Pizza, Fußball & ägyptische Italiener


Ägyptischer Pizza-Teller

Ungewöhnlich warmer Frühlingsabend heute. Es groovt greifbar. Im Viertel riecht es betäubend, teils nach gemähtem, teils nach gerauchten Gras; Grill-Schwaden mäandern, der Flieder duftet, desgleichen die Mädchen, die heuer wieder eminent gut gewachsen sind, Kopftuch hin oder her. Die Tamilen spielen Krickett im Park oder Volleyball im Hof; die von mir politisch unkorrekt so genannten. Reggae-Neger sind bereits alle auf der Straße und üben ihren hoch-musikalischen Gang. Cool running. Vor lauter berauschtem Vormichhinradeln und urbanem Atmosphärengenuß vergesse ich übers Patroullieren glatt, mein abendliches  Diätbreichen zu kochen, und, was schwerer wiegt, auch noch, daß heute der FC Bayern in Lyon spielt. – Oh, oh! Jetzt aber schnell! Hunger UND Eile!

Spontan, was so viel heißt, wie: in Panik, beschließe ich einen Diätbruch. Wenn schon Mangel an compliance, dann aber richtig, also Ferttich-Pizza! Aber wo jetzt, bei wem und welche? Die Frage bei uns in der Nachbarschaft lautet dabei konkret: Wer sind die besten Italiener? Die Inder, die Tamilen, die Pakistani, die Marrokkaner oder die Ägypter?

Ich entscheide nach oberflächlicher Sympathie: „Mimmo“ war ein berüchtigter Mafia-Killer, der am Ende wieder katholisch wurde und seine Auftragsmorde beweinte wie ein  kalabresisches Krokodil. Besser spät, als nie, oder? Also okay, va bene, Mimmo. Freilich, die Italiener, die hier in der „Pizzeria Mimmo“ rasch, effizient und präzise agieren, sind allesamt Pharaonen-Söhne. Im Lokal weht an die Wand genagelt die rot-weiß-schwarze Fahne.  Im Fernsehen läuft das Bayern-Spiel, übertragen vom Kairoer Fernsehen. Man sei, so erklärt mir Kemal mit charmantem Lächeln, zwar durchaus auch in der Lage, auch dem deutschen Kommentar zu folgen, fände aber den ägyptisch-arabischen spannender. Ich muß dem zustimmen: Wer einmal einen schon in der 8. Minute ultrahocherregten ägyptischen Kommentator hat „Sch’huua-wwh’ein-staige’rrrrrrch“ hat intonieren hören, dem ist selbst Marcel Reif bloß ein Schnarchsack.

Also eine mittlere Napoli mit Tonno und Kapern. Noch heiß und knusprig, als ich den DBVT-Stecker ins Notebook einstöpsele und Wein (weiterer Diätbruch, jetzt ist schon alles egal!) eingieße. Eine tadellose Pizza, stelle ich fest, während ich wohlwollend registriere, daß die Bayern inzwischen bereits 1:0 führen. Ein kritischer Gedanke, des Inhalts, daß Pizza ja nun wohl definitiv das langweiligste Thema der Welt ist, schießt mir durch den Kopf. Kann sein. Trotzdem, wenn er’s mal sein muß, will man wissen, wohin. Ich schlage vor: „Mimmo“.

Die ägypytischen Jungs sind multitasking-fähig: Sie können gleichzeitig auf arabisch ins Handy palavern, Fußball gucken, mit Kunden plaudern, kassieren und zudem anscheinend recht leckere Pizza backen. Ich bin nicht ganz sicher – hat Ägypten sich für die WM in Südafrika qualifiziert? (Ich glaube, schon…) Wenn ja – ein Fußball-Spiel guck ich auf jeden Fall in der „Pizzeria Mimmo“: Das bißchen Arabisch lern ich bis dahin!

Bayern siegt 3:0. Die Pizza ist vertilgt. Ein Rest Wein ist noch da. Der Tag endet befriedigend.

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5 Kommentare - “Pizza, Fußball & ägyptische Italiener”

  1. Uffnik Says:

    Aufregender Abend für Dich und eine klasse Milieu-Studio für die Leser.
    Analog-Käse und Digital-Salami machen halt den Unterschied.


  2. […] This post was mentioned on Twitter by bayern4ever. bayern4ever said: Pizza, Fußball & ägyptische Italiener « Kraskas Staunmeldungen http://bit.ly/bhmnbT #fcb […]

  3. joulupukki Says:

    Über Dubai TV im Netz konnten Wassily und ich dereinst auch schon mal ein VfB Spiel mit herrlichem arabischen O-Ton verfolgen. Der arabischen Pizza wollten wir denn doch nicht so vertrauen – gekocht haben wir dabei lieber selbst – aber als Sportkommentatoren: einsame Spitze!

  4. eichiberlin Says:

    Lieber Kraska, Du vermagst es, längst verdrängte Momente der Vergangenheit hervorzurufen. Es muss nun neun Jahre her sein, als ich der Stadt Bangkok nicht gewachsen war. Die Tuk-Tuk-Fahrer haben mich geschafft. Statt zu den Tempeln, fuhren sie mich zu Schneidern und Juwelenhändlern. Ich war zu blöd für diese Stadt.

    Erschöpft am Abend, vermochte ich nicht mehr das Hotel zu verlassen und bestellte eine Suppe, deren Schärfe mir den letzten Fetzen Denkvermögen verbrannte. Dreimal musste der Zimmerservice Reis nachbringen. Zur Ablenkung zappte ich durch die Sender Südostasiens und siehe da: man liebt dort den Bundesliga-Fußball. Zwei Kommentatoren waren schier euphorisiert von der Partie München gegen Rostock. Viel mehr als „Kahn, Scholl, Hansa Lostock“ habe ich zwar nicht verstanden, aber irgendwie hat es sehr sehr gut getan. Am nächsten Tag habe ich endlich Tempel gesehen….

    • 6kraska6 Says:

      @ eichi: So ist denn wohl Sport bzw. Fußball doch dasjenige, was unsalle global irgendwie verbindet? Und ich hab das nicht glauben wollen…


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