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Wörter im Abstiegskampf

1. Mai 2009
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Nicht Stil-, noch werbe-, noch Kabarett-, sondern echte Ikone (6. Jh.)

EINE KURZE BESINNUNG ÜBER IKONEN

Bloße Kulturchristen wie unsereins wissen es noch mit Ach und Krach: Der Psalmsonntag bezeichnet den ersten Tag der Karwoche, an dem Religionsstifter Rabbi Jeshua von Nazareth auf einem weißen Eselsfohlen in Jerusalem einritt, begrüßt von jubelnden Menschen, die ihm „Hosianna!“ (= „Hilf doch!“) zuriefen. Die Woche ging bekanntlich gar nicht gut aus, zunächst. Am Ende muß man dann immer dran glauben, so oder  so. – Wer weiß aber, bzw. glaubt, daß Jesus auch Briefe geschrieben und Bilder von sich hat machen lassen?

„Hilf doch!“ schrieb ihm nämlich der Kirchenlegende zufolge auch von weither ein gewisser König Abgar V. von Osrhoene aus Edessa (dem heutigen südtürkischen Urfa), denn Abgar war krank, jedenfalls krank genug, um zu glauben, er könne sich den Wunderheiler-Rebbe Jesus mal eben so mir nichts dir nichts nach Mesopotamien einfliegen lassen.

Um den Gottessohn zu ködern, bot Abgar ihm sogar Asyl an: „Daher wende ich mich in diesem Briefe an dich mit der Bitte, dich zu mir zu bemühen und mich von meinem Leiden zu heilen. Ich habe nämlich auch gehört, daß die Juden wider dich murren und dir Böses tun wollen. Ich habe eine sehr kleine, würdige Stadt, welche für uns beide ausreicht.“ –

Kirchenchronist Eusebius berichtet im Jahr 325, Jesus habe die Einladung wegen anderweitiger Verpflichtungen (Kreuzigung, Auferstehung, Welterlösung) damals nicht annehmen können, habe aber dem Eilboten Abgars, einem Manne namens Ananias, einen netten Brief für Abgar V. mitgegeben, worin er geschrieben habe: „Selig bist du, weil du an mich glaubst, ohne mich gesehen zu haben. Es ist nämlich über mich geschrieben, daß die, welche mich gesehen haben, nicht an mich glauben, und daß die, welche mich nicht gesehen haben, glauben und leben sollen. Bezüglich deiner schriftlichen Einladung, zu dir zu kommen, mußt du wissen: es ist notwendig, daß ich zuerst all das, wozu ich auf Erden gesandt worden bin, erfülle und dann, wenn es erfüllt ist, wieder zu dem zurückkehre, der mich gesandt hat. Nach der Himmelfahrt werde ich dir einen meiner Jünger senden, damit er dich von deinem Leiden heile und dir und den Deinigen das Leben verleihe.“ [Eusebius, Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica) 1.Buch Kapitel 13].

Besagter Eilbote Ananias (alias „Hannan“) sei nun aber auch Maler gewesen, heißt es, der die Gelegenheit beim Schopfe griff und gleich mal eben den Gottessohn ratzfatz abkonterfeite und das Bild seinem König mitbrachte. Das ist ja zwar irgendwie nicht ganz logisch, weil es doch im Begleitbrief gerade heißt, „daß die, welche mich gesehen haben, NICHT an mich glauben“, aber Theologie und Logik stehen eh in einem gewissen Spannungsverhältnis. Ist ja nicht weiter schlimm. Noch weniger logisch scheint, daß dieses so entstandene Christus-Porträt als „nicht menschengeschaffen“ bis heute verehrt wird (heute hats der Papst in seiner Privatkapelle!) – und zwar als … erste wundertätige Ikone! Gott hatte sozusagen den Selbstauslöser benutzt, – was später zu weiteren theologischen Verwirrungen führte: Hieß es doch im Dekalog eindeutig: „Du sollst Dir kein Bildnis machen…!“ Ja, was denn nun noch?

Im 8.und 9. Jahrhundert kam es darüber in Byzanz sogar zum Bürgerkrieg zwischen Ikonoklasten (Bilderstürmern) und Ikonodulen (Bildverehrern). Letztere, z. B. Johannes von Damaskus, brachte pro Bilderlaubnis das theologische Argument vor, der unsichtbare Gott habe sich ja per Menschwerdung in Jesum Christum selbst sichtbar gemacht, – sei daher auch abbildbar geworden. So!

Jedenfalls, um die Sache abzukürzen: In den orthodoxen Ostkirchen sind Ikonen bildliche Darstellungen von Jesus, Maria und einigen Heiligen, welche eine erhebliche und bemerkenswerte Besonderheit aufweisen: Es handelt sich nicht einfach um irgendwelche Bilder, sondern in den flächig, zweidimensional und bewußt schlicht gehaltenen Bildnisssen ist das dargestellte Heilige selbst zugleich anwesend und aktiv. Weswegen solche Ikonen ja eben auch Wunder wirken, Krankheiten heilen, Krebs wegmachen, Kredite einlösen, flüchtige Bräute zurückholen können etc. Ikonen sind Hotlines zum Heiligen, Tag und Nacht besetzt. Wer dran glaubt, darf mit Wundern rechnen. Wer nicht, muß halt abwarten, was kommt.

Ich will über diesen Bildmagie-Glauben gar nicht aufklärerisch die Nase rümpfen. Ich hab als Kind auf dem Schulweg auch geglaubt, wenn ich nur auf jede zweite Gehwegplatte trete, schreiben wir Mathe erst nächste Woche. Der Mensch braucht sein bissel Magie. Wir sind so. Zum Beispiel ist der gegenwärtige Trainer des Zweitligisten MSV Duisburg zwölf Spiele lang nicht zum Friseur gegangen, in der abergläubischen Annahme, der Haarschnitt könne die Siegesserie des Vereins kappen. So ist der Mensch! Noch heute! – Ikonen also, halten wir das fest, sind magisch-spirituelle Dinge, in denen das Heilige selbst und persönlich anwesend ist, wohnt und wirkt. Ob in der Werbe-Ikone Verone Pooth geb. Feldbusch oder in der Stilinkone Madonna das Heilige anwest, bezweifele ich. Aber ich bin auch skeptisch, ob echte Ikonen Krebs wegzaubern. Damit beschließe ich diesen Besinnungsaufsatz. Glaube hin oder her – ich wünschte, das schöne alte Wort Ikone würde nicht zum Blödwort absteigen.  Wir machen ja Kirchen auch nicht zu Eventschuppen! Wie? Manche machen das? Dann Fluch über sie! Und jetzt Schluß damit.

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Neues Blödwort

30. April 2009
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"Forever young": Hundert Jahre Stil-Ikone Madonna

 

„INTRIGIERTE DISKRIMANALISIERUNG“: EINE EINLEITUNG

Es ist ein neues Blödwort aufgetaucht, daß mir bei jeder Lektüre heftiger zuwinkt, damit ichs endlich mal geißele. (Auf einer blödwort-analogen Verwechslung beruht es übrigens, daß immer mehr Leute von der „Geisel der Menschheit“ reden, wenn sie, ma sagen, das organisierte Verbrechen geiseln wollen. Ich glaube, sie werden durch Grimms Märchen vom „Wolf und den sieben Geißlein“ verwirrt, weil es eben nicht Geiseln sind, die der Wolf nimmt. Freilich auch keine sieben Geißeln…) Blödwörter werden in der Regel entweder vom Geschmeiß der Werbe-Texter und professionellen Wortfalschspieler oder aber von Journalisten kreiert und in Umlauf gebracht. Wenn sie blöd genug sind, werden sie bald inflationär benutzt. Manchmal werden ganz seriöse, sozusagen unschuldige Wörter zu Blödwörtern, weil immer mehr Blödwortmänner nicht mehr wissen, was sie in Wahrheit bedeuten. Da wird dann schon mal „Gourmet“ und „Gourmand“, oder „Intrigieren“ mit „Integrieren“ verwechselt, oder die Dinge werden auseinanderdividiert , zusammenaddiert oder diskriminalisiert, was weiß ich, aber egal, ich will ja eigentlich gar nicht zu einem dieser besserwisserischen Sprachpedanten werden, die schon die Augenbrauen heben und strafend hüsteln, wenn ich mal „Kommas“ sage statt „Kommata“ (obwohl wir schon ewig strafffrei „Themen“ statt „Themata“ sagen dürfen!), und die dann gleich süffisante Glossen darüber verfassen und uns etwa darüber belehren, daß sowohl „Firlefanz“ als auch „Kinkerlitzchen“ ursprünglich aus dem Französischen kommen, was mir wurst ist, da es für die Schreibweise keine Rolle spielt, anders als bei den Wörtern altgriechischer Provenienz, denen man das „Th“ oder „Rh“ mit der Rechtschreibereform geraubt hat.

Jedenfalls, das Blödwort, daß ich meine, heißt: IKONE. 

Meiner Beobachtung nach – die nicht stimmen muß – tauchte das Wort erstmals vor ca. 5, 6 Jahren in Zusammenhang mit Frau Madonna Louise Veronica „Esther“ Ciccone auf, die man nicht länger Lust hatte, „Queen of Pop“ (gähn!) zu titulieren, und sie daher beschloß, zur … „Stilikone“ zu ernennen. Was die Presse-PR-Plapper-Profis damit meinen oder sagen wollten, war vermutlich, daß der Geschmack, den Frau Ciccone hinsichtlich sogenannter Anziehsachen an den Tag lege, in der Modewelt stilbildend wirke. Vielleicht spielt eine assoziative Verbindung zwischen der vagen Erinnerung daran, was Ikonen mal waren, sowie dem Namen „Madonna“ auch eine Rolle, da rund ein Drittel aller Ikonen ja … Madonnen-Bilder sind.

Die nächste Stufe zündete mit der Weiterentwicklung zum rätselhaften Begriff „Werbe-Ikone„. Mit diesem Titel bzw. dieser Berufsbezeichnung belegte man bei uns m. W. erstmals eine junge Frau namens Verona Feldbusch, die zuvor mal irgendwas mit Dieter Bohlen hatte, und die dann später jenen Herrn Pooth ehelichte, den Olli Dietrich alias „Dittsche“ hartnäckig als „GeräteFranjo“ veralbert, jenen Geräte-Franjo, den der vorübergehend obdachlose Dittsche „nie im Leben nicht“ um ein Obdach bitten würde, da er, vgl. Folge der 17. Kalenderwoche, „auch, ma sagen, eine Würde“ hätte. – Wie wird man nun „Werbe-Ikone“? Ganz einfach. Man muß, wie Frau Feldbusch, zunächst mal nichts besonderes gelernt oder geleistet haben; es reicht, wenn man durch irgendetwas mal ins Fernsehen gekommen und den Zuschauern im Gedächtnis geblieben ist. Bei unsere Werbe-Ikone in spe war dies, neben ihren Brüsten, die sie stets wie ein Cafeteria-Tablett mit heißem Kaffee vor sich herzutragen pflegte, neben ihrer Oberweite also die Tatsache, daß sie glaubhaft vorspiegeln konnte, unglaublich doof und zudem ihrer Muttersprache nicht recht mächtig zu sein. In Wahrheit, falls das interesssiert, ist die Dame übrigens keineswegs doof, sondern clever, möglicherweise sogar gerissen, und im korrekten Gebrauch des Dativs hat sie sich längst auch unterweisen lassen. 

Irgendwie aus dem Fernsehen bekannt zu sein, nennt man Aufmerksamkeitskapital – man kann es re-investieren. Da die Leute im Fernsehen sehr gern Leute sehen, die sie schon aus dem Fernsehen kennen, werden solche immer wieder in Talk-Shows eingeladen; wenn man oft genug in immer wieder anderen Zusammenhängen in solchen unsäglichen Plauderrunden präsent war, wird man von der Familie der Couch Potatoes adoptiert – jetzt ist man so bekannt, daß die Werbewirtschaft sich sagt: Dem oder der drücken wir jetzt mal einen Spinat, eine Geflügelwurst oder ein Mineralwasser-mit-Kohlensäure in die Hand und machen Werbung damit!  Tritt die Ikonen-Anwärterin nun aber in Werbe-Spots auf, kennt sie bald jedes Kind. Deshalb bekommt sie immer mehr Werbe-Aufträge, verdient Millionen und wenn die Steuer fragt, was ihr Beruf sei, dann sagt sie, „also ich bin bekannt dafür, bekannt zu sein, also bin ich hauptberuflich „aus dem Fernsehen bekannt“ und damit beschäftigt, andere Dinge wie Rahmspinat oder Gelbe Seiten mit meiner allgemein beliebten Bekanntheit aura-mäßig zu adeln“. Sie könte aber auch sagen, sie sei eine „WerbeIkone„.

Der Begriff „Ikone“ bekam eine Aura von Erfolg, Bewunderung, Anerkennung. Schon bald fand man die Handballer-Ikone, die Trainer-Ikone und heute, ich las es eben, im alten Wolfgang Neuss die „Kaberett-Ikone“. Mit anderen Worten: Jetzt wird es langsam endgültig blöd!  Irgend wie sind semantisch Dinge wie Idol, Leistungsträger, Nestor, Mentor und Trendsetter zu etwas zusammengeflossen, das man in der „Ikone“ am besten aufgehoben findet. Mit Ikonen hat das alles freilich nichts zu tun.

Leider werde ich nie zur Ikone des präzisen Sach-Journalismus avancieren, denn Thema dieses Aufsatzes sollte eigentlich die Frage sein, was eine Ikone eigentlich darstellt. Nun ist aber schon die Einleitung so voluminös, daß ich den Hauptartikel mit gesonderte Post ins Netz stellen muß. Bis dahin wünscht, mit der Bitte um fortdauernde Gewogenheit verbunden, einen flotten Tanz in den Mai:

Kraska, Abschweifungs-Ikone