Posted tagged ‘Mario Barth’

Och nö

26. Juni 2011

Wird demnächst Gärtner*

Keine Ahnung, ob es das heute noch gibt: Als Kinder hatten wir so Blechröhrchen mit Seifenlauge drin. Dort hinein tauchte man eine Art Drahtschlinge am Stiel, und dann konnte man damit bunte Seifenblasen pusten. Begeistert patschten wir in unsere Kinderhände! Die frühe Faszination für das schillernde Nichts bereitete uns so auf die Medien des 21. Jahrhunderts vor. Als Medienkonsument verfüge ich daher heute über ein gerütteltes Maß an Abgebrühtheit. Mir ist schon bewusst, dass das meiste, was ich lese, höre und sehe, aus grobem Unfug, Kasperlkram und aufgeschäumter heißer Luft zusammengesetzt ist. Wie Bob Dylan schon in den 60ern sang: „It’s all phoney & propaganda“. Mit stoischen Gleichmut lasse ich mir täglich den kruden Brei vorsetzen, der von Quoten-Idioten als „Wirklichkeit“ ausgewählt wurde. Gutgläubigkeit hab ich ja schon mit der pommerschen Muttermilch aufgesogen.

Nur ganz manchmal schaue ich irritiert auf den Kalender (schon wieder 1. April? War doch gerade erst…) und blicke mich nach verborgenen Kameras um. Verstehe ich Spaß? Das ist so ein Gefühl wie in dem Film „Die Truman-Show“, wo einer in einer inszenierten Reality-Soap aufgewachsen ist und dann fällt plötzlich ein Scheinwerfer vom Himmel über der Kleinstadt. So ein Erlebnis latenten Veralberungsgefühls hatte ich gestern bei der Lektüre einer Nachricht (SPIEGELonline, schätz ich mal), derzufolge sich demnächst die Machthaber Afghanistans, Pakistans und des Irans zu einer Konferenz treffen wollen, und zwar, um über die „Bekämpfung des Terrorismus“ zu debattieren. Vertreter Somalias und des Sudans sollen auch teilnehmen; nicht gemeldet, aber doch wahrscheinlich wird sein, dass auch Repräsentanten Tschetscheniens, der syrisch-libanesischen Hisbollah und der Hamas aus Gaza mit am Tisch sitzen.  Bloß Gaddafi ist momentan verhindert. – Kinder, das wird was geben! Oder wie der Korrespondent der „Bäckerblume“ gern schreibt: Man darf gespannt sein!

Menschen, die so etwas ernst nehmen, wundern sich auch nicht, wenn Mario Barth Bildungsminister wird oder die Jahreshauptversammlung des Dachverbands der Taschendiebe über den verbesserten Schutz des Privateigentums diskutiert. Wenn dereinst eine Weltrepublik gegründet wird, dann wird sie Absurdistan heißen. So, Schluss jetzt, ich muss Nachrichten gucken – man will doch informiert sein, oder? Nee, war bloß Spaß. In Wahrheit heißt die Antwort: Och nö.

[Da die WordPress-Technik zur Zeit bei Bildunterschriften herumzickt, trage ich hier die Foto-Quelle nach: Das BIld stammt vom Tierheim Kronach, dem ich viel Erfolg bei der Vermittlung des säuberlich ausgewogenen, schwarz-weißen Ziegenbocks wünsche. Gärtner werden ja immer gesucht…]

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Kultur im Geddo. Vorm Fernseh Amok laufen (Jahresrückblicke)

30. Dezember 2010

Little pic, big deal: Duisburgs "Broadway"...

KILLING ME SOFTLY

Für mike-o-rama, anlässlich eines freudigen Ereignisses (Geschenktext)

Als Terrorist und Amokläufer bin ich ungewöhnlich sozialverträglich. Wenn ich hyperventiliere, Schaum vorm Mund habe und mit fahrigen Fingern nach meiner Waffensammlung taste, kriegt das gottlob selten jemand mit, denn das mach ich meist in meiner stillen Mönchsklause vor dem Fernseher aus, mit mir ganz allein. Und wegen ihm. Tosende Weltverachtung und würgender Menschenhass ereilt mich praktisch nie in der Realität, die ja ungefähr so interessant ist wie nass gewordenes Mischkorntoastbrot, sondern vorwiegend vor der seifenblasenbunten, hirnzerschmeißenden, unentwegt logorrhoe-haft vor sich labernden Idiotenmaschine, von der ich als süchtiger Rentnerkrüppel und Freund herostratischer geistiger Selbstmordkommandos halt nicht loskomme.

Ja, ja, Freunde, lasst Eure sedativen Beschwichtigungsspritzen ruhig stecken: Dass es auch Arte, 3sat und Phoenix gibt, weiß ich selber, und ich bin schon bis zum Rand vollgebildet mit kulturell wertvollen Reiseberichten, Tierfilmen und Kultur-Features (rülps!). Aber leider guck ich, süchtig und verblödet, wie ich bin, zudem unter Insomnia leidend, auch noch wie geisteskrank in den sumpfigen Abgrund bodenloser Nichtigkeit, dessen Anrainer teils die privaten, teils die öffentlich-rechtlichen Hirnwegsauger darstellen.

Was mich derzeit in die Raserei treibt, wie eigentlich vorhersehbar jedes Jahr, sind Jahresrückblicke. Teufel noch mal und tausend jaulende Höllenhunde:„Jahresrückblicke“! Man reiche mir rasch ein Anti-Emetikum! Was für ein absolut geistfernes, redundantes, dumdum-hohlgeschossiges und zutiefst viszeral ennuyierendes Genre! Am bewusstlosesten, toxischsten, übelkeitserregendsten und fauligsten: Satirische Jahresrückblicke! Und ich muss mir diesen niederschmetternden, grundstürzend saublöden Mist auch noch angucken wie ein sabbernder Katatoniker! Ich wühle in gebührenfinanzierten Mediatheken wie andere Leute in der Nase bohren – krank- und zwanghaft, obsessiv und wie vom Gottseibeiuns hypnotisiert.

Auf dieser Spur in den Untergang stieß ich gestern in der ZDF-Mediathek auf einen Nichtigkeitswichtelschwulen und Tiefflieger-Klamaukclown namens „Dieter Nuhr“, und zugleich damit auch auf die Tatsache, dass wir, was ich ganz vergessen hatte, obschon ich täglich dran vorbeiradle, hier im Geddo, gleich visavis vom Großpuff, ja auch einen schick verwahrlosten Kulturverhöhnungstempel besitzen, das „Theater am Marientor“. Dieses „Theater“ hat freilich mit Kultur so viel zu tun wie das kasernenartige Mega-Bordell für notgeile Migranten-Machos, das gleich schräg gegenüber in Steinwurfweite (würfe nur mal jemand einen Stein!) einen gesamten veritablen Straßenblock einnimmt, mit nervenzersplitternder Erotik und romantisch aufwühlender Herzensglut.

Vor reichlich gut einem Jahrzehnt wurde der Kulturhurentempel mit einem Riesenaplomp und medien-nuttig hinreißend gespieltem Print-Orgasmus eröffnet, wobei sich die regionale Presse die opportunistisch-wohlfeilgeilen Wichshände geradezu wundklatschte, weil der Muschi-Musen-Tempel angeblich unser gesamtes Drecksgeddo wie durch ein Wunder in eine blühende Hotel-und Gastrolandschaft verwandeln würde. Die ganze Welt nämlich würde nun, so prophezeite die allzeit für ein paar Euro (ohne Gummi!) käufliche Lokalpresse noch vorgestern, nach Duisburg-Hochfeld (!) strömen, um dort sog. „Musicals“ zu bestaunen! Ja, klar, sowieso! Wie gut, dass unser Alzheimer-Volk so gut wie kein Kurzzeitgedächtnis besitzt! Schrill lachend würde man andernfalls die erwähnte Lokalpresse (WAZ, NRZ etc.) auf Papier … nurmehr zu hygienischen Zwecken benutzen!

„Musical“-Produktionen starben, als Geldanlage, bereits und bekanntlich bereits in den 90ern, als man den künstlichen Kleinkunsttempel gerade erst rendite-geil ins Geddo pflanzte. Hochfeld wurde, surprise!, weder zu einem zweiten Broadway noch auch nur zu einem dritten St. Pauli inkl. Spielbudenplatz. Selbst in puncto Verkommenheit ist Duisburg nur zweite Wahl und Möchte-gern. Es verweste einfach, von einer Insolvenz zur nächsten taumelnd, als fade Erinnerung an feuchte Stadtväterträume, des Inhalts, man könne mit ein paar ergaunerten und extrem windigen Investitionen aus einem Höllenpfuhl ein In-Viertel machen.

Über Wasser hält man sich daher jetzt, schlecht & recht, mit Dritt-Verwertungen oder, wahlweise, Auftritten sog. „Comedians“, deren erbärmlich sinistre Fehlbemühungen man dann, wenn man genügend Zuschauer gekauft oder gekobert hat, vom ZDF (!) abfilmen und „zwischen den Jahren“ skrupellos wegsenden lässt. So also kürzlich diesen peinlichen, peinvollen, fremdschamschwitzenden, definitiv nichtswürdigen Kommunalclown „Dieter Nuhr“.

Ich schreibe keine Event-Kritik – diese Figur ist lediglich exemplarisch für das, was das„Theater am Marientor“ darbietet, schamfrei offeriert und rückhaltlos für sein Aushängeschild hält. – Ich meine, richtig BEGRIFFEN habe ich es nie, dass bummlig vier- oder fünfhundert Leute jeweilen rund 35 Euro zahlen, um dann anderthalb qualvolle Stunden einem ameisengroßen Hansel zuzuschauen und brav zu applaudieren, der auf einer statisch-langweiligen Bühne gefühlte Ewigkeiten lang unglaublich fade, platte, flache, beschämend unlustige Witzeleien absondert, die in ihrer öden, vorsichtigen Geschmack- und kalkulierten Harmlosigkeit dermaßen langweilig, uninspiriert und deprimierend daherkommen, dass außer meiner schwer dementen Oma kein Anwesender auch nur zu kichern vermochte. Auch ich, am Bildschirm, verspürte noch nicht einmal das anflughafte Zucken eines Schmunzelansatzes, verzog nur zwei-, dreimal vor Fremdscham qualvoll die Wangenmuskulatur. Meine Daamunnherrn, „Dieter Nuhr“!

Dieser unsägliche Typ, diese schmerz-kommödiantische Erbärmlichkeit sui generis, besetzt dabei auch noch die intellektuelle Oberklasse, weil er glaubhaft machen kann, nicht ganz so granatenbrunzdoof wie Mario Barth zu sein, – und das war es auch schon, das ist hinreichend wie Abitur und Führerschein! . – Schlugen sich die zahlenden Zuschauermassen in dem großen, übrigens hübsch gebauten und technisch ganz gut ausgestatteten „Theater“ vor Brüllvergnügen auf die abgehärteten Schenkel? Nein, keineswegs, wie man im Großtanten-Fernseh ZDF bewundern konnte und wofür ich die Duisburger, meine Mitbürger, fast schon wieder zu mögen bereit bin, nein, man beschränkte sich darauf, dem albernen Hampelmann da unten auf der Bühne gelegentlich höflichen, wenngleich hörbar matten Beifall zu spenden; einen Beifall so generös und demütigend herablassend, als hätte eine Versammlung von Studienräten einer Shakspeare-Aufführung beigewohnt, die von engagierten Downsyndrom-Akteuren auf die wackligen Beine gestellt wurde. Wäre ich dieser „Dieter Nuhr“, und mit etwas mehr Ehre im Leib, ich hätte mich selbigen Abends noch erschossen. Aber okay, das ist Geschmacksache. Und ich verstehe, dass man in Duisburg nicht begraben sein möchte, selbst als … hm, … „Comedian“ nicht.

Das Hochfelder Geddo hat jedenfalls, zwischen Großpuff und Bandido’s Place, ein „Theater“. Und zwar, um ein superlustiges Wortspiel der bevorzugten Protagonisten zu verwenden, „nuhr“ ein Theater. Sollte, was ich nicht glaube, das Publikum irgendwann zur Vernunft kommen und nicht mehr zu hirnlosen Knalltüten pilgern, die keine anderen Vorzug aufweisen,als dass man sie aus dem Fernseh kennt – dann, aber auch nur dann, wird das „Theater am Marientor“ seinem wohlverdienten Schicksal begegnen … und – gesprengt werden.

Aah, wie ich den Geruch von Semtex liebe (alles weitere vgl. unter „Amok“…)