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Abrissbirnengeist am Klotz

18. Januar 2011

Der Klotz.

„Seht, was geschehn, steht jetzo nicht zu ändern.
Der Mensch geht manchmal unbedacht zu Werk,
Was ihm die Folge Zeit läßt zu bereun.“

(Shakespeare, „Richard III.“)

Jahresanfang – noch Zeit der guten Vorsätze: Unbedingt wieder radikaler werden! Weniger Geduld und Gelassenheit! Den Sprengstoffgürtel enger schnallen! Mehr Mut zum Nichts oder wenigstens höherem Blutdruck! – Jedenfalls, seit unser Bau- und Planungsdezernent jüngst öffentlich davon träumte, „große Stadt-Teile Duisburgs … abzureißen“, laufe ich mit ganz anderen Augen durch die Stadt. Wo lohnt sich das denn? Was könnte jetzt gut schon mal weg? Den Kopf voll schwurbeligem Abbruchsbirnengeist streife ich durchs Viertel und schwelge in destruktiven Phantasieen, führe Abrißlisten, pflege gute Sprengvorsätze und schwinge den Abbruchs-Vorschlagshammer.

Zum Beispiel hier: dieser ungeschlacht wuchtige Backstein-Trumm am Anfang der Friedenstraße! Was ist das denn überhaupt? Wer baut denn solch festgefugten Unfug? Lange Zeit habe ich den Riesenhaufen Bauunglück aus dem Augenwinkel betrachtend für eine besonders grässliche, aus der wilhelminischen Zeit stammende Kirche gehalten. Applizierte Mosaiken, gemauerte Rundbögen und spitzwinklige Giebelchen hier und da  bestärkten mich in diesem Irrtum. Indes, selbst die hässlichsten Gotteshäuser (Gott im Plattenbau?) haben nicht derart kleine Fenster, und hinter den Back-Ziegeln von Kirchen verbergen sich in aller Regel auch nicht meterdicke Beton-Wände.

Kurzum, es handelt sich gar nicht um eine Kirche, sondern um ein herausragendes Monument des Wirkens unserer Nazi-Vorfahren, den grandiosesten Ruinenbaumeistern der Neuzeit. Ihnen gelang Innovatives: Ganz Deutschland in Trümmer zu legen und zugleich Bauwerke zu schaffen, die sich offenbar in Jahrhunderten einfach nicht kaputt kriegen lassen. Wie tote, aber unzerstörbare Zähne ragen die Hochbunker im faulen Maul des Geddos: Zu hässlich und gemein, um stehen zu bleiben; zu klumpig, trumpfmotzig und blöd betonbullig, um sie rationell wegzubomben; andererseits zu idiotisch widersinnig verbaut, um sie einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Dieser hier, heißt es, war einst ein sog. „OP-Bunker“, eine Art verbarrikadiertes Kriegs-Lazarett, in dem es sich noch gemütlich Beine amputieren ließ, wenn sich draußen über der Stadt schon die Royal Airforce austobte.

2009 geisterte durch die Bezirksvertretung das Gerücht, eine Investorengruppe wolle „Büro- und Wohnräume“ darin einrichten. „Na, dann wünsch ich schon mal viel Spaß mit den Heizkosten!“, dachte ich noch, aber es blieb eh, wie fast alle hochmögende Stadtplanung in Duisburg, heiße Luft, oder wie Lichtenberg sagte, „ein wehendes Vakuum“.

Der Klotz hockt weiter in seiner verstockten Mehrstöckigkeit und mahnt stumm vor sich hin. Kein jugendfroher Vandalismus und kein delirierender Stadtplaner kann ihm etwas anhaben. Selbst zu Graffitti fordert er seltsamerweise nicht wirklich heraus. ’So dauerhaft wie ich ist nur die Dummheit’, besagt er. Freilich kann man bezweifeln, dass die täglich dran vorbeiziehenden Völkerscharen einen Schimmer haben, was es mit dem Backsteinwerk auf sich hat. Man kann noch nicht mal eine Moschee draus machen. Aber weil jetzt drüber nachgedacht habe, kann man ihn ja zum Denkmal erklären, den Klotz.

 

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Kirche, Kunst, Wurst

22. Oktober 2010

Protzblitz: der Dom!

Abgesichert durch Geistesmagistertum und Hochkulturjob leiste ich mir gelegentlich entspannungshalber und stimmungsabhängig Anfälle braatzbrutalen Banausentums. An solchen Tagen gönne ich mir die Exzentrizität, megalomanisch bombastischen Kirchenprotz, selbst wenn er steinalt und kunsthandwerklich erste Sahne zu sein scheint, dennoch hässlich und gemein, zumindest undelikat und indezent zu finden. So ist für mich beispielsweise unsere Duisburger Moschee (die größte in Deutschland), von der die harmoniesüchtige Integrationspresse behauptet, „der Volksmund“ (ha!) nenne sie „das Wunder von Marxloh“ (in Wahrheit bloß eine dieser bescheuerten, ekelhaften Medienfatzke-Quatsch-Erfindungen), architektonisch nichts als eine brunzdoofe altosmanische Herrentorte – einfallslos, rückwärtsgewandt und ein Relikt aus der Durchschnarchzeit von Sultan Selim dem Unseligen, auch wenn oder gerade weil sie jüngst neu gebaut wurde. Ein „Wunder“ ist lediglich, dass deutsche Baubehörden so etwas genehmigen! Aber keine Angst, mein Amok-Lauf macht vor dem christlichen Abendland nicht halt.

Der Erfurter Dom zum Beispiel. Mann, Mann, Mann. So eine hybride, offen geistesverwahrloste, beschämend demutvergessene und satanisch hoffärtige Aberglaubensfestung! Todsünde der superbia. Ein ärgerlich motzmördermonströses Monumentalgebirge aus Stein und Bein vulgo eine gigantomanische, petrifizierte Weihrauchvergiftung! Sturblöde, dummdreist auftrumpfende Einschüchterungsarchitektur von Bischof Kinderschreck, patzig und erzkatholisch anmaßend auf den Hügel geklotzt und präpotent selbstverknallt in den mitteldeutschen Himmel geschraubt, menschenfeindlich und gottbesoffen, selbstherrlich, herrisch und hochmögend wie sonst nur der Turm zu Babel oder der Dom zu Köln! Das ist donnich schön! So wohnt nicht Gott, sondern der Anti-Christ. Feige ducken sich die Stadthäuschen unter dem dräuenden, absurd lächerlichen Albtraumschiff. Thüringer und Touristen ziehen bänglich die Kopf zwischen die Schultern, wenn sie zum finstren Mons Trumm hochgucken: „Manno, det Ding lässt sich janichma in eim Stück knipsen, Mensch!

Der Mensch, die Laus. Damit er sich noch kleiner, erbärmlicher und insektenhafter fühle, haben die Erfurter vor dem kathedralen Fossil-Dinosaurier einen weiten, leeren Platz gelassen, so riesig, dass es für ganze Kirchen- oder Reichsparteitage reichte! Man muss sich das mal vorstellen! Ausgerechnet Erfurt, die zipfelmützig verschnarchte „Landeshaupt“-Stadt unmodern beengter Gassen, treudeutscher Touristen-Tristesse und verwinkelter, windschief und haltlos sich aneinander klammernder Fachwerkbutzen klotzt mit einem innerstädtischen Freigelände, auf dem sich sämtliche erzabbauenden Zwerge des Erzgebirges versammeln könnten, um „Hosiannah“ zu schreien.  („Hosiannah“ ist übrigens aramäisch und heißt so viel wie „Herr, hilf bitte!“) Der Herr kommt und hilft aber nicht, ist ihm hier viel zu zugig und ungemütlich. Ich wundere mich aber nun nicht mehr, dass Luther ungefähr hierorts erstmals den Plan fasste, die aufgeblähte Mutter Kirche mal wieder auf den Teppich der menschlichen Realitäten herunter zu holen. Jedenfalls mich, den gewisse spät-byzanthinisch-frühromanische Basiliken (wie auf Torcello in der Laguna della Venezia) schon zu Tränen der Ergriffenheit rührten und an den Rand der Konversion brachten, ließ die monströse Monstranz spirituell kalt wie eine heidnische Hundeschnauze.

Gute Wurst, gutes Karma

Indes: Ganz unten links auf dem frommen Aufmarschgelände unter dem Dom steht in vorbildlich demütiger, wahrhaft christlicher Bescheidenheit eine andere, wesentlich menschenwürdigere Kathedrale thüringischen Kulturschaffens: Ein alter Mann, eng umhüllt von einer dünnen, niedrigen, schief gewachsenen Blechröhre, aus der heraus er ehrliche, ungemein preiswerte Rostbratwürste verkauft, der Region bescheidenen Beitrag zum Weltkulturerbe. Diese Bratwürste sollen ja in ganz Thüringen weltberühmt sein! Also reihten wir uns, von der mühseligen Dom-Besichtigung (diese Freitreppe allein! Eine Bußfertigkeits-Turnübung!) noch flauen Magens, geflissentlich in die Käufermenge ein. (In Erfurt steht man halt Schlange, nicht weil man müsste, sondern weil man es von früher her so gewohnt ist.)

„Und? und?“ beben die Leser vor Ungeduld, „wie ist die denn nun so, diese berühmte  Weltkulturerbewurst?“ – Hm, nun, eigentlich … gar nicht schlecht. Schmackhaft, doch. Leicht und unfettig, die Haut, der Darm, zart wie unschuldige Jungfrauenhaut, das fluffige Brät ohne Phosphat und anderen teuflischen Scheiß- und Schwefeldreck. Eine gottesfürchtige Wurst, wie sie in der Bibel steht: „Dein Wort sei ja, ja, nein, nein.“ Bzw. „Ich hätte – ja, ja! – gern noch so eine!“ Experten, die sich auch gern Glaubenskriege über die einzig wahre Curry-Wurst oder andere Trivialitäten liefern, werden mir sagen können, ob die auf dem Dom-Platz dargereichte Bratwurst auch zu Thüringens Ehre gereicht und „authentisch“ ist.

Als ketzerischer Häretiker, Renegat und Eklektiker, der sich aus jeder Religion nur das beste nimmt, halte ich es hier mit dem Hinduismus: Anderen Leuten was Leckeres zu essen zu geben, macht gutes Karma. Der Dom hingegen machte mir schlechte Laune. Gut, die Orgel war soundmäßig eine Bombe, und es hingen viele so komische halbrunde Bilder an den Säulen, vom finsteren Mittelalter schon ganz eingedunkelt. Sie zeigten im Wesentlichen, dass die Leute früher noch nicht so gut malen konnten. Der düster überschnörkelte Hauptaltar, unter der Last seines frühbarocken Deko-Schmonzes fast zusammenbrechend, offenbarte, dass die gemeinsame Basis aller Glaubenssysteme eine hysterische, überkandidelte  und hirnvernebelnde Art von selfmade-Voodoo ist. Singen, Tanzen, Hühnerschlachten, Bauen – alles der gleiche Wahn.

Im Vergleich also: 1:0 für Thüringer Wurstigkeit!

 

Hier die podcast-Version, vom Autor gesprochen, unter Verwendung eines Loops vom Esbjön Svensson Trio („Behind the yashmark“)

erfurt



 

Kosmopolitische Vampir-Pornos im Paralleluniversum

25. April 2009
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Paralleluniversen sind denkbar!

BIZARRES VON NACKTEN DÄNINNEN UND ALGERISCHEN GRUPPENRAUCHERN

Was Naturwissenschaften angeht, hab ich nur die Ahnungslosen-Fakultät der Wikipedia-Universität besucht, aber es heißt, seit 1957 gäbe es Quantenmechanik-Experten, die innerhalb „unseres“ Multiversums von einer unbegrenzten Zahl von Paralleluniversen ausgehen. In diesem Zusammenhang belehrt man mich: „In den meisten Universen ist wegen der ungünstigen Werte kein Leben möglich – in anderen jedoch schon. Das beobachtbare Universum gehört zu der Teilmenge von Universen, in denen intelligentes Leben möglich ist, sonst könnten wir diesen vermeintlichen Zufall nicht beobachten.“ Schön. Erfreulich. Daß intelligentes Leben zumindest theoretisch für möglich gehalten wird, erfüllt mich mit einer gewissen Befriedigung.

Das erste Mal, bei dem ich das Gefühl hatte, versehentlich kurz ein Paralleluniversum besucht zu haben, ereignete sich in meinem 16. Lebensjahr, und zwar in Mantes-la-Jolie, einer mittleren Industriestadt 50km vor Paris. Eines Abens verließ ich verbotswidrig meine Schülergruppe, um den Ort zu erkunden, der von bereits Ortskundigen mit „abgesehen von der Kathedrale absolut extrem öde“ recht schmeichelhaft beschrieben wurde. Da ich des Französischen nicht wirklich, des Arabischen gleich überhaupt gar nicht mächtig war, folgte ich einfach, in respektvollem Abstand, einigen dunklen Gestalten, die, den Kragen ihrer Kunstlederblousons hochgeschlagen, verstohlen stadtauswärts strebten. Solchermaßen verstohlen irgendwohin Strebenden zu folgen hielt ich für eine gute Idee, um eventuell etwas Abenteuerliches oder wenigstens Sinnenaufpeitschendes aufzutun. Vorsichtshalber schlug ich meinen Kragen auch hoch.

Irgendwann schlüpften meine unfreiwillgen Führer durch eine Tür in ein Fabrikgebäude oder eine Lagerhalle (in Wahrheit: das Paralleluniversum!), und ich rechtzeitig hinterher, um zu sehen,wie sie einer Art Pförtner ein paar zerknitterrte Francs-Scheine zuschoben. Auch das, – wenn schon, denn schon! – tat ich ihnen klopfenden Herzens nach. Sekunden später ging es durch ein Schwingtor hinein: Vor mir öffnete sich ein im Halbdunkel riesig wirkender, leerer Saal mit einem etwas abschüssigem Boden aus festgestampftem Lehm. In fahl flackerndem Nebeldunst machte ich etwa drei bis vierhundert Algerier aus,  mangels jedweder Bestuhlung in Gruppen zusammenstehend, unentwegt Arabisches aufeinander einmurmelnd und ansonsten intensiv vom Rauchen enormer Mengen maisgelber Gitanes beansprucht.

Erstaunlicherweise hatte kaum einer der Nordafrikaner mehr als einen flüchtigen Seitenblick für die große Kino-Leinwand an der Stirnseite des Saales übrig, wo – ich bitte dies als reine Tatsachenwahrheit, und nicht etwa als übertreibende Fiktion zu nehmen! – in schwarz-weiß gedrehte dänische Vampir-Pornos mit arabischen Untertiteln liefen! Soweit ich das durch den dichten Zigarettendunst identifizieren konnte, drehte sich der Streifen in der aktuellen Phase wesentlich um zwei Damen (Typ Robuste ländliche Unschuld), die man in einem Labor splitternackt an die Wand gefesselt hatte, um ihnen mittels einer sadistisch anmutenden Apparatur sämtliches Blut abzuzapfen. Mit den aufgerissenen Augen eines bis dato doch eher behüteten Provinzjugendlichen beglotzte ich fassungslos die armen Entblutenden, die sich beiderseits durch opulent gestaltete, birnenförmige Naturbrüste (ohne Silikon damals) und ebenso beeindruckend naturbelassene Schamdreiecke (Wir sind in den 60ern!) auszeichneten, und ansonsten einander recht dringlich dänische Verzweiflungsschreie zuriefen, was die herumlungernden Algerier jedoch entweder kalt ließ oder möglicherweise sogar insgeheim amüsierte – anmerken ließen sie sich jedenfalls nichts. Mir aber schoß, wie so etwas ja vorkommen kann, plötzlich eine Liedzeile aus Peter Sarstedts Song „Beirut“ durch den Kopf: „And there stood I, the complete anti-heroe, brilliantly alone…“

Da stand ich, der jungfräuliche gymnasiastische Provinz-Zimperling und wohlgebügelte Seitenscheitel-Kadett, zum ersten Mal länger als drei Tage von Mutti fort, mutterseelenallein unter lauter herzlosen, womöglich dänen-feindlichen Arabern oder Berbern am Ostpol oder Blinddarm der Welt, lauschte dort verständnislos dem steten Gemurmel fremdartiger, wie Gebete klingender, kehlig krächziger Sprachfetzen, und versuchte dabei angestrengt, cool an den zusehends blutärmeren nackten Schwarz-Weiß-Däninnen vorbeizuschauen. In diesem Moment bekam ich den Paralleluniversums-Flash und wähnte mich für einen erlesenen, wenn auch hochbefremdlichen Moment in einer überwirklich großen Moschee einer in „unserem“ Universum unbekannten Version des Islam, in der man offenbar nackte Däninnen anbetet und ihnen mit Fleiß und konzentriertem Ernst fortwährend Rauchopfer von filterlosen dicken Gitanes darbietet! – Es war dies zweifellos die bizarreste Erfahrung meines damals noch jungen Lebens und die existenzphilosophische Frage: „Was, zur Hölle, MACHE ich hier?!“ brach sich mit aller Gewalt Bahn, fand aber, wie später auch meist, keine Antwort, sondern blieb in Gestalt eines stumm-bedrohlichen Rätsels oder Fragezeichens über meinem Kopf schweben, jedenfalls, wenn ich der Protagonist eines Cartoons wäre.

Soweit vorab und als teaser die erste Begegnung mit gleich zwei Weltphänomenen, die mich im nächsten Bericht noch weiter beschäftigen werden: Der Frage der Paralleluniversen und … dem Vampirwesen.

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VAMPIRESK: IN TEIL ZWEI KOMMT ES NOCH DOLLER!