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Arnold Winterseels Jour Fixe (III): Zwischen Ramadan und Remmidemmi

15. März 2009
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Achtung, Mode-Schnarchnasen: Die Schlafmaske wird heuer zum Fashion Accessoire!

SELBST-GEHEGELTES: DAS JA UND DAS NIX

Nach meinem ersten Eindruck war Enver Konopke ein Roßtäuscher, wie er im Buche stand. Der kleinwüchsige, monströs beleibte Glatzkopf in seinem unseriös schillernden Glenchek-Anzug und mit dem wenig überzeugenden Knebelbart eines Berufs-Catchers war mir erstmals aufgefallen, als er in Winterseels Salon lauthals von sich behauptete, er sei „der einzige muslimische Atheist seiner Nachbarschaft“, wenngleich aber zwar, wie er mit wichtigtuerische Miene hinzukrähte, „… ein stock-schiitischer!“ Dennoch hätten, so schwadronierte der „Privat-Mystiker“, wie er sich hochmögend nannte, weiter, ihn „sämtliche Mullahs auf dem Kieker“, weil er im Fasten-Monat Ramadan „mit dem Saufen donnich so abrupt aufhören“ könne („Menno, Schnaps issn Medikament, da mußte dir janz lannsam ausschleichen, wa?“); dafür stelle er doch dabei in der Fastenzeit tagsüber, solange er einen schwarzen von einem weißen Faden unterscheiden könne, „det Reden komplettmang“ ein, was für ihn ein weitaus größeres Opfer an Allah darstelle, zumal wenn man in Betracht zöge, daß man für dessen Existenz vor allem nach dem Hinscheiden seines angeblichen Profeten Muhammad H. jeden Beweis schuldig geblieben sei.

Oma Hager bekam hektische rote Flecken auf den Wagen und zischte mir mit theatralisch durchdringendem Bühnenflüstern zu, sie kenne „doch diesen Blender“ noch aus der Zeit, als er schwarz-blau-weiße Lackschuhe getragen und sich „Elvis“ genannt hätte; während eines „frivolen Techtelmechtels“ habe er ihr, seiner beträchtlichen geschlechtlichen Erregung Tribut zollend, sogar in einer Art Geständniszwang einmal offenbart, sein Taufname sei eigentlich Erwin, und er sei in Wahrheit der illegitime Sproß eines preussisch-protestantischen Pedanteriewarenhändlers aus Rixdorf gewesen, bevor er zum Islam konvertiert und an jenem dann wiederum zum Renegaten geworden sei. – „Enver Bey“, wie er sich gern rufen ließ, zwinkerte mir bei Oma Hagers unüberhörbar  konopke-kritischenen Einlassungen lediglich verschwörerisch zu und deutete mit vor den Augen absolvierten, energischen Wischbewegungen an, daß er die alte Dame für unrettbar dement (i. e. „völlig gaga und plem plem“) hielte.

Unser Einserjurist Mangold warf schneidend ein, nach den Regeln der Aussagenlogik mache es ja wohl, ob man sich nun jüdischer, christlicher oder muslimischer Atheist schimpfe, ungefähr so viel Unterschied wie die Frage, ob man John Cage’s Stück > 4′ 33“ <, das bekanntlich aus ca. viereinhalb Minuten Stillschweigen bestünde, nun für Piano (Fassung von 1952) oder für Orchester (London, 1982) aufführe. – Hauke und Hinrich Dittmers, die Aquavitzwillinge, protestierten unisono und furioso: Ihre friesische Ontologie der Negation besagte, um es zusammenzufassen, es sei „scha numah ein völlich anneres Gefühl“, ob man „kein Jubi mehr“ in Gefrierfach hätte oder „bloß ma das Jever aus“ sei! 

Unser Mentor und Traurigkeitslehrer, Dr. Arnold Winterseel, hatte, noch in der Tapetentür verweilend, dem sich anschließenden Disput über das Sein und das Nichts mit gütigem Schmunzeln beigewohnt, räusperte sich aber dann, um beiläufig zu bemerken:

„Liebe Freunde, es ist doch wohl ohne Zweifel folgendermaßen: … die Negation steht unmittelbar der Realität gegenüber: weiterhin, in der eigentlichen Sphäre der reflektierten Bestimmungen, wird sie dem Positiven entgegengesetzt, welches die auf die Negation reflektierende Realität ist, – die Realität, an der das Negative scheint, das in der Realität als solcher noch versteckt ist“!

„Hegel, Wissenschaft der Logik, Bd. I, Kap. II, Abschnitt A, Absatz b, Anmerkung1“ – murmelte Fredy Asperger neben mir traumverloren, während Miss Cutie plötzlich einem hysterischen Gickel-Krampfanfall zum Opfer fiel und wenig damenhaft, mit hochrotem Köpfchen losprustend und „ich mach mich gleich nass, ich mach mich gleich nass!“ quiekend schleunigst aufs Lavobo retirierte. 

Winterseel schien mir, seinem bekümmert eulenhaften Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ernsthaft konsterniert! –  Und hier war es nun doch ausgerechnet der bramarbasierende Barbaren-Brahmane und Sufi-Säufer Enver Konopke, der die Situation rettete, wenn auch mit einer unleugbar atemstockenden Vulgarität, die manche an Jonathan Swifts Erzählung erinnerte, wie Gulliver einst den Brand im kaiserlichen Palast von Liliput gelöscht hatte, in dem er ungescheut vollrohr draufschiffte: – Ein schnapsbedingstes schweres, saures Aufstoßen zerriss jedenfalls die betretene Stille, in die hinein Enver Bey Konopke seinem Rülpser mit einem artikulationsmäßig leicht verwaschenen, sonst aber formvollendeten Hegel-Zitat Gewicht und Vollendung verlieh:

Die Qua… Qua…Qualierung oder Inqualierung…, einer in die Tiefe, die Tiefe, aber, äh, in eine trübe Tiefe gehenden Philosophie, bedeutet die Bewegung einer Qualität (der sauren, herben, feurigen usf.)“ – hier stierte der Ex-Konvertit uns mit einem wehe wattigen Grinsen ins Gesicht, – „in ihr selbst, insofern sie in ihrer… ihrer negativen Natur (in ihrer Qual) sich aus anderem setzt und befestigt, überhaupt die Unruhe ihrer an ihr selbst ist…“

„…nach der sie nur im Kampfe sich hervorbringt und erhält“,  fielen wir alle erleichtert in jubilitatorischem Chore ein, uns an den Händen fassend und mit den Füßen sanft den Rhythmus in den Teppichboden stampfend. These und Anti-These, Realität und Negation lagen sich dialektisch in den Armen und des Schmatzens fraternisierender Wangenküsse wollte es kein Ende nehmen. Mit seiner Bravourleistung hatte sich Enver Konopke in unsere Herzen rezitiert und wir nahmen ihn, ungeachtet seines inzwischen erfolgten komatösen Zusammenbruchs, einstimmig in unsere Salon-Runde auf, wo er seither darauf pocht, die Rolle eines „Paradiesvogels“ zu spielen…. 

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