Posted tagged ‘Glaubenskrise’

Tagesempfehlungen

2. Mai 2012

Heute im Angebot: Sex mit Nashörnern

Gefährliche Anmache. Der hiesige Zoo lädt, durch den Mai-Ausbruch offenbar im Kreativitätsrausch, per Presseerklärung zu einer sehr speziellen Event-Führung ein: „Bei der kostenlosen Sonderführung ‚Sex im Zoo’ hat jeder Interessierte die Gelegenheit, zu erfahren, was ein Nashorn wirklich ‚anmacht’“, heißt es da verlockend. Und? Bin ich interessiert? Ich weiß nicht recht. Irgendwie glaube ich nicht, dem gewachsen zu sein, was sich Prickelndes ergäbe, gelänge es mir, erfolgreich ein Nashorn anzumachen.

Theologie im Familienkreis. Ein Begriff, den ich nach dem dritten Glas Wein nur noch verstümmelt herausbringe, oder aber im Gegenteil habituell um mehr oder minder überflüssige Silben erweitere, heißt: Transsubstantiation. Den brauche ich aber, um eine beliebte Unterhaltungsnummer im privaten Kreis aufzuführen. „Erklär uns doch noch mal wieder, Magister, was jetzt eigentlich an Fronleichnam gefeiert wird!“ Da lass ich mich nicht lange bitten, denn als studierter Experte für bizarre Gedankenverschlingungen bin ich ein passionierter Freund der katholischen Theologie und Kirchengeschichte. In so etwas kenne ich mich aus! „Nun liebe Kinder, gebt fein acht…“ hebe ich an und dramatisiere dann routiniert das sakramental-metaphysische Hütchenspiel der mysterienhaften Verwandlung: Blut und Wein, Fleisch und Brot, Klingeling, simsalabim und hoc est corpus meus („Hokuspokus“), inklusive Weihrauch, Wunder, mit Kostüm und Lichteffekten, und hypnotisiere eine junge Dame im Familienkreis damit derart transubstantiell, dass sie leeren Auges, im Zustand verträumter Langeweile in den Raum über den Esstisch fragt: „Und was ist mit Krimi-Histelfahrt? Solln wir da nich ma wieder nach Holland?“ „Wär das nich Translokation?“ prustet ergänzend die Gattin. – „Ja, aber nur mit Transpapid“ erwidere ich schlagfertig, aber auch etwas genervt, da ich mich nicht ernst genommen fühle. Dabei berichte ich doch bloß!

Schnarchsack vs. Gummibeutel. Am Altern finde ich nichts Positives. Ich fänds, falls man den Schöpfer kritisieren darf, viel besser, man würde alt, kränklich, gebrechlich und total weise geboren und würde dann in der Folge von Jahr zu Jahr immer schlanker, knackiger, unverschrumpelter und vor allem: herrlich dümmer! Am Ende würde man Sex für eine Wundertüte halten und glauben, es stünde einem die Welt offen, ohne dass man einen Preis bezahlen müsste und man stürbe genau in dem euphorischen Moment, wo man sich sagt: Wow Leute! Jetzt geht es richtig los!“  – Die durch Lebenserfahrung erworbene Klugheit will mal wieder keiner aufs Butterbrot kriegen, und egal, was man sagt, die jungen Leute schauen einen an, als wäre man ein sprechendes Breitmaulnashorn. Dabei kann man auch als Senior noch dumm sein wie die Backfische. Ich zum Beispiel hielt bis vor kurzem Leberwickel für süddeutsche Hausmannskost mit Zwiebeln. Dem ist, wie mich die Wellness-erfahrene Gattin belehrte, keineswegs so. Und noch heute schliefe sie, in wohliger Erinnerung an das Betreutes-Hungern-Hotel, in dem sie neulich war, mit einer Wärmflasche auf der Leber ein, weil das einen ungemein tröstlichen, Geborgenheit vermittelnden Effekt hätte. „Tja, na ja, okay… Wärmflaschen…“ antworte ich matt anzüglich. „Im übrigen“, ergänzt die kluge Pragmatikerin daraufhin spitz, „Wärmflaschen schnarchen auch nicht.“ –  Eins zu null für den Gummibeutel.

Glaubenskrise. Neulich haben mir in der Stadt langbärtige junge Männer in weißen Nachthemden und mit Häkeldeckchenmützen auf dem Kopf prophezeit, wenn ich an die Bibel glaubte, würde ich in die Hölle kommen. Schon vor langer Zeit indessen versprachen mir Herren in schwarzen Nachthemden die ewige Verdammnis, sofern ich NICHT an die Bibel glaubte. Woran also immer ich glaube – „Hölle, Hölle, Hölle!“ (Wolfgang Petri) – Wenn ihr mich fragt: Das ist doch ein ganz mieses Spiel, Leute!

 

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Arnold Winterseels Jour Fixe (IV): Zwei, drei Flaschen Wein gegen die Gottesferne

20. März 2009
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Maulana Dschelaleddin Rumi: Wein der Unsterblichkeit?

ÜBER GOTT NUR IN DER ICH-FORM!

Freund Fredy Asperger  tüftelte zuhause an einer kniffligen Fern-Mikado-Aufgabe und erklärte sich am Telefon „mit freundlichen Grüßen“ (!)  für „derzeit unabkömmlich“. Die charmante Miß Cutie indes war angeblich kellnern – sie trachtete seit Frühlingsausbruch das Geld zusammenzubekommen, um sich „endlich mal die Nase machen zu lassen“. Hauke und Hinrich, die Aquavitzwillinge, waren zur alljährlichen Windjammerparade nach Kiel, glaub ich, und Oma Hager ließ sich von Sven-Aaron Mangold, unserem Einserjuristen und Gelegenheitsgigolo, zum Frisör kutschieren, um sich eine frische silberfuchsblaue Haarhaube verpassen zu lassen. Ich machte mir also gewisse Hoffnungen auf ein Privatissimum bei meinem Traurigkeitslehrer Dr. Winterseel. 

Tatsächlich waren im Salon außer einigen mir unerheblich dünkenden Komparsen nur Nachbarschaftsmystiker Enver Konopke und Literaturpapst Blankenvers zugegen. Man diskutierte über die These des Sufi-Süffels, der tägliche Konsum „von etwa zwei, drei Fläschchen Wein“ sei in der Lage, die allenthalben beklagte und und ja auch durchaus  beklagenswerte moderne Gottesferne zu mindern. Er stütze sich, so Konopke, da im wesentlichen auf den mittelalterlichen Derwisch Maulana Dschelaleddin Rumi – die Aussprache des Namens meisterte er wie ein gefährliches Abenteuer sowie unter Aufbietung einiger entbehrlicher La-le-las –, und rezitierte dessen unsterblichen Vers: „Bevor es Garten, Weinstock oder Traube gab in dieser Welt / War unsere Seele bereits trunken vom Wein der Unsterblichkeit“.  – Die bereits pränatale Betrunkenheit Konopkes wollte Blankenvers nun zwar gern konzedieren, bezweifelte das mit der Unsterblichkeit aber energisch. Als Vertreter des medizinischen Materialismus, so der Magister, halte er Konopkes des öfteren vermeldete mystische Visionen eher für „Anzeichen eines handfesten Korsakow-Syndroms“, wie es für chronische Alkoholiker typisch sei; auch werde er, bevor er „Gott sähe“, es wohl erst einmal mit ekligen kleinen Tieren an der Krankenhauszimmerdecke zu tun bekommen, prophezeite er gallig. Weitere herzlose Gehässigkeiten des Magisters, Leberzirrhose und Delirium tremens u. ä. m. thematisierend, induzierten bei Enver Konopke ein derart vernichtend intensives, anfallartiges Erlebnis der Gottferne, ja untröstlichen Gottlosigkeit, daß er vor metaphysischer Erschütterung einen Weinkrampf (!) erlitt. Dieses Schauspiel erreichte bereits das Stadium der definitiven Unerfreulichkeit, als mir der wohlgefüllte silberne Flachmann in meiner Jackentasche einfiel, den ich dem in Tränen aufgelösten Gottsucher Konopke umgehend anbot. Er nahm einen tiefen, langen Schluck vom Scotch, stutzte kurz über den ungewohnt rauen Geschmack, entspannte sich dann aber, sah mich mit noch tränenblinden, aber glutvoll verliebten Augen an, stürzte auf mich zu und verabreichte mir unversehens einen nassen, durch den borstigen Schnauzbart in seinem Gesicht noch unausweichlicher ausfallenden Kuß auf den Mund, wandte sich dann um, mit ausgestrecktem Arm und vor Erregung zitterndem Finger auf den Lyrik-Lektor weisend, indem er mit fürchterlicher Stimme schrie: „Da sehen Sie es! Da sehen Sie es!“ Mit diesen Worten stürzte der kleine kugelige Mann – unter Mitnahme meines Flachmannes –  aus dem Zimmer, um, so vermute ich, die neu gewonnene Gottesverbindung nicht gleich wieder abreißen zu lassen.

An diesem Abend, Blankenvers empfahl sich, von dem Zusammenstoß mit Konopke noch konsterniert, schon früh, sprach ich dann in der Tat lange allein mit Arnold Winterseel. Er sagte mir ungemein Kluges, Trostreiches und Beherzigenswertes über die Anmut des Scheiterns, die Blindheit der Gewinner und über die hellsichtigen Untergeher und Wandler am Abgrund; er sprach von den herrlichen Dichtern, die es verschmäht hätten, auch nur eine Zeile zu veröffentlichen, und erzählte von helläugigen Mystikern, die von Gott nur in der Ich-Form gesprochen hätten, weil „sowieso alles Eins“ wäre und Gott in der dritten Person zu nennen schon den Frevel des Dualismus heraufbeschwöre. 

Zum Schluß verriet er mir noch das gnostische Geheimnis, wie man es durch Autosuggestion und Atemkontrolle  vermeiden könne, zu wirken, als sei man von allen guten Geistern verlassen; leider, zu meiner nicht geringen Ernüchterung schloß Winterseel jedoch mit den Worten: „Aber, mein lieber Bruno, das bleibt unter uns, nicht wahr?“  – Tut mir leid, Freunde!