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Das Leben ist DOCH ein Ponyhof!

20. Januar 2012

Bilder des Grauens!

Bin ich meines guten Gemütes und meiner Verstandeskräfte noch mächtig? Geht mein Kalender nach oder hat, während meine Aufmerksamkeit kurzfristig erlahmte, unser gütiger Landesherr den immerwährenden 1. April ausgerufen? Sind wir unter die Zwerge gefallen? Vor Absurdistan gestrandet, mit der Post an Bord? – so mag sich wohl guten Grundes fragen, wer sich heute durch die E-Postillen klickt: verwirrende Postmoderne! Kaum weiß man noch, was Scherz, was Ernst, was beklagenswerter Hirnschwurbel ist oder bloß fahrlässig ausufernder Branntweingenuss.

Da meldet man mir, die Partei der Grünen, die ohnehin kollektiv mehr und mehr meiner Frau Mutter („Gib das Rauchen auf!“, „Zieh dich warm an!“, „Iss mehr Obst!“) in ihrer nie ermüdenden Fürsorglichkeit ähnelt, fordere nunmehr – was? Die Lösung der Finanzkrise? Das Ende von Welthunger und Kinderarbeit? Wenigstens das Verbot der industriellen Massentierhaltung? Iwo! Die Grünen, im Gefolge der definitiv extradurchgeknallten PETA-Aktivisten, möchten das Ponyreiten auf Jahrmärkten untersagen lassen! Ja, freilich, das Ponyreiten! Meine Herren, traun für wahr, das schreit gewisslich gewaltig gellend zum Himmel, dieses grausame, herzlose Ponyreiten! Und die Grünen kennen das ja aus eigenem Leid: Sich in kleinen Kreisen täglich um sich selber drehen, kindliche Gemüter bespaßen und grundlos in der Gegend herumschnauben – das kann einen hart ankommen! Deswegen sind sie bestimmt auch gegen’s Zwerge-Werfen. – Noch zwanzig Jahre grün-verheucheltes Sentimentalitätsgedusel, dann ist unsere Republik endgültig in einen großen Waldorfkindergarten verwandelt, in dem debile Kinder jeden Alters jauchzend sich an den Händen fassen, über grüne Wiesen tanzen und ausrücken zum gemeinsamen Bienen-Streicheln. Aber ganz vorsichtig, Kinder, dass ihr die traulichen Tierchen nicht verschreckt!

Vorbildlich ausgewogen verhalten sich indes schon jetzt die NRW-Städte Minden und Gütersloh, bekannte Hochburgen des Humanen: Man verbietet dort zwar nichts, macht aber den Jahrmarktsmenschen immerhin zur Auflage, ihre Ponys alle dreißig Minuten (!) die Richtung in der Reitbahn wechseln zu lassen, damit es bei den Tieren nicht versehentlich zu einer einseitigen Weltsicht kommt.

Zu bekennen wäre: Ich treuer Esel habe dieser Partei, vielleicht aus bürgerlichem Biedersinn, vielleicht mangels politischer Bildung jahre-, wenn nicht jahrzehntelang meine Stimme gegeben. Wird wohl Zeit, dass ich auch mal die Richtung wechsele: Jetzt mal rechts rum, Kinder! Als Islam-Feind, USA-Freund, Israel-Fan, Stierkampf-aficionado und Frauenquoten-Gegner grüßt immer gegen den Strich: Mag. K.

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Monsignore Kraska – Oberster Religionswächter im Geddo

22. April 2011

Traurig trotz allem...

„Oh Himmel, strahlender Azur!“ (Brecht) – Der Frühlingstag im Geddo so rücksichtlos schön, dass es fast wehtut. Bäume und Sträucher im Festtagsgrün, die Amseln flöten fromme Motetten, blank poliert und seinsfromm ruhen die silbernen Daimler am Straßenrand. Nachbar Özgür ist das wurscht, seit Tagen wütetet er im Nachbarhaus mit Bohrmaschine, Hammer und Meißel, schleppt Steine und Rigipsplatten, kurz, schuftet, dass die ganze Straße etwas davon hat. Soviel arbeitet der sonst im Jahr nicht! Tagelang war ich genervt, heute bin ich verärgert, denn es ist, nun ja … Karfreitag, weswegen ich mich persönlich herunter bemühe, um Nachbar Özgür mordsmäßig zusammenzuscheißen, dergestalt, dass ich ihm in derben Worten donnernd, zum Teil auf Türkisch (ayıp! haram!), vorhalte und verdeutliche, dass heute im Gedenken an den Märtyrertod des Propheten Isa ein hoher christlicher Feiertag begangen werde, an dem ruhestörender Arbeitslärm wahlweise Polizeieinsatz oder Höllenverdammnis nach sich ziehe. Schwer beeindruckt und offenbar eingeschüchtert lässt Häusleumbauer Özgür den Hammer sinken und verspricht eilfertig die Einstellung der Bauarbeiten.

Befriedigt ziehe ich ab. Die Gattin hingegen, zufällige Zeugin meines Einsatzes zur höheren Ehre Gottes, zieht die Brauen hoch und spöttelt: „Oha! Der Magister als oberster Religionswächter im Geddo! Ist ja mal ganz was Neues!

Nun ja, stimmt schon, als gläubiger Christ bin ich seit meiner Konfirmation nicht mehr hervor-, sondern vielmehr definitiv ausgetreten. Und doch. Man kann aus einer Kirche austreten und eine Religion ablehnen und ist ja doch in ihrem Dunstkreis aufgewachsen, von ihren Traditionen kontaminiert und visuell oder musikalisch verstrahlt. Ich hab zu viele öde Kindergottesdienststunden auf Bilder des am Kreuz gemarterten Jesus gestarrt und zu viele barocke Passionsoratorien gehört, als dass mir die wirre, traurige, unfassbare Passions-Poesie nicht irgendwie, sagen wir ruhig: im Herzen, naheginge, was immer diese gequälte, triste Geschichte nun symbolisieren will.

Man erkenne mir meinetwegen deshalb das Goldene Ausrufezeichen am Bande (für fünfzig Jahre linientreuen Atheismus) ab, – es ist halt so. Ich habe auch die immer mal auftauchenden, von eher pubertär geprägtem Humor zeugenden Persiflagen auf das Kruzifix, bei dem da ein Frosch, eine Osterhase oder sonst was gekreuzigt wird, nie besonders lustig gefunden. Und als kürzlich der öde Landeslümmel von den NRW-Grünen die Aufgabe der karfreitäglichen Feiertagsrestriktionen forderte – diese scheiß Generation implodiert halt, wenn sie mal einen Tag nicht „Party machen“ dürfen –, erlitt ich einen knapp einstündigen Anfall mittelalterlichen Glaubenskriegertums und rief nach dem Zorn Gottes, dass er niedergehe oder wahlweise bitte sich ergieße auf die Landeszentrale der Grünen, die mir sowieso immer mehr auf den Sack gehen, diese islamophil-debilen Erzschelme. Damit das auch mal gesagt ist.

So. Was noch? Gestern waren schon wieder die Zeugen Jehovas an der Tür. Haben mich  die Sekten-Ganoven doch tatsächlich notiert, weil ich sie neulich nicht gleich die Treppe herunterwarf, sondern freundlich ihres Weges schickte! Da könnte man ja eventuell noch mal mit dem „Wachturm“ nachbohren, dachten sie sich, in eklatantem Missverständnis dessen, was der dicke Magister sein „Tao der Sanftmut“ nennt. Selbst der sanfte Jesus soll ja gelegentlich recht grobianisch gewesen und mit dem Schwert gedroht haben. Manche Leute verstehen halt keine andere Sprache, wird er sich gedacht haben, und verzichtete daher darauf, soweit wir Leben-Jesu-Forscher wissen, mit doofen Heftchen von Tür zu Tür zu latschen. – 

Im Übrigen tröstete mich als Kind an der Passionsgeschichte immer, dass nach drei Tagen alles wieder gut, heil und in Butter war. Dramaturgisch ist das vielleicht etwas übers Knie gebrochen, aber was schluckt man nicht alles für ein bisschen Hoffnung. In diesem Sinne wünsche ich ein frohes Osterfest, an dem ihr glauben möget, was ihr wollt – wenn ihr nur die Finger vom Heimwerkern lasst!

Alles geben. Die Wahl in NRW

9. Mai 2010

Als Schule noch bunt war... (Codex Manesse. Leher in Esslingen)

Eine neue (?) Blödsinnsphrase fällt mir in letzter Zeit verschärft auf den Wecker. Zwar leben wir in einer gnadenlosen Wettbewerbsgesellschaft, in der jeder Raffzahn vom Stamme Nimm so viel an sich zu reißen versucht, wie eben reingeht, aber alle betonen, sie hätten jedenfalls „alles gegeben“! Der VFL Bochum ist abgestiegen, weil, so der Trainer, die Mannschaft „im Endeffekt“ (!) eben nicht „alles gegeben“ hätte; dabei hieß es auf der letzten Pressekonferenz doch noch, für den Klassenerhalt wollen man auf jeden Fall unbedingt „alles geben“!

Im Früh-Radio gurren schon die von Heidi Klum säuberlich dressierten Disco-Mietzen, deren Sinnlichkeit, scheints, wohl nie schläft. Sie „geben alles“, zu jeder Zeit und rückhaltlos, um bei Viva oder wo ihr Schnütchen zu spitzen. Halsbrecherisch stöckelt das Leben stotternd auf Stöckel-Pumps: Vorzugsweise traumatisierte Traumfiguren in Spitzenspitzenunterwäsche! Ich möchte eigentlich gar nicht „alles“ von ihnen, mir reichte es schon hin, wenn sie mal etwas Ruhe gäben auf ihrem cat walk. Nicht auszuhalten, das Maunzen und Miauen!

Die aus der Bundeshauptstadt eingeflogenen, auf meiner Dachrinne aufgereihten Besserwisser haben jetzt ihren Song-Einsatz. Bitteschön, die Damen und Herren Schlaubeger: „Denn mach domma einfach det Jerät aus, Mann!“ Ja, danke, Spitzentipp, ditte, aber ich brauch doch Nachricht, wann in Griechenland die Revolution ausbricht! Benötige ich meine Euros noch, oder soll ich alles rechtzeitig verschleudern? Mir sagt doch keiner was! Ich hab schon den Mauerfall und die Wiedervereinigung verpeilt und verbaselt, weil ich da gerade Liebeskummer hatte. Nun möchte ich bei der gesamteuropäischen Revolution wenigstens nichts verpassen. Wenigstens einmal möchte ich Zeitzeuge eines historischen Ereignisses sein, anstatt im breiig-bleiernen Einerlei des Alltäglichen herumzuwaten.

Andererseits bin ich seit meinen maoistischen Steineschmeißerzeiten staatsbürgerlich gereift. Deswegen hab ich heute morgen auch schon „alles gegeben“, nämlich meine Erst- und meine Zweitstimme. Prinzipiell sympathisiere ich mit einem Staat, in dem man auch Piraten wählen darf. Als von fern her verschwägerter Schwipp-Nachkomme des entlaufenen Theologen Magister Wigbold, dem nachmaligen Strategen Klaus Störtebeckers, liebäugele ich nämlich schon mit einem kleinen weißen Totenschädel im schwarzen Feld unserer Nationalflagge! Das wär mal ein kleidsames Staatswappen, oder?

Trotzdem, Politik ist zwar heute weder „ernst“, noch auch nur „die wichtigste Nebensache der Welt“, nein, Politik ist heiter Spaß und Spiel und Narretei, aber trotzdem doch kompliziert wie Hallen-Halma und Hüpfburg-Husten. Zum Beispiel warnte unser liebenswürdig verschusselter, treuherzig verlogene, irgendwo aber auch wieder hochsympathische schwarz-gelbe Landesvater uns unmündig-übermütige Landeskinder heute morgen beim Frühstück noch einmal dringendst davor, mutwillig eine „rot-rot-grüne“ linke Diktatur zu wählen, denn diese bedeute „Schulchaos und Schulden“. Schulchaos und Schulden ist aber nun exaktemang genau das, was wir gerade haben. – Also wie jetzt? Den Wechsel wählen, um das Chaos zu bewahren? Oder mehr vom selben, damit sich was ändert? Als wankelmütig-windelweichem Wechselwähler bricht einem der Examensnotschweiß des intellektuell Überforderten aus: Was ist bloß die richtige Antwort? Und, wie immer, man darf noch nicht mal beim Nachbarn abgucken oder spicken!

Solchermaßen vorverwirrt, betrottet man sein „Wahllokal“ für die Bezirke 2808 und 2807, und steht unmittelbar, wie bei einer Geisterbahnfahrt, inmitten der beschworenen Schul- und Schuldenkrise. Hier wird sie erlebbar. Das Mercator-Gymnasium nämlich, in dessen kalten, grauen, angststarren und mittelmäßig verwahrlosten Wänden der Bürger zur Stimmabgabe schreitet, präsentiert sich als architektonischer Archetypus der Lieblosigkeit, Geldknappheit und klandestinen Jugendverachtung. Wer hier was lernen soll, lasse mal erstmal alle Hoffnung fahren. Von den neon-grau kränklich beleuchteten Wänden tropft das Kondenswasser des Schülerangstschweißes. Man meint, die schrill überschnappende Stimmen demotivierter Lehrerinnen widerhallen zu hören, das dumpfdumme Gelaber von Murat, Aaron und Basti, das müde Gekicher der Mädchen. Gott, können NRW-Gymnasien hässlich sein! Es riecht nach Mathe-Arbeit, nach Verzweiflung und nach Hormonen. Immerhin, am Horizont leuchtet es: Im Sekretariat gibt es schon Abiballkarten…

Draußen hingegen tirilieren Nachtigallen, Feldlerchen, Amseln und Sperlinge tschilpen, Maienluft fächelt kühlen Sonnenduft um frisch Ergrüntes! Warum, warum nur wählen wir denn nicht im Freien, in Parks, am Rheinufer auf den Wiesen und Auen, oder in den Wäldern? Weil da alles schon grün ist?

Leute, bitte, schimpft morgen nicht über die Bevölkerung von NRW: Ich jedenfalls hab bei dieser Wahl alles gegeben!

Vor der Wahl: Deutschland ein Wackelbild

26. September 2009
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Das Frank-Angela oder die Steinmerkel: Es kommt uns so oder so.

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So fing sie mal an: "Drei Tage Bonn inkl. Fahrt in einer echten Politikerlimousine"

Wie nicht ganz bei Groschen wackele ich seit Tagen hypnotisiert mit dem Kopf. Vierzig Grad, fünfundfünfzig Grad, und wieder zurück. Lentikularfolie. Wackelbild. Der SPIEGEL hatte diese Woche so ein Ding auf dem Titel kleben: Man sieht einen nachgemachten, pseudo-barocken Sessel in einer Art blühender Photoshop-Landschaftskulisse  stehen, und darauf thront, je nach Blickwinkel,  entweder Dr. Acula Merkel (40°) oder der charismatische Aktenautist Frank-Willi Steinhäger (55°). Es handelt sich nämlich um den berühmten Bundeskanzlerthron auf der grünen Reichtagswiese, auf dem wir ja alle gern Platz nähmen, um uns mal als echter Märchen-König von Deutschland zu fühlen, oder wie Alfons der Viertelvorzwölfte von Lummerland. Jedenfalls, egal, darüber steht als Headline: „Es kommt so..“ (40°) bzw. „… oder so“ (55°). Wahlweises Wackelgedackel: Das Frank-Angela oder die Steinmerkel. Wenn man aus ca. 48, 49° guckt, hat man ein vexiervermischt gedopppeltes Hybrid-Moppelchen, das irgendwie an Helmut Kohl erinnert und an hundert Jahre Langeweile. Wie wahl!

 Damit trifft das Nachrichtenmagazin den wetterwendischen Wackelwähler präzis auf den Kopf (obwohl beim SPIEGEL-Titel der kümmerliche Pointenfurz erst abschnarcht, wenn man das Wackelbild ablöst…). – Genau! Es kommt so oder so! Und das ist kaum spannender, als wenn in China irgendwo ein Bild schief hängt. Daß die „Kandidaten“ nur jeweils verwackelte Vexierbilder voneinander sind, war unser Eindruck ja auch schon seit längerem. Frank-Verwalter Steinmeier ist ja bloß der Merkel ihre Kehrseite! Beide „können Kanzler“, kräht der böse Clown aus der Wortspielhölle. Dabei können beide noch nicht mal Politik. Das ist nicht ihre Schuld; der eisgraue Aktenfresser („Oile“) aus dem Hundert-Morgenwald ist im Grunde ein harmloser Mann, dem ich meinen insgeheim gehorteten Vorrat an 100-Watt-Glühbirnen zur Aufbewahrung anvertrauen würde, und die Uckermärkische Spinatwachtel mit dem Pampgun-Gesicht ist ja in Wirklichkeit auch bloß eine Hausfrau, die früher mal im Preisausschreiben „drei Tage Bonn inkl. Fahrt in einer echten Politikerlimousine“ gewonnen hat und dann einfach vergaß, wieder nach Hause zu fahren.

Man soll nicht immer Ressentiments gegen Politiker schüren: Die tun doch nix. Die wollen bloß spielen. Ihr Spiel hat den barocken Titel: Wir haben im Grunde keine Ahnung, woran wir da herumfummeln, aber wir retten qua angeborener Kompetenz jetzt erstmal die Weltwirtschaft, ferner das Weltklima, das System der Rentenversicherung, das kranken Gesundheitssystem, den Frieden in Afgähnistan und alles weitere, und zwar mit Mitteln, die sich seit 40 Jahren schon nicht bewährt haben, aber was sollnwa machen, wir ham ja sonst nix. Wir fahren die Karre an jede verfügbare Wand, machen dabei aber ein triumphierendes Gesicht. Die Kunst der Politik in der Mediengesellschaft: Hauptsache, man verkauft, was überraschenderweise herausgekommen ist, als genau das, was man gewollt hat hat.

 Es kommt so oder so. Es kommt, wie es will. Es kommt, wie es kommt. Und alle so: „Yeaahh!“

 Pathetisch packt mich ein Bürgerlich-Sentimentaler am Sakko-Knopf: Wenn du nicht wählen gehst, verschmähst du die heilige Errungenschaft demokratischer Freiheit! Bürger beachteiligter Länder, denke nur an Iran, würden sich alle sechs Finger danach lecken, freidemokratisch wählen gehen zu dürfen! – Mich erinnert das immer an meine Kindheit: „Andere Kinder, denke nur an Indien oder Afrika, wären froh, wenn sie deinen Spinat hätten!“ (Und ich immer so, im Kopf: „Ich auch!“) – Auch Elli, die Hausbesorgerin, teufelt in diesem Sinne auf mich ein: Herr Kraska! Sie MÜSSEN WÄHLEN gehen! Sonst kriegen Ihre Stimme DIE ANDEREN! beschwört sich mich mit eindringlichem Blick. Auf meine verblüffte Rückfrage: „Welche ANDEREN denn?“ schweigt sie vielsagend, oder, nach der Rechtschreibereform: viel sagend.

 Abgesehen davon, daß ich befürchte, die Systeme, die über unser Schicksal entscheiden (globale Ökonomie, internationale Finanz-Märkte, Weltklima, Energieressourcen-Verteilung, geopolitische Weltmachtinteressen etc.) könnten bei weitem zu kompliziert und strukturbedingt eigendynamisch sein, um sie noch mit den Mitteln herkömmlicher, klassisch nationaler repräsentativer Demokratie steuern zu wollen, hab ich den Eindruck, der imaginäre Wähler, der den Wackelkandidaten vorschwebt, ist auf jeden Fall über fünfzig und dynamischer Frühsenior, der sich vorgenommen hat, wenn wir von der Wanderfahrt in den Harz zurückkommen, mach ich da mal an der Volkshochschule so einen Kurs über Internetz. Mal sehen, was da so drinsteht. – Die impertinente Ahnungslosigkeit und backpfeifig dumm-stolze Ignoranz, mit der Frau Dr. Merkel die Probleme, Interessen, Kompetenzen und Zukunftssorgen der heute 25-bis 35-jährigen  übergeht, wird sich irgendwann rächen, schätz ich. Vielleicht schon am Sonntag? Ach ja, „moine jungen Froinde aus dem Internetz“ dürfen ja schon wählen! Yeaahh!

 Wie ich mich kenne, lasse ich mich am Ende doch wieder breitschlagen und mach zwei Kreuze. Und da ich mich ziemlich gut kenne, glaube ich, das erste Kreuz mach ich bei den Grünen, wenn auch mit einem Gesicht, als hätte ich in einen zugleich sauren, faulen und verwurmten (und daher auch viel zu teuren!) EU-Norm-Bio-Apfel gebissen, einen Apfel, der höchstwahrscheinlich ziemlich weit vom Stamm des Baumes der Erkenntnis gefallen ist. Das zweite Kreuz schenk ich den Piraten, nehme es ihnen allerdings gleich wieder weg, sobald sie tatsächlich eine Partei werden. „PiratenPARTEI“ ist ja wohl das doofste Oxymoron nach „Verein der Vereinsgegner“!

 Ich glaube nicht, daß Sonntag ein weichenstellender Schicksalstag für Deutschland sein wird. Es kommt so … oder so. Wahrscheinlich aber noch ganz anders.