Tragikotzteske
Tragikotzteske? Aber wie soll man das denn nennen, wenn man etwas irre komisch findet, was einen zugleich total traurig macht und das außerdem im Grunde abgrundtief zum Kotzen ist? Gestern die Nachrichtenbilder aus Nordkorea: Das Volk in Klage-Brigaden angetreten zum Heulen und Haareraufen. Einerseits musste ich lauthals lachen, angesichts der unfaßbar laienhaft, fast schon subversiv schlecht gespielten Pappmaché-Trauer in Reih & Glied, die ungefähr so authentisch wirkte wie die geschminkten Warenprachtattrappen, die der Gesalbte Große Führer so unermüdlich zu besichtigen pflegte. Was muss er verehrt worden sein, dieser kümmerliche bebrillte Nacktmull in seiner durchfallfarbenen Popeline-Uniform! Ein Volksvorbeter warf sich sogar auf die Knie und hämmerte mit den Fäustchen auf den Marmorboden eines Platzes ein, wahrscheinlich um als vorbildliches Klageweib groß rauszukommen!
Andererseits wurde mir ganz schwer ums Herz, dass ein stolzes Volk mit eindrucksvoll alter Hochkultur sich derart verblöden und demütigen lassen muss, um kollektiv den Affen zu machen für diesen miesen Wicht, Mörder und Folterfürsten, dem jeder anderthalbte Mensch auf Erden die Pest an den Hals gewünscht hat. Man fremdschämt sich leise seufzend und gruselt sich. Himmel, strahlender Azur! War das zum Speien!
Dabei, beseligende Dialektik des Irrsinns, es besteht gar kein Anlass zu großer Trauer, denn siehe: Es ward ein Nachfolger geboren! Ein Reichsverweser! Kim Jong Un, der feiste Punk im Mao-Anzug, ein schwer mopsiges Diabetes-Mondgesicht, von dem die Geheimdienste greinen, sie wüssten nichts über ihn. Stimmt doch gar nicht! Wie die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur vermeldet, wurde diese Made in Eigenspeck „vom Himmel geboren“! – Schade, dass er nicht vom Himmel gefallen ist – ein Fettfleck im Stadtzentrum von Pjöngjang wär doch ein hübsches Befreiungsdenkmal. (Mir ist gerade aufgegangen, wie wahnsinnig politisch Joseph Beuys’ „Fettecke“ damals gewesen ist, und wie prophetisch.)
Man muss sich das Foto von dem Knilch mal richtig anschauen – ein Meditationsbild! Nein, vielmehr ein Suchbild! Wo nur hat man je eine solche plump arrogante, blickdicht dumpfe, fischkalt fiese, verschlagene Killer-Fresse schon mal gesehen? Ach ja, der Türsteher von der Shanghaier Triaden-Bar „Zur Goldenen Wasserfolter“, stimmt, der sah so ähnlich aus. Ich weiß, Vater Lavaters gute alte Physiognomik steht nicht mehr hoch Kurs. Aber diese Visage? Kommt, Leute, ehrlich, jetzt mal in echt!
Angeblich ist der Mongo-Molch in der Schweiz ausgebildet worden. Fragt sich, in was. In Geld-Verstecken? Tausend Taschenmesser-Torturen? Schoko-Wettfressen? – Ach, ich merke, ich echauffiere mich. Du sollst nicht unflätig werden, heißt es in der Bibel. Schließlich besteht kein Anlass zur Hochmut: Wir Deutsche wissen ja, was es heißt, einem Irren zu folgen. Aber gleich eine Dynastie draus machen? Bei der Himmelssturzgeburt vom Hl. Kim-Vater sollen zwei Regenbogen am Himmel gestanden haben. In Braunau am Inn war es ein riesiges Hakenkreuz. Auf Zeichen des Himmels ist Verlass. Wenn man sie denn zu deuten wüsste.
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Schlagwörter: Kim Jong Un, Nordkorea, Physiognomik
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20. Dezember 2011 um 11:12 PM
Phantastischer Text! Der hat uns die Kotztüte nach den Nachrichten erspart …
1. April 2013 um 12:13 PM
Leider, leider liest man dergleichen klarsichtige und wunderbar erregte Schilderung über die Diktatur der armen Schweine selten. Ich möchte Dir, lieber Beschreiber der Dinge dort, warm die Hand schütteln über so viel präzise politische uncorrectness! Die ist wohl von Nöten, wenn man sich mit Gangstern dieser megalomanischen Dimension befassen muss. Danke! Darf ich es mir ausdrucken und in meinen Sammelhefter North Korea tun?? D.h. ich mache es eh gleich – bei mir ab jetzt die Nr. 1 wenn es um die Beschreibung jenes „Un-Staatswesens“ geht. Mit innigen Grüßen: Michael B. Butter unter michaelbutter@web.de
1. April 2013 um 12:16 PM
Danke. Irgendwie verschlägt einem der Irrsinn inzwischen die Sprache, oder?