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Doc Holiday erklärt Feiertage: Fronleichnam

11. Juni 2009
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Mahlzeit!

KAUM ZU GLAUBEN: HOKUSPOKUS MIT BLUT

Jetzt ist es wieder soweit. Scharenweise strömt das Jungvolk von der Tanzfläche, umringt meinen Lehnstuhl und ruft im Chor: „Daddy-O, lieber Professer, sag, erzähl doch bitte einmal wieder, was noch mal genau an Fronleichnam gefeiert wird! Wir vergessen das immer!“ Laß ich mich lange bitten? Iwo, von so adretten, wohlerzogenen jungen Leuten doch nicht! Außerdem werde ich für mein Leben gern etwas gefragt, und wenn ich eine bizarre Schnurre zu erzählen weiß, werd ich wieder jung. Hört fein zu: Doc Holiday erklärt die Feiertage! Fronleichnam also. Dieses Fest wird speziell von Katholiken gefeiert, Evangelen und sogar Ungläubige, Ketzer und Anti-Christen kriegen aber auch frei. Bei uns in NRW ist dies die letzte Gelegenheit, unter Einlegung eines Brückentages einen Kurzurlaub zu buchen. Der Sinn von Fronleichnam ist das aber nicht, denn Papst Urban IV., der das Kirchenfest 1264 einführte, wusste wohl noch nichts von Brückentagen. Verlängerte Wochenenden kommen in der Bibel nicht vor, nicht mal im „Neuen Testament“.

Fronleichnam („Leib des Herrn, von ahdt. „Fron“, Herr, und „lichnam“, Leib) heißt offiziell „Fest des Leibes und des Blutes Christi“ und wird jeweilen am zweiten Donnerstag nach Pfingsten mit Umzügen („Prozessionen“) gefeiert bzw. begangen. Um zu verstehen, was da eigentlich gefeiert wird, lade ich das Jungvolk ein, mal eine katholische Messe zu besuchen. Am besten im Kölner Dom, weil hier der Aberglaube auf imposanteste, ja flamboyanteste Weise zu Stein geworden ist, und weil der alte Mann mit dem goldenen Mantel und dem komischen spitzen Hut, der da vorne herumzaubert und seinen Hokuspokus abzieht, in Köln eine besonders ulkige Pfeife ist. „Hokuspokus“ ist übrigens eine Verballhornung und geht darauf zurück, daß das Volk früher kein Latein konnte. In Wirklichkeit murmelt der Vorzauberer nämlich „Hoc est corpus meus“„Dies ist mein Leib“ – und hält dabei eine Schale mit geweihten Oblaten hoch. Außerdem hantiert er mit einem Kelch mit Messwein und spricht dazu „Dies ist mein Blut“. Damit meint der Kardinal oder Bischof natürlich nicht sein eigenes Blut, sondern  „Leib und Blut des Herrn“. Damit wiederum ist Jesus gemeint, also Herr Jesus. So. Jetzt wird es etwas unübersichtlich: Die Orgel braust, Weihrauchschwaden nebeln, Kerzen blaken im Halbdunkel,  es wird einem irgendwie ganz schwummerig und dann … – ruft Oma aus dem Jenseits an?

Nun, dies nicht gerade. Aber ein Glöcklein klingelingelt wie bei der Weihnachtsbescherung und in diesem Moment – wenn ihr wollt, denkt euch einen Trommelwirbel – vollzieht sich das Wunder der sogenannten „Wandlung“, die der Fachmann für Höheren Blödsinn (ich also) „Transsubstantiation“ nennt. Die faden Oblaten verwandeln sich in diesem Moment in das Fleisch des Gottessohns und der Wein – richtig! Gut mitgedacht! – in sein Blut. Die Gemeinde, also wir, wenn wir dazugehören, dürfen jetzt vortreten und den Mund aufmachen. Aber nix sagen, bitte! Sondern ein jeder bekommt jetzt ein Bröckchen Fleisch und ein Schlückchen Blut vom Herrn Jesus hineingetan und schluckt das! Uuääärrgs! Blut! denkt man noch, aber dann merkt man, das ist doch immer noch ein saurer Riesling aus Rheinhessen! Und die Oblaten schmecken noch immer nach Mehl, nicht nach rohem Fleisch! Was also? War das ganze nur so symbolisch gemeint?

Eben nicht! Sondern die Wandlung vollzieht sich tatsächlich – sofern man daran glaubt! Da könnt ihr jetzt kichern, so viel ihr wollt! Wenn man feste glaubt, ißt man in der Pommesbude Kaviar und Austern!

Na ja, jedenfalls, dieses „Wunder“, daß man bei der kannibalischen Verzehrung Gottes, die wiederum „Eucharistie“ genannt wird (von altgriech. eucharistein, = Dank sagen), wirklich Fleisch und Blut Jesu vor sich hat, beziehungsweise daß man dieses unappetitlich bizarre Brimborium tatsächlich nachhaltig einem gläubigen Volk einreden kann, das feiert die Heilige Mutter Kirche am heutigen Fronleichnam.

Wenn ihr jetzt „So’n Zinnober! Hokuspukus! Fauler Zauber!“ murmelnd auseinandergehen wollt, bitte ich euch, noch einen Moment zu warten, denn das Beste kommt erst! Und ich wusste das bis heute nämlich auch nicht, sondern las es jetzt in der Tageszeitung beim Frühstück, las es dreimal hintereinander, weil ich es erst nicht glauben wollte, aber dort stund es geschrieben schwarz auf weiß in seriösen Lettern, wie ein Text für Erwachsene:

„Das Fest geht zurück auf eine Vision der später heilig gesprochenen Augustinernonne Juliana von Lüttich. Sie soll beim Beten den Mond gesehen haben, der an einer Stelle verdunkelt gewesen sei. Christus habe ihr später [–??!, d. Verf.] erklärt, dass der Mond für die Kirche stehe, der dunkle Fleck für das Fehlen eines Festes des Eucharistie-Sakraments.“

Diese vielleicht allzu plausible und auf der Hand liegende Deutung geriet zwar etwas ins Wanken, als Galilei Galileo vierhundet Jahre später mit Hilfe eines Fernrohres den wahren Grund für die Mondflecken in der Krateroberfläche des Trabanten entdeckte, aber da war es schon zu spät: Das Fest war fest installiert, auch wenn Christus der Nonne gegenüber ein bißchen geschwindelt („improvisiert“) hatte…

 Hey, was ist? Warum lauft ihr denn alle weg? Das Jungvolk entfernt sich kopfschüttelnd. Nur ein Ungläubiger namens Thomas dreht sich noch mal um und sagt: „Doc, in Ihrem Alter sollte man aber nicht mehr so viel Drogen nehmen…!“ 

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