Stammtischstumpfsinn
Herrenabend im Punsch-Club. Schwer zu sagen, wer das aufgebracht hatte, aber plötzlich stand das Wort in der jäh verstummenden Runde: Einen Blumenstrauß für Winnetou! – Weil ich ihm am nächsten saß, hörte ich Klaus Nüchtern, unseren Bedenkenträger, murmeln: „Echt, das ist ja wohl so passend wie Ehrensold für’n Schnäppchen-Prinzen!“, aber die Stimme der Vernunft verlor sich im aufbrandenden Beifall. „Mit Fleurop! Mit Fleurop!“ jubelte man, „für die Rothaut soll es rote Rosen regnen…“ – „…und weiße Primeln aus Athen!“ ergänzte Alfons Läpple, der schon etwas hinüber war. Einser-Jurist Mangold erhob sich schwankend, um ein Rechtsgutachten abzugeben. Rein rechtlich, also de jure praktisch – er blickte uns streng über die fensterlose Lesebrille an – sei gegen das Bukett-Projekt nichts einzuwenden, zumal der Apatschen-Häuptling vor seinem Hinscheiden noch Christdemokrat geworden sei. „Konfitüre für den Konvertiten!“ krähte ein namenloser Beisitzer, der nicht mehr bei Sinnen war. Ein unernster Abend!
Etliche Punsch-Runden später kamen wir aber doch noch auf die flanellgraue Ex-Eminenz zu sprechen. Läpple mimte, einen Teller mit Schnittchen vor sich her balancierend, den Laienlakaien von Schloss Großkotzwedel, dienerte albern vor Mangold herum und hüstelte dazu: „Euer Ehren, Ihr Gnadenbrot!“ – Mangold machte uns bereitwillig den Wulff und schnarrte „Gehmse her, gehmse her, Mann! Meine Gier kennt keine Grenzen, ich verhehle sie nicht, denn ich bin für Transparenz!“ Meines Erachtens übertrieb er allerdings ein bisschen, als er dann genüsslich die Salami-Schnittchen durchzählte und mit behaglichem Schmunzeln in seine Brieftasche stopfte, aber wir waren ja auch nicht mehr ganz nüchtern. „Was? Was?“ schreckte Klaus aus seinem Sekundenschlaf auf. „Sag mal rasch Apatschen-Apanatschis Abschieds-Apanage“ wurde er aufgefordert und kam dem fehlerlos nach, sogar dreimal. Kein Problem für Klaus Nüchtern!
Aus vager Karl-May-Film-Nostalgie erwuchs dann noch eine wirre Erörterung, ob man nicht statt „dieser doofen Nazi-Ohrfeige Klarsberg“ (Läpple) lieber Uschi Glas nominieren sollte, „meine erste Onaniervorlage“, wie Mangold stolz errötend verkündete. „War das nicht Uschi Nerkes?“ warf ich ein. „Nee, warte mal, stimmt ja, das war Uschi … Obermaier“ korrigierte sich Mangold versonnen. „Egal! Alle Uschis ins Hotel Bellevue!“ gröhlte Läpple entfesselt aus der Sitzgruppenecke, „jetz is Pussier-Polka unn Puppen-Polonäse!“ – Das Niveau also definitiv im Sinkflug. Punsch-Stammtisch-Stumpfsinn – auch ein Wort, das, mehrmals rasch hintereinander gesprochen, zu Entgleisungen führen kann.
Der eintreffenden Polizei bot sich am Ende ein erschreckendes Bild: fünf erwachsene Akademiker in Wollsocken, die sich wankend aneinander klammerten und gickelnd versuchten, synchron zu steppen und dabei a capella das Lied „Bettina, pack bitte deine Bürste ein“ zu intonieren. – Das befreiende Gelächter der Ordnungshüter ließ lange auf sich warten.
This entry was posted on 4. März 2012 at 4:46 PM and is filed under Die Banalität des Blöden: Zur Semiologie des Alltags. You can subscribe via RSS 2.0 feed to this post's comments.
Schlagwörter: Apachen-Häuptling, Apanatschi, Christdemokrat, Ehrensold, Uschi Glas, Uschi Nerkes, Uschi Obermaier, Winnetou, Wulff
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4. März 2012 um 5:37 PM
Seit langen Tagen endlich wieder eine Wortmeldung von Kraska.
4. März 2012 um 7:06 PM
Im Prinzip ist es mir ja egal, wer in Bellevue den Grüßonkel gibt. Eine Kandidatur von Uschi Glas hätte ich allerdings befürwortet, ist sie doch nicht ganz so alt wie der aktuelle Kandidat, höchstwahrscheinlich nur halb so selbstgefällig, sieht besser aus, gibt nicht den Demokratielehrer, und ihr langjähriger Einsatz für Kosmetikprodukte spricht für eine ordnungsgemäße Körperhygiene.
4. März 2012 um 7:10 PM
Tja, das wär ein Rennen: Lederstrumpf gegen Zauselkönig!
4. März 2012 um 7:38 PM
Für mich wäre Apanatschi die Präsidentin der Herzen. Frage mich, warum man nicht gleich Kardinal Meisner nominiert hat.
4. März 2012 um 9:00 PM
Die Uschiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii – nein, Danke.
Der Ausflug ins linke Milieu bei „Zur Sache, Schätzchen“ war wohl eher der jugendlichen Naivität geschuldet. Danach hat sie sch ja vor allem als glühend Verehrerin von FJS geoutet. Da nützt auch die beste Apachen- und Gutmenschen-Kosmetik nichts mehr.
5. März 2012 um 9:56 AM
*beifallnick*
6. März 2012 um 11:59 AM
Fettes Liedgut, btw.