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Chrash test dummy beim Pizza-Test

17. März 2010

Also, auf was für Quatsch man immer kommt, oder? In jungen Jahren kaprizierte ich mich zu meiner Unterhaltung gern darauf, vor Publikum völlig unhaltbare Thesen und Theorien aufzustellen, und zwar je unsinniger, desto leidenschaftlicher und apodiktischer vorgetragen. So posaunte ich beispielsweise einmal die empirisch sparsam untermauerte Behauptung in die Welt, je schäbiger, billiger, mieser, desolater, primitiver, elender und bastel-improvisierter eine Pizzeria aussähe, desto besser sei zumeist ihre Pizza in kulinarischer  Hinsicht. Dies gälte als Regel zumindest im Ruhrgebiet, basta! (Ist natürlich Quatsch mit Tomatensauce.)

Späterhin unterließ ich solche unreife Thesen-Huberei und schliff meine rhetorische Brillanz lieber an anderen Herausforderungen. – Neulich aber, beim ziellosen Herumkramen in meinem alten Kopf, entdeckte ich plötzlich, daß diese Hypothese anscheinend immer noch irgendwie bei mir herumspukte und allen bisherigen geistigen Frühjahrsputzaktionen zum Trotz auf meinem verstaubten Überzeugungsdachboden überwintert hatte. Das wird jetzt aber mal endgültig überprüft, sagte ich mir streng.

Gestern war es soweit. Ein Objekt hatte ich schon ausgemacht: Der, die oder das „Pizza Man“; ich passiere es fast täglich, denn es liegt am Eingang zu meinem Viertel, strategisch platziert am Schnittpunkt der Sex-Laufhäuser und Großbordell-Komplexe im Hochfelder Norden. Am Tor zu „Sin City“, wie meine Nachbarn von den Bandidos gern sagen. Ich schätze, so manches gepudertes Nutten-Näschen kräuselt sich hier im Vorbeilaufen lüstern angeruchs des lockstoffgetränkten Hefeteigdufts und denkt sich ( – was Näschen halt so denken!): „Ooch,  so eine kleine Handvoll Kohlehydrat schaufle ich mir mal lieber eben rein, bevor ich auf Schicht noch schlapp mache…“

Allerdings weiß ich von früher (– ich bin ja, wie einige wissen, hier von hiesigen Binnenschiffer-Nutten gefunden und aufgezogen worden… –), daß Sex-Arbeiterinnen in der Regel einen Hygiene-Pingeligkeits-Standard besitzen, an dem selbst meine Mutter nichts hätte aussetzen können, und so frage mich daher andererseits, ob je eines der Fräuleins freiwillig auch nur einen einzigen High Heel in diese Siffbude setzen würde. Sie machens bestimmt telefonisch. „Pizza Man“ ist nämlich der Bringer. Also Bringdienst.

So, jetzt ist es also schon fast heraus und ich sags mal mitleidlos knallhart: Liebe Freunde, Gott ist mein Zeuge! Eine fiesere, trübere, vermülltere, beängstigerende, deprimierendere, ja traumatisierendere Pizza-Bude als dieses von Tamilen betriebene indo-italische Kompostat sah ich noch nie von innen! Mein Immunsystem sprang förmlich im Dreieck, kaum hatte ich die Kaschemme gestern um 22.00 Uhr betreten. Am schmierigen Resopal-Tresen des 2qm-„Gastraumes“ hing eine (nur in der Höhe, nicht in der Breite) zwergwüchsige, ‚dunkelheutige’ (haha, Wortspiel-Teufel) Südasiatin und gab etwas von sich, was mich auf akuten, mit schweingrippisch-schleimreichem Auswurf verbundenen Keuchhusten tippen ließ. Hm.  Ich hätte das aufnehmen und an Sound-Designer verkaufen sollen.

Die optische Besonderheit der gekachelten, offenbar seit Jahren ungelüfteten, fettverußten Besucher-Nasszelle bestand indes darin, daß man hier, wie nirgends sonst in der Welt, Bakterien praktisch schon mit bloßem Auge erkennen konnte. Hier sind sie groß genug! Panisch tastete meine Hand nach dem Sagrotan-Desinfektionspray, doch das lag zuhause im Bad. Beim Versuch, mir gedanklich eine Pizza zusammenzustellen, funkte mir deshalb ein geheimes Alarmzentrum meines Gehirns schon ständig Fluchtimpulse dazwischen, Blaulicht! Blaulicht! Blaulicht!, bis ich es anherrschte: „Ist ja gut jetzt! Laß mich mal in Ruhe! Ich will hier den Helden spielen und im Selbstversuch eine Pizza probieren!“

Aus dem hinteren Kabuff, zwischen überquellenden Mülleimern und verklebten Tupperware-Kisten, die allerhand Organisches beherbergten, schlurfte ein beleibter Tamile herbei, der mich mit müden Augen musterte und ergeben meine Bestellung erwartete. Gemütvoll wischte er sich die Hände am fettfleckigen, schmutzstarrenden T-Shirt ab und machte sich dann an die Arbeit; zwischendurch, nachdem er kassiert und das Geld in eine Kasse gestopft hatte, fragte er irgendwas wie „oluppie?“ – und als ich meinen Olivenwunsch bestätigte, kratzte er sich kurz den Bauch, dann  den Schopf, schlurfte nach ganz hinten, lange mit der Hand in eine Tupperdose, kramte darin herum, um dann, die schwarzen Knödelchen in der Faust, zum Ofen zurück zu waten und sie dort auf die Pizza zu schmeißen. Ähnlich wurde mit Knoblauch verfahren. Ich schickte ein Stoßgebet zum Pizzagott, daß der Ofen heiß genug sein möge, die mutmaßlichen Riesenbakterien, Viren-Tiere sowie fibrösen Fibrillen (K. Valentin) halbwegs totzumachen, dann nahm ich die Pappsarg mit meiner Pizza in Empfang und schob ab nach Hause, den besagten Test durchzuführen.

Nach meiner überspannten Theorie hätte die Pizza wirklich grandios sein müssen! Leider, trotz großzügigem Einsatz von Geschmacksverstärkern, Antioxydationsmitteln und Ersatzaromen, war sie dies nicht. Auch meine nachträglichen privaten Doping-Ergänzungen, Kapern, Sardellen, Oregano usw., halfen dem Fladen nicht über die Unterer-Durchschnitt-Hürde. Kostenabrechnung: 1 mittelgroße Pizza mit 1 Zusatzbeilage (davon 1/3 tatsächlich gegessen): 5,00 Euro + 12 Stunden Diarrhoe. Nutzen: Einsicht. Nie mehr blödsinnige Theorien aufstellen. Schmuddel-Pizzerien meiden.

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