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Was trägt man im Herbst als Papst?

27. Juni 2011

Papst im Ausgehanzug

Es ist heute so heiß Geddo, dass das Wetter endlich mal zur Bevölkerung passt. Selbst Dilara, Gülter, Semra und Emine, unsere eisernen Kopftuchmädchen, lockern und lüften heute den Schleier. Die Sonne knallt dermaßen, dass man nur orientalisch im Schatten sitzen und Pfefferminztee trinken kann. Selbst Eiferer legen Anti-Eifer-Eisbeutel auf. Meinungen und Überzeugungen haben heute hitzefrei. Allerdings nicht bei allen. Meine Freunde von der radikalantiklerikalen Fraktion üben schon mal langsam die Empörungs-LaOla: Olala, am 22. September soll der Papst, nein, nicht im Kettenhemd tanzen, sondern im Deutschen Bundestag sprechen!

Weil mir als Nichtchrist und Jünger des Tao der Gelassenheit kirchenfeindliche Beißreflexe abgehen, war mein erster Gedanke, als ich davon hörte, nicht „Skandal!“, sondern: Was trägt er denn da? Ich meine, käme er mit seinem weiß-goldenen Hemd und violetten Mantelkleid, angetan zudem mit dem hohen spitzen Hut des Kirchenfürsten, das wirkte ja doch schon irgendwie bizarr, oder? Das sähe doch aus, als käme der Weihnachtsmann zur Bescherung! Aber andererseits – der Papst im dunkelblauen Zweireiher und mit Krawatte? Und, als Kompromiss, vielleicht eine dezente, nadelgestreifte Tiara auf dem Kopf? Schon modisch also eine Herausforderung. Von anderen Stilfragen ganz abgesehen.

Was sagt man denn so als Papst vor dem Parlament eines säkularen Staates? Wird er vielleicht was singen? Oder was Lateinisches aufsagen? Und lässt er einen Klingelbeutel herumgehen? Nimmt er die Politiker ins Gebet oder wird er sie beweihräuchern? Ruft er den Gottesstaat aus? Überhaupt: Kommt er eigentlich als Stellvertreter Gottes oder als Chef des Vatikan-Zwergstaates? Geht es also vorrangig um faule Kredite? (Immerhin gehört der Vatikan zur Euro-Zone, lese ich bei Wikipedia. Dort steht übrigens auch, dass der Vatikan-Staat rein statistisch die höchste Kriminalitätsrate der Welt hat – jetzt mal ohne Häme: frappierend denkwürdig, oder?)

Generell befürchte ich einen Würde-Konflikt. Entweder bewahrt der Bundestag seine Würde als Hohes Haus, dann macht sich der Papst lächerlich. Huldigt das Parlament dem Heiligen Vater, wird es geschmacklos. Was also tun? PR-Berater würden vorschlagen: Der Papst muss „sich neu erfinden“. Vielleicht lockerer werden, das Publikum mal überraschen. Er könnte versuchen, den Trick mit den drei Broten und fünf Fischen in der Bundestagskantine vorzuführen oder eine Runde Wasser in Wein verwandeln, das käme im Bundestag besonders gut an. Andererseits könnte das als päpstlicher Papa-Populismus bewertet werden.

Wie ich höre, will eine Handvoll hurmorloser SPDler das Event „boykottieren“. Ich finde das ein bisschen unsouverän. Boykott will mir generell als eine Form unfruchtbarer und phantasieloser Nein-Sagerei erscheinen. Solche Ungezogenheiten sind außerdem pure Wichtigtuerei. Wer mehr Laizismus will, der sollte einen neuen Staatsvertrag mit den Religionsgemeinschaften aushandeln und nicht einem alten Herren respektlos auf die saffianledernen Schnabelschuhe treten. Ich empföhle artiges Betragen, wie es sich gehört: In der Fraktionsbank auf die Knie sinken und „Hosiannah!“ rufen. Das heißt „Herr, hilf bitte“, und das kann ja wohl auf keinen Fall schaden.

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