Aus dem Tagebuch eines Insomnikers (Unternehmens-Rater)
Heute wieder unruhige Nacht. Bei Hochsommer im Mai ja kein Wunder. Extrem langweiligen Traum gehabt: War mit meiner Ex-Frau (Ex seit 20 Jahren!) in Moskau. An einer belebten Trambahn-Haltestelle stiegen wir versehentlich in einander entgegenlaufende, jeweils hoffnungslos überfüllte Züge, sodass wir uns umgehend aus den Augen verloren. Quälende Frage (im Traum) – was jetzt tun? Aussteigen und auch in die entgegensetzte Richtung fahren? Aber wenn sie nun wiederum das gleiche ebenfalls tut? Dann verpassen wir uns ja wieder! Ausweglose Zwickmühle mit Ex-Frau erinnert mich an Samuel Becketts glorioses Dilemma: »Ein Mann liegt im Bett und möchte schlafen. Eine Ratte ist hinter der Wand, an seinem Kopfende, und möchte sich bewegen. Der Mann hört, wie die Ratte sich rührt, und kann nicht schlafen, die Ratte hört, dass der Mann sich rührt, und wagt nicht, sich zu bewegen. Sie sind beide unglücklich, einer rührt sich, und der andere wartet, oder beide sind glücklich, die Ratte bewegt sich und der Mann schläft.« – Ich denke, dass sie denkt, das ich denke, dass sie… usw. – Des weiteren (im Traum) tagelang ziellos durch Moskau gelaufen, das ein bisschen aussah wie Gütersloh oder Pinneberg. Meine Ex-Frau schließlich vor einem Moskauer Schnellgericht wieder getroffen. Man machte mir heftige Vorwürfe, was ich extrem ungerecht fand. (Warum kann denn die blöde Kuh nicht in den richtigen Zug steigen? Warum ist das denn meine Schuld?!)
Im Traum (?) dennoch depressiv geworden, weil ich immer alles falsch mache. Zerknirscht über meine heillose Unverbesserlichkeit nachgedacht; ein bisschen geweint.
Nach schlafloser Nacht des Morgens mit viel adstringierendem Rasierwasser ein frisches Gesicht gezaubert, weil Besuch angekündigt war: die Polizei! Mensch, alles ist anders als früher: Eines Polizisten ansichtig, werfe ich nicht mehr mit Steinen oder ergreife die Flucht, sondern biete mit vorzüglicher Hochachtung Kaffee und stilles Wasser an! Der Wille zur Kooperation blitzt mir aus den bürgerlich gebügelten Knopflöchern! Geradezu freundschaftliches Gespräch mit dem uniformierten Drei-Sterne-General; er kam in vollem Ornat, als Geddo-Spezialist (zum Glück kein uninformierter Ununiformierter!) mit Schirmmütze und kleidsamen Sterne-Applikationen auf den Schultern.
Spielten dann zusammen Unternehmens-Rater: Was das wohl für ein Unternehmen sei, das neuerdings in meiner Ex-Stammkneipe residiere? Die Gäste kommen im Minuten-Takt, bleiben aber immer nur wenige Augenblicke im Lokal. Vielleicht, weil es da gar nichts zu trinken gibt? Wir Geddo-erprobten Kriminalisten kamen auf ein passendes Gewerbe und waren uns einig: Das wird ein Drogerie-Markt sein! Wieder stellte sich, diesmal in echt, die Frage: Und was jetzt tun? Der Mann will schlafen, die Ratten wollen sich bewegen. Ein Uniformträger kann ja nun schlecht in einen Coffee-Shop gehen und nach Gras fragen. Die sagen glatt, Gras wär grad aus! (Die Lösung des Problems wird aus ermittlungstaktischen Gründen nicht verraten!) Hoffe jetzt auf Razzien, weil, die finden bei uns im Viertel immer mit vollem Einsatz statt, mehr Bewaffnete als bei den Bad Segeberger Karl-May-Festspielen, Schwarzvermummte mit MPs usw., wie im Fernsehen. Wenn ich’s fotographiert kriege, lasse ich alle teilhaben! Großes Indianer-Ehrenwort!
Habe dem Beamten, leutselig geworden, überflüssigerweise noch gebeichtet, dass ich vor dreissig Jahren selber gekifft hätte; unsicher, ob das schon verjährt ist, hab ich vorsichtshalber hinzugefügt, ich hätte das Zeug aber nie vertragen. Und das stimmt wirklich! Andere hatten von Dope & Gras die herrlichsten Bewusstseinsexaltationen, lediglich mir wurde nur schlecht, dann wurde ich schläfrig und am Ende hatte ich tierischen Hunger. Wegen solcher Effekte eigens teure Drogen zu konsumieren, halte ich heute für unökonomisch. Habe eben gelernt, mit meiner Behinderung zu leben (THC-Unverträglichkeit).
Sonst an der panisch japanisch-spanischen Front alles ruhig. Still schmelzen die Kerne, und die Gurken gurken halt vor sich hin, oder, um mit Lewis Caroll („Alice im Wunderland“) zu sprechen: Sie rottern gorkicht im Gemank. – Sind wir noch zu retten? Wir sind ja die Prügelknaben des Erdballs: Man ascht mit seinen Vulkanen auf uns herum, schickt uns Fisch-Stäbchen, die im Dunklen leuchten und eine EHECrise haben wir auch noch! Wie es in Kommentarspalten gerne heißt: „Armes Deutschland!“
Der Tag ist rum. 23.00 Uhr, und noch immer 26° C. Ein afrikanischer Wind weht. Ist DAS der Grund, warum GERADE JETZT soviel Schwarze auf der Straße sind? Eine Frage, die ich ohne Polizei klären muss. Genauso wie das Problem, ob das Schlafgesetzbuch mir für heute erholsamen Nacht-Schlaf annonciert. Nach der doofen Moskau-Tour wär das mehr als gerecht. Na ja, zur Not nehme ich mir einen richtig teuren, guten Schlafverteidiger, wie der wüste Kachelmann, der ja bis morgen (und danach, wie es aussieht, mangels Beweisen ohnehin) als unschuldig zu gelten hat.
Liebes Tagebuch, entschuldige: So viele Fragen, so wenig Antworten. Und apropos Drogen: Aus Serbien-Montenegro avisiert man mir eine frisch eingetroffene apotheken-frische Lieferung Viagra. Soll ich zuschlagen? Ach egal, ich mach eh alles falsch! Nur blöd, dass ich deswegen nicht schlafen kann… Ich seh schon, dieser Text findet keine Pointe. Tut mir leid, Ihr Lieben! Wieder ein ereignisreicher Tag, an dem nichts passiert ist. Aber wenn mal echt was los ist, Leute! Dann seht Ihr hier Sterne splittern! Bis dahin: schlafbedürftig, Euer Magister K.
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31. Mai 2011 um 10:02 AM
Du wärst prädestiniert, die erste deutsche 24/7-Rating-Agentur zu etablieren. Das atheistische Mazedonien und Großserbien würden Listenführer mit A++. Muslemimien liefe außer Konkurrenz und das Ruhrgebiet wäre als autonome Enklave eine Art Tigerstaat (zumindest der zum Niederrhein gehörige Teil).
Übrigens würde ich Dir bezüglich der klandestinen Kooperation mit der Exekutive Exkulpation zusprechen. Depressive Schlaflosigkeit ist unheilbar, leider.
31. Mai 2011 um 11:48 AM
Armer Mann! Von Ex-Frauen träumen. Na hoffentlich war die gute nicht aus Moskau sondern aus DU, dann können Sie sich mit der Gewissheit trösten das sie jetzt ist wie HIER… Damals waren ihre Exaltäten lustig und extravagant. Heute sind die nur noch CINDY.
31. Mai 2011 um 11:11 PM
Bietest Du auch Kurse zur Ausbildung als Unternehmens-Rater an? Da würde ich mich doch glatt ins ferne Duisburg begeben und einen solchen mit meiner persönlichen physischen Anwesenheit abwerten.
Die Qualifikation könnte ich für Hobby (Verbrecherjagd) und Beruf (was unternehmen unsere Kunden wohl als Nächstes?) sehr gut gebrauchen.
Wenn Du Dich übrigens das nächste Mal von Nachthitze geplagt in ferne Orte träumst, so empfehle ich Shenzhen. Als ich dort zuletzt zu Traume war (realiter nämlich noch nie), sah’s dort aus wie in Alpbach. Und das ist zwar schrecklich kitschig aber auch irgendwie „schön.“ Und Tram gibt’s dort auch keine…
31. Mai 2011 um 11:24 PM
Vielleicht konzipieren wir mal gemeinsam ein Seminar über Traumdeutung & Unternehmensrätsel? – Die Teilnahmegebühren wären natürlich exorbitant, und wir könnten davon eine Kreuzfahrt nach Gütersloh oder eine Tra(u)mreise nach Alpbach finanzieren?