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Kleist und ich. Bildungsbürgerliches und gute Suppe

24. November 2011

Wäre er auf dem AB, würde man zurückrufen?

Jahrzehnte lang bin ich durchs Leben gestoffelt, ohne zu wissen, was Pastinaken sind. Ich dachte, das wäre eine von diesen gnostischen Sekten in Bulgarien, oder so ein südamerikanisches Sumpf-Insekt, aus dem man giftige Salbe macht. Durch Unbildung entging mir so für Ewigkeiten eine leckere Suppe, wo man noch Jakobsmuscheln rein tun kann, dann wird sie eine Köstlichkeit.

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Andererseits bin ich gut darin, jungen Menschen etwas beizubringen. Weil sie eine fromme Muslima ist und ich ein bösartiger alter Sack, hab ich meiner Nachhilfeschülerin Azize von der Evolution erzählt. Die Abiturientin sieht mich mit schreckensweiten Augen an: „Saurier? Die gab es wiiiiarklich?“ – „Jaha“, bestätige ich, „genau wie Godzilla, Tarantula und Bussibär, aber die wirst du auch nicht kennen…“ – Also jetzt mal ehrlich!

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Vor kurzem kam eine Email von Azize, wahrscheinlich aus dem Schulklo: „Kannst du mir bitte, bitte ganz schnell in zwei Sätzen sagen, worum es noch mal im Chandos-Brief geht?“ Aber klar. Ich könnte auch die „Buddenbrooks“ in einem Satz zusammenfassen, aber es würde ein langer Satz, der das Handy-Display wohl sprengen würde. Immerhin konnte ich ihr zurückmailen, dass es um eine Sprachkrise ginge. Damit kennt sie sich aus, das hat sie täglich.

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Gerade arbeite ich über Kleist. Also nicht, dass er sein Büro unter mir hat, sondern Kleist als Vortrag jetzt. Der sich vor zweihundert Jahren erschossen habende Kleist war zu Lebzeiten ein ziemlich enervierender Wirrkopf. Hätte man ihn als Freund auf dem AB, man würde wohl selten zurückrufen. Schon, weil man auf seine Briefe nicht verzichten möchte. Kleist war der hinterlistigste, manipulativste und taktisch versierteste Briefeschreiber aller Zeiten. Schon wie er es schafft, auf Beziehungsfragen wortreich und melodisch nicht zu antworten, weil: „Wie soll ich es möglich machen, in einem Briefe etwas so Zartes, als ein Gedanke ist, auszuprägen? Ja, wenn man Thränen schreiben könnte.“ Nicht wahr? Aber die sind ja auf Reisen gegangen. Wenn die Gattin mich das nächste Mal fragt: „Woran denkst du?“, habe ich schon eine gute Antwort parat.

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Übrigens, nebenbei, to whom it may concern: Ein selbst herausgefundener Tipp. TV-Arztserien und Kochsendungen sind viel weniger ekelhaft, wenn man sie auf den zweiten Bildschirm legt, den man nur aus dem Augenwinkel beobachtet. Aber Ton-Abdrehen nicht vergessen! Wenn man zwischendurch wissen will, wer die bildhübsche Lernschwester Anja zum Weinen gebracht hat oder was das für schrumplige Materie-Batzen sind, die Frau Susemichel heute in der Pfanne quält, schaltet man sich halt kurz ein, per Mausklick-Blick.

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Mit der Gattin, die ja auch studierte Theaterwissenschaftlerin ist, erörtere ich über der Pastinaken-Suppe die schwer danebene psychische Struktur von Kleist. „Er war ein komplett lebensuntüchtiger Wirrkopf, voller irrer Pläne und kaputter Projekte, aus denen nie was wurde, ein Schwätzer, selbsttrunkener Träumer, Selbstmystifizierer und manipulativer Traumtänzer“, schwärme ich begeistert. Die Gattin mustert mich fast verliebt, aber auch mit ihrem berüchtigten Ärztinnen-Blick, und sagt nachdenklich: „Weißt du was? Du hast was von Kleist“, was ich nur mit Mühe als Kompliment auffasse. Und dann bringt sie wieder so einen Versprecher, der mich daran erinnert, warum ich sie geheiratet habe: „Sag mal“, sagt sie, „gab es eigentlich damals schon diese Daguerrotherapie?“ Leider nicht. Tägliches Fotographiert-Werden hätte Kleists Selbstbewusstsein möglicherweise aufgeholfen. Oder Fernseh-Talkshows, in denen er freilich vor lauter Schüchternheit und Stottern („Blödigkeit“) kein gescheites Wort herausgebracht hätte. Wie ich!

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„Was machst du noch?“ lautet die tägliche obligatorische Frage beim telefonischen Tagesabschlussgespräch mit der Gattin. Stereotyp antworte ich: „Ach, ich denk mal, ich trink noch ein Glas Wein“, wobei unter „ein Glas“ eine generalisierende Metapher zu verstehen ist, „und vielleicht schreib ich noch ein paar Zeilen.“ – Nämlich diese hier.

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Über die Sexualität alter Männer. Pinguine im Meerschweinchen-Becken

30. Juli 2010

Alter Sack, noch in Betrieb

Seine biologische, soziale und ökonomische Funktion hat er, na ja, schlecht und recht, erfüllt: undankbare Kinder gezeugt, mickrige Bäume gepflanzt, dickleibige Bücher geschrieben (oder zumindest Bausparverträge verkauft), ferner Alimente gezahlt, in den Grenzen seiner Möglichkeiten Karriere gemacht, Haus gebaut, Haus bei ebay wieder verkauft, um den Erlös auf dem Trümmergrundstück seiner trostlosen patch-work-Vergangenheit vertröpfeln zu lassen. So weit, so na gut. Anstatt sein Lebenswerk aber dann fristgerecht mit einem finalen Herzinfarkt zu krönen, trödelt er immer öfter unschlüssig in seinem überfälligen Leben herum und will par tout nicht abtreten. Gott, wie der anödet, der alte Herr! Er ist übergewichtig, hoffnungslos unattraktiv, ihm wachsen Haare aus Ohren und Nase, er quengelt, nörgelt und bietet an jeder windigen Straßenecke seine überholten Erfahrungen an wie rumänisches  Gammelfleisch. Niemand will ihn, den alten Sack, doch klebt er zäh am Dasein wie altes Kaugummi. Als hätte er noch eine Zukunft, rennt er panisch zu Vorsorgeuntersuchungen, macht alle zwei Wochen Belastungs-EKG und kauft heimlich Viagra® im Internet, wahrscheinlich mit Frührentner-Rabatt. Wofür, bleibt im Dunklen. Kurzum: Der ältere Mann ist ein Lästling! Zunehmend – wie auch sonst, mit dem Abnehmen will es ja doch nicht mehr klappen – wird er zum sozialen Problemfall oder Brennpunkt, im Klartext: zu einem Entsorgungsproblem.

Männer ab sechzig, sofern sie nicht durch irgendwelche dubiose Polit-Macht, gewesene Schlagerprominenz oder sonst eine zwielichtige Windbeutelei ihr verstaubtes Charisma in essigsaurer Tonerde mumifizieren konnten, sind, seien wir offen, eine Zumutung. Dieser Bodensatz der Gesellschaft – es sei denn, er hat talkshow-kompatible Eminenz  aufzuweisen oder steht unter polit-historischem Denkmalschutz –, besitzt nicht die geringste Existenzlizenz mehr! Ehrlich: Männer ab sechzig, an denen man vergessen hat, rechtzeitig den sog. „Vatermord“ (S. Freud) zu vollziehen, verzehren unsere Renten-Ressourcen, belästigen anderswo dringend benötigte Land-Ärzte mit ihren Wehwehchen und besserwissern ansonsten ziellos am Büdchen, in der Kneipe oder am Stammtisch herum. Viele sind dabei sinnlos (!) alkoholisiert, stehen unter Drogen (Beta-Blocker, Cholesterin-Senker) oder geben sich sonstwie als hemmungslose Spießgesellen der Spaßgesellschaft zu erkennen.

Das widerwärtigste an älteren Männern ist ihre sog. Sexualität! Ekelerregend und hart am Rand der Sittlichkeits-Kriminalität. Menschlichen Zeitbomben gleich, umschleichen ältere Männer unentwegt (sie haben ja Zeit ohne Ende, die fitten Vorruheständler!) Kinderspielplätze, obskure Erlebniskinos und miese Striptease-Schuppen. Entweder, unsagbar abgründig: denen ihre Impotenz! Alte Männer, das macht sie sympathisch wie Furzkissen, „kriegen keinen mehr hoch“, also praktisch latte fuccicato, – was sie mit Recht zum verächtlichsten macht, was der reproduktionsorientierte Menschenmarkt an Ladenhütern überhaupt zu bieten hat. Zum Abschuß freigegegeben: der notorische „alte Sack“ und Null-Testosterontoleranz-Zombie. Naturgemäß wird er nach Ersatzbefriedigungen suchen – Senioren-Tanz, regelmäßiger Besuch öffentlicher Gerichtsverhandlungen („da hab ich was Sinnvolles und bin der Frau aus dem Weg!“), sowie GPS-gestützte Fahrradtouren durch die Region. Lachhaft! – Man verzeihe mir meinen zivilcouragierten Mut zur waghalsigen political incorrectness, aber ich bin der Überzeugung: Alte Säcke brauchen wir wie Pinguine im Meerschweinchen-Becken!

Oder, noch monströser und superfieser als der „alte Sack“ – der als „widerlicher, alter geiler Bock“ berüchtigte Hormonkrüppel, der, wie ich gerade in einer elektronisch übermittelten Leserbriefzuschrift las, z. B. gern auf Schützenfesten (die Loveparade-Orgie des alten Sacks) jungen Hüpfern, Backfischen und kellnernden Saaltöchtern – und zwar häufig: glasigen Auges! – auf deren sekundären Geschlechtsmerkmale stiert. Und zwar je ansehnlicher die Jungfer und je hervorstechender besagte Merkmale, desto gieriger! Ein Alarmzeichen: der alte Bock ist zwar mausetot, weiß es aber noch nicht oder will es einfach nicht wahrhaben, denn unseligerweise ist sein Triebleben noch nicht erloschen. Es kaspert einfach immer weiter, das Ge-Triebe, obwohl das Verfallsdatum seines Herrchens längst überschritten ist. Wie beim altbekannten Pawlowschen Hund löst sein vertrocknetes Hirn noch immer automatische Sabber-Reflexe aus, sobald er ranker Weiblichkeit ansichtig wird. Wie widerlich ist DAS denn! Abscheulich! Warum schreitet der Gesetzgeber nicht ein? Der Sozialdienst? Die Pharmaindustrie? Was für Jungspunde absolut legitimerweise als „sexy“ gilt, ins Beuteschema passt und ordnungsgemäße Balz-Rituale initiiert, ist für den alten Sack resp. Bock selbstredend Tabu, verbotenes Früchtchen, no-go-area, Sperrgebiet mit Nato-Draht und Vergrämungsanlage. Der Senioren-Simpel hat seine Triebimpulse, evtl. gleich zusammen mit dem Führerschein, rechtzeitig bei den Behörden abzugeben. Und dann aber ab in die Selbsthilfegruppe!

Moralisch betrachtet, und das ist bei Sexualität der einzig denkbare Gesichtspunkt, hat sich der alte Sack, wenn er schon seine fiesen, unausgelebten Restsehnsüchte nicht gebändigt bekommt, gefälligst auf die inneren Werte gleichaltriger Damen zu fokussieren. Jedem das Seine und ihm, was übrig bleibt. Also alles Mutti – oder Neutrum. Angorapullis und Perlenketten, Stützstrümpfe,  Krampfadern und adrette Faltenröcke seien ihm jetzt erotischer Reiz genug! Verdient er, der bierbäuchige Grauhaar-Wackeldackel, denn etwa anderes? Er hatte seine Zeit, die er hoffentlich genutzt hat, der lüsterne Lackel, – jetzt aber hat er szypko szypko Platz zu machen. Mach Er Sitz, Dackel! Und laß Er das Hecheln! Unverschrumpelte Knackärsche, süß knospende Mädchen-Brüste und blank gleichschenklige Dreiecke (der wüste Traum des geilen alten Pythagoras-Sacks: Arsch-Quadrat mal Brust-Quadrat gleich…) haben ihn ab sofort rundweg kalt zu lassen. Reflektion statt Erektion. Das Gesetz der Euklidischen Geriartrie!

Der lächer-verächtliche „geile Alte“ (früher auch durchaus gern weiblichen Geschlechts –  heute unterbinden das in ihrer Regel die Frauenbeauftragten…) ist eine literarisch allseits beliebte Witzfigur seit zig tausend Jahren, ein Papp-Popanz und Pappenheimer, auf den auch der letzte Erz-Schmand, Dorfidiot oder Pickel-Grind noch, wenn nur unverdientermaßen zufällig etwas jünger, herzhaft draufschlagen durfte, von Aristophanes bis Loriot, in der attischen Komödie der alten Griechen wie in der Comedia dell’Arte und weiter bis zum Ohnesorg-Theater und der heutigen 0/8-15-Fernseh-Comedy. Der Typus des unzeitgemäß geilen Seniorendeppen ist entwicklungsgeschichtlich das erste hominide Rudelmitglied, auf das ausnahmslos alle Neandertaler straflos einkeulen durften, ohne Angst haben zu müssen, revanchehalber eins in die kinnlose Überbissfresse zu kriegen.  Alte Säcke haben seit jeher noch weniger Lobby als Kinderschänder – die sie ja schließlich potentiell auch immer sind, aus rein (geronto-) logischen Gründen. Sie stieren, starren, glotzen und sabbern (interessant, kaum ein Spachklischee kommt ohne dieses „Sabbern“ aus!). Am liebsten würden die Herren Drüsentrieb-Knechte selbstredend nicht nur „sabbern“, sondern vielmehr womöglich gern auch noch „antatschen“, „befummeln“, „begrapschen“. Das wär wohl noch schöner! Wie lange wollen wir das noch mit ansehen, ohne zum Knüppel zu greifen? Zum Elektroschocker oder Bolzenschußgerät?

Warum wir alle den „geilen alten Bock“ so ungemein einhellig verachten, hat zunächst archaisch-soziobiologische Gründe. Um zweierlei kämpft man(n) in der Urhorde: Um Fleisch-Ressourcen und dann um die Weiber, sprich: die Reproduktionsgelegenheit. Schon um des Gen-Pools und der evolutionär effizienten Zuchtwahl willen dürfen die Generationen nicht durcheinander kommen. Verbrauchte Säcke müssen von der Reproduktion ausgeschlossen werden, auch wenn sie noch „können“. Bzw. natürlich gerade dann! Neben dem Inzest-Verbot ist die sexuelle  Generationenbeschränkung eines der grundlegendsten kulturstiftenden Tabus. Die Anarchie des Biologisch-Natürlichen muß eingedämmt werden. Tut mir Leid, Freunde: Evolution is a harsh mistress.

Selbst ausgedörrte Yoga-Damen, verbitterte Spät-Punks, Alt-Rock’n’Roller oder postklimakterielle Besucherinnen des fair gehandelten Häkelkreises von Presbyter-Präses Dr. Schleierhaft, letztere eigentlich zur christl. Nächstenliebe verpflichtet, hassen und verachten schnaubend den „alten geilen Bock“. Widerspruch muß da niemand fürchten. Wer will schon so einen als Nächsten haben!  – Aber andererseits, wir haben heute natürlich auch Zivilisation, Aufklärung, Menschenschutz und alles, weswegen einfaches Lynchen und grobschlächtiger Totschlag (sog. „Keulen“) mit gewissem Recht geächtet sind und leider nicht mehr in Frage kommen.

Und hier komme ich mit meinem Plädoyer bzw. humanen Projekt der psycho-sozialen Entsorgungshilfe: Männer ab 60, über den Daumen, sollten einer – selbstverständlich humanen, also menschlich schon okayen, verständnisvollen und einfühlsamen – Einschläferung zugeführt werden. Entsorgung im Wohlfühlambiente: Ein sedierendes Schnäpschen vorweg, eine kleine blaue Spritze, dazu als Sterbe-Soundtrack Mozart-Sample oder Ennio Morricone, in würdigem, auf Wunsch auch erweitert patch-work-familiären Rahmen, pardauz! –  und allen wäre doch gedient! Im Anschluß, nach der besinnlich gestalteten Feuerbestattung, Kaffee und Käsekuchen, damit die Hinterbliebenen eine schöne Erinnerung gehabt haben werden und gut über den Verblichenen reden. „Ja, gut, vielleicht war er ein alter geiler Bock, aber nun ist er von dem Leiden erlöst, das er uns bereitete“. (Kleiner Tipp: Zuvor das Testament nicht vergessen!) – Und wieder ist die Welt ein bisschen schöner, sauberer, sicherer und bewohnbarer geworden!

– In der nächsten Folge: „Wohin bloß mit Mutti? – Wenn Frauen ihre Jahre bekommen“

Faultiergrinsen: Das Gesicht aufgehängt

26. Juli 2009
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Keine Aussicht auf einen Paß: Grinsendes Faultier

Ab und zu schieben sie sich Blattsalat zwischen die Zähne; einmal in der Woche gehen sie ins fließende Wasser, um sich zu erleichtern; wenn es sich ergibt, paaren sie sich schon mal, aber ohne große Aufregung, ansonsten hängen sie einfach nur ’rum und chillen: Faultiere. Faultiere sind die Energiesparschlampen unter den Säugetieren. Auf Fellpflege verzichten sie, um sich von ekligen Algen bewachsen zu lassen, das gibt eine schöne schimmeliggrüne Tarnfarbe. Sie sparen sogar an der Mimik: Egal was passiert, sie tragen ungerührt ein breites, ungemein einfältiges Grinsen zur Schau. Dieses Grinsen ist im Gesicht fest eingedübelt; seit Jahrmillionen der Evolution ist es den Faultieren nicht mehr vergangen. Sie grinsen auch noch so debil, wenn der Jaguar sie frisst oder wenn sie irgendwann aussterben. Es ist ein bißchen, wie mit der berühmten Grinsekatze in Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“: Die Katze ist schon weg, aber ihr Grinsen ist noch da; es verschwindet als letztes.

Im Spiegel hab ich’s noch nicht kontrolliert, aber ich glaube, manchmal mache ich ein komplettes Faultiergesicht! Etwa nachts, wenn ich nicht schlafen kann und ein Privatsender-Comedy-Spektakel anschaue, im TV. Pocher oder so. Den reflexiven Verstand laß ich dabei aus, der stört ja bloß den Empfang. Und während ich nun düstreren Sinnes, den progredienten Untergang des Abendlandes begrübelnd, das hilflos peinliche Gehampel der lausigen Clowns verfolge, stiehlt sich unmerklich dieses kretineske Faultiergrinsen in mein Gesicht! Ich will das gar nicht! Das machen meine Spiegelneuronen! Weil die Narrenkappen im Fernseh ihre öden Schenkelklopfereien abziehen, muß ich quasi zwanghaft mitgrinsen. Teils natürlich, um intensive Fremdscham zu kompensieren, teils wegen dieser besagten Spiegelneuronen, die auch für unsere unbewussten Imitationen anderer Menschen verantwortlich sind.  Wenn ich’s dann merke, was ich tue, ist es zu spät. Mein Gesicht hat sich „aufgehängt“ wie ein Programm, das Grinsen ist in den Backen eingefroren! Mit meiner Stimmung hat das nichts zu tun – ich kann, wie jetzt, eher ziemlich traurig sein, und trotzdem: Ich griene wie der diensthabende Dorfidiot. Furchtbar. Auf Partys oder Empfängen, wo ich mich nicht wohlfühle, bekomme ich auch oft das Faultiergesicht; ich hab vom festgefrorenen Dauergrinsen sogar schon mal Wangenmuskelkater bekommen!

Wenn ich früher im Fotoladen Bewerbungsfotos habe machen lassen, war es schlimm: Die Fotographierer wollten mich jedesmal par tout zum Smilen verleiten; gleichzeitig mußte ich den Kopf so dynamisch nach hinten oben schräg links abgewinkelt ins Licht drehen, und am Ende sah ich auf dem Foto aus wie ein völlig verkrampfter, verschlagen und sardonisch grinsender, pädophiler Religionslehrer (katholisch), der gerade eine Erleuchtung kriegt. Scheußlich. Natürlich habe ich die Jobs nie bekommen.

Jetzt ist es irrerweise ja genau umgekehrt, zumindest bei biometrischen Passfotos: Jetzt darf man nicht einen Anflug von Lächeln mehr zeigen, man muß absolut leer, ausdruckslos und symmetrisch wie ein Montage-Roboter in die Kamera gucken, und gelungen ist das Foto dann, wenn man auf dem Bild wie schon gestorben aussieht. Natürlich können die freundlichen, willigen Mitarbeiter des Ladens da nichts für, die visuelle Leichenstarre ist Anweisung von Schäuble, wegen Terror und weil maschinelle Gesichts-Scanner mit lebendigen Menschen nicht gut harmonieren. Ein Faultier würden die erst recht nicht durch die Passkontrolle lassen!

Also erst krampfhaft „Cheeeese“, jetzt ebenso verbissen Model „Pokerface“! Eine ganz schöne Umstellung für die Leute vom Fotoladen, denk ich mir mal! Aber das sind ja flexibie junge Leute, die schon die Umstellung von analog auf digital und von mechanisch auf elektronisch lässig gemeistert haben, die machen das schon. Daß meine Fotos noch immer zum Weglaufen aussehen, das ist weißgott nicht ihre Schuld, das ist meistenteils genetisch bedingt, der Rest sind Spuren eines Lebens, in dem es nicht nur immer etwas zu grinsen gab. Insofern gibt es keinen Grund, den Fotoladen nicht auf Qype zu empfehlen, was ich daher dort mit undurchdringlich ausdruckslosem Gesicht kundtat.

Vorwärts zur Weltevolution der Knalltüte!

26. Mai 2009
KOREA-NORTH/

Neuerliche ungeheuerliche Provokation! Der durchgeknallte „Kleine Diktator“ ( – der alte Mann im beigen Rentner-Look ganz rechts) von Nordlummerland fordert schon wieder die Weltgemeinschaft heraus: Diesmal mit einer Weltolympiade im Reise-nach-Jerusalem-Spielen. 28 000 Armee-Generäle rennen in der Hauptstadt Pingpong um die Wette, um einen Sitzplatz auf einem der bloß in achtfacher Ausführung in Nordlummerland produzierten und entsprechend begehrten roten Stühle zu ergattern. Wer noch steht, wenn der Diktator zu dirigieren aufhört, wird erschossen oder verschwindet spurlos in einem der streng geheimen, über Google Earth aber mühelos auffindbaren Arbeitslager des Landes. Die geheuchelte Begeisterung der Generäle ist natürlich staatlich verordnet. In Wahrheit freuen sich die Würdenträger nur über ihre volkseigenen Atomschwellkörper-Mützen brandneuester Bauart. – Soeben rezitiert Diktator Sang Sung seine welthistorische Phrase: „Ein kleiner Knall bei jedem von uns, aber ein großer Bumms für die Menschheit!“ Für den Fall, daß die USA Nordlummerland nicht bald aufkaufen, droht der Dikator mit dem Platzen-Lassen mittelgroßer Langstrecken-Knalltüten.

DIE EVOLUTION MARSCHIERT!

Auf dem Gebiet paläoontologischer Angelegenheiten sind nur wenige bewandert. Man kennt den einen oder anderen monströsen Dinosaurier, aber was denen da so für Kleinvieh oder Geziefer um die dicken Säulenbeine sprang, wüssten wir kaum beim Gattungs-, geschweige denn beim Vornamen zu nennen. Eine Ausnahme bildet die Ur-Primaten-Dame „Ida“ der Gattung Darwinius masillae, deren propperes Fossil jetzt beschrieben wurde. Ich hätte das Uraffen-Mädel ja „Madonna“ getauft, weil es nämlich blutjung und steinalt zugleich ist – eine noch mit Milchzähnen ausgestattete Zweijährige, die aber schon vor 47 Mio. Jahren verstarb. Ihr noch tadellos in Schuß befindliches Skelett gibt angeblich Anlaß, die Spezies Darwinius masillae aus der Gruppe der primitiven, relativ doofen  Feuchtnasenaffen (Halbaffen, Makis etc.) in die illustre Gruppe der schlaubergerischen Trockennasenaffen (Vollaffen, Primaten, Klassen-Primusse) zu promovieren, so erklären uns die Wissenschaftler. Dabei hätte ich für meinen Teil das kleine langschwänzige Vieh – das sich hinter einer DIN A-4-Seite verstecken könnte, wäre so etwas damals schon verfügbar gewesen – eher für eine Art Eidechse gehalten. Doch nein, weit gefehlt: Uraffe mit abnorm großem Hirn, wobei uns die journalistischen Edelfedern das Getier wahlweise als „Groß-Cousine“ (stern) oder „Ur-Ur-Ur-Großtante“ (SPIEGEL online) „der Menschheit“ schmackhaft machen wollen.

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Cousine Darwinius masillae soll die Evolution erklären!

Großes Hirn hin oder her, ich finde die possierliche Proto-Primatin überfordert, las ich doch in einer Schlagzeilenmeldung: „Uraffe soll die Evolution erklären“! – Ich soll das nämlich auch, im nächsten Semester, und ich finde das gar nicht so einfach. Schon Franz Kafkas Schimpanse Rotpeter hat in der Erzählung „Bericht für die Akademie“ nicht geringe Schwierigkeiten, seine Menschwerdung zu beschreiben. Und nun ein Uraffe gleich die ganze Evolution! Was, außer ihrem daumengroßen Gehirn, qualifiziert „Ida“ für eine solche Aufgabe? Daß sie dabei gewesen ist? Das ja wohl kaum! – Die Menschen beispielsweise, die 1789 beim Sturm der Pariser Bastille dabei waren, wussten ja auch nicht, daß sie die weltberühmte „Große Französische Revolution“ machten – sie hatten sich bloß über Brotpreise aufgeregt! – Sind wir selbst denn Zeitgenossen unserer Evolution? Sind wir „dabei“? Entwickelt sich denn da noch was?

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Der gemeine Grüne Atomschwellkopf: Mit Grauem Volkstrott-Vortänzer Vogel (Volkstrottel)

Wahrscheinlich. So hat sich aus einem entlegenen, gewissermaßen cousinenhaften Nebenarm des Homo sapiens sapiens jüngst etwa der sog. Grünmützige Atomknallkopf entwickelt, eine hoch aggressive, sehr spezialisierte Spezies mit abnorm kleinem Hirn und dem typischen bunten Ordensgefieder auf der Brust, deren Populationen sich gern um einen beige-grauen Volkstrottvortänzer-Vogel (kurz: Volkstrottel) scharen, dessen charakteristisches Tschilpen ihnen eine Heidenangst einjagt. Die schwellköpfigen Grünmützen arbeiten, obwohl chronisch halb verhungert, emsig an der Massenvernichtung anderer Gattungen, was sie für ihre verdammte sowie vornehmste Pflicht und Schuldigkeit halten. Ihre zweite Aufgabe im Gefüge der Lebewesen besteht im weltall-weiten Absingen revolutionärer Hymnen auf ihren „geliebten göttlichen Führer“, den grauen Volkstrottel. Als Fernziel streben die kleinen grünen Gesellen die vollständige Umgestaltung der Erde an, deren auffällige Rundungen für sie eine Provokation des amerikanischen Imperialismus darstellen, mit denen der Klassenfeind die Hungerkünste des heroischen nordlummerländischen Volkes verhöhnen will. Eine vollständige Rückführung des dekadenten Erdballs auf seine schon von Marxengelsleninstalinmaodzedongkimilsung entdeckte würfelförmige Grundform ist daher gleichbedeutend mit dem Endsieg aller friedliebenden Kräfte bzw. dero Nachkommen, die den Atomknall überlebt haben werden. Als Banner des Friedens wird dann das steingraue Hungertuch der Revolution auf allen sechs Seiten des Erdwürfels wehen!

Fest vorgenommen haben sich die grünen Knalltüten, nicht den Fehler ihrer Vorfahren, der Neanderthaler, zu wiederholen und auszusterben. Ihre Nuklearwaffen werden ihnen dabei helfen, hoffen sie. Meine Damen und Herren – die Evolution! Und wir dürfen sagen, wir seien dabei gewesen! (Die letzten Primaten machen dann bitte das Licht aus!)

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Das Banner des grauen Hungertuchs der Revolution wird über dem von den Rundungen des Imperialismus befreiten Erdwürfels wehen!