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Heteroklite Notizen

5. Mai 2012

Stringente Architekturkritik

Untippbar. Schon wieder mehrmals den Tag über Ärger mit der Schwerkraft. Der Alltag wird allmählich zur Bückware! Und was sagen die Knochen? Sie benutzen in letzter Zeit Ausdrücke, die man nicht getippt sehen möchte, ach was: nicht mal in Sprechblasen!

Was deutsch ist. Weil ich schon immer gern wissen wollte, warum es zwar nicht Bundesbiergarten oder Bundespizzabringdienst heißt, hingegen aber durchaus und durchweg zumeist Bundeskegelbahn, hab ich jetzt mal gegoogelt, wieso. Und? Es gibt im BGB tatsächlich ein Bundeskegelgesetz (BuKeG), erlassen 1950, um das sich damals eine veritabel mittelschwere Regierungskrise entspann. Fünf Jahre nach Weltkrieg, Judenmord und Totalkatastrophe, zwei Jahre nach Gründung der Bonner Bundesrepublik,  zerstritten sich die damaligen Minister für Innen, Justiz und Verkehr in Adenauers Regierung bis aufs Blut über die Frage, wer die ministerielle Kompetenz und das verbriefte Recht hätte, den Deutschen … das Kegeln ein für allemal detailliert, einheitlich und genau zu reglementieren. Wild-Kegeln scheint damals eines der wichtigsten Probleme gewesen zu sein. Dann ging es zu Polonaise, Kringelbeißen und Topfschlagen. Nur der alte Chef blieb seinerzeit cool: „Herr Heinemann, sehen se dat doch ein bisschen lockerer. Vielleicht kommen se für dat Jesetz später mal auf ein Jeldstück“ – Und ich habe das nicht geträumt! „Fasse es, wer es fassen kann!“ (J. Christus)

Vergiss es. Da saß der blasse Pickel (13) nun auf meiner Beratungscouch aus haiweißem Beluga-Leder, ließ die sprossigen Magermilchbeine baumeln, glühte mit den Ohren und raschelte vernehmlich mit seinem üppigen Schwarztaschengeld: Wollte gegen Honorar wissen, wie man ein Schockrocker wird, so einer wie der Fräulein Marilyn Manson in Amerika. Denn das sei sein Traum, den er bevorzugt leben wolle. Ich überschlug kurz Gebühren, Tantiemen und Spesen und gab dann ohne Erbarmen Bescheid: Erstlich müsse er seinen Namen ändern! Ein Pinkus Korbinian Limpinsel brächte es niemals zum Repräsentanten kindlicher Gewaltphantasien. Adolf Kinderblut oder Hannibal Göring müsse er schon mindestens heißen. – Und dann Gitarre! Ob er denn einen kenne, Schulkamerad, Kellerkind oder Garagenkumpel, der das könne, Gitarre? Außerdem, drittens, müsse ein Schock-Video her, in dem er in lebende Eidechsen bisse, katholischen Erst-Kommunikanten mit Schändung drohe und ironische Nazi-Embleme zur Schau trüge. Schaden könne es viertens nicht, wenn er gewissentlich Sorge trüge, seine geschlechtliche Identität zu verschleiern. Und male er sich einen Blutmund aus Himbeerschmier, Junge!  – Und was, frug er daraufhin zag, wäre zuvörderst etwa  mit … Bäcker-Lehrling? Tja, bekam er zur Antwort, mörderfrüh aufstehen, den ganzen Tag klebrige Teigpampe kneten, dazu allgemeiner Undank der Bevölkerung. Guter Plan! Vergiss es. Geh ma Praktikum! – Im Geschäft der Jugendentmutigung b­­­in ich ein As.

Milde Medienhysterie. In den dunstblauen Stunden, in denen andere Menschen schlafen dürfen und nicht ahnen, was sie alles versäumen müssen, zappe ich mich durch die gespenstische Welt der Nachtprogramme. Wohltuend gemütssedierend, wie sonst nur ein Roman von Adalbert Stifter, ist es, Berliner Tierpfleger durch ihren Arbeitsalltag im Zoo zu begleiten. „Det sinn nu unsere Tintenfüsche“, sagt einer, vage ins Weglose sinnend, und während er seine winzigen Schützlinge („ditte sinn eintlich nicht Füsche, det sinn Schnecken!“) bedächtig ins Nachbaraquarium umtopft, kommentiert er sein Tun mit den Worten: „Denn werr ick ma die Kollegen ihr neuet Sszuhause zeijen“. Das ist doch hübsch! – Nebenan in den Privat-Derivaten kaspert ein Comedy-Blödian herum. Die brisante Mischung aus Lieblosigkeit, Ignoranz und enormer Körperspannung bietet ein niederschmetternd tristes Bild und verführt selbst den Gutwilligsten zu misanthropischen Konvulsionen. – Dann lieber Bildungskanal. Wie nicht ganz bei Trost schaue ich mir mit Gleichmut, dem Stupor nahe, einen bestürzend drögen Lehrfilm über jüngst entwickelte Techniken der Mumien-Konservierung an – wer weiß, wozu man das mal brauchen kann! Lebenslanges Lernen wird ja gern empfohlen. Andererseits sagt einem keiner, wie man den ganzen informatorischen Plastikmüll wieder aus dem Hirn kriegt, den man in sich hineinschaufelt. – Mild hysterische Zerebralobstipation.

 Nörgelrentner zu Butterkeksen. Gegen 23.00 Uhr eiere ich mit dem Fahrrad vorsichtig (Licht ist kaputt) heim in die Mönchsklause. Kaum ins Geddo eingebogen, treffe ich auf einen ca. 11-jährigen Roma-Knaben, der ein Wahlkampfplakat vom Laternenmast gerissen hat, damit randaliert, vandalisiert und kleine Mädchen (ca. 8 und 9) beschmeißt. Echt Terror. Gefährdet selbst mich. Ich werd sauer, stoppe und herrsche den Knaben an: „Sag mal, geht’s noch? Was machst Du da fürn Scheiß!“„Ja, weiß nicht, hab ich Paket gefunden…“ stammelt der junge Delinquent, Ich, unbesänftigt, belle harsch zurück: „Einen Scheiß hast du, Bengel! Erstens heißt das nicht Paket, sondern Plakat, zweitens hast dus’s nicht gefunden, sondern vom Pfahl gerisssen und drittens, was glaubst du, wozu das da ist? Etwa zum Herumschmeißen?“ Da reißt der Knabe die schwarzen Augen auf, macht einen Diener, streckt mir demütig die Hand entgegen und wimmert: „Entschuldigung, Herr! Ich hab bloß gespielt – mir ist soo langweilig!“ Schlagartig schmilzt das Herz. In seinen Augen liegt der ganze Jammer der Welt. „Is schon gut, Junge“, murmele ich und ergreife seine Hand. Sie ist eiskalt.

 

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Abwesenheitsnotiz, mit guten Zitaten

31. August 2011

Hier geht es evtl. rund! Kraska ist moseln...

Es gilt unter Kennern nicht gerade als untrügliches Zeichen geistigen Überfliegertums, sich über das Wetter zu beklagen, ich weiß. Es wäre so, als wollte man über die Gravitation jammern, was ich aus schwergewichtigen Gründen zwar im Stillen auch manchmal tue, aber es ist halt dieses Allerweltslamento doch von so eklatanter Sinnlosigkeit und ein derart plattes Klischee, dass man gute Erziehung und korrekt gebügelte Lebensart eher dadurch unter Beweis stellt, dass man mit einem mild stoischen Lächeln über die unvermeidlichen Unbill des Erden-Daseins hinweg geht. Vielleicht ist es ein Vorurteil, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein britischer Gentleman jemals über das Wetter spricht. – Freilich gibt es zu jedem einer- auch ein andererseits.

In dem Film „Willkommen Mr. Chance“ (im Original: „Being there“), einem meiner zehn Lieblingsstreifen aus den späten  70ern, die ich  einst in Cihcago, Illinois, im Kino sah oder sehen und entziffern durfte (war ohne Untertitel!), spielt der legendäre Peter Sellers in einer seiner letzten Rollen einen tumben Einfaltspinsel von Gärtner, der nur eine Weisheit beherrscht: „Well, first there is spring, then you’ll have summer, which just follows autum, and after that – winter. Then spring again“. Diese Binsenweisheits-Worte spricht er aber mit solchem Ernst und so großer Emphase, dass alle Welt denkt, er meint das bestimmt irgendwie metaphorisch und als sibyllinische politische Anspielung; man hält es für ein Statement über Ökonomie und Marktzyklen, lädt ihn in TV-Talkshows ein und am Ende wird er damit Präsidentschaftskandidat in den USA. Damals eine super Satire, würde der Film heute nicht mehr funktionieren, weil die Behauptung, dem Frühling folge der bzw. ein Sommer, nicht mehr als Binsenweisheit gilt, sondern als heikle, unsichere und höchst umstrittene Prophezeiung.

Das Blöde ist: Ich bin Sternzeichen Salamander, von der Physiologie also wechselwarm, und hatte eine längere sonnig-warme Phase fest eingeplant, um leichtblütig über die bevorstehende Herbst- und Winterdepression zu kommen. Stattdessen regnete es mir monatelang kühl und herzlos ins Hirn. (Wer sich Sorgen um mich machen will, sollte es JETZT tun, bitte. – Vielen Dank, sehr freundlich.) Die Depression erhebt ihr träges Haupt. Bang deklamiere ich für mich den armen Hölderlin: „Weh mir, wo nehm ich, wenn
/ Es Winter ist, die Blumen, und wo
/ Den Sonnenschein, / Und Schatten der Erde?
/ Die Mauern stehn
/ Sprachlos und kalt, im Winde
| Klirren die Fahnen.“ So sieht es doch aus! Vor lauter Fahnenklirren und Blumenvermissen ist mir schon jetzt ganz blümerant zumute.

Erstaunlicherweise war es der große Elisabethanische Unterhaltungsschriftsteller, theatralische Räuberpistolen-Dichter und Prophet William Shakespeare, der meinen Zustand vorausahnte, als er seinen Narren („Was ihr wollt“) folgenden Singsang anstimmen ließ: „Und als der Wein mir steckt’ im Kopf / Hopheisa, bei Regen und Wind! / Da war ich ein armer betrunkener Tropf; / Denn der Regen, der regnet jeglichen Tag.“ – Yes, Sir, so kann man es ausdrücken! Hier im Westen regnet in der Tat der Regen jeglichen Tag. Erst war er warm, der Regen, dann fröstelig kühl, jetzt wird er schon empfindlich kalt. Ich will nicht übertreiben, aber – ist schon mal jemand am Wetter gestorben? Darauf ankommen lassen werde ich’s grad nicht, Freunde – weshalb ich zu einem verzweifelten Mittel greife: Obwohl ich diese Tätigkeit perhorresziere: Ich reise! Und zwar ab!

Bloß an die Mosel zwar nur, und lediglich ein paar Tage, weswegen die Gattin schon ätzt: „Das wird bestimmt mehr so’n Rentnerurlaub!“ – Sicher, doch „immerhin“, repliziere ich schlagfertig, „wandern wir noch nicht durch den Harz, du mit blauem Popeline-Blouson und ich in straff gebügelter beiger Anglerweste!“ Kann nichts schaden, der Gattin schon mal die eheliche Zukunft auszumalen; die stillen Tage im Alzheim.

Wenn also hier einige Tage nichts Neues unter der Sonne (Ha!) erscheint, dann, weil ich moseln gefahren bin. Entweder herrscht dort eitel Sonnenschein, oder ich stecke mir enorme Mengen Wein in den Kopf. Vielleicht, begeisterungshalber, auch beides. Danach habe ich mit Sicherheit SAD („seasonal affective disorder“), wofür zumindest die Klassiker noch angemessenes Verständnis hatten. Wenn ich es irgendwie vermeiden kann, werde ich von dem romantischen Moselort keine Fotos machen, keine Klöster und Burgen beschreiben und auf die Belobigung von Restaurants und Weinprobierstuben strikt verzichten. So viel Noblesse muss sein. Indes, falls ich dort, in der Fremde, dem wahren Leben begegne, dann lass ich es von euch grüßen. 

Macht das Scheinwerferlicht aus!

13. Mai 2009
Scheinwerferlicht

Beliebteste Droge: Scheinwerferlicht

…DIE IM DUNKLEN SIEHT MAN NICHT

Unser Land ist 60 Jahre alt geworden, aber kein bißchen weise, wie es im Lied des volkstümlichen, äh, Curd Jürgens, glaub ich, dereinst hieß, – denn es befindet sich mit zunehmender Rastlosigkeit auf der Suche! Ständig sucht ja Deutschland irgendwas: Alljährlich mindestens einen Superstar, ein mager-tüchtiges Top-Moppel, eine komplette Mädchen-Pop-Band, einen Wett- oder Quiz-König, einen Küchen-Meister oder wenigstens einen „Meister der Herzen“. Kaum hat man jemanden gefunden, startet die Suche schon wieder aufs neue. Es geht zu wie früher vor der Boxbude: Die Welt ist ein Rummelplatz!

Als älterer Herr genieße ich das Vorrecht bzw. habe ich den Auftrag, mir diesbezüglich um die sog. Jugendverderbnis Sorgen zu machen. Bzw. deren pädagogische Verhinderung. Die Jugend hockt vor dem Fernseher und missversteht! Unter ihr macht sich eine Art soziopathische Heliotropie breit: Die Überzeugung nämlich, man könne persönlich und ontogenetisch (notfalls nachschlagen das Wort! Wikipedia!) nicht blühen ohne Scheinwerferlicht, und man brauche zum individuellen Gedeihen unabdingbar die neidisch-verzückten Anhimmelungsblicke zahlloser Fans, Anhänger, Bewunderer und Nacheiferer. „Denn die einen sind im Dunkeln
/ Und die andern sind im Licht. / Und man siehet die im Lichte
/ Die im Dunkeln sieht man nicht“, heißt es bei Bertolt Brecht. Mag sein, aber warum glaubt heute jeder, er existiere gar nicht wirklich, wenn er nicht, massenmedial vermittelt, von einem Maximum staunender Mitbürger gesehen und gehört wird? Warum möchte heute jeder ein Konsum-, ja ein Wegwerfartikel werden, und keiner mehr ein menschenwürdiger Mensch? Warum unternimmt man ohne Applaus heute nichts mehr? Früher sang man solo unter der Dusche, heute ist keiner mehr zufrieden, wenn nicht Millionen mitklatschen! Genügte es einer jungen Dame oder einem ansehnlichen Backfisch einst, Ballkönigin beim Abschlussball der Tanzschule Drewermann zu werden, so muß heute jeder einigermaßen gerade gewachsene Teenager in Dessous über New Yorker Catwalks staksen und dämonisch-mondäne Vamp-Blicke ins Publikum werfen!

Tausende junger Menschen sehen es mittlerweile als Erfüllung eines Lebenstraumes an, sich im Fernsehen von eigens dazu geschulten approbierten Schindern oder Schindludern (Heidi Klump) quälen, schikanieren, demütigen und zum Affen machen zu lassen, um dann, mit ein paar Trostpreisen abgespeist, unter dem Hohn eben derselben Medien, wieder in die Bedeutungslosigkeit entlassen zu werden. Die meisten erleiden dabei ein seelisches Trauma vulgo einen sog. Dachschaden, der möglicherweise auch auf eine schon bestehende Vorschädigung zurückgeführt werden kann! Alle wollen Superstar werden, kaum noch einer Dachdeckerlehrling, Beleuchtungsassistent oder Kundenbetreuerin. Wenn ihr aber den letzten Volldeppen zum Superstar und die letzte Kosmetik-Tusse zum Spitzen-Model gemacht habt, werdet ihr merken, daß die Spitze wieder zur Basis geworden ist, und keiner hat was gewonnen! Und dann? Dann kommt die Alterspyramide, der Rentnerberg, die Dschungel-Camps, und schließlich werden sich die Seniorenheime füllen mit gewesenen Mannequins, singenden Nervensägen und ehemals mal im Fernsehn Gewesenen!

Hört zu! Die einzige Chance, heute exklusiv, elitär und exzentrisch zu sein, besteht in der konsequenten Ablehnung jeder Auffälligkeit! Euer Wappentier, Elite, sei…  die graue Maus! Der unterirdisch tätige Nacktmull! Die Steinlaus! In Sonderheit aber, wo Scheinwerfer auftauchen und Kameras – Nichts! Wie! Weg! Irgendwo in so ’nem Regenwald gibt es bestimmt noch einen Stamm von Naturburschen, die glauben, der Weiße Mann mit seinem dritten Auge nähme einem die Seele weg per Foto und Film. Diese wunderlichen Menschen haben nämlich genau Recht! Wer von den ganzen Supersuper-Säcken hat denn noch Seele? Die meisten haben nicht mal Herz, von Hirn ganz zu schweigen. Der einzige, der vielleicht Seele hat, ist Helge Schneider. Aber hat der sich je dem „Urteil“ eines Heidi Klump oder einer Dieter Bohlen gestellt? Wohl kaum. Also Schluß mit diesem ganzen medien-darwinistischen Auslese- und Konkurrenzmist! Keine Sängerwettstreite mehr! Weg mit den „sexy“ stöckelnden Schmoll-Schnuten! Ein lebender Kleiderbügel zu werden, Mädels, das ist kein Traumberuf, das ist Krampf und Gewürge, und am Schluß endet man wie Heid Klump, als heimlich alterndes Medien-Geschnepf.

Zum Thema und als Dessert ein Löffelchen von der Weisheit des Tao-Mönchs Yoshida Kenkô:

Wenn man die anderen übertreffen will, so möge man lernen und es ihnen dann an Wissen zuvortun. Und falls man mich fragte, warum man denn lernen solle, so würde ich antworten: um zu erkennen, daß man sich seiner Vorzüge nicht rühmen und mit anderen nicht wettstreiten darf. Nur die Kraft, die das Lernen verleiht, befähigt dann, hohe Ämter aufzugeben und seine Habe zu verschenken.“

Das nenne ich vornehm gesprochen!

PS: Übrigens habe ich bei meiner Bilder-Suche versehentlich das Suchwort „Schweinwerferlicht“ eingetippt: Kaum zu glauben, aber auch dazu gibt es jede Menge Sucherergebnisse!