Notizen für die linke Hand
Ouh, oh! Der alte sinistre Märchenmann lurcht durchs Viertel und spinnt skrupellos kichernd sein Garn. Vorsicht, gutgläubige Mitbürger! Der Lügenbeutel geht um! Und der Abend ist so gottverdammt grottenschwül, hier kann alles passieren! – Weh mir, der kleine Mann auf der Straße und draußen an den Bildschirmen: wird natürlich an der Nase herumgeführt, der verlauste, fadenscheinige Tanzbär, das dummliebe Wahlvolk, der bettelarme Otto Normal-Verbraucher, das ewige Opfer, ausgenommen und, Verzeihung: immer „verarscht“ von elegant-smoothen Hütchenspielern in Glenscheck-Anzügen. So; so viel zur Politik. Schluss damit. Schlimmer als Politiker sind nur noch selbstgerechte Politiker-Beschimpfer. Da will ich nicht mittun!
Zu meiner Studienzeit in den 90ern (ich bin Spätentwickler) gab es mal ganz neu einen total hippen, angesagten Studiengang. Wenn man den dann sturweg ging, wurde man Kulturmanager, eine etwas strizzihafte Art kommunaler Intellektualhure mit prospektiver Beamtenanwartschaft. Galt damals als Zukunftsberuf und hat heute ungefähr den Wert von unbeschrifteten VHS-Kassetten, batteriebetriebenen Nasenhaarschneidern und uraltem Adapterschlamassel – kurz, eine triste Mischung aus Werbefuzzi, Schmierenanimateur, Stadtmarketingidioten und professioneller Labertasche (von Guzzi aus Guangzhou). Merke, Jungvolk: Um als Futurama-Ramsch-Trinker zu enden, muss man keinen modischen Scheiß studieren. Bisschen Mittelhochdeutsch und Turnpädagogik tuns auch.
Dabei fällt mir ein: Hat das noch jemand gesehen? Kürzlich bekam Bob Dylan von Barack Obama eine hochwertige Medaille umgehängt; beängstigenderweise sah mein Held (Dylan, nicht der andere) bei der Zeremonie aus wie ein verwirrter grauer, mit einem zu großen Leih-Smoking behängter Zausel-Emu, den man gegen seinen Willen aus dem Zoogehege befreit hatte. Er krächzte knapp etwas Unhörbares, wandte sich etwas wackelig und fast greisenhaft hüftsteif dem Präsidenten zu und tappte ihm dann mit der flachen Hand ein paar mal ganz zart, begütigend und tröstlich auf den Oberarm, als sei der schwachschwarze Hoffnungsträger gerade aus der Highschool geflogen. Ich hab mir den gespenstischen Clip so oft angeschaut, bis ich am Ende sicher war, ihn bloß geträumt zu haben.
Apropos, um annähernd beim Thema zu bleiben: Ich war bislang der festen Ansicht, ich hätte einmal einen Essay des Pariser Semiologen-Fexes Roland Barthes gelesen, in dem dieser analysiert, warum uns eigentlich heisere oder gar verrucht-verrauchte Frauenstimmen erotisch viel mehr in Wallung bringen als zum Beispiel das glockenhelle Tirilieren singender Nervensägen-Sirenen wie Joan Baez. Besagten Essay fand ich hochinteressant, bis ich heute, nach neuerlicher Durchsicht der Werke des Meisters, feststellen musste, dass er gar nicht existiert. Ich habe dieses Buch, wie so manches, das ich in enthusiastischer Nacht verschlang, leider bloß geträumt. Kann jemand aushelfen?
This entry was posted on 18. Juni 2012 at 2:45 PM and is filed under Aus dem Kulturbeutel älterer Jugendlicher. You can subscribe via RSS 2.0 feed to this post's comments.
Schlagwörter: Barack Obama, Bob Dylan, Erotik, heisere Frauenstimmen, Kulturmanager, Politiker-Schelte, Roland Barthes, Semiologie
You can comment below, or link to this permanent URL from your own site.
18. Juni 2012 um 8:26 PM
ich wollte jetzt nicht wieder wortlos davon eilen. Aber, nein, tut mir leid.
Ich hatt mich allerdings in Joan Baez auch schon mal veguckt. ^^
18. Juni 2012 um 11:09 PM
Echt? In Joan Baez? Also mein Traum war Grace Slick von Jefferson Airplane….
19. Juni 2012 um 8:04 AM
Oh weh! Grace Slick? Ich fürchte, Magister, mit diesem Bekenntnis hast Du Dich jetzt doch noch weit an die Spitze der etwas wackeligen und fast greisenhaft hüftsteifen Opas aus dem letzten Jahrtausend katapultiert.
And now for something completely different: „Sport- Kultur- und Veranstaltungsmanagement“ kann der geneigte Strizzi-Aspirant in meiner Geburtsstadt Kufstein an der dortigen Fachhochschule studieren. Damit wird man auch heute noch zu einer tristen Mischung aus Werbefuzzi, Schmierenanimateur, Stadtmarketingidioten und professioneller Labertasche diplomiert.
Niemals nicht ändert sich nichts je wirklich…
19. Juni 2012 um 8:32 PM
oke ^^
19. Juni 2012 um 2:15 PM
@cbx: Nun ja, Joan Baez ist mal grade zwei Jahre jünger als Grace Slick, die übrigens immer noch eine beeindruckende Frau ist…
19. Juni 2012 um 3:37 PM
Turnpädagogik? In Verbindung mit Mittelhochdeutsch?