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Bin ich Kripo? (Kannibalen im Geddo)

23. März 2012

Wenn ich bei mir im Park auf der Bank in der Sonne sitze, bin ich Polizei. Kann ja nicht anders sein – ich bin nicht schwarz, spiele kein Basketball, deale offenbar nicht, will nichts kaufen und treffe keinerlei Vorbereitungen zum Grillen. Also? Na bitte: Bulle! Außerdem lese ich ein Buch. Alda, wie krass is das denn! Außer dem Koran gibt’s im Geddo kein Buch. „Mista, Mista, kannst du mir helfen?“ – ein Schwarzer mit Kappe, Hoody und Jamaica-Hose, um den Hals ein handtellergroßes Hanfblatt aus schwerem Silber, tänzelt aufgeregt vor mir herum. Ich guck so cool wie möglich von meinem Buch auf, denk mal betont bisschen nach und mach dann gedehnt: „Yooo, Mann, kommt drauf an, Mann, wobei’n?“ – „Du bist Kripo, Mann, du musst mir helfen!“ – „Bin ich nich, Kripo.“ – „Bistu wohl, Mann, ich weiß das!“

Dann startet er eine Art Rap, dem ich entnehmen darf, er werde von „Kannibalen und Menschenhändlern“ gefangen gehalten, namentlich nigerianischen Kannibalen und kurdischen Menschenhändlern, man störe seinen Schlaf, wolle ihn fressen und ihn umbringen „wie Bob Marley in Dortmund“. „Ich bin aber nich Bob Marley, Mann, ich bin Obama“ schließt er triumphierend. – „Und ich bin nich Kripo!“, (ich kann ziemlich stur sein.)

Es folgen weitere, ziemlich schwerwiegende Anklagen gegen „die Nigerianer“, die keine Menschen seien, sondern Hunde, sie verkauften Frauen, Männer und Kinder, letztere für den Verzehr, und außerdem hätten die Kurden zu ihm gesagt „Isch fick deine Mudder“! Ich schlage mir entsetzt die Hand vor den Mund, der Mann ist echt gebeutelt. „Das sagen die  immer“, versuche ich, ihn zu beruhigen, „die hamen Mudderkomplex“, aber er hört nicht zu. „Siehsstu, Mann“, er steigert sich richtig rein in seinen Rap, „ich war schon Kripo, Kripo sagt, ich bin verrückt, aber ich…“ „…bin  nicht verrückt?“ souffliere ich hilfreich. „Genau, Mann, und du sitzt hier Kripo und tust nichts! Hier geht’s nich um Gras, Mann, Gras is kleine Sache, Menschenhandel is große Sache!“ Da muss ich ihm natürlich zustimmen.

„Die sind hier in Hochfeld“, flüstert er verschwörerisch, „in der Kannibalenstraße 30, du musst die da wegsäubern…“ Er lässt einfach nicht nach. Okay, was sollte ich machen? „Na gut, aber nix verraten, Mann“ lass ich mich breit schlagen – „ich werds weitergeben.“ Im Grunde, was solls? War ich eben Kripo. Mit Mission. Letztlich auch nicht schlechter als der Agenten-Krimi, den ich eigentlich lesen wollte. Schwang mich also aufs Fahrrad, rief ein paar mal „Blaulicht-Blaulicht-Blaulicht!“ und eierte in einer Staubwolke davon, also erstmal nach Hause, Kaffee kochen, Plan machen: Kannibalen-Jagd im Geddo!

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Bin ich „Der Kannibale von Hochfeld“? (Schlechte Bücher)

18. September 2011

Dass zu viel schlechte Lektüre ins Verderben führt, ist heute selbst bei Extrem-Alarmisten ein nur noch selten gehörter Warnruf. Längst stehen Killer-Spiele, Ego-Shooter und überhaupt dieses ganze Internetz aus Porno und Gewalt im Fokus des Verdachtes. Doch vielleicht zu unrecht! Lesen kann noch immer Schäden verursachen! Der Beweis in Bild und Schrift: Es kam so. Heute war so ein mies-kühler Herbsttag, diverser Lebensunbill hatte mich klamm ums Herz werden lassen und ich hatte so Fröstel-Blues, und da dachte ich: Legst Du mal Kant und Hegel beiseite und gönnst dir, schön muggelich im Hausmantel in den Sessel gekuschelt, Kanne Kaffee dabei, einen richtig schönen Serienkiller-Kannibalen-Splatter-Roman. „Blut und Knochen“ von Stuart MacBride schien mir das genau Richtige für einen besinnlichen Sonntag: Jede Menge Sadismus, kannibalischer Horror und Blut bis über die Kachelgrenze – danach würde es mir vielleicht besser gehen.

Während ich mich der blutigen Lektüre hingab, machte ich nebenher immer mal wieder Notizen auf meiner To-Do-Liste für später, wenn ich die Gattin zu Szegediner Gulasch und Münsteraner „Tatort“ besuchen würde. Spät abends heimgekehrt fiel mein Blick auf die liegengebliebene Liste –  und mir gefror das Blut in den Adern. Da stand tatsächlich: „Nicht vergessen: Einmalhandschuhe – Tupperdosen – Reinigung! – Versicherung prüfen!“ Purer Zufall, ich schwör! Und ich kann alles erklären!

Aber nur mal angenommen, gerade wäre per tragischem Zufall meine Nachbarin zerstückelt aufgefunden worden und man entdeckte nun bei einer Hausdurchsuchung diesen Zettel bei mir! Würfe dies nicht ein verdammt schiefes Licht auf mich? Zwar würde die Gattin bestätigen können, die Tupperdosen seien für frischen Apfelkuchen bestimmt gewesen und die Handschuhe ihr schon lange zum Putzen versprochen worden, ferner hätte ich geäußert, die Kosten meiner Krankenversicherung fräßen mich auf und ich müsste mal die Tarife klären und außerdem mein Sakko in die Reinigung bringen  – aber reichte das zur Entlastung? Bloß gut, dass nicht auch noch „Kettensäge“, „Schaufel“ und „Parkanlagen googeln!“ auf meinem Zettel standen – ich hätte mir ja selbst nicht mehr über den Weg getraut!

Paranoia schärft den Blick: Bloß nichts Schriftliches hinterlassen! Geriete ich in den Blick der „in alle Richtungen ermittelnden“ Kripo, würde man bestimmt auch die Reste unseres Gulasch in die forensische Pathologie bringen und dort hochnotpeinlich überprüfen. Und? Man fände Bröckchen von einer blöden Kuh und einem fiesen Schwein! In Chili-Sauerkraut! Iigitt! Ich seh mich schon in der BILD-Zeitung, einen nur äußerst knapp bemessenen schwarzen Balken vor den Schamteilen meines Gesichts, darunter die Schlagzeile: „IST DAS DER KANNIBALE VON HOCHFELD?“ – Würde ich danach jemals wieder Vorlesungen über Kants Kategorischen Imperativ halten können? Iwo! Ich könnte nicht mal öffentlich „Königsberger Klopse“ sagen, ohne dass man mich mit schauderndem Misstrauen scheeläugig examinierte! Vor meinem Haus rottete sich der Mob zusammen und reckte Schilder in die Luft, auf den stünde: „Raus die Sau!“, „Unsere Kinder sind vor Kannibalen nicht sicher!“ und „Keine Gnade für Fleischesser!“

Den Rest meines Lebens müsste ich in einer Höhle im Stadtwald zubringen, getarnt mit einem Klebebart und einer künstlichen Glatze! So gefährlich sind niveaulose Lektüren und fahrlässige To-Do-Listen. Also, Nachbarn: Bedenkt, was ihr tut!

Aus dem Tagebuch eines Insomnikers (Unternehmens-Rater)

30. Mai 2011

Blauer Traum: Eine Ladung Drogerie

Heute wieder unruhige Nacht. Bei Hochsommer im Mai ja kein Wunder. Extrem langweiligen Traum gehabt: War mit meiner Ex-Frau (Ex seit 20 Jahren!) in Moskau. An einer belebten Trambahn-Haltestelle stiegen wir versehentlich in einander entgegenlaufende, jeweils hoffnungslos überfüllte Züge, sodass wir uns umgehend aus den Augen verloren. Quälende Frage (im Traum) – was jetzt tun? Aussteigen und auch in die entgegensetzte Richtung fahren? Aber wenn sie nun wiederum das gleiche ebenfalls tut? Dann verpassen wir uns ja wieder! Ausweglose Zwickmühle mit Ex-Frau erinnert mich an Samuel Becketts glorioses Dilemma: »Ein Mann liegt im Bett und möchte schlafen. Eine Ratte ist hinter der Wand, an seinem Kopfende, und möchte sich bewegen. Der Mann hört, wie die Ratte sich rührt, und kann nicht schlafen, die Ratte hört, dass der Mann sich rührt, und wagt nicht, sich zu bewegen. Sie sind beide unglücklich, einer rührt sich, und der andere wartet, oder beide sind glücklich, die Ratte bewegt sich und der Mann schläft.« – Ich denke, dass sie denkt, das ich denke, dass sie… usw. – Des weiteren (im Traum) tagelang ziellos durch Moskau gelaufen, das ein bisschen aussah wie Gütersloh oder Pinneberg. Meine Ex-Frau schließlich vor einem Moskauer Schnellgericht wieder getroffen. Man machte mir heftige Vorwürfe, was ich extrem ungerecht fand. (Warum kann denn die blöde Kuh nicht in den richtigen Zug steigen? Warum ist das denn meine Schuld?!)

Im Traum (?) dennoch depressiv geworden, weil ich immer alles falsch mache. Zerknirscht über meine heillose Unverbesserlichkeit nachgedacht; ein bisschen geweint.

 Nach schlafloser Nacht des Morgens mit viel adstringierendem Rasierwasser ein frisches Gesicht gezaubert, weil Besuch angekündigt war: die Polizei! Mensch, alles ist anders als früher: Eines Polizisten ansichtig, werfe ich nicht mehr mit Steinen oder ergreife die Flucht, sondern biete mit vorzüglicher Hochachtung Kaffee und stilles Wasser an! Der Wille zur Kooperation blitzt mir aus den bürgerlich gebügelten Knopflöchern! Geradezu freundschaftliches Gespräch mit dem uniformierten Drei-Sterne-General; er kam in vollem Ornat, als Geddo-Spezialist (zum Glück kein uninformierter Ununiformierter!) mit Schirmmütze und kleidsamen Sterne-Applikationen auf den Schultern.

Spielten dann zusammen Unternehmens-Rater: Was das wohl für ein Unternehmen sei, das neuerdings in meiner Ex-Stammkneipe residiere? Die Gäste kommen im Minuten-Takt, bleiben aber immer nur wenige Augenblicke im Lokal. Vielleicht, weil es da gar nichts zu trinken gibt? Wir Geddo-erprobten Kriminalisten kamen auf ein passendes Gewerbe und waren uns einig: Das wird ein Drogerie-Markt sein! Wieder stellte sich, diesmal in echt, die Frage: Und was jetzt tun? Der Mann will schlafen, die Ratten wollen sich bewegen. Ein Uniformträger kann ja nun schlecht in einen Coffee-Shop gehen und nach Gras fragen. Die sagen glatt, Gras wär grad aus! (Die Lösung des Problems wird aus ermittlungstaktischen Gründen nicht verraten!) Hoffe jetzt auf Razzien, weil, die finden bei uns im Viertel immer mit vollem Einsatz statt, mehr Bewaffnete als bei den Bad Segeberger Karl-May-Festspielen, Schwarzvermummte mit MPs usw., wie im Fernsehen. Wenn ich’s fotographiert kriege, lasse ich alle teilhaben! Großes Indianer-Ehrenwort!

Habe dem Beamten, leutselig geworden, überflüssigerweise noch gebeichtet, dass ich vor dreissig Jahren selber gekifft hätte; unsicher, ob das schon verjährt ist, hab ich vorsichtshalber hinzugefügt, ich hätte das Zeug aber nie vertragen. Und das stimmt wirklich! Andere hatten von Dope & Gras die herrlichsten Bewusstseinsexaltationen, lediglich mir wurde nur schlecht, dann wurde ich schläfrig und am Ende hatte ich tierischen Hunger. Wegen solcher Effekte eigens teure Drogen zu konsumieren, halte ich heute für unökonomisch. Habe eben gelernt, mit meiner Behinderung zu leben (THC-Unverträglichkeit).

Sonst an der panisch japanisch-spanischen Front alles ruhig. Still schmelzen die Kerne, und die Gurken gurken halt vor sich hin, oder, um mit Lewis Caroll („Alice im Wunderland“) zu sprechen: Sie rottern gorkicht im Gemank. – Sind wir noch zu retten? Wir sind ja die Prügelknaben des Erdballs: Man ascht mit seinen Vulkanen auf uns herum, schickt uns Fisch-Stäbchen, die im Dunklen leuchten und eine EHECrise haben wir auch noch! Wie es in Kommentarspalten gerne heißt: „Armes Deutschland!“

Der Tag ist rum. 23.00 Uhr, und noch immer 26° C. Ein afrikanischer Wind weht. Ist DAS der Grund, warum GERADE JETZT soviel Schwarze auf der Straße sind? Eine Frage, die ich ohne Polizei klären muss. Genauso wie das Problem, ob das Schlafgesetzbuch mir für heute erholsamen Nacht-Schlaf annonciert. Nach der doofen Moskau-Tour wär das mehr als gerecht.  Na ja, zur Not nehme ich mir einen richtig teuren, guten Schlafverteidiger, wie der wüste Kachelmann, der ja bis morgen (und danach, wie es aussieht, mangels Beweisen ohnehin) als unschuldig zu gelten hat.

Liebes Tagebuch, entschuldige: So viele Fragen, so wenig Antworten. Und apropos Drogen: Aus Serbien-Montenegro avisiert man mir eine frisch eingetroffene apotheken-frische Lieferung Viagra. Soll ich zuschlagen? Ach egal, ich mach eh alles falsch! Nur blöd, dass ich deswegen nicht schlafen kann… Ich seh schon, dieser Text findet keine Pointe. Tut mir leid, Ihr Lieben! Wieder ein ereignisreicher Tag, an dem nichts passiert ist. Aber wenn mal echt was los ist, Leute! Dann seht Ihr hier Sterne splittern! Bis dahin: schlafbedürftig, Euer Magister K.