
Schweine im Existenz-Notstand! (Quelle, möglichewrweise urheberrechtl. geschützt: jpg - http://www.muensterlandzeitung.de/ storage/pic/mdhl/a...
Vorgestern, pünktlich zur Eröffnung des Jahrhundertwinters“ mit seinem üblichen „Schnee-Chaos“ konfrontierte mich das Zweite Deutsche Verkehrsunfall-Fernsehen mit Bildern, die mich zutiefst erschütterten und aufwühlten, ja, mich seither verfolgen wie ein richtig krasser Albtraum. Es begab sich nämlich irgendwo nächtens in Niedersächsisch-Sibirien ein (selbstredend „tragischer“) Verkehrsunfall, dergestalt, daß ein Schlachtvieh-Transporter mit lebenden Schweinen auf die schiefe Eisbahn geriet, sich quer stellte und schief legte, schlussendlich schleudernd niederbrach und circum 25 Stücker Haus-Schwein in die von Schneetreiben und Frost nebst kaum durchdringlicher Dunkelheit komplett unwirtlich gemachte Horror-Nacht katapultierte. Man imaginiere mit mir die bestürzenden Filmaufnahmen:
In flackerndem Blaulicht tapperten spitzfüßig frierende 20 Schweinchen-Exemplare, grau-rosig frostbibbernd, ohne Strickpullover und Mützchen dem Wetter-Unbill schutzlos nackig preisgegeben, orientierungslos über den Seitenstreifen der Autobahn! Vom Verlust jedweden Weltvertrauens gepeinigt, tippelte das arme, ansonsten ja hochintelligente und sensible Vieh bedrückend ratlos im Schneesturm herum, machte fahrig-unkonzentrierte Äsungsversuche, drängte sich suppenküchenhaft Wärme suchend aneinander und rollte berechtigterweise entnervt mit den blondbewimperten Augen und bot somit insgesamt ein schier niederschmetterndes Bild namenlosen Jammers der Kreatur, das einem mal wieder für Monate den Appetit auf Filet-Medaillons und Kotellets raubte.
Ich bin ein entschiedener Gegner des inflationären Gebrauchs von„tragisch“. Aber wo, wenn nicht hier, muß von echter Tragik die Rede sein: Auf dem deprimierenden und ängstigenden Weg in den Schlachthof-Tod so brutal zurück „ins Leben“ geschleudert zu werden, von dem man aber dann höhnischerweise wiederum nichts anderes hat als pures Entsetzen und durchlebte Gottesferne – was für ein schweinisches Schicksal! Nennt mich einen weichherzigen Sensibling, aber mir zerriss dieses Bild das Herz. Und das ganze noch im kosmologisch eiseskalten intergalaktischen Niemandsland zwischen Südost-Niedersachen und Nordwest-Hessen! Die heroischen Schweine versuchten, so gut es ging, Haltung zu zeigen, – aber bewahre mal Deine Würde, wenn Du splitternackt und kältegeschockt auf dem Seitenstreifen der A4 stehst und nicht weißt, wie Dir geschieht!
Gleich nach den sympathischen Allesfressern galt meine spontane Sympathie dann in zweiter Linie sogleich den armen Schweinen, die als Mitglieder der Berufsfeuerwehr oder als Angestellte der regionalen Autobahnmeisterei heuer wieder in die Glatteis-Nacht geschickt wurden, um umgekippte LKWs flott zu machen, eisglatte Trassen zu salzen und verirrte Schweine zu bergen, oder, noch schlimmer, in all dem Stress & Chaos auch noch dem gemütlich im warmen Bett residierenden Schnarchsender ZDF „Interviews“ zu geben, die sich dann Nachrichten-Schmarotzer wie ich im Frühstücksmagazin wohlig gruselnd reinziehen. –
Immerhin inspirierte mich das Gesehene zu einer zutiefst moralisch-melancholischen Meditation: Während wir uns bei Tagesanbruch unterm wärmenden Daunen-Plumeau noch mal umdrehen, träumen und seufzend unsere biedermeierliche Geborgenheit genießen, tobt da draußen, in der gnadenlosen Nacht, auf der Autobahn, bereits das Leben in seiner vollen Härte: Arme Schweine geben alles, damit wir es es satt, bequem und ordentlich haben!
Kurzum: Dies ist für Euch, ihr tapferen Schweine und armen Männer, die ihr mit dem Einsatz Eures Lebens und dem Verlust Eurer Bequemlichkeit dafür sorgt, daß wir zu ziviler Zeit ins Büro kommen und ohne größere Unbill, ganz ohne „Tragik“, unser Leben abspulen können wie ein ordentliches Schlachtschwein. Was wären wir ohne Euren nächtlichen Einsatz in dieser menschen- wie schweinefeindlichen Jahreszeit!
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