Zunächst sah man eine Weile nichts, dann erfasste die Kamera ein Wohnzimmer, das durch eine gewisse karge Unpersönlichkeit hervorstach, etwa wie so eine Möbelschaunische bei IKEA. Auf dem Sofa „Bjørndal“ aber saß bzw. räkelte sich auf etwas nervöse Art hingegossen eine blondierte Dame, die – hieß sie Gisela? Silke? Sabrina wohl eher? – sichtlich sich langweilte. Mal schaute sie auf die Uhr, mal las sie in einem bebilderten Magazin, dann wieder blies sie mopsig die Backen auf. Gelegentlich, so weit ging die Langeweile, nestelte sie traumverloren an den Knöpfen ihres Sommerkleides.
Fast begann der Film schon eine Wim-Wenders-hafte Langeweile auszustrahlen, da trat urplötzlich und unmotiviert ein drahtiger Jüngling zur Tür herein. Es entspann sich ein belangloser, später etwas anzüglicher Wortwechsel, der, seis aus kognitiven Beschränktheiten, seis aus dramaturgischen Gründen, die Handlung zunächst nicht wesentlich vorantrieb. Aber der Dame wurde offenbar dennoch warm von der Konversation. Knopf auf Knopf öffnete sie ihr Kleid und verschaffte sich Kühlung, dabei unversehens und gewiss unbeabsichtigt gewisse Reize enthüllend. Der hinzugetretene Jüngling machte darauf gehorsamst Stielaugen. Als zuvorkommender Gentleman kam er der Film-Partnerin insofern entgegen, als dass er sich seinerseits ungefragt seiner Beinkleider entledigte. Es folgte ein sich beschleunigender Entkleidungswettbewerb, an dessen Ende Herrenoberbekleidung und Damen-Unterwäsche auf dem IKEA-Wohnzimmerboden ein ganz schönes Durcheinander anrichteten. Aber die Kamera verweilte darauf nicht lange, sondern verfolgte lieber, wie das unversehens zum Paar gewordene Protagonisten-Duo sich nun zusehends enthemmteren Balgereien hingab.
Selten in der Öffentlichkeit auftretende Körperteile kamen zur Großaufnahme, Unaussprechlichkeiten wurden zelebriert, Interna offenbart, darunter viel Anatomisches, Überlebensgrosses, das, wie Heidegger sagt, in die Unverborgenheit trat. Der ohnehin lakonische Dialog indessen verarmte nun zusehends. „Ja, ja. Jaaah!“ sagte die Dame und „Ooooh, Baby!“ versetzte der junge Mann. Der dezidierten Zweckentfremdung zugeführten Körperteile ließen vermuten, dass Freizügigkeit zu den bevorzugten filmischen Mitteln bzw. intendierten Wirkungen gehörte.
Die Regie schien, nicht gänzlich zu Unrecht, eintretende Redundanzen zu fürchten; die konstruktive Zusammensteckbarkeit von Mann und Frau leidet unter der Beschränkung der Kombinationsmöglichkeiten; man kennt das aus der eigenen Lebenserfahrung. Also schickte man, zum Teufel mit dem Drehbuch, einen weiteren Herrn ins Getümmel, in das dieser ohne Präliminarien und lange Courtoiserien umstandslos hineintrat. Die vorübergehende Polonaise-artige Belebung ging freilich auf Kosten der Übersichtlichkeit. Nur noch ein Herr mehr, und der Tanz um die Dame gliche schon einer Art Reise nach Jerusalem. Verschlingungen und Verknotungen wurden nun geschürzt, welche die genuine Alltagspersönlichkeit überfordern würden. Ob die angestrebte Aufpeitschung der Zuschauersinne hierdurch gelang, darf offen bleiben. Zoom und Totale taten gewiss ihr Bestes.
Das große Finale fiel etwas enttäuschend aus, indem nämlich die zugrunde liegende Dame mit einer seltsamen Feierlichkeit und ekstatischen Aufregung ein klein wenig bekleckert wurde, ein eigentlich unspektakulärer Vorgang, der aber anscheinend zu den genretypischen Sensations-Faszinationen gehört. Der Kliniker steckt dies unter dem Titel Saliromanie kühl in die Schublade der Paraphilien.
Die Schauspieler waren großartig. Sie verstanden es hervorragend, „es“ zu tun und doch auch wieder nicht, indem sie nämlich verfremdend komplett neben sich standen und bar jeden Ausdrucks in die Kamera starrten, als exekutierten sie das berühmte Brechtische „Glotzt nicht so blöd“. – Das war frappant und hätte einen Bambi verdient.
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