung sind es vor allem, und wahrscheinlich verständlicherweise, Transsexuelle, die ihren Übertritt zum anderen Geschlecht auch namenstechnisch dokumentieren möchten: Klaus wird zu Claudia, Babsie zu Barthel, Paul Neger zu Pola Negri. (Nur  Kim könnte theoretisch Kim bleiben…) Und, um zur Sache zu kommen, die Geschäfte des Discounters „PLUS“ (Früher mal ein Akronym für „Prima Leben und Sparen“) heißen jetzt … wie? Nein, nicht „MINUS“, aber doch fast, nämlich „netto“. Netto – guter Name, oder? Neddo klingt nach Geddo, nach billig, nach „ich brauch keine Rechnung“ vulgo Schwarzarbeit und nach „Is-vonner-Paledde-gefalln“-Waren“.  Ein Name wie „Du darfst“ oder „Nimm Zwei“. Ein „Badedas“ fürs Portmonnaie: „Netto“! (Ich bin doch nicht blöd und zahl brutto! Oder?)

Nach aufhübschender Sortimentskosmetik und div. Geschmacksverdedelungsvorspiegelungen äußerlicher Art eröffnete jetzt das berüchtigte PLUS als Neo-netto neu: Ta daa! Und ist doch im Prinzip das alte geblieben. So wie die indische Millionenmetropole Bombay nach ihrer Umbebennung in Mumbay kein bißchen weniger Elend beherbergte, herrscht auch beim Discounter hier im Geddo noch die gleiche Tristesse: Fast erloschen, wie Energiesparlampen, leuchten die Augen der Punsch-Penner und Booze Brothers, die hier ihren Billigfusel kaufen; auf dem Boden stinken Bierlachen; in der Schlange flucht und murrt es marrokanisch, libanesisch, kurdisch, bosnisch und bulgaro-türkisch; die wenigen AngestelltInnen sind völlig überfordert, gestresst, gereizt und zu allem Überfluß, als herrsche ein entschlosssener Wille zum Netto-Gesamtkunstwerk, allesamt auch noch frappierend hässlich, übergewichtig und ausgesucht uncharmant. Ich weiß, es hat evtl. einen sexististischen Unterton, für den ich vorab um Verzeihung bitte, aber manchmal rauscht mir so etwas direktemang am Hirnzentrum für political correctness vorbei ins Bewußtsein: Hier brüten am Scanner Damen, die mal hübsch „brutto“ bleiben sollen, weil „netto“ mag man sie sich lieber nicht vorstellen. („Pfuii! Chauvi-Schwein! Menschenverächter! Stürmer-Stil!“ schallt es mir aus dem Publikum entgegen. Aber ihr habt leicht reden, ihr steht ja hier nicht in der Schlange!)

Apropos: Über den Kassen protzt ein riesiges Poster mit der kackfrechen Behauptung, es würde, warteten mehr als fünf Kunden in einer Schlange, jeweils automatisch eine weitere Kasse geöffnet. Das ist, so stellen wir rund 20 (!) Kunden-Kanaken in der Warteschlange übereinstimmend und sarkastisch grinsend fest, entweder brutal gelogen, oder man baut darauf, daß jeder zweite Kunde der Lektüre eines deutschen Satzes ohnehin nicht mächtig sei. Da würde ich aber nicht drauf bauen, auf Dauer.

Ich weiß nicht, ich habe das Gefühl, dieser Laden, gleichviel, wie er gerade heißt, muß unter einem miesen Karma leiden: Auch trotz Buntwäsche, Frische-Makeup und Hip-Gloss will er mir irgendwie traurig, lieblos und entmutigend vorkommen. Auch wenn das Sortiment jetzt erweitert wurde: Ein Lächeln findest du noch immer nicht im Angebot.