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Diät, Tiepolo, Kleintierkleidung von KIK

30. August 2012

Unwirklichkeitsmeisterschaften im Vier-Körner-Land: Ich mache jetzt eine Diät! Ein verhungerter Landarzt aus der protestantrischen Steppe hat sie ausgetüftelt. Im Wesentlichen geht es darum, dass man zu jeder Tageszeit irgendetwas nicht essen oder trinken darf, was man sonst als normaler Mitteleuropäer zu sich nimmt. Morgens dafür nur Kohletabletten, mittags saure Milchwurst und abends einen halben Wasserballon – oder war es umgekehrt? Das spielt im Grunde genommen keine Rolle, die wissenschaftlichen Fundamente sind eh rutschig und nicht unterkellert. Es handelt sich um das gleiche Prinzip wie beim Militär oder in den Weltreligionen, die Inhalte mögen absurd sein, aber es ist halt wichtig, sich überhaupt einer Disziplin zu unterwerfen. Absurd ist sogar gut, damit man ständig im Handbuch nachschlagen muss, was man jetzt gerade darf. (Meistens darf man nicht.) Wer durchhält, bekommt das Himmelreich oder eine zwei Nummern engere Hose. Wer schlappt macht, kriegt auf den Grabstein gestempelt: „Er starb aus Disziplinlosigkeit“. Das ist herzlos, aber gerecht. Das Leben ist halt kein Supermarkt. Oder eben leider gerade doch.

Was das nun mit Kunst zu tun hat? Eigentlich gar nichts, aber mir ist diätbedingt irgendwie nach schroffen Überleitungen, und gestern Abend saß ich halt mit der Gattin auf der Terrasse und pflog als angemessen beschauliches Rentnerhobby der Überwachung des einheimischen Luftraumes. Am Firmament trieben kleine Wölkchen, die in der untergehenden Sonne dermaßen originell schräg von unten beleuchtet oder angestrahlt wurden, dass sie wie Zuckerwattenschaum aus Blassgold aussahen. Mich erinnerten sie an das zierliche Himmelszubehör auf spätbarocken Fresken, und so murmelte ich versonnen: „Das sind so richtige Tiepolo-Wolken…“, worauf die Gattin die Stirn runzelte und minutenlang grüblerisch in den Abendhimmel starrte, ehe sie den Kopf schüttelte und zugab: „Sehe ich nicht…“ Es lag aber nicht an ihrem mangelnden Kunstsinn, sondern daran, dass sie statt Tiepolo „Tierpullover“ verstanden hatte, nach denen man zu dieser Jahreszeit natürlich vergeblich Ausschau hält. Giovanni Battista Tiepolo hätte wahrscheinlich nicht schlecht gestaunt, wie schnell wir von seinen an die Wand gepatschten katholisch-barocken Heiligschmalzstullen zu profanen Fragen der Kleintierhaltung übergingen. Ob man abends noch Rokoko-Bilder anschauen darf, ist ohnehin fraglich, denn sie sind zumeist stark überzuckert. „Und lassen Sie den lieb gewonnenen Alkohol weg!“ befiehlt schnarrend der Landarzt. Klar, das musste ja kommen. Dabei will ich nur ein wenig abnehmen, nicht gleich implodieren.

In seinem Handbuch prahlt der Landarzt, unter seiner Diät-Fuchtel hätten bereits viertausend Menschen zusammen über dreißigtausend Kilo abgenommen. Das ist jetzt aber schon schwindelerregend, oder? Ich hab überschlägig nachgerechnet: Wenn nur die Hälfte aller Deutschen nach dieser Diät lebte, kämen wir leicht auf über 300 Mio. Kilo Fett, die wir loswerden, also zum Beispiel exportieren könnten, um verlotterten Krisenländern unter die Arme zu greifen oder die Kaiser von China zu schmieren, damit sie probehalber die Menschenrechte einführen!

In China darf man bekanntlich nur ein einziges Kind haben, was vielleicht den sog. „himmlischen Frieden“ erklärt, der im Land der Mitte herrscht und dem man in Peking sogar einen Platz gewidmet hat. Ob die Zahl der Hunde auch reglementiert ist, weiß ich nicht, fänd ich aber nicht schlecht. Hier im Viertel nimmt das nämlich überhand. Wenn die Brüsseler Bürokraten mit der Glühbirnenernte fertig sind, könnten sie doch mal kleine Hunde verbieten. In meiner Nachbarschaft leben viele ältere Damen, die, wenn es noch ohne Rollator geht, durchweg ein bis drei lächerlich kleine Trippel-Köter spazieren führen. Mit ihrem goldigen Puschelfell mögen diese (die Pinscher, nicht die Damen) ja meinetwegen aussehen wie von Tiepolo an den Himmel gepinselt, aber Rokoko-Wölkchen kläffen nicht giftig im Falsett, sind nicht hysterisch und machen auch keine Häufchen im Park. Da besteht in punkto Umweltverträglichkeit doch Regulierungsbedarf!

Andererseits will ich auch nicht zu laut nach einem Kleintierverbot schreien, denn womöglich würden dadurch Millionen chinesischer Arbeiterinnen brotlos, die derzeit in schlecht belüfteten unterirdischen Fabriken, mit blutigen Fingern und entzündeten Augen, in Zwölfstundenschichten für KIK diese putzigen kleinen Tierpullover stricken, auf die „wir reichen Westler“ ja offenbar nicht verzichten können. –  So, Mittag. Ich brat mir jetzt einen Hund. Mittags erlaubt das der Landarzt, sofern das Tier aus Magerquark und Tofu-Bollen besteht und biologisch abbaubar ist. Aber vorher Pullöverchen abschälen!

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Drei Texte aus dem Jahrhundert der Erbaulichkeiten

24. Februar 2012

Was mir die Muse hinterließ...

Musenbesuch. – In der Nacht überkam mich trotz reichlich genossenem Punsch-Grog tiefe Traurigkeit des Herzens, und so entschloss ich mich, ein Räucheropfer darzubringen und Melpoméne zu beschwören, die Muse der Schwachmütigen, von der geschrieben steht, sie habe über die Zeitläufe hinweg sehr viel Unglück und Leid gesehen und hülfe durch ihren Gesang, neue Kraft in den menschlichen Geist zu transportieren, auf dass er schließlich triumphiere. Schon erscholl sie geisterhaft: „Sterblicher, geh hin und opfere mir ein heiser kläffendes Malterserhündchen oder einen nervigen Yorkshire-Terrier mit goldenem Vließ, so will ich dir unter Umständen erscheinen!“ Ich tat wie geheißen und massakrierte das lästige Schoßtier, es hatte dies längst verdient.

Ein Moment der Magie! Kaum erstarb gurgelnd das Kläffen des Hündchens, entwand sich dem Dunkel im Stubenwinkel wohlduftend das herrliche Mädchen, die hochbrüstige Jungfrau, rabenschwarz und alabasterhäutig, in seidengeblümte Lingerie-Waren gehüllt und sternenbestäubt: Melpoméne, quasi-göttliche Tochter des Zeus und der Mnemosyne! Herbstsüß wie Ahornsirup troff ihr ein Lächeln von den vollen, flaumumschattenen Lippen.

Ich schilderte meine Beschwerden, Malesten und Symptome, die ganze Not: „Beginnende Resopalisierung des Empfindungsvermögens“, lautete die Musen-Diagnose. „Das kann schlimme Desertifizierung der Großhirnrinde bewirken!“, murmelte sie besorgt. Ihre Stimme verschwamm schon im Punschbecken. „Hier, ich schreib dir was auf“ hörte ich die Muse noch panflöten, dann verblich sie schon wieder, anmutig ihren Namen tanzend, im Algendunst des Wecker-Lichts. Was sie hinterließ, gab mir indes zu rätseln.

Tiefer Fall. –„Keine Zeit, keine Zeit!“ – Apostel Petersen, eigentlich ein umgänglicher, geselliger Mensch, bügelte hektisch an seiner Business-Soutane und blies die rosigen Backen auf. Er war berufen worden und sollte abends ein Amt bekommen! Unsere Runde huldigte ihm schon mal frenetisch und berechnete johlend seine Pensionsansprüche. Wir freuten uns für den Kandidaten-Kameraden! Zu früh leider.

Die dreimal vermaledeite Sykophanten-Presse hatte nächtens nicht geruht, hatte gewühlt und es dann lüstern offenbart und herumposaunt resp. ausgeschrieen: Einst, als blutjunger stellvertretender Beauftragter für liquide Nutrifikation beim Nuntius von Schwenningen, hatte Apostel Petersen wohl einmal fahrlässig seines Nächsten Weib begehrt! Zwar, dem besagten Nächsten war dies egal, denn Herr Frerkes war schon lange verstorben, an unheilbarer Gemütsvertrübung, aber eine resche Witwe zu begehren, auch wenn sie nach Argentinien verzogen war und nur noch dem phantasmagorisch-transatlantischen Fernbegehren zur Verfügung stand, beschädigte das in Frage stehende Amt. „Schuldig! Schuldig! Schuldig!“ heulte der Chor der Furchtzwerge, „damit nehmen wirs genau!“

Apostel Petersen musste eine knieweiche, faselscheinige Erklärung abgeben und, einen spitzen Schandhut auf dem Kopf, schamfristgerecht zurücktreten. Ein Traum zerbarst, ein Trauma wurde geboren. Der Geschmähte ging damals als Aushilfs-Anachoret zum Häresiarchen nach Eritrea, um der Vergessenheit anheimzufallen. Heute soll er unerkannt bei der Continental in Lüneburg arbeiten, wo er alljährlich Puff-Partys für verdienstvolle Aquisiteure organisiert. – Hoch fliege, wer tief fallen möchte!

Jähe Verwandlung. – Ich führte stets das Asketenleben eines hageren Hungerherings, aß nur Sportbrot und Tubenfisch aus der Spürdose, ernährte mich von Diätbüchern, die ich selbst ersann, aufschrieb und im Eigenverlag vertrieb und ich mied das Normodrom, wo die Megalomanen, Hypermotoriker und Hydroklasten tobten, item die Sektierer, die Lügenbrut der Oligophyten, Lotophagen und Barbelo-Gnostiker, die dem Herrn ein Greuel sind und die ich gehorsamst verfluchte, ich blieb keusch und treugläubig, erkannte kein Weib, so es verschleiert des Weges kam und trank nicht aus Bechern, in die eine Jungfrau geschaut hatte. Nie ritt ich auf gescheckten Wiederkäuern mit geflecktem Fell und gespaltenen Hufen, noch trug ich je ungebügelte Hemden oder rauchte beim Gebet. Und dennoch schlug mich der Satan!

Eines Morgens erwachte ich und fand mich in einen ungeheuren, dicken alten Sack verwandelt, einen Schlemmer, Prasser und Wollüstling, der bei den Huren und Zöllnern speiste, die Frömmler verlachte und lästerliche Reden hielt. Verhängnis und Hässlichkeit! Wie war das zugegangen? Einer Hexe widriger Zauber? ein heimlicher Fluchspruch? der Dämonen übelriechender Odem? – Ach, vielleicht ist es einfach das Alter.

Kleiner Diät-Song

23. April 2010

Ärzte im Diät-Streit

Kleiner Diät-Song

(Kraska war beim Allergologen)

Nicht Fisch, nicht Flunsch
Und alles ungewürzt nach Wunsch
Nicht Bier, nicht Wein
Kaum Alkohol, an
purem Gin sind hundert
Gramm das Maximum
Vom Blütennektar nur den Seim
Glutamat wär Suizid, und Laktose
Ging ja wohl voll in die Hose,
desgleichen Erbstwurst, Pudelfleisch
und Fertichklops. Kaldaunen? Nein,
(oder nur im Notfall), und vor allem alles
mit Salizylat: Wäre Verrat
an meim
Körper.
Um Chottes Willen bloß keine Nudeln!
Und keine Zahnkrem mit Streifen!
Nur nicht mit Farbstoff besudeln,
und bitte, ja? ausnahmslos neutrale Seifen!
Vom Knäckebrot studiere den Beipackzettel!
Und was ist mit Natriumhydrochlorid?
(Dr. Oetkers Leute mischen doch perfid
Ihren Chemo-Scheiß in jeden Bettel!)
Die Damen: Bitte ein Weilchen kein Sperma schlucken,
die Herren: Solln sich gegen Milchproducken
sperren.
Psychotrope Pilze sind zu meiden, Crystal Myth und Speed
Und Opas Koks, dem Wunsch nach Rausch zum Trotze:
Allergologisch ist das alles Moppelkotze!
Ärztlich untersagt sind ferner Marmeladen,
Muscheln und Mayonnaisen,
sämtliche Säfte, Salben, gefüllte Schokoladen,
Vorderformschinken, analoge Käse-Prothesen,
Pizzen-Streu und nee, auch kein Haferl Knusperflocken,
Wolln Se denn der Herr Dokter seine Diät verbocken?
Nicht Flunsch, nicht Fleisch
Und alles unerwünscht:
das Bier, mein Wein
Und überhaupt der Alkohol! Doch an
purem Gin sind hundert
Gramm das absolute Minimum.