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Im Geddo mit Hölderlin

11. April 2011

Grillen im Park: Zwischen Hammel und Himmel

Gang aufs Land

Komm! ins Offene, Freund! zwar glänzt ein Weniges heute
Nur herunter und eng schließet der Himmel uns ein.
Weder die Berge sind noch aufgegangen des Waldes
Gipfel nach Wunsch und leer ruht von Gesange die Luft.
Trüb ists heut, es schlummern die Gäng‘ und die Gassen und fast will
Mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit.
Dennoch gelinget der Wunsch, Rechtgläubige zweifeln an
Einer
 Stunde nicht und der Lust bleibe geweihet der Tag.“
(Friedrich Hölderlin)

Ooch, na ja, so schlimm war es dann gar nicht – gar nicht so eng und bleiern, es glänzte sogar, ozonlochbegünstigt, eher „ein Vieles“ vom Himmel, und „leer von Gesange“ ruhte die Luft keineswegs, vielmehr quirilierte und trötete enormes Balkan-Gedudel und Arabesk-Geknödel huldreich vom segensreichen Orient her, bzw. ortsüblich gewordenes fröhliches „Geräusch“: http://cbx.amadyne.net/blog/articles/869/die-welt-wird-doch-untergehen-oder-die-80er-sind-vorbei allenthalben, damit „die Gäng’ und Gassen“ im Geddo nicht schlummern, sondern ausgiebigst nach Heimat klingen, wenn auch nicht eben grad nach der meinigen.

Ich weihte den Sonntag meiner Lust, per Fahrrad durchs Geddo zu patroullieren und hiesige „Rechtgläubige“ zu besichtigen. Im „Offenen“ vulgo kommunal betreuten Park („Grünzug Hochfeld“) knubbelte sich des Volkes dunkle Masse und opferte dem Gott dichte Schwaden verbrannten Hammelfleisches, das fromm zum Himmel stank. Oh dieses Duftes! Ex oriente lux? Mag sein, wesentlicher aber die mobil-transportable olfaktorische Heimat-Tapete. Es gibt da den einen Song von Tom Waits, wo er krächzend behauptet, sein home sei, wo immer er seinen Hut hinhänge. So der Bürger der Neuen Welt. Altwelt-Nomaden haben indes ihr Heim, wo sie das großfamiliäre Grill-Lager aufschlagen; ums Knusperfeuer gelagert genießen sie Tag und Traum, Hammel und Himmel, Lust und Lamm des Frühlings, und versorgen das Viertel mit Atmosphäre.

Zwei stolze Altweltnomaden in typischer Landestracht

Manche Besucher sind enttäuscht, wenn ich ihnen mein Geddo zeige – als Sozialromantiker  stellen sie sich immer einen Slum, ein town-ship oder eine Wellblechhütten-Favela vor und wundern sich dann über Gründerzeit-Häuser, Parks und Baumbestand. Sehen kann man das Geddo in der Tat schwerlich, riechen indessen schon.

War es im Sinne Hölderlins, dieser edlen Seele, dass ich schließlich, betäubt von Spiritus, Holzkohle und Hammelfett, in meinen 15qm-Hinterhof retirierte, um mich, in Begleitung seiner „Vaterländischen Gesänge“, im Duft des dort anwesenden Wilden Flieders zu ergehen? Fast glaube ich das. Eitel Honigseim und Blütennektar umspielte mich im lauen Frühlings-Zephyr, mir wurde in traulicher Idylle ganz wunderlich, ich träumte von anmutsvollen Nymphen und flötenspielenden Hirtenknaben, von deutschem Wald und griechischen Wiesen, mir kam das Begehren an, zu dichten und zu weinen, und zum ewigholden, heimischen Fliederbaum sprach ich: „Komm ins Offene, Freund“ – lass uns da mal gegen an stinken!

Kraskas Lustgarten-Idylle: Taoistischer Bambus, idealistischer Flieder, Mülltonnen-Prosa

 

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Pizza, Fußball & ägyptische Italiener

28. April 2010

Ägyptischer Pizza-Teller

Ungewöhnlich warmer Frühlingsabend heute. Es groovt greifbar. Im Viertel riecht es betäubend, teils nach gemähtem, teils nach gerauchten Gras; Grill-Schwaden mäandern, der Flieder duftet, desgleichen die Mädchen, die heuer wieder eminent gut gewachsen sind, Kopftuch hin oder her. Die Tamilen spielen Krickett im Park oder Volleyball im Hof; die von mir politisch unkorrekt so genannten. Reggae-Neger sind bereits alle auf der Straße und üben ihren hoch-musikalischen Gang. Cool running. Vor lauter berauschtem Vormichhinradeln und urbanem Atmosphärengenuß vergesse ich übers Patroullieren glatt, mein abendliches  Diätbreichen zu kochen, und, was schwerer wiegt, auch noch, daß heute der FC Bayern in Lyon spielt. – Oh, oh! Jetzt aber schnell! Hunger UND Eile!

Spontan, was so viel heißt, wie: in Panik, beschließe ich einen Diätbruch. Wenn schon Mangel an compliance, dann aber richtig, also Ferttich-Pizza! Aber wo jetzt, bei wem und welche? Die Frage bei uns in der Nachbarschaft lautet dabei konkret: Wer sind die besten Italiener? Die Inder, die Tamilen, die Pakistani, die Marrokkaner oder die Ägypter?

Ich entscheide nach oberflächlicher Sympathie: „Mimmo“ war ein berüchtigter Mafia-Killer, der am Ende wieder katholisch wurde und seine Auftragsmorde beweinte wie ein  kalabresisches Krokodil. Besser spät, als nie, oder? Also okay, va bene, Mimmo. Freilich, die Italiener, die hier in der „Pizzeria Mimmo“ rasch, effizient und präzise agieren, sind allesamt Pharaonen-Söhne. Im Lokal weht an die Wand genagelt die rot-weiß-schwarze Fahne.  Im Fernsehen läuft das Bayern-Spiel, übertragen vom Kairoer Fernsehen. Man sei, so erklärt mir Kemal mit charmantem Lächeln, zwar durchaus auch in der Lage, auch dem deutschen Kommentar zu folgen, fände aber den ägyptisch-arabischen spannender. Ich muß dem zustimmen: Wer einmal einen schon in der 8. Minute ultrahocherregten ägyptischen Kommentator hat „Sch’huua-wwh’ein-staige’rrrrrrch“ hat intonieren hören, dem ist selbst Marcel Reif bloß ein Schnarchsack.

Also eine mittlere Napoli mit Tonno und Kapern. Noch heiß und knusprig, als ich den DBVT-Stecker ins Notebook einstöpsele und Wein (weiterer Diätbruch, jetzt ist schon alles egal!) eingieße. Eine tadellose Pizza, stelle ich fest, während ich wohlwollend registriere, daß die Bayern inzwischen bereits 1:0 führen. Ein kritischer Gedanke, des Inhalts, daß Pizza ja nun wohl definitiv das langweiligste Thema der Welt ist, schießt mir durch den Kopf. Kann sein. Trotzdem, wenn er’s mal sein muß, will man wissen, wohin. Ich schlage vor: „Mimmo“.

Die ägypytischen Jungs sind multitasking-fähig: Sie können gleichzeitig auf arabisch ins Handy palavern, Fußball gucken, mit Kunden plaudern, kassieren und zudem anscheinend recht leckere Pizza backen. Ich bin nicht ganz sicher – hat Ägypten sich für die WM in Südafrika qualifiziert? (Ich glaube, schon…) Wenn ja – ein Fußball-Spiel guck ich auf jeden Fall in der „Pizzeria Mimmo“: Das bißchen Arabisch lern ich bis dahin!

Bayern siegt 3:0. Die Pizza ist vertilgt. Ein Rest Wein ist noch da. Der Tag endet befriedigend.