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Der Mensch ist Maske

23. Januar 2011

DER MENSCH IST MASKE  (Eine Wiederholung von 2009)

Wien, Heldenplatz, Hofburg. Mördermonströses Marmoralbtrumm umstellt das Halbrund, bestürzende Altbauten, Einschüchterungsprotzitektur der XXXL-Klasse. Hier, vom Balkon aus, hat Adolf „du alte Nazisau!“ Hüttler den Zusammenschmiß von Ostmark und Doofdeutschem Reich verkündet, damit man gemeinsam mal was machen kann. Weltkrieg beispielsweise. Ö-Pöbel und germanische Hakenkreuznasen frenetisierten dazu im durchfallfarbenen Jubilage-Rausch. „Heil! Heil!“ rief das Pöblikum, aber es ging dann bekanntlich dennoch das meiste kaputt.

Etwa eine Bombenwurfweite von dieser unseligen Rassen-Terrierarier-Terrasse entfernt, im Seitenflügel der marmorsteinundeisen gewordenen Grandiositätsphantasie der Habsburger-Helden, residiert heut eine Abteilung des Museums für Völkerkunde. Hier werden Völker beurkundet, die man k.u.k.-halber schon mal ausgepresst hat, oder wenigstens flüchtig besichtigt, oder denen man gern mal an die Geldwäsche gehen würde. (Völkerkunde war eine Hilfswissenschaft des Kolonialismus; Ethnologie ist die universitäre Trauerarbeit darüber, daß es der Kolonialismus damals geschafft hat.)

Hier nun hat man heuer am Heldenplatz, an der Hofburg, auch was zusammengeschmissen, aber mit dem zeitgemäß gehobenen Feingoldgefühl demokratischer Zivilisiertheit durchwirkt und geadelt: Die Völkerkundler, das Kunstgeschichtliche und das Theatermuseum haben Ideen und Exponate beigesteuert zum Thema „Wir sind Maske“.

Den Machern kam dieser Titel wohl selbst etwas peinlich vor in seiner boulevardesken Schreifaltigkeit (“Wir sind Papst!“, „Wir sind Meister!“), weshalb man ihn lateinisch nobilitierte und untertitelte: „SVA CVIQVE PERSONA“, was sich der Lateinschüler mit„Einem jeden seine Maske“ aufs Handgelenk notiert. Ach so, gut. Henry Maske wäre ich nämlich nicht gern gewesen (andere Gesichtsklasse!).

Um diesen geht’s also nicht, aber sonst um fast alles zum Thema Maske, quer durch die Religionen, Regionen und Rituale, sowie längs durch die Kulturgeschichte von der Stein- bis zur Plastikbastelzeit; Totenmasken, Horrormasken, Schutzmasken, Vermummungsmasken, Theatermasken (von der Commedia dell’arte übers No-Theater bis zur Gegenwart), Ritualmasken, Karnevalsmasken, Bilder von Masken, Masken von Maskenbildnern, Masken aus Stein, Ton, Knochen, Wachs, Lehm, Leder oder Pappmachée, Kurioses, Furioses und Folkloristisches, Humoreskes, Phantastisches, Dämonisches, Horribles, Poetisches, Apotropäisches, Apokryphes und Apokalyptisches: ein auf fünf oder sieben Säle ausgedehnter ballo di maschera, bei dem auch der Kenner ein oder das andere Tänzchen um die Vitrinen wagt. Von der afghanischen Burka über die Renaissance-Prunkritterrüstung bis zu Darth Vaders („Kh..hchchch, Kh…chchch“) Schutzhelm fehlt nichts Wichtiges, womit Menschen mal ihre werte Identität verschleiert, verdoppelt, fragmentiert, larviert, vermummt, überhöht, dementiert oder konterkariert hätten.
Zusammengestellt und ausführlichst mit Texttafeln beklügelt wird dies, mir san in Wean!, von einer KuratorInnentruppe, die Geschmack, Bildung, Witz und Kenntnisreichtum genug besitzt, um sich nicht maskieren zu müssen. Selbst gichtkrüppelige Bewegungsapparaturen und wehe Schmerzensmänner wie mich drängt es, offenen Kindermundes hierhin und dahin zu sprunghüpfeln und ein und das anderemal auszurufen: „Schau nur! Sieh mal dies hier!“

Natürlich darf man auch weitaus Klügeres äußern: über Identität und Person, gesellschaftliche Rollenspiele, magische Maskeraden, kapitalistische Charaktermasken, die beunruhigende Lebendiggkeit der Totenmasken, über das Einschüchternde, Verführerische, Verwegene und Entgrenzende des Maskenspiels, über Erotik und Überschreitung, Dialektik und Digression der Verhüllung, usw. – Munition für solche virtuellen Virtuositäten verschafft einem der doppelbrikettschwere Katalog, der wunderwunderschöne Fotos von allen Exponaten enthält, dazu aber eben auch Deutungen, Deuteleien und Verdeutlichungen aus berufenem Ethologen-, Anthropologen und Kunsthistorikermund.

Nicht jede Austellung macht komplexe Beziehungen anschaulich. Diese tut es absolut. Wenn man sich nicht allergrößte Mühe gibt, dumm zu bleiben, kommt man hier klüger wieder heraus, als man eintrat. Ich zum Beispiel, ich könnte jetzt hier aus dem Stand einen fulminanten, frappierenden, ja, flamboyanten Vortrag „Über die tragische Dimension der verschiedenen Masken Michael Jacksons“ improvisieren, unter künstlerischen, psychologischen und ethno-athropologischen Aspekten, nur, auch wenn dies gewiß des Anlasses würdig wäre, ich werde es, keine Sorge, hier nicht tun. Ich spiele lieber den ahnungslosen Einfaltspinsel und Provinzdepperl, eine Maske, die mich nicht nur glänzend kleidet, sondern mir auch erlaubt, im Schutze dick aufgetragener Harmlosigkeit dünnhäutige Beobachtungen aller Art zu machen.

 

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Dick aufgetragene Dünnhäutigkeit (Masken-Kraska)

5. Juli 2009

ghirlandaio_maske_florenzSVA CVIQVE PERSONA

Wien, Heldenplatz. Mördermonströses Marmoralbtrumm umstellt das Halbrund, bestürzende Altbauten, Einschüchterungsprotzitektur der XXXL-Klasse. Hier, vom Balkon aus, hat Adolf „du alte Nazisau!“ Hüttler  den Zusammenschmiß von Ostmark und Doofdeutschem Reich verkündet, damit man gemeinsam mal was machen kann. Weltkrieg beispielsweise. Ö-Pöbel und germanische Hakenkreuznasen frenetisierten dazu im durchfallfarbenen Jubilage-Rausch. „Heil! Heil!“ rief das Pöblikum, aber es ging dann bekanntlich dennoch das meiste kaputt.

Etwa eine Bombenwurfweite von dieser unseligen Rassen-Terrierarier-Terrasse entfernt, im Seitenflügel der marmorsteinundeisen gewordenen Grandiositätsphantasie der Habsburger-Helden, residiert heut eine Abteilung des Museums für Völkerkunde. Hier werden Völker beurkundet, die man k.u.k.-halber schon mal ausgepresst hat, oder wenigstens flüchtig besichtigt, oder denen man gern mal an die Geldwäsche gehen würde. (Völkerkunde war eine Hilfswissenschaft des Kolonialismus; Ethnologie ist die universitäre Trauerarbeit darüber, daß es der Kolonialismus damals geschafft hat.)

Hier nun hat man heuer am Heldenplatz auch was zusammengeschmissen, aber mit dem zeitgemäß gehobenen Feingoldgefühl demokratischer Zivilisiertheit durchwirkt und geadelt: Die Völkerkundler, das Kunstgeschichtliche und das Theatermuseum haben Ideen und Exponate beigesteuert zum Thema „Wir sind Maske“.

Den Machern kam dieser Titel wohl selbst etwas peinlich vor in seiner boulevardesken Schreifaltigkeit (“Wir sind Papst!“, „Wir sind Meister!“), weshalb man ihn lateinisch nobilitierte und untertitelte: „SVA CVIQVE PERSONA“, was sich der Lateinschüler mit „Einem jeden seine Maske“ aufs Handgelenk notiert. Ach so, gut. Henry Maske wäre ich nämlich nicht gern gewesen (andere Gesichtsklasse!). Um diesen geht’s also nicht, aber sonst um fast alles zum Thema Maske, quer durch die Religionen, Regionen und Rituale, sowie längs durch die Kulturgeschichte von der Stein- bis zur Plastikbastelzeit; Totenmasken, Horrormasken, Schutzmasken, Vermummungsmasken, Theatermasken (von der Commedia dell’arte übers No-Theater bis zur Gegenwart), Ritualmasken, Karnevalsmasken, Bilder von Masken, Masken von Maskenbildnern, Masken aus Stein, Ton, Knochen, Wachs, Lehm, Leder oder Pappmachée, Kurioses, Furioses und Folkloristisches, Humoreskes, Phantastisches, Dämonisches, Horribles, Poetisches, Apotropäisches, Apokryphes und Apokalyptisches:  ein auf fünf oder sieben Säle ausgedehnter ballo di maschera, bei dem auch der Kenner ein oder das andere Tänzchen um die Vitrinen wagt. Von der afghanischen Burka über die Renaissance-Prunkritterrüstung bis zu Darth Vaders („Kh..hchchch, Kh…chchch“) Schutzhelm fehlt nichts Wichtiges, womit Menschen mal ihre werte Identität verschleiert, verdoppelt, fragmentiert, larviert, vermummt, überhöht, dementiert oder konterkariert hätten.

Zusammengestellt und ausführlichst mit Texttafeln beklügelt wird dies, mir san in Wean!, von einer KuratorInnentruppe, die Geschmack, Bildung, Witz und Kenntnisreichtum genug besitzt, um sich nicht maskieren zu müssen. Selbst gichtkrüppelige Bewegungsapparaturen und wehe Schmerzensmänner wie mich drängt es, offenen Kindermundes hierhin und dahin zu sprunghüpfeln und ein und das anderemal auszurufen: „Schau nur! Sieh mal dies hier!“ – Natürlich darf man auch weitaus Klügeres äußern: über Identität und Person, gesellschaftliche Rollenspiele, magische Maskeraden, kapitalistische Charaktermasken, die beunruhigende Lebendiggkeit der Totenmasken, über das Einschüchternde, Verführerische, Verwegene und Entgrenzende des Maskenspiels, über Erotik und Überschreitung, Dialektik und Digression der Verhüllung, usw. – Munition für solche virtuellen Virtuositäten verschafft einem der doppelbrikettschwere Katalog, der wunderwunderschöne Fotos von allen Exponaten enthält, dazu aber eben auch Deutungen, Deuteleien und Verdeutlichungen aus berufenem Ethologen-, Anthropologen und Kunsthistorikermund.

Nicht jede Austellung macht komplexe Beziehungen anschaulich. Diese tut es absolut. Wenn man sich nicht allergrößte Mühe gibt, dumm zu bleiben, kommt man hier klüger wieder heraus, als man eintrat. Ich zum Beispiel, ich könnte jetzt hier aus dem Stand einen fulminanten, frappierenden, ja, flamboyanten Vortrag „Über die tragische Dimension der verschiedenen Masken Michael Jacksons“ improvisieren, unter künstlerischen, psychologischen und ethno-athropologischen Aspekten, nur, auch wenn dies gewiß des Anlasses würdig wäre, ich werde es, keine Sorge, hier nicht tun. Ich spiele lieber den ahnungslosen Einfaltspinsel und Provinzdepperl, eine Maske, die mich nicht nur glänzend kleidet, sondern mir auch erlaubt, im Schutze dick aufgetragener Harmlosigkeit dünnhäutige Beobachtungen aller Art zu machen.

PS: Interessante Fotos werde ich noch einscannen, wenn ich dazu komme.