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Verbraucherentwöhnung (Leben ohne Zusatzstoffe)

20. November 2011

Das Verbrauchen aufgeben: Leben ohne Zusatzstoffe!

Nach Silvester will ich nun endlich mit dem Verbrauchen aufhören. Verdammtes Laster. Jeder weiß: Die Haut zerknittert, die Lunge schrumpelt, der Magen krampft, aber es wird weiter verbraucht, als gäbs kein Morgen! Aber jetzt gewöhn ich’s mir ab! Egal, welche Mittel: Akkupunkturschrauben, Hypnosetabletten, Demut im Stuhlkreis. Denn es fällt so schwer! Man will ja nicht hören: Verbraucher sterben früher, Verbrauchen macht Krebs und die Fötis kommen schon schrumplig auf die Welt, das ist einem aber schnurzegal und wenn die Statistik zweimal klingt, man macht nicht auf, man ist nicht zuhaus, weil man ja riesige Drahtkäfige auf Rollen durch die Schluchten des LIDL schieben muss, den ALDI hoch und den REWE wieder runter, mit großen runden Verbraucheraugen und Schmacht im Hirn, denn was man jetzt braucht, sind Hartmacher, Weichmacher, Säuerungsmittel, Konservierungsstoffe, naturidentische Aromen, funktionale Additive, Farbstoffe, Backtreibmittel, clandestines Chemiezeugs, allerhand Allergene also und vom ALDI noch Mittel gegen den Tod, Vitamintabletten, Magnesium-Brause, Salbei-Hustinetten. – Aber was das immer kostet!

Nicht auszudenken, was man als Nicht-Verbraucher für Summen sparte. Sorgenfrei und kommod schlenderte man freitags zur Bank, zöge sich einen überschüssigen Batzen Scheine, die man daheim, weil man Geld ja laut Indianerehrenwort angeblich nicht essen kann, wenigstens schön bügeln, stapeln, zu Abreißblöcken lumbecken oder in transparentes Kunstharz gießen könnte, um sie später dezent neidischen Besuchern vorzuführen. Leider, wie ich mich kenne, würde mir die Geldstapelei wohl rasch fad. Mit Geld hab ich’s nicht so, das macht meistens meine Frau.

Kürzlich hat mich am helllichten Tag ein zumindest am Telefon sehr verführerisches und verbraucherfreundliches Fräulein angerufen und gefragt, ob ich mit dem Verbraucherkredit zufrieden sei, den ich bei ihrer Bank hätte. Sie hatte einen arabischen Namen (das Fräulein, nicht die Bank), und ich fühlte mich kognitiv etwas überfordert, weil nämlich unsicher, ob Zufriedenheit in Bezug auf einen Kredit überhaupt eine sinnvolle Kategorie sein könnte. Nach längerem Grübeln schlug ich der jungen Dame, die mit Sicherheit Abitur hatte, zaghaft vor, ich könnte ja vielleicht mit der Höhe der Zinsen unzufrieden sein? Ich wollte ja bloß nett sein! – „Wieso?“ schnappte die Schnippische zurück, „kriegen sie den denn woanders billiger?“ Weil ich grad an einem Philosophie-Vortrag saß, war ich ein bisschen blöd im Kopf, und, eh ich einschreiten konnte, hörte ich mich sagen: „Keine Ahnung, da müsste ich meine Frau fragen…“ – Auf solchen Geistesgegenwärtigkeiten beruht mein phänomenales Glück beim weiblichen Geschlecht!

Ich müsste dringend mal zum Schlagfertigkeitstraining. Nicht, dass mir keine guten, witzigen Repliken einfallen, nur leider immer erst zwei Stunden später. Ich hab Zeitverzögerung wie eine Sparkassenkasse. Deswegen kann ich auch nicht zu Quizsendungen, obwohl ich eine monströs umfassende Allgemeinbildung besitze – vor Aufregung könnte ich sie aber nicht abrufen. „Abrufen“ ist heute das meistgebrauchte Wort bei unsren Fußball-Profis. Nachdem man ca. zwei Jahre lang stereotyp „alles gegeben“ hat, muss man nunmehr vor allem nicht etwa sich anstrengen, sondern seine „Leistung abrufen“. – Neulich war ich übrigens ausnahmsweise einmal ziemlich auf der Höhe und hab meine Intelligenz abgerufen. Im Maredo-Steakhaus konterte der Kellner meine Beschwerde, die servierten Pommes seien kalt, in dem er sensibel mit den Fingerspitzen das Geschirr befühlte und mir mitteilte: „Der Teller ist aber warm!“ „Okay“, erwiderte ich – serve and volley!„aber den Teller will ich ja nicht essen!“ Ha, ha! Gut, was? Oder, na ja, ins große Buch der geistvollen Anekdoten wird das vermutlich keinen Eingang finden, öffentliche Aufmerksamkeit wird mir deswegen nicht zu teil.

Überhaupt: Viele wertvolle Leistungen blühen in der Verborgenheit. So wusste ich bis vor kurzem gar nicht, dass es beispielsweise eine „Europäische Meisterschaft im Gemüse-Schnitzen“ gibt. Das muss man sich mal vorstellen: Ein so gemütvolles, harmlos veganisches, gutsinniges und besinnliches Hobby wie das Gemüseschnitzen wird von den Medien kaltschnäuzig geschnitten! Billard wird übertragen, Poker, Wok-Schlittern und Springreiten, aber wenn eine einfache Sekretärin aus Bottrop es schafft, aus einem Rettich eine Seerose zu schnitzen, ist das keine Übertragung wert. Armes Deutschland!

„Armes Deutschland“ schreiben die Nörgelrentner mit den gebügelten beigen Anglerwesten immer in den Kommentar-threads, wenn „die Politiker“ mal wieder den Überblick nicht aufbringen, den die Ressentimentregimentsreiter vom Stammtisch im Verbraucherclub längst besitzen. Ein zärtlich-besorgtes, aber bitterlich resigniertes, geradezu barmendes Statement, fast wie von Heinrich Heine: Armes Deutschland. Denk ich an Deutschland in der Nacht, hab ich sie ganz gut verbracht.

Ich habe immerhin einen hübschen Nachmittag verbracht und meiner Leidenschaft für den Frauenfußball gepflogen. Beinahe hätte ich Frauenfrustball geschrieben –  im Angedenken an die Kasachinnen, die von den deutschen Damen mit 17:0 in den Boden gepflügt wurden. Man kam gar nicht zum Pinkeln zwischendurch, derart hagelte es Tore. Armes Deutschland? An Toren mangelt es uns jedenfalls nicht. Wäre das Leben insgesamt so knusprig, dass darin durchschnittlich alle 5,3 Minuten ein Tor für uns fiele, wer brauchte da noch Chips und flüssige Stimulantien? Ein verbrauchfreies Dasein winkte uns, wir atmeten frei, fassten uns zum Tanz an den Händen und bewürfen uns schmunzelnd mit Kügelchen aus Papiergeld. Famoser Traum: Ein Leben ohne Zusatzstoffe!

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Sex, Sexismus, Frauenfußball

26. Juni 2011

Doofer Sexismus, aber sehenswert, oder? (Copy-Right: Natürlich der PLAYBOY)

Frauen, das ist inzwischen weltweit bekannt, haben ein Geschlecht. Man darf heute mutig hinzufügen: Und das ist auch gut so! Zwar, Männer haben ja auch eines, und sie sind sogar gemächtig stolz darauf, verstecken es aber auch gern unter Suspensorien, hinter vorgehaltenen Händen (beim Freistoß mit Mauer) oder in der Semantik. 2010 hatten wir z. B. die FIFA-Fußball-WM, klar, und was geht heute endlich ab? Die „FIFA-Frauen-WM“ – ein Turnier, in dem also offenbar ermittelt wird, wer Weltmeister im Frau-Sein wird. Verwirrend, denn die Weltmeisterin im Frau-Sein hieß lange Zeit „Miß Universum“ und die war gar nicht Teil einer Mann(!?)schaft.

Natürlich kann man sich trefflich über den latenten Sexismus der alten DFB-Säcke echauffieren, die noch vor drei Jahrzehnten keinen Zwanziger für den Frauenfußball gegeben hätten, aber Sexismus ist, wie ich an mir selber registriere, hartnäckiger als Haarwuchs an den falschen Stellen. Zwar bin ich seit Jahren Fan des Frauenfußballs, nur – bin ich es auch aus sport- und gender-politisch korrekten Gründen? Oder handelt es sich um einen klandestin-unbewußten Triebimpuls, wie ihn nur die Adepten von Professor Freud aus meiner schwarzen Seele herausgrübeln dürfen? Kann doch sein! In meiner Jugend wurde ich, außer von Cellistinnen, die aber nur selten vorkamen, erotisch stark von Friseurinnen – die man damals noch betörend-sinnenverwirrend „Friseusen“ nennen durfte, ein Wort, das so herrlich säuselte und süßelte – angefackelt. Sie rochen so gut und waren Virtuosinnen der Kopfmassage, und der Kopf ist ja bekanntlich, ahem, nun ja.

Heute machen mich eher stramm-schenklige, Sport-BH-tragende junge Frauen an, aber das ist falsch, oder? Evtl. sogar verwerflich? Das Fortbildungsmagazin „Playboy“ versorgt den Teil der männlichen Bevölkerung, dem beim Thema „Frauenfußball“ weniger das Herz, als die Hose aufgeht, mit Nackt-Fotos von Fußballerinnen, die selbst ich, gäbe es sie bei Panini, vermutlich wohl eher sammeln würde als etwa bodenlos hosenlose Fotos von Lukas Podolski oder Bastian Schweinsteiger, zugegeben. Auch ich bin „nur ein Mann“. Nebenbei, Frauenfußball ist vielleicht weniger kampfbetont und athletisch, dafür aber anmutiger, technisch versierter und ästhetisch befriedigender. Das liegt letzten Endes vermutlich daran, dass Frauenfußball von Frauen gespielt wird. Und damit sitze ich schon wieder in der Sexismus-Falle, weil ich ganz generell, als bekennender „Hetero“, Frauen ansehnlicher finde als Männer, und zwar ziemlich egal, was sie gerade tun. Selbst beim Trikot-Bügeln oder Beine-Rasieren würde ich Fatmire „Lisa“ Bajramaj, Celina Okoyino da Mbabi oder Kim Kulig wahrscheinlich lieber zuschauen als, sagen wir mal, Phillip Lahm. Schon wieder falsch! Ich soll ja nicht Frauen, sondern Fußball gucken.

Andererseits: Ich würde auch gern saudi-arabischen Frauen beim Auto-Fahren zuschauen, oder iranischen Mädels beim Fußball ohne Tschador, und das wäre, zunächst mal, ein politisch korrektes Begehren. „In Saudiarabien dürfen Frauen noch nicht mal Auto fahren!“ – diesen Satz hört man hierzulande gerade ziemlich oft, wenn die unglaubliche Tatsache ventiliert wird, dass Frauenfußball in Deutschland bis in die 70er Jahre – was? genau! verboten war! Er gefährde nämlich, so noch Sepp Herberger, die „weibliche Anmut“.  Das finde ich ja nun gerade eben nicht, aber könnten wir das Thema „weibliche Anmut“ nicht irgendwie überhaupt mal beiseite lassen? Offenbar nicht. Weil nämlich selbst Emanzipationsvorkämpfer wie DFB-Theo Zwanziger Werbespots genehmigen, in denen sich Spielerinnen mitten im Match die Lippen nachziehen und die Wangen pudern. Haha! Ein bisschen doof sind die Tussen also wohl doch, aber wenigstens nicht „vermännlicht“ wie Mario Gomez und Manuel Neuer, die sich wahrscheinlich noch nicht mal die Beine rasieren, schon gar nicht während des Spiels.

Ist das eigentlich ein Fall von latenter Homophobie? Dass Männer immer Angst haben, Sportlerinnen könnten „vermännlichen“?  Also meine Befürchtung ist das nicht, auch wenn Fußballerinnen mal vergessen, sich im Strafraum die Nägel zu lackieren. Ich verstehe auch nicht, warum so viele Testosteron-Junkies immer Angst vor Lesben haben. Glauben sie vielleicht, sie kriegen irgendwann keine Frau mehr ab, weil die alle ihresgleichen bevorzugen? Wie kleinkariert und kognitiv bierbäuchig! Ich halte es mit dem französischen Philosophen und Sozial-Utopisten Charles Fourier, der bekennender Anhänger des „Sapphismus“ war, was wohl, weniger vornehm, bedeutete, dass er gern bei lesbischem Sex zuschaute, was ich ganz gut verstehen kann. – Aber, warum rede ich bloß die ganze Zeit über Sex? Es geht doch um Fußball!

Nachher gucke ich das Eröffnungsspiel. Ich hoffe natürlich, dass unsere Frauen auf dem Platz gut aussehen. Wobei ich dies rein sportlich und wettkämpferisch verstanden wissen möchte. Andererseits: Würde das Geschlecht GAR KEINE Rolle spielen, könnte ich, wäre es mir nur um „schönen Fußball“ zu tun, ebenso gut auch den FC Barcelona ansehen. Es ist zum Mäuse-Melken – man entkommt irgendwie dem Geschlechtlichen nicht, selbst wenn man altersbedingt schon darüber hinaus ist!