Posted tagged ‘Buster Keaton’

Über Samuel Beckett

26. Mai 2010

Samuel Beckett 1906-1989 (Foto: Jane Brown)

Bestseller waren Becketts Romane gerade nicht, sind es auch zu keiner Zeit geworden. Es sind Romane, wie das Jahrhundert sie verdient. Beim breiteren Publikum eilt ihnen der Ruf voraus, schwierig, langweilig, sogar unlesbar zu sein. Ein Vorurteil, das sich bei der heutigen Lektüre nicht unbedingt bestätigt. Becketts Romane sind voll von abgründigem, rabenschwarzem Humor, sie entfalten eine ganz eigentümliche, bizarre Poesie und der illusionslose Sarkasmus des Autors erlaubt diese ungerührten, hellsichtigen und zwingenden Einblicke in das Groteske, Heillose und Verstörende der menschlichen Existenz, wie sie zuvor nur Dostojewski und Kafka zustande gebracht haben. Beckett ist im Grunde ein großer Realist: seine Helden, Lebensversehrte und Halbkrüppel, sind allesamt so gut wie tot, stammeln eine Menge albernes sinnloses Zeug und begehen kraftlose, konfuse Handlungen, die zu nichts führen – sind sie also nicht wie du und ich? Der Blick auf die condition humaine ist nüchtern und unverstellt, aber immer hochkomisch. »Nichts ist komischer als das Unglück«. Man kann die Welt anders ansehen als Beckett – aber sicher nicht ehrlicher und illusionsloser.

Das Personal des Becketschen Prosawerks besteht aus Virtuosen des Unglücks, seltsam eigensinnigen, gleichmütigen Vergeblichkeitsartisten und Sinnverweigerern, verkrüppelt, von Schmerzen geplagt – Randgänger und komische Heilige, um ihr Ziel gebrachte Sucher und seit Ewigkeiten Wartende. Becketts frühe Romane sind Meisterwerke artistischen Sprachwitzes, abgründige Grotesken von einem Humor, so schwarz – um eine Lieblingssprachfigur von Beckett zu benutzen –, so schwarz also, daß schwarz schon nicht mehr das richtige Wort ist…

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Ein Vortrags-Text, der die Prosa-Werke Samuel Becketts vorstellt und erläutert – als PDF-Datei zum kostenlosen Downloaden!

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Buster Keaton der Utopie: Anti-Giraffe und Quittenkompott

9. Dezember 2009

Schräger Phantast, "sapphischer" Feminist, Anti-Philosoph: Charles Fourier, 1772-1832

Auszug aus dem neuen Text auf  dem „denkfixer“-Blog:

„…auf der Erde hat es bislang zwei Schöpfungen gegeben. Die erste, eine Versuchsschöpfung, ist Gott im Überschwang der Schöpfungslust ein paar Nummern zu groß geraten, was wir an Saurierskeletten und Fossilien abmessen können; per Sintflut hat er sie wieder ausgewischt. Der zweite Versuch ist auch noch sehr mangelhaft; für Stagnation und Dürftigkeit ist jedoch die menschliche Gesellschaft verantwortlich. Wenn sie nach Fouriers Prinzipien sinnvoll umgestaltet wird, geht es mit den Schöpfungen wieder voran, von denen dann noch 14 weitere zu erwarten sind, eine schöner als die andere. Eine eigentümlich inverse Theodizee: Die Existenz des Bösen, Häßlichen und Gemeinen, sagen wir beispielsweise: von Spinnen, Ratten und »130 Arten ekligen Gewürms«, die versalzene Ungenießbarkeit des Meerwassers, die Unwirtlichkeit vieler Landstriche, ja selbst das schlechte Wetter Mitteleuropas sind Spiegel, in denen Gott den Menschen vorhält, wie sehr sie mit Gewalt, Vernunftkult und Triebrepression auf den falschen Weg geraten sind. Wenn die menschliche Harmonie auf der Erde verwirklicht wird, zieht das kosmische Veränderungen ungeahnten Ausmaßes nach sich. Durch gewisse planetarische und geoklimatische Transformationen hindurch wird es dann die 14 weiteren Schöpfungen geben. Es werden präzis 549 neue Tierarten entstehen, davon sieben Achtel zähmbare und nützliche.

Wir werden die Evolution der Anti-Ratte, des Anti-Löwen und der Anti-Krokodile erleben, die Verwandlung Europas und der nordpolaren Gebiete in eine Sommerfrische, die Aufforstung der Wüsten und die Umwandlung des Meerwassers in ein limonadenähnliches Getränk namens »Zedernsäure«. Die Nähe der harmonisierten Menschheit werden Tiere suchen, die bislang noch zu scheu sind, sich nutzen zu lassen, namentlich das Zebra, der Strauß und der wegen seines Fleißes löbliche Biber. Verschwinden werden hingegen »die Klapperschlange, die Bettwanze, die Millionen Insekten und Reptilien, die Seeungeheuer, Gifte, Pest, Tollwut, Lepra, Geschlechtskrankheiten, Gicht«. All diese Widrigkeiten waren nur Reflexe des Schmutzes, des Unrechts und der Gewalt, die unsere erbärmliche Gesellschaft, die sog. Zivilisation, in sich angesammelt hat; häßliches, gemeines, schädliches Getier ist ein von Gott in der Natur angebrachtes Zeichen, uns unsere eigene Häßlichkeit und Gemeinheit vor Augen zu führen; sie verlieren in der Zukunft ihre Funktion. Korrigiert werden bei der Gelegenheit auch gewisse »Schnitzer Gottes« bei der Schöpfung, unbequeme Meerengen und verkehrsungünstige Gebirge beispielsweise, auch unwirtliche Temperaturen, unfruchtbare Gebiete und ähnliche Webfehler der zweiten Schöpfung. Die globale Nachbesserung von Klima, Boden und Geostruktur wird für die 2 Milliarden dann lebenden Menschen ungeheure Reichtümer bringen, höchste Lebensqualität und wundervolle blühende Landschaften, dazu köstliche neue Früchte, leckere Fischsorten, delikate Quittenkompotts und, sieben Achtel des Jahres, schönes Wetter für alle. – Ich sehe Sie schmunzeln. Zugegeben, so isoliert erwecken solche Voraussagen einen gewissen Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Autors….“

Der gesamte Text ist dort als pdf-Datei ausdruckbar! Blogadresse:

http://reinhardhaneld.wordpress.com/