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Raucher-Kino

18. Juli 2012

Ich hätte das gar nicht so gedacht, aber was in mir doch unerwartet heftige nostalgische Emotionen und verblüffende Anheimelungsempfindungen auslöst, sind alte Filme, in denen noch völlig selbstverständlich, normal, permanent und mit Nonchalance sowie konzentrierter Gewissenhaftigkeit geraucht wird, und zwar gleichermaßen von harten Jungs wie attraktiven Mädels. Herrlich! Zum Beispiel in „Haben und Nicht-Haben“ („To have and have not“), einem Schwarzweißfilm aus, ich glaube, den 50ern, mit extra viel hartem und lakonischem Hemingway-Feeling, klopft die damals zweiundzwanzigjährige, höllisch attraktive Lauren Bacall an die Tür von Humphrey Bogart, eine unangezündete Zigarette in der Hand, und als er öffnet, wedelt sie knapp und nervös damit und haucht extrem anfackelnd heiser: „Hi! Got a match?“  Klar, hat er natürlich. Männer ohne Feuer waren noch gar nicht erfunden.

Diese Szene ist von derart gänsehauterregender Tabakerotik, dass sie sich meinem Gedächtnis unauslöschlich eingebrannt hat. Das wird wahrscheinlich mein Anmachspruch im Alzheim: Ich werde zu nachtschlafener Zeit im flanellenen Pyjama an die Zimmertür von Frau Frerkes klopfen, und wenn sie noch aufmacht, werde ich verschwörerisch flüstern: „Got a match?“ Sicherheitshalber, falls sie komisch guckt, werde ich hinzufügen: „Das ist ein Zitat!“ – Das mach ich bei der Gattin nämlich auch immer. Wenn ich was Schräges äußere und sie guckt mich an, als hätte ich frisch den Verstand verloren, erläutere ich immer: „Das ist ein Zitat!“ Manchmal ergänze ich: „Nämlich aus einem Bob-Dylan-Song von 1963!“ Die Gattin erwidert zumeist lakonisch: „…Aha.“ Es wären natürlich enthusiastischere Reaktionen denkbar.

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Elliot Gould als Phillip Marlowe („Ah! Also mit gottverdammt schwulem ‚e’ hinten“, sagt Mafia-Boss Marty Augustin im Film) raucht in „The long Goodbye“ absolut permanent und ohne Kompromisse in ausnahmslos JEDER Szene. Ich glaube, selbst beim Schlafen hat er eine Selbstgedrehte zwischen den Lippen. Noch schärfer aber: Selbst während er im Schweinsgalopp und schweißgebadet zu Fuß einen davonbrausenden Cadillac verfolgt, klebt dabei eine qualmende Kippe in seinem Mundwinkel. Sowas von cool! Er ist praktisch der einzige Marathon-Läufer, den ich kenne, der beim Rennen rauchen kann! Gott gebe uns solche Männer zurück!

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Ebenfalls in schwarz-weiß ist Jim Jarmusch’s Cineasten-Kult-Film mit dem programmatischen Titel: „Coffee und Cigarettes“. In diversen Episoden treffen sich je zwei oder drei ziemlich coole Personen in miesen Kneipen, trinken viel Kaffee und rauchen dabei nach Leibes- und Lungenkräften. Wie der Titel ja schon sagt. Dazu reden sie irgendwas. So Zeugs halt. Manchmal ist das komisch, manchmal fragt man sich: Was soll’n das? Am Anfang gibt es eine sehr lustige, absurde Szene, in der Roberto Benigni mit irgend so’nem Komiker zusammentrifft. Titel der Szene: „Strange to meet you.“ Schon mal ganz gut, oder? Am schönsten aber doch die Begegnung von Iggy Pop und Tom Waits. Zwischen ihnen liegt eine von irgend einem Gast vergessene volle Schachtel Marlboro. Sie bieten sich gegenseitig eine Zigarette an und lehnen mit der exakt gleichen Begründung ab: „No, thanks, man, i’d just quit smoking time ago.“ Sie beglückwünschen sich gegenseitig zu der Rettung vor dem Gift, dann nehmen sie jeweils irgendwann doch eine Kippe, mit der von Tom Waits erfundenen Logik: „Well, we’d quit smoking, so we can have a cigarette without danger, don’t ya think?“ Für den Rest der Szene qualmen sie wie die Schlote, was kein Problem ist, denn sie haben ja längst mit dem Rauchen aufgehört.

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Den besagten Film mit Elliot Gould guckten die Gattin und ich gemeinsam, aber noch in getrennten Wohnungen, dafür wie immer telefonisch fest verbunden. „Ja, ist ja natürlich klar, warum du den Film toll findest!“ sagt die Gattin ein bisschen sarkastisch. „Dieser ganze Anti-Helden-Kram, und dann raucht der noch ständig!“„Und? Fandest du den Film denn nicht gut?“„…doch, … doch. Schon irgendwie.“ – Na, also. Seien wir ehrlich: Lieber Lauren Bacall beim Rauchen als irgend so eine anorektische Botox-Queen beim Salatblätter-Kauen.

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Natürlich kann auch heute noch in Hollywood-Filmen geraucht werden, aber dann mit deutlich spürbaren Anführungsstrichen. Die Leute rauchen und vermitteln dabei pantomimisch: „Ich rauche nicht WIRKLICH! Dies ist ein historisches Zitat aus den gruseligen 60ern! Ich symbolisiere lediglich den damaligen verantwortungslosen  Zeitgeist!“ Auf diese Weise rauchen etwa die Leute in der preisgekrönten, vom Feuilleton geliebten Serie „Mad Men“. Diese Art ironisches Rauchen geht mir noch mehr auf den Zeiger als demonstrierter Diät-Wahn. Ausdrucksrauchen ist so sinnvoll wie Sport-Angeln. Das eine wie das andere: eine Beschäftigung für feige Männer, die sich vor dem Tod fürchten. Insgeheim hoffen sie, dieser würde sie aufgrund ihres gesunden Lebenswandels vielleicht übersehen. Das aber, verehrte Gemeinde, gehört zu den richtig unwahrscheinlichen Ereignissen im Leben, das dann am Ende ja doch tödlich ausgeht. Selbst wenn du aussiehst wie das sprichwörtliche „blühende Leben“. – Was ich an Humphrey Bogart gut finde: Er ist schon lange tot, aber man hat nicht den Eindruck, dass es ihm allzu viel ausmacht.

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Notizen für die linke Hand

18. Juni 2012

Somewhat spooky
(Quelle: MANDEL NGAN/AFP/Getty Images)

Ouh, oh! Der alte sinistre Märchenmann lurcht durchs Viertel und spinnt skrupellos kichernd sein Garn. Vorsicht, gutgläubige Mitbürger! Der Lügenbeutel geht um! Und der Abend ist so gottverdammt grottenschwül, hier kann alles passieren! – Weh mir, der kleine Mann auf der Straße und draußen an den Bildschirmen: wird natürlich an der Nase herumgeführt, der verlauste, fadenscheinige Tanzbär, das dummliebe Wahlvolk, der bettelarme Otto Normal-Verbraucher, das ewige Opfer, ausgenommen und, Verzeihung: immer „verarscht“ von elegant-smoothen Hütchenspielern in Glenscheck-Anzügen. So; so viel zur Politik. Schluss damit. Schlimmer als Politiker sind nur noch selbstgerechte Politiker-Beschimpfer. Da will ich nicht mittun!

Zu meiner Studienzeit in den 90ern (ich bin Spätentwickler) gab es mal ganz neu einen total hippen, angesagten Studiengang. Wenn man den dann sturweg ging, wurde man Kulturmanager, eine etwas strizzihafte Art kommunaler Intellektualhure mit prospektiver Beamtenanwartschaft. Galt damals als Zukunftsberuf und hat heute ungefähr den Wert von unbeschrifteten VHS-Kassetten, batteriebetriebenen Nasenhaarschneidern und uraltem Adapterschlamassel – kurz, eine triste Mischung aus Werbefuzzi, Schmierenanimateur, Stadtmarketingidioten und professioneller Labertasche (von Guzzi aus Guangzhou). Merke, Jungvolk: Um als Futurama-Ramsch-Trinker zu enden, muss man keinen modischen Scheiß studieren. Bisschen Mittelhochdeutsch und  Turnpädagogik tuns auch.

Dabei fällt mir ein: Hat das noch jemand gesehen? Kürzlich bekam Bob Dylan von Barack Obama eine hochwertige Medaille umgehängt; beängstigenderweise sah mein Held (Dylan, nicht der andere) bei der Zeremonie aus wie ein verwirrter grauer, mit einem zu großen Leih-Smoking behängter Zausel-Emu, den man gegen seinen Willen aus dem Zoogehege befreit hatte. Er krächzte knapp etwas Unhörbares, wandte sich etwas wackelig und fast greisenhaft hüftsteif dem Präsidenten zu und tappte ihm dann mit der flachen Hand ein paar mal ganz zart, begütigend und tröstlich auf den Oberarm, als sei der schwachschwarze Hoffnungsträger gerade aus der Highschool geflogen. Ich hab mir den gespenstischen Clip so oft angeschaut, bis ich am Ende sicher war, ihn bloß geträumt zu haben.

Apropos, um annähernd beim Thema zu bleiben: Ich war bislang der festen Ansicht, ich hätte einmal einen Essay des Pariser Semiologen-Fexes Roland Barthes gelesen, in dem dieser analysiert, warum uns eigentlich heisere oder gar verrucht-verrauchte Frauenstimmen erotisch viel mehr in Wallung bringen als zum Beispiel das glockenhelle Tirilieren singender Nervensägen-Sirenen wie Joan Baez. Besagten Essay fand ich hochinteressant, bis ich heute, nach neuerlicher Durchsicht der Werke des Meisters, feststellen musste, dass er gar nicht existiert. Ich habe dieses Buch, wie so manches, das ich in enthusiastischer Nacht verschlang, leider bloß geträumt. Kann jemand aushelfen?

The long good-bye (I)

30. Mai 2012

Abschied vom Geddo-Magister?

Faszinierend und wahrscheinlich kein Zufall („Zufall“ ist überhaupt ein unbefriedigendes Konzept, finde ich, alles in allem): Seit Tagen höre ich nur noch Musik, die mit Exil, Exodus und Heimkehr zu tun hat. Erst wars Monteverdis „Il ritono d’Ulisse in patria“, dann, über Pfingsten, Händels Oratorium „Israel in Egypt“ und seit heute früh dreht sich in Kopf und Player unentwegt und mit fast schon enervierender Hartnäckigkeit Dylans „Just like Tom Thumb’s Blues“, allerdings zunächst in der grandiosen, unfassbar larmoyanten Cover-Fassung vom schottischen Alt-Alkoholbarden Frankie Miller (1973) gewinselt, gejammert und geheult; danach vom Meister selbst, staubtrocken, sarkastisch, überdeutlich prononciert, abgründig selbstironisch und immer mit so einem gedehnt höhnischen Unterton, wie es in der Zeit um 1965 („Highway 61 revisited“) halt seine Art war.

In dem Song über den Blues des Däumlings (Literaturprofessoren behaupten, das sei eine Anspielung auf den Däumling-Träumling „petit poucet rêveur“ in Arthur Rimbauds „Ma Bohème“, vielleicht ist aber auch nur die tragisch verblichene Experimental-Dampflokomotive gleichen Namens, nämlich Tom Thumb,  gemeint, die einst in Maryland oder wo gegen eine Pferdebahn siegte und trotzdem nicht rüssierte) geht’s um einen Typ, den es in das Grenzkaff Juarez, Chihuahua, Mexico verschlagen hat, unter Dealer, Huren („Saint Annie“, „Sweet Melinda, the goddess of gloom“) und zwielichtige Heilige, korrupte Bullen und fiese Beamte, und die „hungrigen Frauen“ machen ihn fertig, er ist zu schwach, sich einen neuen Schuss zu setzen, er ist total down und am Ende in der „Rue Morgue Avenue“, wo ihm selbst Arroganz und Negativität nicht mehr helfen, und am Schluss heißt es: „I’m going back to New York City / I do believe I’ve had enough.“ Tja, das kenn ich. Hab wohl auch genug, nach drei Jahren Geddo. Der Däumling geht.

Meine Tage sind gezählt. Damit ihr es fast als erste erfahrt – ich komme nach drei Jahren im Geddo nämlich auf Bewährung raus, ich lege den Blauhelm ab, verstehe ab sofort kein Wort Türkisch mehr und wage das Abenteuer, nach zwanzig Ehejahren, mit der Gattin in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen, und zwar in einen bürgerlichen Luxus-Palast mit knapp tausend Quadratmetern, ausgestattet mit mehreren Bädern, privater Tennishalle und Gästefahrrad, in einem gepflegt begrüntem, von der Polizei spezial überwachten Rentner-Reservat voller Rollatorenpiloten und öko-christlicher Mülltrenner.

Wie ich mich kenne, werd ich in der Ruhezone natürlich alsbald wieder zu nörgeln beginnen: Da ist ja nirgends einer auf der Straße! Wo sind die ganzen kurz geschorenen, segelohrigen Schmuddel-Kinder, die schwarzen Dealer, die bulgarischen Eckensteher? Wo das schöne Müllgebirge, die possierlichen Ratten, der ewige Straßenlärm, die keifenden Kopftuchmuttis? Und nachts ist es so still, dass man seinen Herzschlag hört und das monotone Sausen in den Adern! Vor allem aber ist es mit meiner lieb gewonnenen Selbstmystifikation als mönchischem Geddo-Magister vorbei, dem herben Engel der Verwahrlosten, Bescheuerten und displaced persons, deren treuer Tröster und kaiserlicher Türsteher ich war. Circa zum achtzehnten Mal im Leben muss ich mich komplett neu erfinden. Was geht, was hatte ich noch nicht? Was könnte mich noch an mir interessieren? Ich hab keine Ahnung. Aber Juarez, nee, ich glaub, davon hab ich genug.

Heroische Testpersonen probierten übrigens damals, auf der von „Tom Thumb“ gezogenen Dampflokbahn, bei der Wettfahrt 1830 mit der Pferdebahn, ob das menschliche Hirn bei 24Kmh noch in der Lage sei, schriftlich Empfindungen zu protokollieren. Es gelang! Ich werd also wohl weiter schreiben…

Och nö

26. Juni 2011

Wird demnächst Gärtner*

Keine Ahnung, ob es das heute noch gibt: Als Kinder hatten wir so Blechröhrchen mit Seifenlauge drin. Dort hinein tauchte man eine Art Drahtschlinge am Stiel, und dann konnte man damit bunte Seifenblasen pusten. Begeistert patschten wir in unsere Kinderhände! Die frühe Faszination für das schillernde Nichts bereitete uns so auf die Medien des 21. Jahrhunderts vor. Als Medienkonsument verfüge ich daher heute über ein gerütteltes Maß an Abgebrühtheit. Mir ist schon bewusst, dass das meiste, was ich lese, höre und sehe, aus grobem Unfug, Kasperlkram und aufgeschäumter heißer Luft zusammengesetzt ist. Wie Bob Dylan schon in den 60ern sang: „It’s all phoney & propaganda“. Mit stoischen Gleichmut lasse ich mir täglich den kruden Brei vorsetzen, der von Quoten-Idioten als „Wirklichkeit“ ausgewählt wurde. Gutgläubigkeit hab ich ja schon mit der pommerschen Muttermilch aufgesogen.

Nur ganz manchmal schaue ich irritiert auf den Kalender (schon wieder 1. April? War doch gerade erst…) und blicke mich nach verborgenen Kameras um. Verstehe ich Spaß? Das ist so ein Gefühl wie in dem Film „Die Truman-Show“, wo einer in einer inszenierten Reality-Soap aufgewachsen ist und dann fällt plötzlich ein Scheinwerfer vom Himmel über der Kleinstadt. So ein Erlebnis latenten Veralberungsgefühls hatte ich gestern bei der Lektüre einer Nachricht (SPIEGELonline, schätz ich mal), derzufolge sich demnächst die Machthaber Afghanistans, Pakistans und des Irans zu einer Konferenz treffen wollen, und zwar, um über die „Bekämpfung des Terrorismus“ zu debattieren. Vertreter Somalias und des Sudans sollen auch teilnehmen; nicht gemeldet, aber doch wahrscheinlich wird sein, dass auch Repräsentanten Tschetscheniens, der syrisch-libanesischen Hisbollah und der Hamas aus Gaza mit am Tisch sitzen.  Bloß Gaddafi ist momentan verhindert. – Kinder, das wird was geben! Oder wie der Korrespondent der „Bäckerblume“ gern schreibt: Man darf gespannt sein!

Menschen, die so etwas ernst nehmen, wundern sich auch nicht, wenn Mario Barth Bildungsminister wird oder die Jahreshauptversammlung des Dachverbands der Taschendiebe über den verbesserten Schutz des Privateigentums diskutiert. Wenn dereinst eine Weltrepublik gegründet wird, dann wird sie Absurdistan heißen. So, Schluss jetzt, ich muss Nachrichten gucken – man will doch informiert sein, oder? Nee, war bloß Spaß. In Wahrheit heißt die Antwort: Och nö.

[Da die WordPress-Technik zur Zeit bei Bildunterschriften herumzickt, trage ich hier die Foto-Quelle nach: Das BIld stammt vom Tierheim Kronach, dem ich viel Erfolg bei der Vermittlung des säuberlich ausgewogenen, schwarz-weißen Ziegenbocks wünsche. Gärtner werden ja immer gesucht…]

Farewell, Willy!

12. August 2009
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William Borsey aka Willy DeVille, 1950 (1953?) - 2009

„Willy ist der Prototyp eines Rock’n’Roll-Menschen. Seine Stimme ist rau, trocken, aufregend und dreckig, und in ihr schwingt die sinnliche Anmache, die uns Hörer zittern lässt“, schrieb mal ein Musikmagazin, und das gilt für die Musik insgesamt, die wir William Borsey, genannt Willy DeVille, verdanken. Als Rock’n’Roll noch schmuddel war, und nicht kuschel oder Pose, da strahlte Willy – mit Schmalzmähne, Goldzahngrinsen, Diamant im Scheidezahn und schmierigem Menjou-Bärtchen – den halbseidenen Charme eines Schiffschaukelbremsers aus, wenn er seine unverwechselbare Mischung aus Blues, Cajun, TexMex und Southern vortrug wie das natürliche Idiom der Straßen von Harlem, wo Willy unter Puertoricanern aufgewachsen war.

Willy klang immer ein bißchen wie eine TexMex-Kopie von Bob Dylan, nur schmutziger, anzüglicher und dreister als der Meister. Seine Mariachi-Version des Jimi-Hendrix-Klassikers „Hey Joe“ sticht unter hunderten von Covern heraus, weil sie dem Song das lakonisch Machistische und Kriminelle des Originals zurückgibt, in dem ein Mann, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, unterwegs ist, um seine Frau „abzuknallen, weil sie mit ’nem andern Kerl rumgemacht hat“. Die etwas zigeunerhafte Bühnenfigur, die Willy gern gab, täuschte nicht darüber hinweg, daß er ein grundsolider Musiker war, ein hervorragender Gitarrist, Arangeur, Performer und ein ambitionierter Songschreiber  dazu.

Willy war außerdem Stoiker. Er hatte Erfolge und er ging durch Niederungen ohne Geld und Plattenvertrag, beugte sich aber weder der Mode noch den Plattenkonzernen. Und er hat sogar in Duisburg gespielt, bei uns in der alten Industriehalle! Ach, Mann! Was das Heroin und der Schnaps nicht schafften, besorgte der Bauchspeicheldrüsenkrebs. Willy DeVille starb letzte Woche in New York im Alter von 57, 58 oder 59 Jahren. Genau weiß man das nicht. Typisch!

Machs gut, Willy! Und danke für die Songs.