Im Geddo werd ich, wenn meine türkischen Nachbarn vielleicht mal bitte für EINEN Moment den Rand halten würden, häufiger mit dem Serbischen konfrontiert, einer Sprache, die zu lernen ich bislang den Mut nicht aufbrachte. Daß der Balkan wirtschaftlich nicht in die Gänge kommt, liegt daran, schätz ich, daß die ihr ganzes Geld in die Aufhäufung von Konsonanten gesteckt haben! Einen geschlagenen Nachmittag verbrachte ich neulich im Café Lipa, um mir von einem Montenegriner, einem Mazedonier und zwei Serben die jeweils von ihnen für richtig gehaltene korrekte Aussprache des simplen Wortes für Rinderschinken („pršuto“) beibringen zu lassen. Hörte sich an wie ein Seminar für Asthmatisches Niesen!
Fairerweise muß man zugeben: Von den Migranten zu verlangen, sich mal gefälligst der deutschen Sprache zu befleißigen, ist ja nun auch nicht ohne! Heute hypnotisierte mich am Frühstückstisch (– immerhin auch schon ein Substantiv mit zwölf Konsonanten, bloß einem Vokal und zwei Umlauten!) ein anderes Wort, dass sogar volle zwanzig Konsonanten einsetzt, davon gleich achtmal „s“ und viermal „f“! Das gibt es, echt! – Das Wort bohrte sich bandwurmartig in mein Hirn, als ich mich die Gattin bitten hörte: „Frau, bringst du aus der Küche noch die … Flüssigkeitssüssstoffflasche mit?“ – Also, läse ich so ein Wort als Ausländer, dächte ich bei mir: Manno, ich glaub, ich versuchs erstmal mit Englisch!
Bei meinem Konsonantenfrühstück (Wortsalat-Delikatessenbrunch, 18 Konsonanten!) fiel mir Schlehmil ein, die Figur aus der Sesamstrasse (im Original: Lefty, the salesman), ein irgendwie schmieriger Schwarzhändler im langen schwarzen Mantel, der Ernie immer Buchstaben verkaufen will („Hey, du! Psst! Brauchst’n A?“). Zumeist handelte es sich um Gebrauchtbuchstaben zwielichtig zweifelhafter Herkunft.
Schlehmil resp. Lefty, the salesman, scheint sich, seit ein paar Jahren schon, bei uns am Rande des Geddos niedergelassen zu haben. Hier betreibt er „Duisburgs erstes 2. Hand Kaufhaus“, das „ALLES“ verkauft und billig verscherbelt, „was gut ist und teuer war“. In der vollgestopften Räuberhöhle (ich bitte, das Wort rein metaphorisch zu nehmen!) türmt sich auf sich biegenden Regalböden tatsächlich so manches, für das irgendwer schon mal viel (oder, hihi, vielleicht ja auch gar kein) Geld ausgegeben hat: Luxus-Bikes, HiFi-Türme, Staubsauger, Bassgitarren, Telefonanlagen, Langspielplattensammlungen, Spielkonsolen, Kameras, Computerspiele, sowie das übliche (manchmal nicht unbedingt dazu passende) Zubehör an kollateralem Kabelsalat und Adapterschlammassel. Der Laden besitzt den Charme eines leicht verwahrlosten, außer Kontrolle geratenen Pfandleihhauses.
Als gläubiger Mensch (ich glaub unverbrüchlich an das Schlechte im Menschen) argwöhne ich immer, mit der Herkunft des Gebotenen könnte es sich in puncto Seriösität vielleicht verhalten wie mit Schlehmils geheimen Buchstabenladen, aber das wird ein Vorurteil sein, denn das Geschäft erfreut sich einer über die Jahre stabilen und offenbar einwandfrei legalen Existenz. Ich selbst habe bislang hier zwar noch nichts ge- oder verkauft, wurde aber bei subtil verwickelten Akku-Ladegerät-Anschlußkabel-Spezial-Buchsen-Problemen freundlich und kompetent beraten. Der Konsument, dessen Konsumwunsch wider Erwarten unbefriedigt bleibt (weil die gewünschten Buchstaben, etwa XY, gerade ungelöst, quatsch, nicht vorrätig sind) und der auch gerade kein Zahn- oder Bruchgold (was ist das eigentlich? Gold aus’nem Bruch?) zu Markte tragen möchte, erfreut sich dann aber vielleicht an der erwägenswerten Möglichkeit, sich im Hinterzimmer des Kaufhauses ungemein preiswert ein schönes Tattoo oder ein Piercing aus Zahngold verpassen, oder, wie das Plakat lockt, wahlweise ein Nasen- oder Ohrloch „schießen“ zu lassen. – Psst! Hey du! Brauchst’n Nasenloch?
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