„Seht, was geschehn, steht jetzo nicht zu ändern.
Der Mensch geht manchmal unbedacht zu Werk,
Was ihm die Folge Zeit läßt zu bereun.“
(Shakespeare, „Richard III.“)
Jahresanfang – noch Zeit der guten Vorsätze: Unbedingt wieder radikaler werden! Weniger Geduld und Gelassenheit! Den Sprengstoffgürtel enger schnallen! Mehr Mut zum Nichts oder wenigstens höherem Blutdruck! – Jedenfalls, seit unser Bau- und Planungsdezernent jüngst öffentlich davon träumte, „große Stadt-Teile Duisburgs … abzureißen“, laufe ich mit ganz anderen Augen durch die Stadt. Wo lohnt sich das denn? Was könnte jetzt gut schon mal weg? Den Kopf voll schwurbeligem Abbruchsbirnengeist streife ich durchs Viertel und schwelge in destruktiven Phantasieen, führe Abrißlisten, pflege gute Sprengvorsätze und schwinge den Abbruchs-Vorschlagshammer.
Zum Beispiel hier: dieser ungeschlacht wuchtige Backstein-Trumm am Anfang der Friedenstraße! Was ist das denn überhaupt? Wer baut denn solch festgefugten Unfug? Lange Zeit habe ich den Riesenhaufen Bauunglück aus dem Augenwinkel betrachtend für eine besonders grässliche, aus der wilhelminischen Zeit stammende Kirche gehalten. Applizierte Mosaiken, gemauerte Rundbögen und spitzwinklige Giebelchen hier und da bestärkten mich in diesem Irrtum. Indes, selbst die hässlichsten Gotteshäuser (Gott im Plattenbau?) haben nicht derart kleine Fenster, und hinter den Back-Ziegeln von Kirchen verbergen sich in aller Regel auch nicht meterdicke Beton-Wände.
Kurzum, es handelt sich gar nicht um eine Kirche, sondern um ein herausragendes Monument des Wirkens unserer Nazi-Vorfahren, den grandiosesten Ruinenbaumeistern der Neuzeit. Ihnen gelang Innovatives: Ganz Deutschland in Trümmer zu legen und zugleich Bauwerke zu schaffen, die sich offenbar in Jahrhunderten einfach nicht kaputt kriegen lassen. Wie tote, aber unzerstörbare Zähne ragen die Hochbunker im faulen Maul des Geddos: Zu hässlich und gemein, um stehen zu bleiben; zu klumpig, trumpfmotzig und blöd betonbullig, um sie rationell wegzubomben; andererseits zu idiotisch widersinnig verbaut, um sie einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Dieser hier, heißt es, war einst ein sog. „OP-Bunker“, eine Art verbarrikadiertes Kriegs-Lazarett, in dem es sich noch gemütlich Beine amputieren ließ, wenn sich draußen über der Stadt schon die Royal Airforce austobte.
2009 geisterte durch die Bezirksvertretung das Gerücht, eine Investorengruppe wolle „Büro- und Wohnräume“ darin einrichten. „Na, dann wünsch ich schon mal viel Spaß mit den Heizkosten!“, dachte ich noch, aber es blieb eh, wie fast alle hochmögende Stadtplanung in Duisburg, heiße Luft, oder wie Lichtenberg sagte, „ein wehendes Vakuum“.
Der Klotz hockt weiter in seiner verstockten Mehrstöckigkeit und mahnt stumm vor sich hin. Kein jugendfroher Vandalismus und kein delirierender Stadtplaner kann ihm etwas anhaben. Selbst zu Graffitti fordert er seltsamerweise nicht wirklich heraus. ’So dauerhaft wie ich ist nur die Dummheit’, besagt er. Freilich kann man bezweifeln, dass die täglich dran vorbeiziehenden Völkerscharen einen Schimmer haben, was es mit dem Backsteinwerk auf sich hat. Man kann noch nicht mal eine Moschee draus machen. Aber weil jetzt drüber nachgedacht habe, kann man ihn ja zum Denkmal erklären, den Klotz.
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